Spruch:
Die Normen der Klagsänderung sind auf die Parteiänderung nicht anwendbar.
Entscheidung vom 2. Oktober 1969, 2 Ob 236/69.
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Mit der am 25. April 1969 erhobenen Klage begehrte die Klägerin (Sozialversicherungsträger) von Philomena B., Hausfrau in T. 144, als Alleinerbin nach dem verstorbenen Ernst B. den Ersatz von Leistungen, die sie aus Anlaß eines Unfalles ihres Versicherungsnehmers Konrad S. erbrachte. Mit dem Leistungs- verband sie ein Feststellungsbegehren.
Philomena B. sandte die ihr zugestellte Klage samt Ladung zur Ersten Tagsatzung an das Erstgericht mit der Mitteilung zurück, daß nicht sie die Witwe nach Ernst B. sei, sondern Johanna B., wohnhaft in S.
67.
Am 7. Mai 1969, dem Tag des Einlangens des Schreibens der Philomena B. beim Erstgericht, stellte die Klägerin mittels Schriftsatzes den Vornamen, den Beruf und die Adresse der Beklagten in "Johanna B., Fabriksarbeiterin, S. 67" richtig und beantragte, Klage und Ladung unter dieser Adresse zuzustellen.
Das Erstgericht bewilligte die Richtigstellung der Bezeichnung der beklagten Partei.
Dem Rekurs der Johanna B. gab das Rekursgericht Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß in der Weise ab, daß es den Richtigstellungsantrag abwies. Es handle sich nicht um eine Berichtigung der Parteibezeichnung, sondern um eine Parteiänderung. Ein derartiger Austausch verschiedener Rechtssubjekte sei unzulässig. Daran ändere auch die Bezeichnung sowohl der Johanna B. wie der Philomena B. als Alleinerbin nach Ernst B. nichts, weil der auf die Erbeneigenschaft hinweisende Zusatz nur als Angabe des Gründes für die Inanspruchnahme der Genannten zu werten sei. Die von der Klägerin angestrebte Richtigstellung sei als unzulässige Parteiänderung keine Klagsänderung im Sinn des § 235 ZPO. und diese Bestimmung nicht anwendbar. Daher sei Johanna B. auch berechtigt, sich gegen die Richtigstellung zu wehren, obwohl diese schon vor der Zustellung der Klage an sie und somit vor Eintritt der Streitanhängigkeit vorgenommen worden sei. Ein Rechtsschutzinteresse sei der Johanna B. zuzubilligen, zumal im Fall der Zulassung der Parteiänderung die gegen Johanna B. laufende Verjährungsfrist verlängert werden könnte.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das von der zweiten Instanz bejahte, vom Revisionsrekurs bestrittene Rechtsschutzinteresse der Johanna B. besteht schon darin, daß sie sich dagegen wehren können muß, daß eine gegen eine andere Person eingereichte Klage als gegen sie gerichtet behandelt wird und daß eine Streitfrage aufgeworfen wird, die nicht besteht, wenn die Klage neu eingebracht wird.
Das Rekursgericht hat überzeugend dargetan, daß es sich vorliegend nicht um die Richtigstellung der Bezeichnung der beklagten Partei, sondern um eine beabsichtigte Parteiänderung, also darum handelt, daß an die Stelle des bisher als Prozeßpartei betrachteten Rechtssubjektes ein anderes treten soll. Die Richtigstellung der Parteibezeichnung kann nicht dazu mißbraucht werden, eine andere Person, die tatsächlich nicht geklagt wurde, in den Prozeß hineinzuziehen. Ein Parteiwechsel ohne Zustimmung der bisherigen Prozeßparteien und der neu eintretenden Partei ist - abgesehen von im Gesetz geregelten Fällen (vgl. die Zusammenstellung bei Fasching, Kommentar zu den ZP-Gesetzen II S. 102) - nicht zulässig (4 Ob 129/53). Die Normen der Klagsänderung sind auf die Parteiänderung nicht anwendbar (Pollak, System[2], S. 184). Da die Klägerin nur unter der unzutreffenden Annahme einer bloßen Richtigstellung zu dem Ergebnis kommt, daß die Bestimmungen des § 235 ZPO. betreffend die Klagsänderung anzuwenden seien und ihr Vorgehen daher berechtigt gewesen sei, sind ihre diesfälligen Ausführungen bedeutungslos.
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