Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die getroffene Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Margarethe A, die in Innsbruck eine Zeitschriftenagentur leitet, des Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit. a und c PornG schuldig erkannt und hiefür zu einer (bedingt nachgesehenen) Geldstrafe verurteilt. Ihr liegt zur Last, am 23.Oktober 1981 in Innsbruck in gewinnsüchtiger Absicht unzüchtige Zeitschriften, und zwar das Magazin "Digest Nr 2" (10 Stück), das Magazin "Digest Nr 1" (2 Stück), das Magazin "Superstud" (2 Stück), das Magazin "International Nr 1" (4 Stück) und das Magazin "Sperma Climax Nr 8" (4 Stück), zum Zwecke der Verbreitung vorrätig gehalten und anderen zum Kauf angeboten zu haben. Nach den Urteilsfeststellungen sind in allen angeführten Druckwerken Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzucht zwischen Frauen und in einem Magazin ("Digest Nr 2") überdies (in zwei Fällen) auch Darstellungen von Unzuchtsakten zwischen einer Frau und einem Tier enthalten, die somit dem Begriff der sogenannten "harten" und daher absolut verbotenen Pornographie entsprechen (S 149, 150 d. A.).
Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 3, 5 und 9 lit. a - der Sache nach auch Z 9 lit. b - des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen den Strafausspruch hat sie Berufung ergriffen.
Rechtliche Beurteilung
Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Nicht im Recht ist die Beschwerdeführerin zwar, soweit sie aus der Z 3 des § 281 Abs.1 StPO (der Sache nach) eine Verletzung der Vorschrift des § 228 StPO mit der Begründung reklamiert, es habe keinerlei Anlaß für den Ausschluß der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung bestanden, weil eine Gefährdung der (öffentlichen) Sittlichkeit nicht zu befürchten gewesen sei, und es sei im übrigen das im § 229 StPO vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten worden. Denn eine Nichtigkeit nach sich ziehende Verletzung des § 228 StPO liegt nur dann vor, wenn die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung sachlich ungerechtfertigt ausgeschlossen wird (Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr 6 zu § 229); davon kann aber im vorliegenden Fall angesichts des durch die Anklageschrift (ON 13 d. A.) umrissenen Prozeßthemas und der damit verbundenen Notwendigkeit, in der Hauptverhandlung den genauen Inhalt der inkriminierten pornographischen Darstellungen erörtern zu müssen, sodaß Gründe der Sittlichkeit (§ 229 StPO) den Ausschluß der Öffentlichkeit geboten haben, nicht gesprochen werden. Die (allfällige) Mißachtung der Formvorschriften des § 229 StPO hinwieder ist vom Gesetz nicht mit Nichtigkeit bedroht (vgl. abermals Mayerhofer-Rieder aaO ENr 6 zu § 229); deren Relevierung aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 3 StPO kommt daher von vornherein nicht in Betracht.
Unberechtigt ist die Beschwerde des weiteren, soweit sie - gestützt auf die Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO - einwendet, die inkriminierten Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzuchtsakte seien nicht als (absolut) unzüchtig im Sinn des § 1 PornG zu werten, weil derartige Betätigungen als solche ihrer Art nach nicht verboten und nicht strafbar seien. Denn wie das Erstgericht zutreffend erkannte, entsprechen diese Darstellungen den Kriterien sogenannter "harter" Pornographie, handelt es sich doch dabei durchwegs um auf sich selbst reduzierte und von Zusammenhängen mit anderen Lebensvorgängen losgelöste, anreißerisch verzerrte Abbildungen von Unzuchtsakten, die jedenfalls nicht propagiert werden dürfen (siehe § 220 StGB) und deshalb als absolut unzüchtig zu beurteilen sind (EvBl. 1977/186 verstärkter Senat; EvBl. 1979/163; EvBl. 1980/115 u. a.m.; vgl. auch Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 Anm. B zu § 1 PornG). Daß derartige Darstellungen eine propagandistische Wirkung (im Sinn einer Massenbeeinflussung und deren Eignung, zur gleichgeschlechtlichen Unzucht anzuregen) aufweisen, ist nach herrschender Rechtsprechung nicht erforderlich; genug daran, daß ihnen eine (nach objektiven Kriterien zu beurteilende) Werbekomponente innewohnt, die bei Druckwerken, um die es sich im vorliegenden Fall handelt, regelmäßig gegeben ist (SSt. 51/51 verstärkter Senat).
Was die vom Gericht als Unzucht mit Tieren und darum als absolut unzüchtig beurteilten Bilder im Magazin "Digest Nr 2" betrifft, bei denen es sich um die zeichnerische Darstellung eines Bären, dessen Zunge die Brust einer nackten Frau berührt, und eines Elefanten, dessen Rüssel anscheinend gegen den Geschlechtsteil einer nackten, auf ihm reitenden Frau drückt, handelt, so ist der Beschwerde zuzugeben, daß diese Abbildungen einen intensiven Körperkontakt im Bereich des weiblichen Geschlechtsteils bzw., eine sexuelle Betätigung oder ein unmittelbar darauf hinweisendes Vorhaben nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen (vgl. hiezu Leukauf-Steininger Nebengesetze 2 ENr 10 und 24 zu § 1 PornG). Damit ist aber für die Beschwerdeführerin in rechtlicher Hinsicht nichts gewonnen. Denn das in Rede stehende Magazin enthält (überdies) in einer ganzen Serie von Bildern im Kapitel "Christa and Lanie" Darstellungen lesbischer Betätigungen, die als absolut unzüchtig zu beurteilen sind; da dieses Magazin unter den hier maßgebenden Aspekten als einheitliches Ganzes anzusehen und daher in seiner Gesamtheit der Beurteilung zu unterziehen ist, kommt der Frage, ob allenfalls einige der darin enthaltenen Abbildungen nicht als unzüchtig zu werten sind, keine Bedeutung zu (Leukauf-Steininger Nebengesetze 2 ENr. 11 zu § 1 PornG).
Berechtigt ist die Nichtigkeitsbeschwerde hingegen insoweit, als sie - nominell gestützt auf die Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO, der Sache nach aber einen Feststellungsmangel im Sinn der Z 9 lit. b der zitierten Gesetzesstelle relevierend - mit Beziehung auf die vom Gericht angenommene Vorwerfbarkeit des ihr zugebilligten (S 154 d. A.) mangelnden aktuellen Bewußtseins des in der Verbreitung von Darstellungen gleichgeschlechtlicher (lesbischer) Unzuchtsakte gelegenen Unrechts das Fehlen zureichender Feststellungen geltendmacht, die im Hinblick auf ihre bezügliche Verantwortung geboten gewesen wären.
Nach den (mängelfrei begründeten) Urteilsannahmen hat die Beschwerdeführerin zwar jene Tatsachen erkannt, die im konkreten Fall das normative Merkmal der (absoluten) Unzüchtigkeit der Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzuchtsakte verwirklichen (S 155, 156 d.A.). Angesichts der damit konstatierten Kenntnis des Bedeutungsinhalts des normativen Tatbildmerkmals der Unzüchtigkeit im Sinn des § 1 PornG (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 7 RN 7) scheidet ein vorsatzausschließender Tatbildirrtum mithin aus. Der von der Angeklagten in ihrer Verantwortung (vgl. insb. S 100 bis 102, 126, 127, 137 d.A.) behauptete Irrtum, den ihr das Erstgericht ersichtlich auch zubilligte (vgl. abermals S 154 d.A.), bezog sich aber - recht besehen - nicht auf diese Bedeutungskenntnis und damit auf den Tatbestandsvorsatz, sondern auf die daraus folgende rechtliche Konsequenz, daß die Verbreitung von Darstellungen gleichgeschlechtlicher (lesbischer) Unzuchtsakte unter allen Umständen als "harte" Pornographie strafbares Unrecht ist, womit aber insoweit ein Rechtsirrtum reklamiert wird (vgl. EvBl. 1980/115), der, sofern er nicht gemäß § 9 Abs. 2 StGB vorwerfbar ist, die Schuld der Beschwerdeführerin ausschließen könnte. Die Prüfung der Vorwerfbarkeit eines in dieser Beziehung mangelnden aktuellen Unrechtsbewußtseins hat dabei stets unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Täters und der Umstände des einzelnen Falles zu erfolgen (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 9 RN 16 aE). Nach Lage des vorliegenden Falles wäre der Angeklagten das (ihr zugebilligte) mangelnde Bewußtsein, daß die Verbreitung von Darstellungen gleichgeschlechtlicher Unzuchtsakte strafbares Unrecht ist, dann vorzuwerfen, wenn sie sich mit der geltenden Rechtslage nicht entsprechend vertraut gemacht hat, wozu sie nach ihrem Beruf als - wenn auch nur unter anderem - mit dem Vertrieb pornographischer Druckwerke befaßte Zeitschriftenhändlerin verpflichtet war; hat sie aber, wie sie behauptet (und worüber das Gericht keine eindeutigen Konstatierungen getroffen hat), Erkundigungen bei kompetenten Stellen eingeholt und sollte sie dabei, abermals ihren Behauptungen zufolge, insoweit eine unrichtige Auskunft erhalten haben, dann könnte ihr der Mangel an aktuellem Unrechtsbewußtsein nicht vorgeworfen werden (vgl. abermals EvBl. 1980/115), sodaß sie nicht schuldhaft gehandelt hätte. Der somit dem angefochtenen Urteil anhaftende, die Schuld der Angeklagten betreffende und von der Beschwerde der Sache nach zutreffend aufgezeigte Feststellungsmangel erfordert somit die Aufhebung des Urteils und die Verweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung, weshalb spruchgemäß zu erkennen war.
Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.
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