OGH 10ObS12/88

OGH10ObS12/8810.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely und Monika Fischer in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anton K***, ohne Beschäftigung, 4850 Puchkirchen, Pichl 184, vertreten durch Dr. Harry Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei A*** V***, 4840 Vöcklabruck, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Sonderunterstützung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Oktober 1987, GZ 13 Rs 1120/87-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 13. August 1987, GZ 24 Cgs 1101/87-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Republik Österreich ist schuldig, dem Kläger die mit S 1.414,88 (darin S 128,63 Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Hälfteeigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes. Mit Notariatsakt vom 30. Juni 1986 räumte er seiner Ehegattin, die Eigentümerin der anderen Hälfte ist, an dem zu dem Betrieb gehörenden Anteil an einer Liegenschaft auf unbestimmte Zeit das unentgeltliche Fruchtgenußrecht im Sinn der §§ 509 bis 520 ABGB ein.

Der Kläger bezieht von der beklagten Partei seit 1. Jänner 1987 eine Sonderunterstützung gemäß § 1 Abs 1 Z 1 des Bundesgesetzes vom 30. November 1973, BGBl. Nr. 642, über die Gewährung einer Sonderunterstützung an Personen, die in bestimmten, von Betriebseinschränkung oder Betriebsstillegung betroffenen Betrieben beschäftigt waren (Sonderunterstützungsgesetz-SUG). Mit einem als "Mitteilung über den Leistungsanspruch" bezeichneten, am 16. März 1987 bei der beklagten Partei abgefertigten Schriftstück wurde ihm bekanntgegeben, daß "auf Grund der Unterlagen und der gesetzlichen Bestimmungen" die ihm gebührende Leistung mit S 10.275,-- monatlich bemessen worden sei. Aufgrund seines Antrags entschied die beklagte Partei mit Bescheid vom 15. Mai 1987, daß auf die dem Kläger gebührende Sonderunterstützung gemäß § 5 Abs 3 SUG ein monatlicher Betrag von S 607,-- angerechnet wird, weil er seiner Ehegattin das angeführte Fruchtgenußrecht eingeräumt habe. Der Bescheid wurde dem Kläger am 18. Mai 1987 zugestellt. Mit seiner an einem dem Akt nicht zu entnehmenden Tag zur Post gegebenen, am 11. Juni 1987 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm die Sonderunterstützung ohne Anrechnung "eines fingierten Einkommens aus übergebener Landwirtschaft" zu bezahlen. Er vertritt die Ansicht, daß in den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen die Anrechnung nicht vorgesehen sei.

Die beklagte Partei wendete ein, daß die Anrechnung auf Grund des § 292 Abs 8 ASVG gerechtfertigt sei. Diese Bestimmung sei anzuwenden, weil in dem im § 5 Abs 3 SUG erwähnten

§ 292 Abs 4 ASVG hierauf verwiesen werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 292 Abs 8 ASVG sei auf Grund des § 5 Abs 3 SUG bzw. des § 292 Abs 4 lit l ASVG auch für die Berechnung der Sonderunterstützung heranzuziehen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, wobei es sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes anschloß. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei ist rechtzeitig, obwohl sie frühestens am 15. Jänner 1988 zur Post gegeben wurde, die Revision dem Bediensteten des Landesarbeitsamtes, der die beklagte Partei im Verfahren vor den Unterinstanzen vertrat, aber schon am 10. Dezember 1987 zugestellt worden war. Hiedurch wurde jedoch die Frist zur Beantwortung der Revision nicht in Gang gesetzt, weil gemäß § 1 Abs 1 und 2 sowie § 2 Abs 1 Z 1 ProkuraturG vor dem Obersten Gerichtshof - anders als gemäß § 40 Abs 1 Z 4 ASGG vor den Gerichten erster und zweiter Instanz - die Finanzprokuratur ausschließlich zur Vertretung der beklagten Partei befugt ist. Die Revision hätte daher ihr zugestellt werden müssen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Zu prüfen war zunächst, ob die Klage rechtzeitig eingebracht wurde. Bei der Sonderunterstützung handelt es sich nicht um eine Leistung der Pensionsversicherung, zumal sie bei der Aufzählung der Sozialrechtssachen im § 65 Abs 1 Z 6 ASGG solchen Leistungen, die unter die Z 1 dieser Gesetzesstelle fallen, gegenübergestellt wird. Die Frist zur Einbringung der Klage betrug daher gemäß § 67 Abs 2 ASGG vier Wochen ab Zustellung des Bescheides. Sie wäre jedenfalls gewahrt, wenn darüber, ob wegen der Überlassung der Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes Einkommen auf die dem Kläger gebührende Sonderunterstützung anzurechnen ist, erstmals mit dem Bescheid vom 15. Mai 1987 entschieden worden wäre. Wäre aber schon das als "Mitteilung" bezeichnete, am 16. März 1987 abgefertigte Schriftstück als Bescheid zu werten, könnte ohne weitere Erhebungen nicht gesagt werden, ob der Kläger die Frist zur Einbringung der Klage, die dann mit der Zustellung dieses Schriftstückes zu laufen begonnen hätte, eingehalten hat. Der Oberste Gerichtshof ist jedoch - ebenso wie offensichtlich schon die Parteien und die Vorinstanzen - der Meinung, daß das als "Mitteilung" bezeichnete Schriftstück keinen Bescheid enthielt. Dabei war zu beachten, daß gemäß § 13 SUG idF BGBl. 1985/568 für das Verfahren auf Gewährung der Sonderunterstützung § 47 Abs 1 AlVG anzuwenden ist. Dort wird aber zwischen einer "Mitteilung" über die Anerkennung des Anspruchs, der offensichtlich nicht der Charakter eines Bescheides zukommen soll (vgl. EBzRV des AlVG 1949 747 BlgNR 5. GP 19; Dirschmied, Arbeitslosenversicherungsrecht 166; Frank-Ullrich, AlVG, Schriftenreihe des ÖGB Nr. 29, 217), und der Ausfolgung eines schriftlichen Bescheides in den Fällen, in denen der Anspruch nicht anerkannt wird, unterschieden. Es ist somit davon auszugehen, daß der dem Kläger zugestellten "Mitteilung" nicht der Charakter eines Bescheides zukommen sollte, und ihr Inhalt zwingt auch nicht zur Annahme, daß es sich um einen Bescheid handelt. Die Frist zur Erhebung der Klage begann daher erst mit der Zustellung des Bescheides vom 15. Mai 1987 zu laufen. In diesem Fall wurde die Klage jedoch innerhalb der Frist von vier Wochen erhoben. Zu dem hier maßgebenden Ausmaß der Sonderunterstützung für den Personenkreis gemäß § 1 Abs 1 Z 1 SUG wird im § 5 Abs 3 dieses Gesetzes idF BGBl. 1985/568 bestimmt, daß jedes Einkommen des Arbeitslosen, ausgenommen die im § 292 Abs 4 ASVG angeführten Einkommen, die Geldleistungen der Unfallversicherung sowie Witwen(Witwer)pensionen, auf die Sonderunterstützung anzurechnen ist. Einkommen, die bereits bei der Festsetzung der Sonderunterstützung gemäß § 5 Abs 2 SUG berücksichtigt wurden, sind nicht anzurechnen.

Der Begriff des Einkommens wird, anders als etwa in den Vorschriften über die Ausgleichszulage zu einer Pension (§ 292 Abs 3 ASVG, § 149 Abs 3 GSVG, § 140 Abs 3 BSVG) und zum Teil auch in den Vorschriften über die Notstandshilfe (vgl. § 36 Abs 3 AlVG), im SUG nicht bestimmt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch können darunter aber nur Geldleistungen oder geldwerte Leistungen verstanden werden, die dem Arbeitslosen zufließen.

Hier ist nicht aktenkundig, daß der Kläger solche Leistungen wegen der Einräumung des Fruchtgenußrechtes erhält, zumal das Fruchtgenußrecht nach dem Inhalt des Vertrages unentgeltlich eingeräumt wurde. Dieses Fruchtgenußrecht kann daher bei der Ermittlung des Einkommens nur dann berücksichtigt werden, wenn sich dies aus einer besonderen gesetzlichen Vorschrift ergibt. In Betracht kommt hiefür bloß § 292 Abs 8 ASVG oder der damit übereinstimmende § 149 Abs 7 GSVG oder § 140 Abs 7 BSVG. Darin wird nämlich für den Fall, daß die Bewirtschaftung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben oder der Betrieb übergeben, verpachtet oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung überlassen wurde, bestimmt, daß der Ermittlung des Einkommens des bisherigen Eigentümers (des Verpächters) ohne Rücksicht auf Art und Ausmaß der ausbedungenen Leistung 21,6 vH des durchschnittlichen Einheitswertes der übergebenen, verpachteten oder zur Bewirtschaftung überlassenen land(forst)wirtschaftlichen Flächen zugrunde zu legen ist, sofern die Übergabe (Verpachtung, Überlassung) nicht mehr als zehn Jahre, gerechnet vom Stichtag, zurückliegt.

Der Oberste Gerichtshof vermag sich allerdings der von der beklagten Partei und den Vorinstanzen vertretenen Ansicht, daß § 292 Abs 8 ASVG auf Grund des Abs 4 lit l dieser Bestimmung anzuwenden sei, nicht anzuschließen. Nach der zuletzt angeführten Gesetzesstelle haben bei der Ermittlung des für den Anspruch auf Ausgleichszulage maßgebenden Einkommens Leistungen aufgrund der Aufgabe, Übergabe, Verpachtung oder anderweitigen Überlassung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes außer Betracht zu bleiben, wenn Abs 8 zur Anwendung gelangt. Die Regelung setzt also voraus, daß § 292 Abs 8 ASVG anzuwenden ist, sagt aber nichts darüber aus, unter welchen Umständen dies zu geschehen hat. Es läßt sich zu dieser Frage daraus somit nichts gewinnen und es reicht nicht aus, daß im § 5 Abs 3 SUG auf § 292 Abs 4 und damit auch auf dessen lit l Bezug genommen wird.

Wohl ergibt sich die Anwendung des § 292 Abs 8 ASVG aber aus § 5 Abs 2 SUG. Darin wird für den Fall, daß bei Anspruch auf eine Invaliditätspension, Berufsunfähigkeitspension, Knappschaftsvollpension bzw. Erwerbsunfähigkeitspension Anspruch auf eine Ausgleichszulage bestünde, vorgesehen, daß die Sonderunterstützung mit dem Betrag festzusetzen ist, der sich aus der Anwendung der §§ 292 bis 296 ASVG, der §§ 149 bis 156 GSVG bzw der §§ 140 bis 147 BSVG ergäbe. In einem solchen Fall wäre also insbesondere auch § 292 Abs 8 ASVG oder § 149 Abs 7 GSVG oder § 140 Abs 7 BSVG anzuwenden. Es besteht kein sachlicher Grund, in diesem Punkt anders vorzugehen, wenn die Sonderunterstützung schon von vornherein den für den Anspruch auf Ausgleichszulage maßgebenden Richtsatz zumindest erreicht. Zwar handelt es sich bei der Sonderunterstützung um eine "Art Frühpension" (so die EBzRV der Nov. 1985 723 BlgNR 16.GP 5). In dem hier zu behandelnden Zusammenhang besteht ein wesentlicher Unterschied zu einer Pension auf Grund des ASVG, GSVG oder BSVG aber darin, daß mit den in § 5 Abs 3 SUG ausdrücklich bestimmten Ausnahmen jedes Einkommen zur Verminderung der Höhe der Sonderunterstützung führt, während bei den in Betracht kommenden Pensionen nur bestimmte Einkommen und auch diese zum Teil nicht voll, sondern nur mit einem bestimmten Betrag (s. § 94 ASVG, §§ 60, 61 GSVG, §§ 56, 57 BSVG) zu berücksichtigen sind. Für die Sonderunterstützung ist nicht zu erkennen, warum bei der Anrechnung des Einkommens eine Sonderunterstützung, die unter Berücksichtigung eines Anspruchs auf Ausgleichszulage festgesetzt wird, anders als eine Sonderunterstützung behandelt werden müßte, die von vornherein zumindest dem für den Anspruch auf Ausgleichszulage maßgebenden Richtsatz entspricht. Diese Unterscheidung mag bei einer Pension gerechtfertigt sein, weil es sich bei der Ausgleichszulage um keine Versicherungsleistung im engeren Sinn, sondern um eine Leistung mit Fürsorge(Sozialhilfe)charakter handelt, die zusammen mit der Pension und übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten dessen Existenzminimum sichern soll (Martinek, Zur Ausgleichszulage, VersRdSch. 1956, 229; Teschner in Tomandl, System, 3. ErgLfg. 406; 10 Ob S 115/87; 10 Ob S 13/88). Der Charakter der Sonderunterstützung ist hingegen unabhängig davon, ob sie unter Berücksichtigung eines Anspruchs auf Ausgleichszulage festgesetzt wird oder nicht, derselbe, zumal die hiedurch verursachten Kosten gemäß § 12 SUG immer aus denselben Mitteln zu bestreiten sind (vgl. für die Ausgleichszulage aber § 299 ASVG, § 156 GSVG und § 147 BSVG).

Ist kein Grund dafür ersichtlich, daß der Gesetzgeber bei vergleichbaren Sachverhalten eine bestimmte Regelung in einem Fall unterließ, so ist eine planwidrige Gesetzeslücke anzunehmen, die durch Analogie zu schließen ist (SZ 57/194 mwN). Dies führt hier dazu, daß § 292 Abs 8 ASVG oder § 149 Abs 7 GSVG oder § 140 Abs 7 BSVG nicht nur bei der Festsetzung der Sonderunterstützung gemäß § 5 Abs 2 SUG, sondern allgemein bei der Festsetzung der Sonderunterstützung, und zwar in den nicht durch § 5 Abs 2 SUG gedeckten Fällen analog, anzuwenden ist. Die Vorinstanzen kamen daher aus diesem Grund im Ergebnis zutreffend zur Auffassung, daß zu dem Einkommen, das gemäß § 5 Abs 3 SUG auf die dem Kläger gebührende Sonderunterstützung anzurechnen ist, der gemäß § 292 Abs 8 ASVG ermittelte Betrag zählt. Dabei ist zwischen den Parteien die Annahme, daß die Einräumung des Fruchtgenußrechtes unter die in dieser Gesetzesstelle angeführten Tatbestände fällt, ebensowenig strittig wie die Höhe des demnach anzurechnenden Betrages. Auch der Oberste Gerichtshof vermag in diesem Punkt eine unrichtige rechtliche Beurteilung nicht zu finden. Nicht zielführend ist es, wenn in der Revision der Anrechnung mit dem Argument entgegengetreten wird, daß § 292 Abs 4 lit l ASVG, der gemäß § 5 Abs 3 SUG bei der Ermittlung des auf die Sonderunterstützung anzurechnenden Einkommens zu beachten ist, die Anrechnung eines Einkommens auf Grund der Aufgabe, Übergabe, Verpachtung oder anderweitigen Überlassung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes verbiete. Diese Bestimmung kommt überhaupt nur zum Tragen, wenn § 292 Abs 8 ASVG anzuwenden ist, setzt daher dessen Anwendung voraus und schließt sie demnach keinesfalls aus. Die Ansicht, daß die im § 292 Abs 4 ASVG angeführten Einkommen unabhängig von den aus dieser Bestimmung sich ergebenden Einschränkungen von der Anrechnung ausgenommen seien, ergibt sich nicht zwingend aus § 5 Abs 3 SUG und es stehen ihr die dargestellten Erwägungen entgegen, die für die analoge Anwendung des § 292 Abs 8 ASVG sprechen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 und 2 lit b ASGG. Die rechtlichen Schwierigkeiten des Revisionsverfahrens rechtfertigen den Zuspruch der Hälfte der nach dem RAT bemessenen Kosten des Klägers.

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