OGH 1Ob606/88

OGH1Ob606/8815.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma S*** Straßen- und Tiefbau-Unternehmung Aktiengesellschaft, Graz, Gartengasse 17, vertreten durch Dr. Manfred Thorineg, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Firma E***, Erste Liezener Betonwerks-Gesellschaft mbH, Liezen, Selzthalerstraße 14, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Dr. Michael Bauer, Dr. Günter Secklehner, Rechtsanwälte in Liezen, wegen S 278.970,-- samt Anhang infolge außerordentlicher Revision und Rekurses der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 22. Dezember 1987, GZ 5 R 235/87-37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 30. September 1987, GZ 3 Cg 31/86-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 40.688,85 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten S 2.335,35 Umsatzsteuer und S 15.000 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im August 1985 wurden vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung III A, die Arbeiten für die Neuerrichtung der sogenannten "Stiererbrücke" in Schladming ausgeschrieben. Die alte Holzbrücke war abzutragen und eine neue Brücke in Betonbauweise aus Fertigteilen herzustellen. Da die klagende Partei beabsichtigte, ein Anbot zu legen, sie aber Betonfertigteile nicht selbst erzeugt, sondern von speziellen Firmen bezieht, holte sie bei mehreren Unternehmen entsprechende Anbote ein. Der Bereichsleiter der klagenden Partei Edmund S*** fragte bei der beklagten Partei telefonisch um eine Anbotstellung an. Der Sachbearbeiter der beklagten Partei Manfred S*** erklärte, daß er die Ausschreibungsunterlagen bereits besitze und ein Anbot erstellen werde. Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien über Leistungsumfang, Preisansätze, Materialien, Kalkulation und dgl. fanden nicht statt. Die Kalkulation war nicht Gegenstand von Vertragsverhandlungen; sie ist der klagenden Partei gegenüber nicht in Erscheinung getreten und war von ihr als Grundlage für die Willenserklärung der beklagten Partei nicht erkennbar. Das Anbot der beklagten Partei würde der klagenden Partei mit Begleitschreiben vom 2. September 1985 übermittelt. Darin erklärte die beklagte Partei, sie habe sich bemüht, der klagenden Partei einen preisgünstigen Kostenvoranschlag zu erstellen, und hoffe, daß dieser der klagenden Partei entspreche. Das Anbot der beklagten Partei hat folgenden Wortlaut: "Position 1. Herstellen, Liefern und Versetzen eines Stahlbetontragwerkes bestehend aus 6 Elementen laut Plan Nr. 2 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom Juli 1985. Im Preis inbegriffen ist die erforderliche Bewehrung für die Fertigteile, bemessen nach der Brückenklasse I. Bauseits herzustellen sind: Die an den Enden der Fertigteile vorgesehenen 4 Querträger mit den Abmessungen von 50 auf 73 cm und einer Gesamtlänge von 8,50 m. Die liegenden auf den Auflagerbänken weisen nur 10 cm auf, wobei die Rippen ca. 50 cm aus den Fertigteilen herausstehen. Weiters ist der Aufbeton in einer Stärke von 13 bis 15 cm bauseits herzustellen. Die Gesamtkubatur beträgt 15 m3 und die Bewehrung hiefür 1500 kg. Das Ausmaß beträgt 272 m2 und die erforderliche Bewehrung 2200 kg. Diese Maße sind nicht in unserem Preis inbegriffen. Preisfertigteile: 272 m2 a S 1.015 S 276.080. Position 2. Liefern und Montieren von Fertigteilschürzen in einer Stärke von 8 cm und einer Höhe von 50 cm. Einzellängen von 1 - 1,25, jedoch ohne Verfugung. 75 lfm a S 240 S 31.500, Gesamtsumme S 307.580. "Die klagende Partei nahm dieses Anbot der beklagten Partei an, bezog es in ihre eigene Preiskalkulation ein und reichte es gemeinsam mit ihrem Anbot am 4. September 1985 beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung ein.

Nach Anboterstellung wurde die beklagte Partei von einem anderen Unternehmen darauf aufmerksam gemacht, daß entsprechend den Ausschreibungsunterlagen der Steiermärkischen Landesregierung die Bewehrung, also die Stahlarmierung der Betonfertigteile, im angebotenen Preis für die Fertigteile enthalten sei und nicht gesondert verrechnet werden dürfe. Mit Schreiben der beklagten Partei vom 4. September 1985, bei der klagenden Partei eingegangen am 5. September 1985, erklärte die beklagte Partei, daß die erforderliche Bewehrung für die Brückenfertigteile im Gesamtausmaß von 20.432 kg nicht im Einheitspreis inbegriffen sei. Die Bewehrung werde separat mit S 15 je kg abgerechnet. Die klagende Partei antwortete mit Schreiben vom 5. September 1985, daß ihre Anbotserstellung beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung am 4. September 1985 um 11 Uhr erfolgt sei und "somit dieses Schreiben von Ihnen für uns keinen Bezug mehr hat"; es sei der klagenden Partei nicht möglich, beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung eine Korrektur des Anbotes vorzunehmen. Die beklagte Partei möge daher sofort beim Bauherrn vorstellig werden, um eine Änderung ihres Anbotes zu erreichen. Die beklagte Partei unternahm wohl Versuche in diese Richtung, die aber ergebnislos blieben.

Mit Schreiben vom 13. September 1985 forderte die klagende Partei der beklagten Partei auf Grund ihres Anbotes vom 2. September 1985 zur Lieferung der Betonfertigteile an; die Lieferung und die Montage habe so zu erfolgen, daß der Endquerträger bzw. der Aufbeton in der Zeit vom 28. bis 31. Oktober 1985 durchgeführt werden könne. Die beklagte Partei bestätigte am 17. September 1985 den Erhalt der Auftragserteilung, stellte aber fest, daß die Auftragssumme von S 307.580 nicht stimme, da, wie bereits am 4. September 1985 mitgeteilt worden sei, die Bewehrung des Tragwerkes im Preis nicht inbegriffen sei. Es kämen daher noch 20.432 kg Rippentorstahl 50 zu einem Einheitspreis von S 15 pro kg, das seien netto S 306.480, zur Verrechnung. Die Angebotssumme betrage daher netto S 613.960. Die klagende Partei antwortete mit Schreiben vom 19. September 1985, daß sie dem nicht zustimmen könne. Es stehe fest, daß die beklagte Partei auf Grund klarer und ausreichender Unterlagen ein verbindliches Angebot vorgelegt habe, auf dessen Basis die klagende Partei kalkuliert und das sie auch in der Folge verbindlich angenommen habe. Die klagende Partei halte unmißverständlich fest, daß sie, sollte die beklagte Partei den Auftrag nicht ausführen, gezwungen wäre, die Arbeiten anderweitig zu vergeben; sie stelle hiemit eine Nachfrist bis zum 26. September 1985; innerhalb dieser Frist erwarte die klagende Partei die verbindliche Erklärung der beklagten Partei darüber, ob sie den Auftrag im Sinne ihres Anbotes ausführe. Mit Schreiben vom 23. September 1985 teilte die beklagte Partei der klagenden Partei mit, daß sie den Auftrag zu den Vorstellungen der klagenden Partei nicht annehmen könne. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1985 wurde die beklagte Partei von der klagenden Partei in Kenntnis gesetzt, daß sie die Arbeiten nunmehr an die Baufirma N*** vergeben habe, weil die beklagte Partei trotz Nachfrist die Erfüllung des Vertrages abgelehnt habe. Die Firma N***, die die Lieferungen und Leistungen ausführte, stellte der klagenden Partei den Betrag von S 680.374,10 in Rechnung, der klagenden Partei gelang es jedoch, einen Preisnachlaß zu erwirken.

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei die Bezahlung der Mehrkosten des Deckungsgeschäftes von S 278.970 samt Anhang. Nach der Ausschreibung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung sei im Preis für das Herstellen, Liefern und Versetzen eines aus sechs Elementen bestehenden Stahlbetontragwerkes die erforderliche Bewehrung für die Fertigteile inbegriffen. Die klagende Partei habe sich für die Herstellung und den Einbau der Betonfertigteile eines Subunternehmers bedient. Das von der beklagten Partei erstellte Anbot vom 2. September 1985 sei integrierender Bestandteil des Anbotes der klagenden Partei an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung geworden. Die Aufklärung des Irrtums durch die beklagte Partei sei verspätet erfolgt, eine Anbotsänderung beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung sei nicht mehr möglich gewesen. Da die beklagte Partei die Durchführung des ihr erteilten Auftrages abgelehnt habe, habe die klagende Partei unter Zeitdruck diese Arbeiten an die Firma N*** übertragen. Dadurch sei der klagenden Partei ein Nettoschaden von S 278.970 entstanden. Bei dem der beklagten Partei bei der Anbotstellung unterlaufenen Irrtum handle es sich um einen unbeachtlichen Kalkulationsirrtum. Preisunterschiede in dieser Größenordnung kämen bei derartigen Anboten vor.

Die beklagte Partei wendete ein, im Anbot sei zwar festgehalten worden, daß die erforderliche Bewehrung für die Fertigteile im Preis inbegriffen sei, infolge eines Schreibfehlers sei aber der Preis ohne die erforderliche Bewehrung mit S 276.080 angesetzt worden. Es hätte richtig statt "im Preis inbegriffen" "im Preis nicht mitinbegriffen" lauten sollen. Dieser Irrtum habe der klagenden Partei als Adressaten sowohl auf Grund der weiteren Formulierung als auch der betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten auffallen müssen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung traf es die Feststellung, Angebote für Stahlbetonfertigteile unterlägen starken Schwankungen, es seien oft erhebliche Preisunterschiede festzustellen. Während die Kosten für den Beton und den erforderlichen Stahl für alle Fertigteillieferanten in ähnlicher Größenordnung anfielen, seien die Kosten für die Schalungen und den Transport stark unterschiedlich. Dies bedeute, daß ein Fertigteilwerk, das bereits über die erforderlichen Schalungen verfüge, die Fertigteile erheblich billiger anbieten könne. Neben diesen Umständen spielten auch betriebswirtschaftliche Überlegungen des jeweiligen Werkes eine entscheidende Rolle für die Preisgestaltung. Wenn eine vorübergehende geringere Auslastung gegeben sei, lägen die angebotenen Preise erheblich unter dem Durchschnitt. Selbst nach der Aussage des Sachbearbeiters der beklagten Partei Manfred S*** seien die Elemente mit dem eingebauten Stahl zu liefern. Wenn die Bewehrung gesondert verrechnet werden solle, müsse dies vereinbart werden. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß der Anbotsempfänger, vom Fall der Arglist abgesehen, die subjektive Bewertung der angebotenen Leistungen durch einen gewerblichen Anbotsteller als Grundlage dessen Abschlußwillens hinnehmen dürfte, auch wenn das Anbot für den Anbotsteller objektiv nachteilig erscheine. Von den Sonderfällen des Wuchers und der List abgesehen habe der im Wirtschaftsleben auf seinen eigenen Vorteil bedachte Vetragspartner den anderen nicht zu bevormunden. Die beklagte Partei habe im Einklang mit der Textierung dieser Leistungsposition in der Ausschreibung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung klar und unmißverständlich angeboten, daß die Bewehrung der Fertigteilträger, also die erforderliche Stahlarmierung, im Preis inbegriffen sei, also nicht noch gesondert zur Verrechnung gelange. Wenn sie daher bei der Erstellung ihres Anbotes die Kosten für die Erbringung dieser Leistungen falsch eingeschätzt habe, sei darin ein Fehler in der subjektiven Bewertung der Vertragsleistung zu erblicken, der als Motivirrtum unbeachtlich bleiben müsse. Die beklagte Partei sei für die Dauer der Annahmefrist an ihren Antrag gebunden geblieben. Eine Annahmeerklärung durch die klagende Partei habe naturgemäß erst erfolgen können, nachdem das Amt der Steiermärkischen Landesregierung das Anbot der klagenden Partei endgültig angenommen hatte. Der Irrtumseinwand der beklagten Partei sei daher nicht stichhältig. Der Schadenersatzanspruch nach § 921 ABGB sei auf den Ersatz des Nachteiles gerichtet, den der vertragstreue Teil durch das Unterbleiben des Leistungsaustausches erlitten habe. Die Ersatzpflicht richte sich nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechtes. Der beklagten Partei obliege gemäß § 1298 ABGB der Beweis, daß sie an der Erfüllung ihrer vertragsgemäßen Verbindlichkeiten ohne ihr Verschulden verhindert gewesen sei. Der Schaden der klagenden Partei bestehe in der Differenz der Auftragssummen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das gesamte Klagebegehren abwies. Die Revision erklärte es für nicht zulässig. Auf Grund eines ergänzten Beweisverfahrens stellte es fest, der Sachbearbeiter der beklagten Partei Manfred S*** habe irrtümlich einen von einer Schreibkraft zusammengestellten Ausschreibungstext, der üblicherweise für den Verkauf von Kleinfertigteilen verwendet werde, als Anbotstext herangezogen. Tatsächlich habe er aber die Gegenstand des Anbotes bildenden größeren Fertigteile ohne Bewehrung anbieten wollen. Erst durch ein anderes Unternehmen sei er auf die irrtümliche Textierung des Anbotes aufmerksam gemacht worden. Für den Bereichsleiter der klagenden Partei Ing. Edmund S*** sei ein Preisunterschied bis zu 50 % nahezu an der Tagesordnung gewesen. Die Anbote der Mitbewerber der beklagten Partei, der Firma E*** Betonwerke GesmbH und der Firma K***, hätten sich auf S 547.560 und auf S 697.156 zuzüglich Mehrwertsteuer erstellt.

Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, daß kein Motiv-, sondern ein Erklärungsirrtum vorläge. Der Sachbearbeiter der beklagten Partei habe einen von einer Schreibkraft zusammengestellten Ausschreibungstext, der üblicherweise verwendet werde, wenn Kleinfertigteile angeboten würden, dem Anbot zugrundegelegt, tatsächlich habe er die Fertigteile ohne Bewehrung anbieten wollen. Der Irrtum eines Vertragspartners müsse dem Anbotsempfänger dann offenbar auffallen, wenn dessen Erklärungen so geartet gewesen seien, daß sein Kontrahent den Irrtum objektiv bei der im Verkehr üblichen, nach Treu und Glauben vorausgesetzten Aufmerksamkeit hätte bemerken oder wenigstens den Verdacht auf das Vorliegen eines Irrtums hätte schöpfen müssen. Im vorliegenden Fall sei auf die Gesamttextierung des Anbotes und darauf Bedacht zu nehmen, daß an die Aufmerksamkeit von Kaufleuten höhere Anforderungen gestellt würden. Ob dem Vertragspartner der dem anderen Teil unterlaufene Irrtum habe auffallen müssen, lasse sich nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilen. Der Bereichsleiter der klagenden Partei Ing. Edmund S*** hätte schon im Hinblick auf den besonders niedrigen Anbotspreis, selbst wenn für ihn Preisunterschiede bis zu 50 % und stark schwankende Angebote an der Tagesordnung gewesen seien, den Verdacht schöpfen müssen, daß der beklagten Partei bei der Anbotserstellung ein Irrtum hätte unterlaufen sein können. Er hätte daher bei Aufwendung der im Geschäftsverkehr üblichen Sorgfalt unter Berücksichtigung der an die Aufmerksamkeit von Kaufleuten zu stellenden höheren Anforderungen annehmen müssen, daß das Stahlbetontragwerk kaum um diesen von der beklagten Partei angebotenen Pauschalpreis erhältlich sein werde. Das Anbot der beklagten Partei sei daher, selbst wenn es nach der Meinung des Erstgerichtes durch die Annahme perfektioniert worden sein sollte, für die beklagte Partei wegen des unterlaufenen Irrtums nicht verbindlich.

Der Ausspruch des Berufungsgerichtes, daß die Revision nicht zulässig sei (§ 500 Abs 3 ZPO), ist nach § 500 Abs 4 ZPO nicht mit Rekurs anfechtbar. In einem solchen Fall kann das Urteil des Berufungsgerichtes nur mit außerordentlicher Revision bekämpft werden. Der Rekurs der klagenden Partei gegen den Ausspruch des Berufungsgerichtes, die Revision sei nicht zulässig, ist daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision selbst ist zulässig und berechtigt. Die beklagte Partei berief sich in erster Instanz darauf, daß ihr ein Erklärungsirrtum, der sie berechtigt hätte, die Erfüllung zu verweigern, unterlaufen sei. Sie hätte erklären wollen, daß der Pauschalpreis ohne Bewehrung gelte. Infolge eines Schreibfehlers habe sie das Gegenteil erklärt. Es lag daher kein unbeachtlicher Kalkulationsirrtum vor. Bei einer Kalkulation handelt es sich um die Berechnung der Kosten der Leistung und der der Gegenleistung (Rummel, ABGB, Rz 12 zu § 871). Ein bloßer Irrtum in der Kalkulation betrifft daher in der Regel nicht die rechtsgeschäftliche Erklärung selbst, sondern Umstände, die dieser Erklärung vorausgegangen sind (WBl. 1987, 62). Ein Kalkulationsirrtum wäre nur dann anzunehmen, wenn sich die beklagte Partei im internen Bereich bei Ermittlung des Pauschalpreises verrechnet und aus diesem Grund einen irrtümlichen bestimmten Verkaufspreis angeboten hätte (Flume, Das Rechtsgeschäft3 451; Kramer in Münchener Kommentar2 § 119 BGB Rz 72 f). Ein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende unbewußt etwas anderes erklärt, als er erklären wollte (EvBl. 1983/100, Gschnitzer in Klang2 IV/1, 116; Koziol-Welser8 I 116). Die mit dem Willen der beklagten Partei, die die Fertigteile ohne Bewehrung anbieten wollte, nach dem Anbotstext aber mit Bewehrung anbot, nicht übereinstimmende unrichtige Textierung des Anbotes stellt einen solchen nach § 871 ABGB zu beurteilenden Erklärungsirrtum dar. Die Geltendmachung eines Erklärungsirrtums erfolgt entweder durch Klage mit dem Begehren auf Rechtsgestaltung oder durch Einrede im Prozeß (Rummel aaO Rz 19; Koziol-Welser aaO 126; Gschnitzer aaO 136; Ehrenzweig2 I/1, 286). Eine solche Einrede steht dem Irrenden nicht nur dann offen, wenn der andere Teil die Leistungsklage aus dem Vertragsinhalt erhebt, sondern auch dann, wenn der andere Teil die Leistung begehrt, der Irrende sich aber auf seinen beachtlichen Irrtum beruft, die Leistung nicht erbringt und der Vertragpartner in Ausübung seines Wahlrechtes, Erfüllung zu begehren oder vom Vertrag zurückzutreten, den Rücktritt vom Vertrag erklärt und gemäß § 921 ABGB den Nichterfüllungsschaden geltend macht. Jeder Nichterfüllungsschaden entfällt, wenn der Irrende, dem der Vertragspartner mit seiner Rücktrittserklärung der Geltendmachung des Irrtums zuvorkam, mit Wirkung ex tunc (Koziol aaO 124; Ehrenzweig aaO 234), also mit Wirkung vor dem Zeitpunkt des ausgesprochenen Vertragsrücktrittes, den Vertrag wegen Irrtums anficht.

Von den im § 871 genannten drei Fällen, in denen der Geschäftsirrtum beachtlich ist, kommt nur mehr in Betracht, daß der Irrtum der klagenden Partei aus den Umständen offenbar hätte auffallen müssen. Offenbar auffallen muß nach herrschender Auffassung der Irrtum, wenn er bei verkehrsüblicher Sorgfalt erkennbar gewesen wäre oder der Partner wenigstens Verdacht hätte schöpfen müssen (MietSlg. 36.078; SZ 51/144; EvBl. 1967/218; Rummel aaO Rz 16; Gschnitzer aaO 131), der Vertragspartner den Irrtum somit fahrlässig nicht entdeckte (Koziol-Welser aaO 122). Selbst bei Anwendung eines verschärften Sorgfaltsmaßstabes nach § 1299 ABGB, der durch die typischen und objektiv bestimmten Fähigkeiten eines Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises, somit nach dem Leistungsstandard der betreffenden Berufsgruppe, bestimmt wird (SZ 57/140 und SZ 54/13 je mwN), kann der klagenden Partei ein solcher Fahrlässigkeitsvorwurf nicht gemacht werden. Dabei kommt es nicht auf die in der Revision aufgestellten Kriterien an. Maßgeblich sind vielmehr die Feststellungen des Berufungsgerichtes, für den Bereichsleiter der klagenden Partei seien (bei derartigen Ausschreibungen) Preisunterschiede bis zu 50 % nahezu an der Tagesordnung gewesen, sowie die ebenfalls nicht bekämpfte Feststellung des Erstgerichtes, daß Angebote für Stahlbetonfertigteile starken Schwankungen unterliegen und oft erhebliche Preisunterschiede vorlägen; Ursache für solche Preisunterschiede seien die Verfügbarkeiten von Schalungen, betriebswirtschaftliche Überlegungen und eine allenfalls gegebene geringe Auslastung; aus diesen Gründen könnten die angebotenen Preise auch erheblich unter dem Durchschnitt liegen. Gerade in diesem Rahmen bewegte sich das Angebot der beklagten Partei. Dann kann aber der klagenden Partei für die Nichterkennung des Irrtums der beklagten Partei kein Schuldvorwurf gemacht werden. Sie war berechtigt anzunehmen, daß für die beklagte Partei zwingende betriebswirtschaftliche Gründe gegeben seien, die zu einer solchen Anbotstellung geführt hätten. Stand aber der beklagten Partei ein Recht, den abgeschlossenen Vertrag wegen Irrtums anzufechten, nicht zu, erfolgte ihre Leistungsverweigerung zu Unrecht und ist daher auch von ihr im Sinne des § 921 ABGB zu vertreten. Die klagende Partei begehrt daher zu Recht die der Höhe nach unbestrittenen Mehrkosten des Deckungsgeschäftes.

Der erkennende Senat gelangt damit bereits unter Bedachtnahme auf die herrschende Rechtsauffassung zum Ergebnis, daß der beklagten Partei eine Irrtumsanfechtung verwehrt ist, weil der klagenden Partei ein Fahrlässigkeitsvorwurf nicht gemacht werden kann. Es ist daher nicht entscheidungswesentlich, ob man die herrschende Auffassung, daß es für die Irrtumsanfechtung ohne Belang ist, ob dem Irrenden selbst Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (so aber MietSlg. 36.076, SZ 51/144, SZ 36/22, SZ 26/71 ua; Rummel aaO Rz 16, Gschnitzer aaO 132), auch in einem Fall wie dem vorliegenden gelten lassen müßte. Es darf nicht übersehen werden, daß die klagende Partei zwar fachkundig war, aber die beklagte Partei gerade deswegen als Subunternehmerin beschäftigen wollte, weil sie die Spezialistin für solche Tätigkeiten war. Es wäre geradezu ein absurdes Ergebnis, wollte man die beklagte Partei die Irrtumsanfechtung bei eigenem jedenfalls gröberem Verschulden als dem der klagenden Partei auch noch zu einem Zeitpunkt ermöglichen, zu dem die klagende Partei mangels rechtzeitiger Aufklärung des Irrtums der beklagten Partei keine Chance mehr hatte, ihr eigenes, das Anbot der beklagten Partei einbeziehendes Anbot noch zu korrigieren, weil ihr Auftraggeber angesichts der viel höheren Gesamtauftragssumme nicht mehr erkennen hätte müssen, daß eine Teilposition irrtümlich zu nieder angesetzt war. Trotz viel geringeren Verschuldens müßte die klagende Partei also den durch den Irrtum herbeigeführten Schaden endgültig tragen. Die bisherige Rechtsprechung nimmt wohl eher auf den mehr oder weniger hilflosen Irrenden Bedacht, der vor einem Mißbrauch des Irrtums (so ZBl. 1924/121) geschützt werden soll; die Anwendung der in solchen Fällen wohl anzuerkennenden Grundsätze der herrschenden, nicht differenzierenden Auffassung auf Fälle wie den vorliegenden müßte zu sehr unbefriedigenden und daher wohl nicht den Intentionen des Gesetzes entsprechenden Ergebnissen führen. Im übrigen wird wohl auch noch zu prüfen sein, ob entgegen der bisherigen Auffassung das Wort "offenbar" im § 871 Abs 1 ABGB nicht noch darauf hinweist, daß grobe Fahrlässigkeit vorliegen muß (vgl. Reischauer zum ähnlichen Begriff "in die Augen fallen", den er mit "ganz offenkundig" gleichsetzt und als grobe Fahrlässigkeit versteht, in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 928).

Der Revision der klagenden Partei ist Folge zu geben, und das Urteil des Erstgerichtes, wenn auch aus anderen Erwägungen, wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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