Spruch:
Aus Anlaß der Revision wird das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung in einem Senat aufgetragen, in dem alle fachkundigen Laienrichter dem Kreis der Arbeitgeber angehören.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin betreibt in Höfen, Kirchweg 30 das Fremdenheim "Buchenhof". Die Erträge aus der Zimmervermietung stellen für die Klägerin die Haupteinnahmsquelle für die Bestreitung ihres Lebensunterhaltes dar. Sie wohnt selbst im Haus "Buchenhof". Am 27. April 1985 begab sich die Klägerin kurz vor das Haus und hielt sich kurze Zeit im Bereich des Zuganges zum "Buchenhof" auf, dies auch zu dem Zweck, um Nachschau zu halten, ob nicht eventuell ein Feriengast komme. Nach kurzer Zeit ging sie wieder zur Haustüre zurück, trat ca. 2 bis 3 m vor der Haustüre mit dem rechten Fuß auf einen Stein und kippte um, wobei sie sich am rechten Fuß einen Bänderriß sowie eine Verletzung am Sprunggelenk zuzog. Mit Bescheid vom 25. August 1987 sprach die beklagte Partei aus, daß der Unfall vom 27. April 1985 nicht als Arbeitsunfall im Sinn des § 175 Abs. 1 ASVG anerkannt werde.
Das Begehren der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage ist auf die Feststellung gerichtet, daß der Unfall, den die Klägerin am 27. April 1985 vor ihrem Fremdenheim "Buchenhof", Kirchweg 30, 6600 Höfen, erlitten habe ein Arbeitsunfall im Sinn des § 175 Abs. 1 ASVG gewesen sei.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin ab. Der Unfall sei nicht in einem örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung gestanden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorhergegangene mündliche Verhandlung nicht Folge und bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Der Senat des Berufungsgerichtes setzte sich aus drei Richtern und zwei fachkundigen Laienrichtern zusammen, von denen einer (Franz S*** jun.) dem Kreis der Arbeitgeber und einer (Ruppert I***) dem Kreis der Arbeitnehmer angehörte.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht leidet an einer von der Revisionswerberin nicht geltend gemachten Nichtigkeit, weil das Berufungsgericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war.
Die für die jeweilige Rechtsstreitigkeit zuzuziehenden, durch ihre Ladung vom Vorsitzenden bestimmten fachkundigen Laienrichter haben nach § 12 Abs. 1 zweiter Halbsatz ASGG vorbehaltlich des Absatz 3 zweiter Halbsatz dieser Gesetzesstelle je zur Hälfte dem Kreis der Arbeitgeber und dem der Arbeitnehmer anzugehören. Nach der bezogenen Ausnahmebestimmung haben in Streitsachen nach dem GSVG, dem BSVG, dem FSVG, dem Bundesgesetz über die Gewährung der Leistung der Betriebshilfe (des Wochengeldes) an Mütter, die in der gewerblichen Wirtschaft oder in der Land- und Forstwirtschaft selbständig tätig sind, und - wenn der Kläger ein Notar ist - nach dem NVG alle fachkundigen Laienrichter dem Kreis der Arbeitgeber anzugehören.
Der damals für die die Unfallversicherung betreffenden Sozialrechtssachen zuständige neunte Senat des Obersten Gerichtshofes hat in der Entscheidung vom 4. November 1987, 9 Ob S 25/87, eingehend begründet, daß unter den im § 12 Abs. 3 zweiter Halbsatz ASGG genannten Streitsachen nach dem GSVG, nach der klaren Absicht des Gesetzgebers nicht nur Sozialrechtssachen zu verstehen sind, die sich auf die in diesem Bundesgesetz geregelte Kranken- und Pensionsversicherung beziehen, sondern auch solche Sozialrechtssachen, die sich auf die im ASVG geregelte Unfallversicherung ua aller selbständig Erwerbstätigen, die Mitglieder einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft sind, beziehen. Der nunmehr für die Unfallversicherung betreffende Sozialrechtssachen zuständige erkennende Senat teilt diese Rechtsmeinung und deren den mehrfachen Veröffentlichungen der zitierten Vorentscheidung (SSV-NF 1/51; ZAS 1988,
Judikatur Beilage H 2, 7) zu entnehmende Begründung der noch folgende Überlegung angefügt sei:
Das im § 12 Abs. 3 zweiter Halbsatz ASGG erwähnte Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständiger Erwerbstätiger (FSVG) regelt nach seinem § 1 - anders als das Bundesgesetz über die Sozialversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständigen Erwerbstätigen (GSVG) - nicht nur die Kranken- und Pensionsversicherung sondern auch die Unfallversicherung. Nach § 2 Abs. 1 FSVG sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, einige Gruppen im Inland freiberuflich selbständig Erwerbstätiger in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen pflichtversichert. Nach § 3 Abs. 2 leg. cit sind auf die Unfallversicherung der nach § 2 in diesem Versicherungszweig pflichtversicherten Personen die gesetzlichen Bestimmungen entsprechend anzuwenden, die für die Unfallversicherung der gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG teilversicherten Personen gelten. Da in Streitsachen nach dem FSVG auf Grund dessen freiberuflich selbständig Erwerbstätige ua in der Unfallversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen pflichtversichert sind, trotz der diesbezüglichen materiellen Verweisung des § 3 Abs. 2 FSVG auf die für die Unfallversicherung der gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG geltenden Bestimmungen (des ASVG) teilversicherten Personen unbestritten alle fachkundigen Laienrichter dem Kreis der Arbeitgeber anzugehören haben, muß dies kraft Größenschlusses um so mehr in den die Unfallversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen betreffenden Sozialrechtssachen gelten.
Ob der Senat des in erster Instanz entscheidenden Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes nach § 12 Abs. 3 ASGG richtig zusammengesetzt war, kann dahingestellt bleiben, weil die Parteien zur Zeit des allfälligen Verstoßes durch qualifizierte Personen (§ 40 Abs. 1 ASGG) vertreten waren, weshalb eine allfällige unrichtige Senatszusammensetzung nach dem gemäß § 37 Abs. 1 ASGG sinngemäß anzuwendenden § 260 Abs. 4 ZPO nicht mehr berücksichtigt werden könnte (vgl. die schon zitierte E und 9 Ob S 26/87 vom 2. Dezember 1987 Rz 1988/25).
Der bei der in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung erfolgten Entscheidung des Berufungsgerichtes unterlaufene Verstoß gegen § 12 Abs. 3 zweiter Halbsatz ASGG, kann jedoch nicht im Sinne des § 37 Abs. 1 ASGG und des § 260 Abs. 4 ZPO unberücksichtigt bleiben, sondern bildet den aus Anlaß der zulässigen Revision nach den §§ 513 und 471 Z 7 ZPO auch von Amts wegen wahrzunehmenden, nicht geheilten, in § 474 Abs. 1 Z 2 ZPO bezeichneten Nichtigkeitsgrund (Kuderna, ASGG § 37 Erl. 4; Feizinger-Tades, ASGG § 37 Anm. 4; die oben zitierten Entscheidungen).
Das angefochtene Urteil war daher nach den §§ 509 Abs. 1, 513 und 477 Abs. 1 ZPO als nichtig aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung in einem Senat aufzutragen, in dem alle fachkundigen Laienrichter dem Kreis der Arbeitgeber angehören (Kuderna aaO; Feizinger-Tades ASGG § 37 Anm. 10; die oben zitierten Entscheidungen).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.
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