OGH 2Ob586/88

OGH2Ob586/887.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***

H*** DES S*** reg. Genossenschaft mbH,

Innrain 95, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Walter Hausberger, Rechtsanwalt in Wörgl, wider die beklagte Partei Dr. Franz P***, Rechtsanwalt, Maria-Theresien-Straße 42, 6020 Innsbruck, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei V*** DER Ö*** B***

V***-AG, Praterstraße 1-7, 1021 Wien, beide vertreten durch Herbert Hillebrand und Dr. Walter Heel, wegen 162.469,58 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 3. Mai 1988, GZ 1 R 71/88-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 3.Dezember 1987, GZ 11 Cg 150/87-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt wie folgt zu lauten hat:

Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 162.469,58 S samt 10 % Zinsen seit 16.3.1987 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 15.097,50 S (darin Umsatzsteuer von 1.372,50 S, keine Barauslagen) und dem Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei die mit 13.587,75 S (darin Umsatzsteuer von 1.235,25 S, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens in erster Instanz sowie der beklagten Partei die mit 19.322,30 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin Barauslagen von 8.000 S und Umsatzsteuer von 1.029,30 S) und die mit 16.793,05 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von 10.000 S und Umsatzsteuer von 617,55 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Zuge der Errichtung einer Wohnhausanlage der Klägerin in Innsbruck übernahm die Stadtgemeinde Innsbruck die Herstellung einer Hausanschlußleitung zur Hauptwasserleitung. Durch unsachgemäße Vorgangsweise der Stadtgemeinde Innsbruck kam es dabei zu einem Bruch der Hauptwasserleitung, wodurch Wasser in den Bau der Klägerin eindrang und dort Schaden verursachte.

Der Beklagte wurde von der Klägerin bevollmäcthigt und beauftragt, ihre Forderungen gegenüber der Stadtgemeinde Innsbruck vorbehaltlos geltend zu machen.

Der Beklagte brachte namens der Klägerin am 16.April 1981 zu 5 Cg 202/81 des Landesgerichtes Innsbruck gegen die Stadtgemeinde Innsbruck eine auf Zahlung von 64.211,60 S sA gerichtete Klage ein, in der darauf hingewiesen wurde, daß noch weitere erhebliche Reparatur- und Schadensbehebungskosten zu erwarten seien. Das Klagebegehren wurde in diesem Rechtsstreit auf die §§ 364 ff ABGB gestützt. In diesem Rechtsstreit vereinbarten die Streitteile in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17.November 1981 Ruhen des Verfahrens, um die Bereinigung nicht nur der in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche der Klägerin, sondern ihrer gesamten Forderung zu besprechen.

Am 23.November 1981 richtete der Beklagte an den Vertreter der Stadtgemeinde Innsbruck folgendes Schreiben:

"Sehr geehrter Herr Kollege!

In der Prozeßsache G*** H*** DES

S*** - Stadtgemeinde Innsbruck nehme ich höflich bezug auf

das Verhandlungsergebnis vom 17.11.81.

Folgende Schadensrechnungen sind von meiner Partei bezahlt worden:

1) Schlußrechnung Fa. S*** v.31.3.81 S 471.361,60

2) Rechnung Fa.E*** v.14.4.81 S 211.787,46

3) Rechnung Fa. R*** v. 24.1.81 S 102.262,93

4) Rechnung TÜV v. 9.3.81 S 1.038,40

5) Rechnung Fa.K*** v.30.3.81 S 11.072,88

6) Rechnung Stadtwerke v.15.11.80 S 583,86

7) Honorarrechnung R.B*** v.4.5.81 S 7.493,--

8) Rechnung Fa. R*** v.30.6.81 S 9.864,80

9) Rechnung Fa. U*** v.24.7.81 S 88.397,34

10) Rechnung Fa. S*** v.10.11.81 S 8.425,20

S 912.287,47

Darüber hinaus sind eingeklagt und bezahlt folgende Rechnungen:

11) Rechnung Fa. D*** v.18.11.80 S 3.369,60

12) Rechnung Fa. H*** v.31.10.80 S 22.290,20

13) Rechnung Fa. D*** v.31.12.80 S 3.551,80

14) a cto. Zahlung Fa.S*** S 35.000,--

Hinzu kommen die Auslagen des

Siedlerbundes anläßlich des Wasser-

schadens, die mit 5 % der Schadens-

summe errechnet werden, das sind 5 %

v. S 976.499,07 = S 48.824,95 +

8 % Mwst. S 52.730,95

insgesamt S 1,029.230,02

Ich bitte, auch zu berücksichtigen, daß in der Klage 12 % Zinsen seit Klagszustellungstag geltendgemacht wurden, die auch vollinhaltlich von meiner Partei zu bezahlen sind, wie sich aus den auf dieser Liegenschaft EZl. 1150 II KG Hötting eingetragenen Kreditunterlagen des ÖCI ergibt.

Ich ersuche nunmehr hinsichtlich dieser Forderung, zu der auch noch die in meiner Kanzlei auferlaufenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten kommen, um Ihre umgehende Stellungnahme und darf bitten, mir bis zum 15.12.1981 Nachricht zukommen zu lassen. Mit vorzüglicher kollegialer Hochachtung Dr.P***". Da eine Regulierung jedoch nicht erfolgte, wurde das Verfahren 5 Cg 202/81 des Landesgerichtes Innsbruck fortgesetzt. Das Klagebegehren wurde in dritter Instanz mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 15.Juni 1983, 1 Ob 16/83, abgewiesen. Mit Schreiben vom 15.März 1983 teilte der Beklagte dem Vertreter der Stadtgemeinde Innsbruck den Gesamtschaden aus dem Wassereintritt mit 1,023.958,72 S mit und ersuchte, abzüglich des streitverfangenen Betrages von 64.211,60 S den Betrag von 959.747,12 S samt 12 % Zinsen bis 30.März 1983 zu bezahlen.

Da eine Regulierung nicht erfolgte, brachte der Beklagte namens der Klägerin am 20.Oktober 1983 zu 5 Cg 553/83 des Landesgerichtes Innsbruck gegen die Stadtgemeinde Innsbruck eine Klage ein, mit der er aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes die Zahlung von 1,071.414,78 S sA begehrte.

Während nun die Klägerin in diesem Verfahren mit 1,030.205,52 S zuzüglich Zinsen aus 928.907,55 S für 31.März 1983 von 10,75 %, vom 1. April bis 14.Juli 1983 von 10,25 %, vom 15.Juli bis 25.Oktober 1983 von 9,25 % sowie aus 1,029.230,02 S vom 26.Oktober 1983 bis 11. März 1985 von 9,25 % und aus 1,030.206,52 S seit 12.März 1985 von 9,25 % durchdrang, wurde das Zinsenmehrbegehren von 12 % aus 64.211,60 S vom 2.Juli bis 25.November 1981, 12 % aus 1,029.230,02 S vom 16.Dezember 1981 bis 7.Juni 1982, 11,75 % aus 1,029.230,02 S vom 8. Juni 1982 bis 13.Jänner 1983, 10,75 % aus 1,029.230,02 S vom 14. Jänner bis 30.März 1983, 10,75 % aus 100.322,50 S am 31.März 1983, 10,25 % aus 100.322,50 S vom 1.April bis 14.Juli 1983 und von 9,25 % aus 100.322,50 S vom 15.Juli bis 25.Oktober 1983 mit der Begründung abgewiesen, weder die Zustellung der auf den Titel des nachbarschaftsrechtlichen Anspruches gestützten Klage zu 5 Cg 202/81 des Landesgerichtes Innsbruck noch das Schreiben des Beklagten vom 23. November 1981, dem eine Zahlungsaufforderung nicht zu entnehmen sei, habe den begehrten Zinsenlauf auslösen können. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte nun die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 162.469,58 S sA im wesentlichen mit der Begründung, der Beklagte sei von ihr als ihr Rechtsfreund im November 1981 mit der Einbringlichmachung ihrer Schadenersatzansprüche gegenüber der Stadtgemeinde Innsbruck beauftragt worden. Mit seinem Schreiben vom 23.November 1981 seien die Schadenersatzansprüche dem Gegner mitgeteilt, jedoch mangels Zahlungsaufforderung nicht fälliggestellt worden. Es sei daher zur Abweisung eines erheblichen Teils des Zinsenbegehrens im Vorprozeß gekommen, wodurch der Klägerin ein Schaden in der Höhe des Klagsbetrages entstanden sei.

Der Höhe nach ist die Klagsforderung nicht strittig. Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, es sei richtig, daß er im November 1981 Ansprüche der Klägerin gegenüber der Stadtgemeinde Innsbruck geltend machen sollte, nachdem bereits vorher ein "Testprozeß" über einen Teilbetrag von 64.221,60 S begonnen worden sei. Mit seinem Schreiben vom 23.November 1981 sei diese Geltendmachung erfolgt, wobei im Vorprozeß das Erstgericht den Inhalt dieses Schreibens für ausreichend zur Fälligstellung der Ansprüche der Klägerin gegenüber der Stadtgemeinde Innsbruck erachtet habe, das Gericht zweiter Instanz jedoch nicht. Die Bekämpfung des Berufungsurteils im Zinsenpunkt sei ausgeschlossen gewesen. Den Beklagten treffe kein Verschulden an dem Zinsenverlust der Klägerin. Sein Standpunkt, daß sein Schreiben vom 23.November 1981 genügt habe, um den Zinsenlauf in Gang zu setzen, sei zumindest vertretbar.

Die Nebenintervenientin auf Seiten des Beklagten führte im wesentlichen aus, der Handlungsweise des Beklagten liege eine vertretbare Rechtsansicht zugrunde. Mit seinem Schreiben vom 23. November 1981 seien die Ansprüche der Klägerin gegen die Stadtgemeinde Innsbruck fälliggestellt worden. Aus diesem Schreiben ergebe sich mit der Bekanntgabe der Schadenersatzansprüche der Klägerin der Höhe nach kein Zweifel daran, daß auch dem Grunde nach Ersatz begehrt worden sei, wenngleich eine wörtliche Zahlungsaufforderung gefehlt habe. Zwischen den Parteien des Vorprozesses hätten Vergleichsverhandlungen zur Erledigung der gesamten Schadenersatzansprüche der Klägerin geführt werden sollen, weshalb auch das Verfahren zu 5 Cg 202/81 des Landesgerichtes Innsbruck zum Ruhen gekommen sei. Jedenfalls sei in der Bekanntgabe der Forderung durch den Beklagten gegenüber der Stadtgemeinde Innsbruck eine außergerichtliche Mahnung im Sinne des § 1334 ABGB zu sehen und wäre damit auch die Fälligstellung dieser Forderung erfolgt.

Das Erstgericht gab, abgesehen von der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung eines geringfügigen Zinsenmehrbegehrens, der Klage statt.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Beide Vorinstanzen gingen von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus.

Das Erstgericht beurteilte ihn rechtlich im wesentlichen dahin, daß ein Zinsenlauf gegenüber der Stadtgemeinde Innsbruck weder durch die Klagszustellung im Verfahren 5 Cg 202/81 des Landesgerichtes Innsbruck ausgelöst worden sei noch durch das Schreiben des Beklagten vom 23.November 1981. Dieses Schreiben enthalte lediglich ein Ersuchen an die Stadtgemeinde Innsbruck, zur Schadensaufstellung Stellung zu nehmen. Eine Zahlungsaufforderung sei erstmals im Schreiben des Beklagten vom 15.März 1983 enthalten, auch dort allerdings nicht hinsichtlich des Teilbetrages von 64.211,60 S. Das Schreiben des Beklagten vom 23.November 1983 stelle keine Einforderung dar. Es fehle insbesondere eine Zahlungsaufforderung. Der Beklagte wäre jedoch verpflichtet gewesen, namens der Klägerin den Schädiger aufzufordern, eine ziffernmäßig bestimmte Leistung zu erbringen.

Dem Beklagten sei eine Verletzung seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht vorzuwerfen, weil er nicht alle Mittel angewendet habe, welche gemäß § 1009 ABGB die Natur des Geschäftes notwendig erfordert hätte. Der Beklagte hafte gemäß § 1299 ABGB für die Sorgfalt eines Sachverständigen und Rechtsanwalts, also für jedes Verschulden, wobei es genüge, daß überhaupt die Möglichkeit eines schädlichen Erfolges von der Art des wirklich eingetretenen vorhersehbar gewesen sei. Die Handlungsweise des Beklagten beruhe auf einer unvertretbaren Rechtsansicht. Es bestehe eine gesicherte Spruchpraxis zu den Erfordernissen der Fälligstellung einer Schadenersatzforderung. Das schuldhafte Verhalten des Beklagten verpflichte ihn zur Schadenersatzleistung.

Das Berufungsgericht führte rechtlich im wesentlichen aus, die Vorgangsweise des Beklagten, nämlich die Verfassung eines besonders höflichen und verbindlichen Schreibens an einen Gegner seiner Partei bzw. dessen Anwalt, mit dem bereits ein Zivilprozeß geführt worden sei, verstoße, wenn dabei die Aufforderung zur Zahlung sofort oder binnen einer zu setzenden Frist unterlassen worden sei, gegen die aus § 1299 ABGB erfließenden Verpflichtungen eines Anwaltes zur bestmöglichen Vertretung seiner Partei. Die Setzung einer Zahlungsfrist oder die Aufforderung zur sofortigen Zahlung hätte eine Maßnahme dargestellt, die der Beklagte zur Vermeidung eines Schadens seiner Partei, nämlich des hier in Frage stehenden Zinsenentganges, hätte treffen können und müssen, auch wenn diese Maßnahme - auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht über den Eintritt des Verzuges bei einer Schadenersatzforderung bereits mit Bekanntgabe des Forderungsbetrages - möglicherweise gar nicht notwendig gewesen wäre. Wenn auch nur die Möglichkeit bestehe, daß die Fälligkeit ohne Zahlungsaufforderung nicht eintrete, dann habe der Rechtsanwalt, sofern keine Nachteile für seinen Mandanten damit verbunden seien, die für den Eintritt der Fälligkeit erforderlichen Maßnahmen zu treffen, selbst wenn bei nicht eindeutiger Rechtslage die Ansicht vertretbar wäre, die Fälligkeit wäre ohnedies mit Bekanntgabe der Ansprüche "zur Stellungnahme", jedoch mit detaillierter ziffernmäßiger Bekanntgabe der Einzelansprüche eingetreten.

Diese Überlegungen hätten freilich nur dann zu gelten, wenn das Schreiben des Beklagten vom 23.November 1981 nicht hingereicht habe, um die sofortige Fälligkeit der Klagsforderung des Vorprozesses, soweit in diesem Schreiben geltend gemacht, herbeizuführen. Der vom Berufungsgericht in dem zu 5 Cg 553/83 des Landesgerichtes Innsbruck geführten Vorprozeß vertretenen Rechtsmeinung werde zwar beigetreten, doch würden in Lehre und Rechtsprechung keineswegs einheitliche Ansichten darüber vertreten, welche Voraussetzungen für den Eintritt der Fälligkeit bzw. den Beginn des Verzuges einer Schadenersatzforderung erfüllt sein müßten. Es erscheine damit als eine erhebliche und nicht ausjudizierte Frage, ob über die Bekanntgabe der Schadenersatzforderung mit detaillierten ziffernmäßig bestimmten Teilansprüchen hinaus eine Zahlungsaufforderung zum Eintritt der Fälligkeit und des Verzuges erforderlich sei oder ob allenfalls eine ziffernmäßige Bekanntgabe der Schadenersatzforderung "zur Stellungnahme" ebenfalls zum Eintritt des Verzuges bereits hinreiche.

Das Berufungsgericht komme daher im Ergebnis zu einer Bestätigung des Urteiles des Erstgerichtes, bejahe aber gleichzeitig die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, die Revision des Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der von der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht aus den vom Berufungsgericht dargestellten Gründen gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig und auch sachlich berechtigt.

Es entspricht Lehre und ständiger Rechtsprechung, daß im Sinne des § 1299 ABGB der Rechtsanwalt den Mangel des notwendigen Fleißes und der erforderlichen nicht gewöhnlichen Kenntnisse seines Berufes zu vertreten hat. Dabei dürfen allerdings die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht auch eines Rechtsanwalts nicht überspannt werden;

es können von ihm nur der Fleiß und die Kenntnisse verlangt werden,

die seine Fachgenossen gewöhnlich haben. Übertriebene Anforderungen,

die über den Durchschnittsstandard vergleichbarer Fachgenossen

hinausgehen, dürfen auch bei einem Rechtsanwalt nicht gestellt

werden (siehe dazu Strasser in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 1012, und

Reischauer, ebendort, Rz 2 zu § 1299 und die dort angeführte

Judikatur; 8 Ob 593/87; 8 Ob 645/87 ua). In ständiger Rechtsprechung

wird die Haftung des Rechtsanwalts gegenüber seinem Klienten

verneint, wenn diesem ein Schaden entstand, der darauf

zurückzuführen ist, daß ein an sich vertretbarer Rechtsstandpunkt

des Rechtsanwalts, zu dem sich bisher noch keine Spruchpraxis der

Gerichte gebildet hatte, in der Folge von den Gerichten nicht

geteilt wird (EvBl 1963/336; EvBl 1977/238; SZ 54/98 ua). Gewiß

wurde in der vom Berufungsgericht zitierten zu 6 Ob 784/82

ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ausgeführt, daß

der Rechtsanwalt dann, wenn sich ihm die Frage stellt, ob er zur

Vermeidung eines Schadens seines Mandanten eine Maßnahme zu treffen

hat, die keinen Nachteil mit sich bringen kann, diese Maßnahme zu

ergreifen hat, auch wenn sie auf Grund einer vertretbaren

Rechtsansicht möglicherweise nicht notwendig ist. Jedoch auch dieser

Grundsatz ist unter der eingangs dargestellten Voraussetzung zu

sehen, daß es nämlich auch der nach § 1299 ABGB an die Tätigkeit des

Rechtsanwalts anzulegende Sorgfaltsmaßstab nicht gestattet, von ihm

über den Durchschnittsstandard vergleichbarer Fachgenossen

hinausgehende Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwarten.

Unter diesen Gesichtspunkten ist im vorliegenden Fall zu

beurteilen, ob dem Beklagten deswegen ein haftungsbegründendes

Verschulden anzulasten ist, weil er es unterließ, seinem Schreiben

vom 23.November 1981 eine ausdrückliche Zahlungsaufforderung

beizufügen, was dazu führte, daß das Berufungsgericht im Vorprozeß

dieses Schreiben als nicht genügend erachtete, um die Fälligkeit der

behaupteten Schadenersatzforderung und den Beginn des Laufes von

Verzugszinsen herbeizuführen. Eine Möglichkeit der Bekämpfung dieser

Rechtsansicht des Berufungsgerichtes bestand nicht, weil gegen die

abändernde Entscheidung des Berufungsgerichtes über das

Zinsenbegehren die Revision nicht zulässig war. Es ist hier nicht

die Richtigkeit oder Vertretbarkeit dieser Rechtsansicht des

Berufungsgerichts zu untersuchen, sondern nur die Frage zu lösen, ob

dem Beklagten wegen der Unterlassung einer ausdrücklichen

Zahlungsaufforderung in seinem Schreiben vom 23.November 1981 im

Sinne der einleitenden Rechtsausführungen ein haftungsbegründendes

Verschulden anzulasten ist.

Dies ist entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen

Rechtsmeinungen zu verneinen.

Nach ständiger Rechtsprechung entsteht der Anspruch auf Verzugszinsen (§ 1333 ABGB) aus einer Schadenersatzforderung erst mit der Einforderung (Einmahnung) eines ziffernmäßig bestimmten Schadens durch den Geschädigten (SZ 41/79; SZ 44/42; SZ 45/37; SZ 54/119 uva). Der Grund dafür liegt in erster Linie darin, daß der Schädiger zumindest im Normalfall die Höhe des Schadens, dessen Ersatz er leisten soll, gar nicht kennt, bevor er ihm vom Geschädigten ziffernmäßig bestimmt bekanntgegeben wurde. Deshalb wurde in der Rechtsprechung wiederholt das Schwergewicht auf die ziffernmäßige Bestimmung des Schadens durch den Geschädigten gelegt (SZ 41/79; SZ 44/42 ua). Im übrigen ist die in den §§ 1334 und 1417 ABGB erwähnte Einmahnung an keine bestimmte Form gebunden. Es handelt sich bei ihr um eine empfangsbedürftige Erklärung (JBl. 1960, 255), aus der sich erkennen lassen muß, daß der Gläubiger die Leistung fordert (4 Ob 536, 539/75). Daß dies nur im Fall eines ausdrücklichen - allenfalls

befristeten - Zahlungsbegehrens zutrifft, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Gerade bei einer Schadenersatzforderung ist nicht recht erkennbar, warum sie der Gläubiger dem Schuldner ziffernmäßig bestimmt bekanntgeben sollte, wenn er nicht ihre Zahlung verlangte. Im vorliegenden Fall war, als der Beklagte sein Schreiben vom 23. November 1981 an den Vertreter der Stadtgemeinde Innsbruck übermittelte, zwischen dieser und der Klägerin ein Rechtsstreit anhängig, in dem die Klägerin bereits in der Klage die Geltendmachung umfangreicher Schadenersatzforderungen angekündigt hatte. Wenn der Beklagte nun in seinem Schreiben vom 23.November 1981 diese Schadenersatzforderung mit insgesamt 1,029.230,02 S bezifferte, dann konnte er wohl davon ausgehen, daß daraus unter den gegebenen Umständen für seinen Gegner erkennbar war, daß er namens seiner Klientin den Ersatz dieses Betrages aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes forderte, wenn auch in seinem Schreiben eine ausdrückliche Zahlungsaufforderung nicht enthalten war. Zumindest wäre in einer derartigen Beurteilung des Beklagten ein ihm nach den einleitenden Rechtsausführungen als Verschulden vorwerfbarer Sorgfaltsverstoß nicht zu erkennen.

Mangels eines solchen Sorgfaltsverstoßes des Beklagten erweist sich aber das Klagebegehren als unberechtigt.

Es waren daher in Stattgebung der Revision des Beklagten die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens in erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf den §§ 41, 50 ZPO.

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