OGH 3Ob87/88

OGH3Ob87/8822.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K*** S***, CH-8201 Schaffhausen, Schweiz, vertreten durch Dr. Kurt Görlich und Dr. Elisabeth Görlich, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei Sidonie S***, Angestellte, Hauptstraße 61 b/3, 3001 Mauerbach, vertreten durch Dr. Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 50.000,-- Schweizer Franken, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 9.März 1988, GZ 17 R 44/88-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. November 1986, GZ 50 Nc 380/86-1, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revisionsrekursbeantwortung der betreibenden Partei wird zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der betreibende Schweizer Kanton beantragte die Bewilligung der Fahrnisexekution zur Hereinbringung der vollstreckbaren Teilforderung von sfr 50.000,-- wider die Verpflichtete auf Grund des über ihre Arrestaufhebungsklage nach Abschluß eines Vergleiches ergangenen rechtskräftigen Beschlusses des Kantonsgerichtes Schaffhausen vom 27.April 1982, Nr 6/1982 rs.

Das Erstgericht bewilligte die Exekution am 26.November 1986. Die Verpflichtete erhob gegen den Exekutionsbewilligungsbeschluß, der ihr erst beim Vollzug der Fahrnispfändung am 13.Dezember 1987 zugestellt werden konnte, in der Frist Rekurs und Widerspruch. Sie brachte im Rekurs vor, der im Ausland geschaffene Titel sei nicht rechtskräftig, weil über das Vermögen der Verpflichteten vor dem Konkursamt Schaffhausen ein am 21. Juli 1982 eröffnetes Konkursverfahren abgeführt und ein den vorangegangenen Titel aufhebender Verlustschein ausgestellt worden sei. Sie wendete ein, daß sie über kein neues Vermögen verfüge, und erhob die Einrede nach Art 265 SchKG. Nach dem schweizerischen Schuldbetreibungsrecht könne nach einem Konkursverfahren gegen den Schuldner nur Exekution geführt werden, wenn dieser neues Vermögen erworben habe. Da dieser Einwand der Exekutionsführung entgegenstehe, sei der Titel in der Schweiz und daher nach dem Vertrag vom 16.Dezember 1960 zwischen der Republik und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen BGBl 1962/125 auch im Inland nicht vollstreckbar.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten nicht Folge. Der Beschluß des Kantonsgerichtes Schaffhausen vom 27.April 1982 falle unter Art 5 Abs 1 des maßgebenden Vertrages vom 16. Dezember 1960 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen BGBl 1962/125. Die vorliegende Ausfertigung der Entscheidung enthalte die nach Art 6 Abs 1 Z 2 des Vertrages erforderliche Bescheinigung über die Rechtskraft und ihrer Vollstreckbarkeit. Unabhängig davon, ob das Rekursvorbringen der Verpflichteten als unzulässige Neuerung anzusehen sei, weil immerhin die Publizität des Konkursverfahrens und die Kenntnis der betreibenden Partei vorliege, sei der Rekurs unberechtigt. Die Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels sei am 9. Dezember 1987 und damit nach der Ausstellung des Konkursverlustscheines vom 21.August 1985 bescheinigt worden. Der Verlustschein hebe nach Art 267 SchKG auch dann, wenn er selbständig zur Betreibung berechtige, früher ergangene rechtskräftige Exekutionstitel nicht auf, sondern räume nur den am Konkursverfahren beteiligten Gläubigern nach Art 149 SchKG bestimmte Rechte und Pflichten ein. Der Gläubiger könne sich neben dem Verlustschein auch auf die alte Schuldurkunde berufen. Der Einwand nach Art 265 SchKG, eine neue Betreibung sei unzulässig, weil die Verpflichtete nicht zu neuem Vermögen gekommen sei, könne nicht berücksichtigt werden, weil für die Vornahme und Durchführung der Exekution einer auf Grund ausländischer exekutionsfähiger Akte und Urkunden bewilligten Exekutionshandlung oder Exekution die inländischen Verfahrensbestimmungen der Exekutionsordnung zu gelten haben (§ 85 EO). Im Verfahren über den mit begründetem Rechtsvorschlag anzubringenden Einwand des Schuldners nach Art 25 SchKG gehe es nicht um die Wirksamkeit des Titels, sondern den Umfang der Eintreibbarkeit. Im österreichischen Verfahrensrecht fänden sich keine entsprechenden Regelungen. Mit Rekurs könne der Einwand jedenfalls nicht geltend gemacht werden.

Rechtliche Beurteilung

Diesen bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes bekämpft die Verpflichtete mit ihrem nach § 83 Abs 3 und § 78 EO sowie nach § 528 Abs 2 und § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässigen Revisionsrekurs, dem aber keine Berechtigung zukommt.

Die von der betreibenden Partei erstattete Revisionsrekursbeantwortung ist unzulässig. Wohl sind über § 78 EO die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über den Rekurs anzuwenden, soweit nicht die Exekutionsordnung besondere Anordnungen trifft; doch handelt es sich beim Rechtsmittelverfahren über die Bewilligung oder Verweigerung der Exekution auf Grund eines ausländischen Exekutionstitels weder um einen Fall des § 402 Abs 1 EO noch um einen der im § 521 a ZPO erschöpfend aufgezählten Fälle (Fasching ZPR Rz 1966).

Auch im Verfahren über den Rekurs, der sich gegen die Bewilligung der Exekution auf Grund im Ausland errichteter Akte und Urkunden wendet, gilt das Neuerungsverbot. In bestimmten Fällen eröffnet § 83 Abs 1 EO für neues Vorbringen den Widerspruch (Heller-Berger-Stix 649 f; SZ 55/33; 3 Ob 72/86).

Alle im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Exekutionsbewilligungsbeschluß vorgetragenen Umstände beruhen auf unzulässigen Neuerungen. Wohl kann im allgemeinen ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot mit Rekurs geltend gemacht werden, daß ein im Inland eröffneter Konkurs nicht beachtet wurde, weil die mit dem Anschlag des Ediktes an der Gerichtstafel des Konkursgerichtes eintretende Wirkung des Konkurses ab diesem Zeitpunkt eine gerichtsbekannte Tatsache darstellt (Heller-Berger-Stix 114), doch kann die Eröffnung eines Konkurses im Ausland nicht gleichermaßen als gerichtsbekannter Umstand angesehen werden. Die im Rekurs aufgestellten Behauptungen, im Zuge des Konkursverfahrens im Ausland sei ein Konkursverlustschein ausgestellt worden und die Verpflichtete habe seither neues Vermögen nicht erworben, stellen ebenfalls unzulässige Neuerungen dar, so daß weder darauf einzugehen ist, inwieweit nach schweizerischem Recht eine Konkurseröffnung die Wirksamkeit, Rechtskraft und Vollstreckbarkeit eines vor Konkurseröffnung entstandenen Exekutionstitels beeinflußt, noch darauf, ob die Ausstellung eines Konkursverlustscheines die Wirksamkeit eines früheren Titels berührt, aber auch die Rechtsnatur der im Art 265 Abs 2 und 3 SchKG geregelten Einrede keiner Untersuchung bedarf. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich dabei um eine nach § 85 EO und Art 11 des Vertrages im österreichischen Exekutionsverfahren nicht anwendbare rein vollstreckungsrechtliche Vorschrift handelt oder um eine materiellrechtliche Bestimmung, die auch in einem auf Grund eines ausländischen Exekutionstitels eingeleiteten inländischen Exekutionsverfahren Anlaß für eine Klageerhebung nach §§ 35 f EO geben könnte.

Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Beschränkung der Rechtsverteidigung ist nicht erkennbar. Der Ablauf des Vollstreckungsverfahrens nach schweizerischem Verfahrensrecht unterscheidet sich wesentlich vom Gang des österreichischen Exekutionsverfahrens, in welchem bei Vorliegen eines Exekutionstitels die Exekution in der Regel ohne Einvernahme des Schuldners bewilligt wird, der dann seine Rechte mittels Einstellungsantrages oder Klage nach §§ 35 f EO wahren kann. Nach dem schweizerischen Recht ergeht auf Grund des Betreibungsbegehrens ein Zahlungsbefehl, gegen den der Schuldner einen Rechtsvorschlag erheben kann. Er kann im Rechtsvorschlag auch geltend machen, die betriebene Forderung bestehe nicht zu Recht, worauf im Rechtseröffnungsverfahren als summarischem Urkundenverfahren entschieden wird, ob dem Gläubiger die definitive oder provisorische Rechtseröffnung bewilligt wird. Dagegen kann der Schuldner die einer Klage nach § 35 EO vergleichbare Aberkennungsklage nach Art 83 SchKG erheben (vgl dazu die Hinweise in JABl 1929, 20 und von Amann in AnwBl 1972, 342 sowie Fritsche-Walder3, Schuldbetreibung und Konkurs Bd I ua). Kann ein Schuldner in einem schweizerischen Vollstreckungsverfahren die allenfalls rechtshemmenden Wirkungen des Art 265 Abs 2 SchKG, wonach der Verlustschein die im Art 149 SchKG bezeichneten Rechtswirkungen hat, auf Grund desselben jedoch eine neue Betreibung nur dann angehoben werden kann, wenn der Schuldner zu neuem Vermögen gekommen ist, im Rechtsvorschlag geltend machen, so folgt daraus nicht, daß auch in einem inländischen Exekutionsverfahren dieser der Exekutionsordnung fremde Rechtsbehelf zusteht. Der Umstand könnte nur allenfalls im Wege einer Klage nach §§ 35 f EO oder mit einem Einstellungsantrag nach § 39 EO geltend gemacht werden, womit im Ergebnis der gleiche Rechtsschutz gewahrt bleibt.

Den Erfordernissen des österreichisch-schweizerischen Vollstreckungsvertrages BGBl 1962/125 wurde hier entsprochen. Nach Art 6 Abs 1 dieses Vertrages hat die betreibende Partei 1) eine Ausfertigung oder Abschrift der zu vollstreckenden Entscheidung und

2) eine Bescheinigung über die Rechtskraft und gegebenenfalls über die Vollstreckbarkeit der Entscheidung vorzulegen. Gemäß Art 7 Abs 1 und 2 des Vertrages sind auch gerichtliche Vergleiche vollstreckbar, wenn sie ua den Vorschriften des Art 6 genügen, soweit diese Anwendung finden können.

Im vorliegenden Fall liegt dem Exekutionstitel ein Vergleich zugrunde, den die Streitteile im Rechtsstreit über eine Arrestaufhebungsklage (vergleichbar dem Verfahren auf Aufhebung einer einstweiligen Verfügung nach österreichischem Recht) abgeschlossen haben und in welchem die Verpflichtete es anerkannte, der betreibenden Partei 863.356,10 sfr samt 5 % Zinsen seit 8.1.1982 zu schulden, und der sofortigen Pfändung und Verwertung der vom

Arrest (= Beschlagnahme zu Sicherungszwecken) betroffenen

Gegenstände, ausgenommen gewisse Kompetenzstücke (= unpfändbare

Gegenstände), zustimmte. Dieser Vergleich wurde im Sinn des im Kanton Schaffhausen geltenden Prozeßrechtes (vgl dazu Guldener, Schweiz. Zivilprozeßrecht3 397 Anm 25 und Vogel, Grundriß des Zivilprozeßrechtes 142, 168) mit dem eingangs angeführten Beschluß vorgemerkt.

Der Umstand, daß im gerichtlichen Vergleich die nach österreichischer Auffassung nötige Verpflichtungserklärung fehlt, kann nicht schaden. Gemäß Art 80 Abs 2 SchKG sind auch gerichtliche Schuldanerkennungen einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil gleichgestellt. Nach dem Sinn des Art 7 Abs 2 des österreichisch-schweizerischen Vollstreckungsvertrages muß daher auch der vorliegende gerichtliche Vergleich als ein in Österreich vollstreckbarer Exekutionstitel anerkannt werden (ähnlich für Art 8 des deutsch-schweizerischen Vollstreckungsvertrages Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 201).

Die jetzt im Akt befindliche Ausfertigung des Exekutionstitels, welche die betreibende Partei erst im Rekursverfahren vorlegte, enthält zwar eine Bescheinigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit mit einem Datum, das zeitlich nach der Exekutionsbewilligung des Erstgerichtes liegt. Welche Bescheinigung der ursprünglich vorgelegte Exekutionstitel aufwies, muß aber nicht untersucht werden, weil für den Fall, als hier ein Mangel bestanden haben sollte, dieser schon vor Einleitung eines hier zulässigen Verbesserungsverfahrens (vgl SZ 38/199, SZ 52/160) von der betreibenden Partei behoben wurde. Da jetzt sowohl die Rechtskraft als auch die Vollstreckbarkeit bestätigt wurden, muß nicht zur Frage Stellung genommen werden, ob beide Bescheinigungen bei einem gerichtlichen Vergleich und Vormerkungsbeschluß der vorliegenden Art erforderlich sind. Die von der schweizerischen Behörde erteilte Bescheinigung der Rechtskraft, die nach dem nun von der Verpflichteten behaupteten Konkursverfahren erging, war vom Erstgericht nicht auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO und auf den §§ 40 und 50 ZPO.

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