OGH 7Ob43/88

OGH7Ob43/8823.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef W***, Kellner, Timelkam, Dr.Karl Renner-Straße 44, vertreten durch Dr. Mag. Alfred Bergthaler, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei V*** DER Ö*** B***,

Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 2., Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr. Gerhard Hoyer, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 68.203,40 s.A., infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 14.September 1988, GZ 13 R 60/88-9, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 22.Juni 1988, GZ 1 Cg 49/88-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt aufgrund einer mit der beklagten Partei abgeschlossenen Kaskoversicherung zunächst die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei für den Unfall vom 22. Juli 1988. Die beklagte Partei macht Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung durch Verwendung des Fahrzeuges mit glattgefahrenen Reifen geltend. Nach Erörterung der Zulässigkeit der Feststellungsklage durch den Erstrichter bei der Tagsatzung vom 13. Mai 1988 (ON 4) änderte der Kläger das Feststellungsbegehren in ein Leistungsbegehren. Die beklagte Partei beantragte, die Klagsänderung nicht zuzulassen und wendete "Verspätung" und Verjährung des Leistungsbegehrens ein.

Das Erstgericht ließ die Klagsänderung zu, weil eine Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen sei. Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung auf. Es sprach aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen ist. Diesen Ausspruch hat das Rekursgericht versehentlich im Sinne des § 519 Abs. 1 Z 3 ZPO formuliert. Aus der Begründung ergibt sich zweifelsfrei, daß das Rekursgericht einen Ausspruch nach den §§ 528 Abs. 2 und 502 Abs. 4 Z 1 ZPO treffen wollte.

Nach der Auffassung des Rekursgerichtes sei Voraussetzung der Zulassung einer Klagsänderung, daß das geänderte Begehren nicht schon von vornherein mit großer Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt sei. Habe die Ablehnung der Ansprüche des Klägers durch das Schreiben der beklagten Partei vom 31.August 1987 den Anforderungen des § 12 Abs. 3 VersVG entsprochen, wäre die Leistungsklage verfristet, weil sie nicht innerhalb von 6 Monaten erhoben worden sei. Die Feststellungsklage hätte nur dann die Ausschlußfrist des § 12 Abs. 3 VersVG unterbrochen, wenn sie Erfolg hätte haben können, was aber mangels eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung nicht der Fall sei. Aus dem Parteienvorbringen ergebe sich zwar, daß die beklagte Partei den Anspruch des Klägers mit Schreiben vom 31.August 1987 abgelehnt habe, es fehlten jedoch Behauptungen darüber, ob es sich hiebei um ein qualifiziertes Ablehnungsschreiben im Sinne des § 12 Abs. 3 VersVG gehandelt habe, und über den Zugang dieses Schreibens an den Kläger. Diese Fragen werde das Erstgericht mit den Parteien zu erörtern haben. Erst wenn diese Fragen geklärt seien, könne abschließend über die Zulässigkeit der Klagsänderung entschieden werden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist berechtigt.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist in der Kaskoversicherung eine Klage des Versicherungsnehmers auf Feststellung der Deckungspflicht des Versicherers immer zulässig, wenn der Versicherer seine Leistungspflicht dem Grunde nach bestreitet, die Höhe des Schadens jedoch nicht außer Streit steht und ein Sachverständigenverfahren nach Art. 16 der Allgemeinen Bedingungen für die Kasko- und Insassenunfallversicherung von Kraftfahrzeugen und Anhängern (AKIB) noch nicht stattgefunden hat (ZVR 1974/60; VersR 1966, 576; JBl 1964, 519; ZVR 1964/230; VersR 1963/175 = SZ 34/171; in diesem Sinn nunmehr auch BGH 16.4.1986, VersR 1986, 675). Da es genügt, wenn sich das rechtliche Interesse aus dem gesamten Parteienvorbringen ergibt (SZ 57/203 ua), und hier die Höhe des Schadens nicht außer Streit steht und nach dem Parteienvorbringen die Nichtdurchführung des Sachverständigenverfahrens nicht zweifelhaft sein kann, bedurfte es, entgegen der Meinung des Rekursgerichtes, keines weiteren Vorbringens des Klägers zur Dartuung seines rechtlichen Interesses. Die Feststellungsklage des Klägers war somit zulässig. Mit der Erhebung der Feststellungsklage wurde dann aber auch eine allenfalls dem Kläger von der beklagten Partei nach § 12 Abs. 3 VersVG wirksam gesetzte Frist zufolge des auf diese Ausschlußfrist analog anzuwendenden § 1497 ABGB (7 Ob 31/86; vgl auch SZ 45/80) unterbrochen, und zwar bezüglich aller künftigen Leistungsansprüche (SZ 39/19 uva). Der vom Rekursgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung bedarf es daher nicht. Daß die Feststellungsklage jedenfalls innerhalb einer dem Kläger allenfalls nach § 12 Abs. 3 VersVG gesetzten Frist erhoben wurde, ist hier nicht strittig und kann auch nicht zweifelhaft sein. Bei Beurteilung der Zulässigkeit der Klagsänderung ist dem Erstgericht darin beizupflichten, daß Klagsänderungen, soweit tunlich, zuzulassen sind. Da hier die Klagsänderung schon knapp nach Beginn des Rechtsstreites beantragt wurde, stünde ihrer Zulassung auch nicht entgegen, wenn das ursprüngliche Klagebegehren ohne weitere Beweisaufnahme hätte abgewiesen werden können (SZ 43/35; SZ 47/49), was aber, entgegen der Meinung der beklagten Partei, ohnehin hier nicht der Fall gewesen wäre. Es kann aber auch keine Rede davon sein, daß das geänderte Begehren schon von vornherein mit großer Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt ist. Auf die Durchführung des Sachverständigenverfahrens kann nach ständiger Rechtsprechung auch konkludent verzichtet werden (SZ 38/138; 7 Ob 48/81 ua). Begehrt, wie hier, der Versicherungsnehmer Leistung und erhebt der Versicherer nicht die Einrede der mangelnden Fälligkeit des Leistungsanspruchs wegen vereinbartem Sachverständigenverfahren, kann dies nicht anders denn als Verzicht auf das Sachverständigenverfahren verstanden werden. Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte