OGH 5Ob100/88

OGH5Ob100/8813.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Dipl.Ing. Kuno L***, Mieter, 1180 Wien, Semperstraße 41, vertreten durch Mag. Walter K***, Sekretär der Mietervereinigung Österreichs, 1180 Wien, Gentzgasse 45, dieser vertreten durch Dr. Rainer Brachtel, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1) Olga K***, Hauseigentümerin, Michaela Straße 7, 1180 Wien, und 2) Helga Z***, Hauseigentümerin, 1180 Wien, Semperstraße 41, beide vertreten durch Dr. Herbert Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 13 MRG (§ 45 MRG), infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28. April 1988, GZ 41 R 194/88-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 28. Dezember 1987, GZ 4 Msch 60/86-16, als nichtig aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Sachbeschluß vom 28. Dezember 1987 hatte das Erstgericht festgestellt, daß die Antragsgegner als Vermieter durch Vorschreibung eines Erhaltungsbeitrages einschließlich gesetzlichen Hauptmietzins von monatlich S 781,-- anstelle von S 520,43 in der Zeit vom 1. März 1982 bis 31. Jänner 1984 und von S 866,20 anstelle von S 547,47 in der Zeit vom 1. Februar 1984 bis 30. November 1984 gegenüber dem Antragsteller als Mieter der Wohnung top Nr. 2 in Wien 18, Semperstraße 41, das gesetzliche Zinsausmaß überschritten hätten. Das Erstgericht hatte die anderen Mieter dieses Hauses durch Anschlag im Haus zwar von den für den 2. Oktober 1986 und 1. Oktober 1987 angeordneten Tagsatzungen zur mündlichen Verhandlung verständigt, nicht aber von der für den 4. Dezember 1987 an Ort und Stelle zur Durchführung eines Ortsaugenscheins, bei dem auch eine ins einzelne gehende Erörterung des Sachverhaltes zwischen den Streitteilen stattfand. Es stellt auch seine Entscheidung nicht den anderen Mietern zu.

Aus Anlaß des Rekurses der Antragsgegner hob das Gericht zweiter Instanz den Sachbeschluß des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt als nichtig auf. Nach ständiger Rechtsprechung sei im Verfahren über die Angemessenheit des Erhaltungsbeitrages nach § 37 Abs 1 Z 13 MRG auch den anderen Hauptmietern der Liegenschaft, die weder Antragsteller seien noch im Antrag des Vermieters als Antragsgegner bezeichnet würden, Parteistellung einzuräumen. Diesem Erfordernis habe das Erstgericht nur teilweise Rechnung getragen. Der vom Obersten Gerichtshof vertretene Grundsatz (5 Ob 74/74 unter Bezugnahme von SZ 25/223), daß der im streitigen Verfahren geltende Grundsatz, wonach der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO auch dann vorliege, wenn einer Partei die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, nur bei einem von mehreren Verhandlungsterminen entzogen worden sei, im außerstreitigen Verfahren nicht gelte, müsse doch auf jene Fälle beschränkt bleiben, in denen es den Parteien offen stand, im fortgesetzten Verfahren all das nachzuholen, was sie bei einer früheren Tagsatzung wegen Nichtverständigung nicht hätten vorbringen können. Sei hingegen die Möglichkeit, zur der der Entscheidung vorangehenden Verhandlung zu erscheinen durch Unterlassung der Verständigung hievon entzogen und ihnen auch nicht die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme zu den Verhandlungsergebnissen eingeräumt worden, so stelle dies wegen des im besonderen außerstreitigen Verfahren nach den Mietrechtsgesetz geltenden Neuerungsverbote eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, die mit Nichtigkeitssanktion bedroht sei. Im fortgesetzten Verfahren werde daher das Erstgericht den übrigen Hauptmietern Gelegenheit zum abschließenden Sachvorbringen zu geben haben. Es werde auch eine Zustellung des Sachbeschlusses an die gemäß § 37 Abs 3 Z 2 MRG beizuziehenden Hauptmieter durch Anschlag im Haus (§ 37 Abs 3 Z 4 MRG) zu bewirken und im Falle einer neuerlichen Erhebung eines Rekurses diese zumindest durch Bekanntgabe der Erhebung des Rekurses durch Anschlag zu verständigen haben (§ 37 Abs 3 Z 17 lit c MRG).

Der Rechtskraftvorbehalt sei gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG iVm § 527 Abs 2 ZPO erforderlich, weil die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, inwieweit durch Unterlassung der Ladung der gemäß § 37 Abs 3 Z 2 MRG Parteistellung genießenden übrigen Hauptmieter zu der der Entscheidung unmittelbar vorangehenden Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung Nichtigkeit begründe, vom Obersten Gerichtshof bisher nicht behandelt worden sei. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine Sachentscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Aufhebungsgrund aufzutragen. Die übrigen Mieter seien von Anfang an beigezogen worden und hätten genügend Gelegenheit zu Sachvorbringen und Stellung etwaiger Beweisanträge gehabt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, weil eine ständige Rechtsprechung zur der zum Rekursgericht aufgezeigten Rechtsfrage nicht vorliegt, zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Nach gesicherter Rechtsprechung ist im Verfahren über die Angemessenheit des Erhaltungsbeitrages auch den anderen Hauptmietern der Liegenschaft, die weder Antragsteller sind noch schon im Antrag des Vermieters als Antragsgegner genannt sind, Parteistellung dadurch einzuräumen, daß sie vom Verfahren verständigt werden oder daß ihnen alle Verfahrensverfügungen zugestellt werden und ihnen Gelegenheit zu einem Sachvorbringen im Verfahren erster Instanz geboten wird (SZ 56/152; 5 Ob 105/87 u.a.). Eine Verletzung dieses Grundsatzes bewirkt Nichtigkeit der Entscheidung im Sinne des im Verfahren außer Streitsachen analog anzuwendenden Nichtigkeitsgrundes des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO. Es ist zwar richtig, wie das Rekursgericht in seiner rechtlichen Beurteilung zutreffend ausführte, daß diese zunächst für das streitige Verfahren aufgestellte Vorschrift im Verfahren außer Streitsachen gewissen, sich aus der Besonderheit desselben ergebenden Umständen, Einschränkungen unterliegt (vgl. SZ 25/223).

Dies ändert aber nichts daran, daß in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob im konkreten Fall eine bestimmte gerichtliche Vorgangsweise den Ausschluß einer Partei vom rechtlichen Gehör bedeutet. Dies geschah im vorliegenden Fall, weil das Erstgericht die anderen Mieter, denen Parteistellung zukommt, von der der Entscheidung unmittelbar vorangehenden Tagsatzung, in welcher die wesentlichen Beweisaufnahmen und damit im Zusammenhang die konkrete Erörterung des Sachverhaltes erfolgte, nicht verständigte und ihnen auch in der Folge vor seiner Entscheidung nicht Gelegenheit zur Stellungnahme gab. Die Nichtverständigung der nicht als Antragsteller oder Antragsgegner auftretenden Partei dieses Verfahrens von der genannten Tagsatzung bewirkt daher eine gravierende Verletzung des rechtlichen Gehörs und verwirklicht dadurch den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (vgl. die einen gleichgelagerten Fall betreffende Entscheidung 5 Ob 80/88).

Der Oberste Gerichtshof billigt daher die oben wiedergegebene Rechtsansicht des Rekursgerichtes und die von ihm darausgezogenen Schlußfolgerungen und demgemäß dem Erstgericht erteilten Aufträge, sodaß dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte