Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruchfaktum II in Ansehung der Druckwerke "Josefine Mutzenbacher: Meine 365 Liebhaber" (13 Stück), und "Josefine Mutzenbacher: Die Lebensgeschichte einer wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt" (12 Stück) sowie demgemäß im Strafausspruch sowie in dem sich auf die beiden genannten Druckwerke beziehenden Verfallsausspruch aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 27. Februar 1960 geborene Geschäftsfrau Silvia P*** des Vergehens nach dem § 1 Abs. 1 lit a und c PornG schuldig erkannt, weil sie am 9. Februar 1987 und am 13. August 1987 in Wien in gewinnsüchtiger Absicht die im Urteilsspruch näher bezeichneten unzüchtigen Druckwerke, Laufbilder und Videokassetten zum Zwecke der Verbreitung vorrätig hielt, anderen anbot und teilweise auch vorführte. Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf die Z 4 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Als Verfahrensmangel im Sinn des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes rügt die Beschwerdeführerin die Abweisung ihrer in der Hauptverhandlung vom 22.März 1988 gestellten Anträge auf Einholung eines demoskopischen Gutachtens eines Meinungsbefragungsinstitutes, auf "Beischaffung der (Ergebnisse der) vom Gallup-Institut, Dr. K***, bereits durchgeführten demoskopischen Befragung über die Akzeptanz der Pornographie in Österreich" und auf Vernehmung eines informierten Vertreters des "Rennbahn-Express", Zeitschriften Verlags GesmbH, sowie der Zeugen Dr.Helga K*** und Dr.Susanne H***-G*** vor allem zum Beweis dafür, daß die Darstellung lesbischer Liebe infolge geänderter Anschauungen in der letzten Zeit nicht mehr der sogenannten "harten Pornographie" zuzuordnen sei (S 109 f).
Bei der hier aktuellen, die Abgrenzung der sogenannten "absoluten" von der bloß "relativen" Unzüchtigkeit betreffenden Auslegung des normativen Tatbestandsmerkmals der Unzüchtigkeit (im Sinn des § 1 Abs. 1 PornG) handelt es sich um eine Rechtsfrage, deren Lösung ausschließlich dem erkennenden Gericht obliegt (EvBl 1971/69 uam), und über die folglich keine Beweise abzuführen sind. Die Frage, ob die im Urteil bezeichneten Magazine, Videofilme etc im Hinblick auf ihren festgestellten Inhalt als harte Pornographie anzusehen oder etwa nur bei Konfrontation mit der Allgemeinheit als unzüchtig zu qualifizieren sind, war daher einer Beweisaufnahme nicht zugänglich (Mayerhofer-Rieder StPO2 Enr 25 ff zu § 118; Enr 124 zu § 281 Z 4).
Wenn desweiteren das Unterbleiben der Einvernahme der Zeugen Univ.Doz. Dr. N.K***, Walter M***, Wolfgang F*** und Werner S*** gerügt wird, so fehlt es schon mangels eines darauf abzielenden Antrages in der Hauptverhandlung (siehe den insoweit eine Protokollberichtigung ablehnenden Beschluß vom 26. Mai 1988, AS 1 e) an den formellen Voraussetzungen zur Geltendmachung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes (Mayerhofer/Rieder StPO2 Enr 1 zu § 281 Z 4).
Rechtliche Beurteilung
Auch den unter der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gegen die Beurteilung der inkriminierten Druckwerke, Videokassetten und Filme als unzüchtig remonstrierenden Beschwerdeausführungen, mit denen sich die Angeklagte ganz allgemein gegen die oberstgerichtliche Judikatur wendet, kann nicht beigepflichtet werden. Zunächst ist festzuhalten, daß der (normative) Begriff der Unzüchtigkeit im Sinn des § 1 Abs. 1 PornG einer den Wertvorstellungen der Gesellschaft entsprechenden, den Schutzzwecken des Gesetzes ebenso wie den Erfordernissen der Rechtssicherheit Rechnung tragenden Auslegung zugänglich ist (11 Os 17/83; Sst 55/14): Soweit die Angeklagte mit der Behauptung eines allgemeinen Auffassungswandels im Sexualbereich, insbesondere von Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzucht, eine neue Auslegung des Begriffes "unzüchtig" anstrebt, ist ihr zu erwidern, daß die Beschwerdeausführungen, die keine Umstände aufzeigen, die nicht auch schon bisher berücksichtigt worden wären, keinen Anlaß bieten, von der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (Entscheidung des verstärkten Senates vom 24. November 1980, 12 Os 111/80, veröffentlicht in EvBl 1981/52, RZ 1981/20, Sst 51/51; 12 Os 55/85; 13 Os 62/86 uam) abzugehen, wonach pornographische Darstellungen von Unzuchtsakten, die entweder - wie insbesondere von Gewaltanwendung gegen Personen begleitete Sexualakte - schon ihrer Art nach verboten sind oder (wie Unzucht mit Personen gleichen Geschlechts) keinesfalls propagiert werden dürfen (§ 220 StGB), absolut (generell - und damit ohne Rücksicht auf den angesprochenen Personenkreis - als unzüchtig zu beurteilen sind.
Mit der Behauptung, der Videofilm "Videorama" Nr O 1018 "Glück geht durch die Hose" und die Magazine "New Cunts 45" und Exzesse XIII "Meisterpinsel" zeigten keine als "harte Pornographie" zu wertenden lesbischen Szenen, ignoriert die Beschwerdeführerin die diese Voraussetzungen erfüllenden Urteilsannahmen, denen zufolge diese Film- und Druckwerke in anreißerisch verzerrter und das Obszöne betonender Weise die bildliche und schriftliche Wiedergabe intensiven gleichgeschlechtlichen Unzuchttreibens lesbischer Art (Darstellung und Beschreibung oraler und manueller Befriedigungshandlungen, wie Lecken des Geschlechtsteils und des Afters, Streicheln und Massieren des Geschlechtsteils etc) enthalten (S 121).
Insoweit erweist sich demnach die Nichtigkeitgsbeschwerde als unbegründet.
Berechtigung kann ihr lediglich in jenem Punkt nicht abgesprochen werden, in welchem unter dem Aspekt eines Feststellungsmangels (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO) die inkriminierten Bücher "Josefine Mutzenbacher: Meine 365 Liebhaber" und "Josefine Mutzenbacher: Die Lebensgeschichte einer wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt" der Kunstgattung Literatur zugeordnet werden, womit unzweifelhaft die Frage releviert wird, ob die genannten Druckwerke als Werke der Kunst zu beurteilen seien. In dieser Hinsicht ist nämlich der angefochtenen Entscheidung nichts zu entnehmen. Ein Eingehen auf diese Frage, und zwar unter Bedachtnahme auf das Grundrecht der Freiheit der Kunst (Art 17 a StGG), war aber schon deshalb indiziert, weil in beiden Druckwerken selbst Mutmaßungen über die Urheberschaft eines anerkannten Literaten (Felix S***) - wenn auch in einem Fall letztlich
ablehnend - geäußert werden (vgl in diesem Zusammenhang auch EvBl 1975/141 sowie Sst 55/14). Der völlige Mangel bezüglicher Feststellungen läßt eine abschließende rechtliche Beurteilung der (nach den Urteilsfeststellungen an sich zutreffend unter den Begriff der sogenannten "harten Pornographie" zu subsumierenden) Texte unter dem Blickwinkel ihrer Rechtfertigungseignung als Kunstwerke nicht zu. In diesem Umfang war daher der Nichtigkeitsbeschwerde stattzugeben und insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.
Mit ihrer durch die Aufhebung des Strafausspruches gegenstandslos gewordenen Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
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