OGH 10ObS13/88

OGH10ObS13/8826.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf und Dr. Robert Göstl in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef H***, Pensionist, 3270 Scheibbs, Fleckentorgasse 16, vertreten durch Dr. Leander Schüller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** DER G*** W***,

1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage und Aufrechnung eines Vorschusses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. September 1987, GZ 31 Rs 158/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 5. Juni 1987, GZ 32 Cgs 12/87-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsschrift - an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Mit Bescheid vom 8. April 1986 stellte die Beklagte fest, daß dem Kläger die Ausgleichszulage (§ 149 GSVG) vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1985 nicht gebührt (Punkt 1.) und daß der zuviel bezogene Vorschuß von insgesamt S 20.344,60 mit der zu erbringenden Leistung verrechnet wird (§ 71 GSVG).

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger rechtzeitig Klage mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, ihm die Ausgleichszulage ab Einstellungstag wieder flüssig zu machen und die einbehaltenen Beträge wieder ausbezahlen. Seine Ehegattin habe im Jahre 1985 kein Einkommen bezogen, weil der ihr aus der Vermietung eines in ihrem Miteigentum stehenden Hauses für das Jahr 1985 zugewiesene Gewinnanteil von S 23.574,25 in die gesetzliche Mietzinsreserve gehöre. Dem Kläger gebühre daher für das Jahr 1985 die Ausgleichszulage in der Differenz zwischen seiner damaligen Pension und dem Richtsatz für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung, die mit dem Ehegatten im gemeinsamen Haushalt leben.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen und wendete ein, wegen des zu berücksichtigenden Mieteinkommens der Ehegattin des Klägers gebühre diesem im Jahre 1985 keine Ausgleichszulage. Das Erstgericht wies das Klagebegehren, "die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger für 1985 eine Ausgleichszulage zu zahlen," ab.

Es stellte im wesentlichen fest:

Die Pension des Klägers betrug im Jahre 1985 S 4.962,50 monatlich. Die Ehegattin des Klägers ist Miteigentümerin eines von einem Gebäudeverwalter verwalteten Wiener Hauses, der alljährlich eine Gewinn- und Verlustrechnung erstellt, in der er den Mieten und sonstigen Einnahmen die Ausgaben für Betriebskosten, Reparaturen usw. gegenüberstellt und so Ertrag oder Verlust ermittelt. Über die für die Jahre 1970 bis 1986 im einzelnen festgestellten Erträge und Verluste gab die Eigentümergemeinschaft alljährlich Einkommens- und Umsatzsteuererklärungen ab. Der für die Ehegattin des Klägers ausgewiesene Ertrag des Jahres 1985 von S 23.574,25 wurde ihr nicht ausgezahlt, sondern vom Hausverwalter zur Zahlung von Reparaturen zurückbehalten.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsmeinung, daß jener Teil der Mietzinsreserve, der zur Zahlung von Erhaltungsarbeiten herangezogen worden sei, erst im Ausgabejahr als ertragsmindernd berücksichtigt werden könne, weshalb der Mietertrag von S 23.574,25 oder monatlich S 1.964,52 als Nettoeinkommen der Ehegattin des Klägers dessen Pension zuzurechnen sei. Weil sein Gesamteinkommen im Jahre 1985 den Ehegattenrichtsatz von S 6.466,-- überstiegen habe, gebühre ihm für dieses Jahr keine Ausgleichszulage.

In der dagegen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung beantragte der Kläger, das erstgerichtliche Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern, allenfalls aufzuheben. Er führte im wesentlichen aus, daß die Mietzinseinkünfte seiner Ehegattin noch nicht zur Deckung des gemeinsamen Lebensunterhaltes zur Verfügung stünden, weil sie zur Mietzinsreserve gehörten.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil im wesentlichen mit der Begründung, daß die Vorschriften des Mietrechtsgesetzes über die Bildung der Mietzinsreserve und die Berücksichtigung derselben bei Instandsetzungs- und Verbesserungsarbeiten nichts am Einkommenscharakter der Mietzinse änderten und daher auf das Ausgleichszulagenrecht keinen Einfluß hätten. Der zur Erzielung dieser Einkünfte notwendige Aufwand sei erst im Zeitpunkt seines Eintrittes bei der Ermittlung des Nettoeinkommens zu berücksichtigen.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern, allenfalls aufzuheben. Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung. Die Revision ist berechtigt.

Erreicht die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des

Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens .... nicht die

Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes, so hat der

Pensionsberechtigte .... Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur

Pension (§ 149 Abs 1 GSVG).

Bei Feststellung des Anspruchs gemäß Abs 1 ist auch das gesamte

Nettoeinkommen des (der) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten

(Ehegattin) unter Bedachtnahme auf § 151 Abs 4 zu berücksichtigen

(§ 149 Abs 2 leg cit.)

Nettoeinkommen im Sinne der Abs 1 und 2 des § 149 ist .... die

Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich

mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge

(Abs 3 der zit. Gesetzesstelle).

Der Richtsatz betrug .... für Pensionsberechtigte aus eigener

Pensionsversicherung, wenn sie mit dem Ehegatten (der Ehegattin) im gemeinsamen Haushalt lebten, im Jahre 1985 S 6.466,-- (§ 150 Abs 1 lit a sublit aa GSVG).

Die Ausgleichszulage gebührt in der Höhe des Unterschiedes zwischen der Summe aus Pension, Nettoeinkommen

(§ 149) .... einerseits und dem Richtsatz (§ 150) andererseits (§ 153 Abs 1 leg cit).

Die Ausgleichszulage, bei der es sich um keine Versicherungsleistung im engeren Sinne sondern um eine Leistung mit Fürsorge (Sozialhilfe)charakter handelt, soll zusammen mit der Pension und den übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten dessen Existenzminimum sichern (Martinek, Zur Ausgleichszulage VersRdSch 1956, 229; Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung zur 29. ASVG-Nov., 578 BlgNR 13. GP, zitiert bei

MGA ASVG 35. ErgLfg 1403; Teschner in Tomandl, SV-System

3. ErgLfg 406), bei Pensionsberechtigten, die mit dem Ehepartner im gemeinsamen Haushalt leben, das Existenzminimum des Pensionistenehepaares.

Dieser Zweck erfordert es, den Überschuß, der sich aus der Gegenüberstellung der in der Hauptmietzinsabrechnung ausgewiesenen Einnahmen und Ausgaben eines Kalenderjahres errechnet, also die Mietzinsreserve des Kalenderjahres im Sinne des § 20 Abs 2 MRG, vorerst nicht als Einkünfte des Pensionsberechtigten zu werten. Die Mietzinsreserve ist zwar kein vom sonstigen Vermögen des Vermieters abgesondert zu verwahrendes und zu verwaltendes Sondervermögen, das jederzeit in barer Münze vorhanden oder zinsbringend oder wertgesichert angelegt werden müßte (Schuppich,

Die Neuordnung des Mietrechts 71; Würth in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 20 MRG; Krejci in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG, 192 f; Würth in diesem Handbuch, 382). Da der Vermieter aber nach § 3 Abs 1 MRG nach Maßgabe der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten dafür zu sorgen hat, daß das Haus, die Mietgegenstände und die der gemeinsamen Benützung der Bewohner des Hauses dienenden Anlagen im jeweils ortsüblichen Standard erhalten werden, und nach Abs 3 der zitierten Gesetzesstelle die Kosten von Erhaltungsarbeiten (in erster Linie) aus den in den vorangegangenen zehn Kalenderjahren erzielten Mietzinsreserven einschließlich der Zuschüsse, die aus Anlaß der Durchführung einer Erhaltungsarbeit gewährt werden, zu decken sind, und da der Vermieter unter den im § 4 Abs 1 MRG genannten Voraussetzungen auch nützliche Verbesserungen des Hauses oder einzelner Mietgegenstände durchzuführen hat, die nach Abs 3 der letztgenannten Gesetzesstelle unter Umständen ebenfalls aus den in den vorausgegangenen 10 Kalenderjahren erzielten Mietzinsreserven zu finanzieren sind, ergibt sich für den Vermieter zwar keine rechtliche, aber eine faktische Verfügungsbeschränkung. Hat er die den jeweiligen Mietzinsreserven entsprechenden Beträge, die er für die Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten bereitzustellen hat, anderweitig verwendet, dann muß er sie bei Bedarf aus seinem sonstigem Vermögen zuschießen oder sich auf andere Weise beschaffen. Insoweit besteht rechtlich eine indirekte, in bezug auf das Vermögen des Vermieters aber gleichwohl unmittelbar wirksame Verwendungspflicht. Je nach den Vermögens- und Einkommensverhältnissen des Vermieters wird es sich daher empfehlen, mit den verrechnungspflichtigen Mietzinseinnahmen sorgfältig hauszuhalten. Die durch das Mietrechtsgesetz verschärften Sanktionen auf die Vernachlässigung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten können nämlich sehr empfindliche Folgen haben (Schuppich aaO 71 f; Krejci aaO). Der rechtskräftige Auftrag zur Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten nach § 6 Abs 1 MRG ist nämlich nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle ein Exekutionstitel, der nach dem fruchtlosen Ablauf der zur Vornahme der Arbeiten bestimmten Frist jeden Mieter des Hauses und die Gemeinde als betreibende Partei zum Antrag berechtigt, zum Zweck der Durchführung der aufgetragenen Arbeiten, der Aufnahme und Tilgung des erforderlichen Kapitals und der ordnungsgemäßen Erhaltung des Hauses bis zur Tilgung des Kapitals für das Haus einen Verwalter zu bestellen. Der bestellte Verwalter ist ua. befugt, zur Finanzierung der aufgetragenen Arbeiten namens des Vermieters ein Hypothekardarlehen aufzunehmen. Auf Antrag ist ihm auch die Befugnis zur Verwaltung der in den vorausgegangenen zehn Kalenderjahren erzielten Mietzinsreserven zu erteilen und demjenigen, der über diese Mietzinsreserven verfügt, aufzutragen, sie binnen 14 Tagen bei Exekution an den bestellten Verwalter herauszugeben. Wegen dieser faktischen Verfügungsbeschränkung oder Reservierungspflicht des Vermieters können nur jene (früheren) Mietzinsreserven als Einkünfte iS des Ausgleichszulagenrechtes gewertet werden, die nicht mehr zur Deckung von Kosten der Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten zu verwenden sind. In diesem Zusammenhang sei auch § 28 Abs 3 EStG 1972 erwähnt.

Danach bleibt der übersteigende Betrag auf Antrag zunächst

steuerfrei, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und

Verpachtung die nach mietrechtlichen Vorschriften

verrechnungspflichtigen Einnahmen aus der Vermietung eines

Grundstückes (Gebäudes) .... sämtliche mit diesem Grundstück

(Gebäude) in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Werbungskosten

übersteigen .... Steuerfreibeträge, die nicht innerhalb von 9 Jahren

nach ihrer Bildung auf die in dieser Gesetzesstelle bestimmte Weise verrechnet werden, erhöhen im 9. Jahr nach ihrer Bildung die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Diese Bestimmung soll die Möglichkeit eröffnen, daß verrechnungspflichtige Mietzinse ohne vorhergehende Kürzung durch Einkommens- und Ertragssteuern für die Erhaltung und Verbesserung des Mietobjektes verwendet werden können (MSA EStG 19728, 252). Die oben dargelegte Behandlung der Mietzinsreserve bei der Festsetzung der Ausgleichszulage, die dem Pensionisten jedenfalls das sozialversicherungsrechtliche Existenzminimum sichern soll, stellt daher nicht die einzige Sonderbehandlung dieser "Einkünfte" dar.

Nach der Rechtsansicht des erkennenden Senates kommt es daher nicht auf die bisher festgestellte Mietzinsreserve für das Jahr 1985, sondern auf die allfälligen früheren Mietzinsreserven an, die im Jahre 1985 nicht mehr zur Deckung von Kosten der Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten zu verwenden waren und daher als frei verfügbare Einkünfte im Sinne des Ausgleichszulagenrechtes zu werten sind. Dabei wird allerdings zu beachten sein, daß durch das mit 1. Jänner 1982 in Kraft getretene Mietrechtsänderungsgesetz wesentliche Änderungen bezüglich der Mietzinsreserve erfolgten und gemäß § 51 leg cit für die Übergangszeit von 3 Jahren der Verrechnungszeitraum nicht vor dem 1. Jänner 1975 beginnt und die Verrechnung der Mietzinsreserve aus der Zeit vor dem 1. Jänner 1982 sich nach den bisherigen Vorschriften des Mietengesetzes richtet. Diese erheblichen Tatsachen und die Frage, ob die Ehegattin des Klägers mit ihm 1985 im gemeinsamen Haushalt lebte, wurden schon in erster Instanz nicht erörtert und nicht festgestellt, weshalb die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben waren und die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen war. Das Erstgericht wird auch für ein hinreichend bestimmtes Klagebegehren zu sorgen und sodann über das gesamte Klagebegehren zu entscheiden haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß sich das Klagebegehren nicht nur gegen die Feststellung der Ausgleichszulage für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1985 mit Null, sondern auch gegen die Aufrechnung des Vorschusses von zusammen S 20.344,60 (welcher Betrag der Höhe nach bisher nicht festgestellt ist) auf die von der Beklagten zu erbringende Leistung erstreckt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

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