OGH 3Ob552/87

OGH3Ob552/8720.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Kellner als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Erna S***, Landesnervenklinik Salzburg, Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 79, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Albert T***, Angestellter, p.a. Verein für Sachwalterschaft, Geschäftsstelle Salzburg, Salzburg, Mühlbacherhofweg 4/1/2, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 21. Mai 1987, GZ 33 c R 22/87-107, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg, vom 2. Jänner 1987, GZ 2 SW 30/84-104, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 26. August 1966 wurde Erna S*** wegen Geisteskrankheit voll entmündigt. Zum Kurator wurde ihre Mutter bestellt. Sie wurde mit dem Inkrafttreten des Sachwaltergesetzes gemäß dessen Art. X Z 3 Abs.1 Sachwalter. Die Sachwalterin befindet sich nunmehr in einem Pensionistenheim in Pflege. Dessen Verwalter teilte dem Erstgericht mit, daß sie auf Grund ihres Gesundheitszustandes nicht mehr imstande sei, ihr Amt auszuüben. Das Erstgericht ersuchte hierauf deren Verein für Sachwalterschaft, einen geeigneten Sachwalter namhaft zu machen. Dieser teilte mit, dem Ersuchen nicht entsprechen zu können, weil alle in Betracht kommenden Mitarbeiter mit anderen Sachwalterschaften ausgelastet seien.

Das Erstgericht enthob sodann die Mutter der Behinderten ihres Amtes als Sachwalter und bestellte an ihrer Stelle "in Anwendung des § 281 ABGB, in eventu des § 200 ABGB in Verbindung mit § 282 ABGB", den Leiter der Geschäftsstelle Salzburg des angeführten Vereines zum Sachwalter. Es ging dabei im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Die Mutter der Behinderten ist infolge ihres schlechten Gesundheitszustands nicht mehr imstande, die mit dem Amt des Sachwalters verbundenen Aufgaben wahrzunehmen. Eine andere der Behinderten nahestehende Person, die geeignet wäre, das Amt des Sachwalters zu übernehmen, ist nicht vorhanden.

Der Leiter der Geschäftsstelle Salzburg des Vereines für Sachwalterschaft ist zur Zeit in zehn Fällen als Sachwalter gem. § 273 ABGB und in weiteren fünf Fällen als einstweiliger Sachwalter gem. § 238 AußStrG bestellt. Nach Ansicht des Bundesministeriums für Justiz ist derzeit keine der in der angeführten Geschäftsstelle als Sachwalter tätigen Personen so weit ausgelastet, daß sie nicht imstande wäre, neue Sachwalterschaften zu übernehmen. Die Auslastungsgrenze liegt nämlich einschließlich der einstweiligen Sachwalterschaften bei 27 Fällen. Diese Zahl gilt auch für den Leiter einer Geschäftsstelle.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß es nicht der Willkür des Vereines für Sachwalterschaft anheimgestellt bleiben könne, ob eine Person für die Bestellung zum Sachwalter namhaft gemacht werde. Der Verein sei vielmehr nur dann berechtigt, die Übernahme einer Sachwalterschaft auszuschlagen, wenn die Auslastung der zur Verfügung stehenden Mitarbeiter so groß sei, daß ihnen die Übernahme einer weiteren Sachwalterschaft nicht mehr zugemutet werden könne. Eine solche Auslastung sei aber bei der in Betracht kommenden Geschäftsstelle des Vereines und insbesondere auch bei deren Leiter nicht gegeben, weshalb dieser gem. § 281 Abs.2 ABGB "verfügbar" sei und zum Sachwalter bestellt werden könne. Im übrigen finde seine Bestellung auch im § 200 ABGB Deckung, weil daraus iVm § 282 ABGB abzuleiten sei, daß, sofern nicht besondere Umstände im Sinn des § 281 ABGB anderes erfordern oder ein Ablehnungsgrund im Sinn des § 201 ABGB vorliege, jedermann und damit auch er zur Übernahme der Sachwalterschaft verpflichtet sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des neuen Sachwalters nicht Folge und bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß es den Rekurswerber "in Anwendung der §§ 200 ABGB" zum Sachwalter bestellte. Dem Erstgericht könne zwar nicht darin beigepflichtet werden, daß der Rekurswerber gem. § 281 Abs.2 ABGB zum Sachwalter bestellt werden könne, weil dies nach dem Wortlaut dieser Bestimmung voraussetze, daß er vom Verein namhaft gemacht worden sei. Seine Bestellung zum Sachwalter sei jedoch auf Grund des § 200 ABGB gerechtfertigt, der analog anzuwenden sei, weil der Wirkungskreis eines Vormundes jedenfalls mit dem eines gem. § 273 Z 3 ABGB für die Besorgung aller Angelegenheiten der behinderten Person zu bestellenden Sachwalters gleich sei. Es müsse daher grundsätzlich jedermann eine Sachwalterschaft übernehmen, wobei er sich allerdings auf die Entschuldigungsgründe der §§ 191 bis 195 ABGB berufen könne. Wenn diese schon zur Zeit der beabsichtigten Bestellung vorlägen, stehe dies der Bestellung entgegen. Beim Rekurswerber sei auf Grund des Inhalts des Schreibens des Vereines für Sachwalterschaft zu prüfen, ob seine Bestellung zufolge § 195 ABGB nicht schon deshalb ausgeschlossen sei, weil er eine mühsame Sachwalterschaft oder drei kleinere zu besorgen habe. Diese Bestimmung sei aber teleologisch in der Form zu reduzieren, daß sie auf hauptberufliche Sachwalter nicht anzuwenden sei. Es könnten daher nur "private" Sachwalterschaften berücksichtigt werden. Die durchgeführten Erhebungen hätten ergeben, daß dem Rekurswerber Sachwalterschaften nur als Mitglied des Vereines für Sachwalterschaft, nicht aber als "Privatperson" übertragen worden seien. Er sei daher vom Erstgericht zu Recht zum Sachwalter bestellt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß gerichtete Revisionsrekurs des neuen Sachwalters ist unzulässig.

Entgegen der vom Rekurswerber vertretenen Auffassung liegt eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes vor. Die darin unter der Bezeichnung "mit der Maßgabe" enthaltene Änderung betrifft nämlich nur die Gründe für die Bestellung des Rekurswerbers zum Sachwalter, die vom Rekursgericht an sich gebilligt wurde. Eine bestätigende Entscheidung ist aber auch dann gegeben, wenn das Rechtsmittelgericht der Inhalt der vom Erstgericht getroffenen Entscheidung aus anderen Gründen als dieses unverändert läßt (SZ 47/51 ua). Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses richtet sich daher nach § 16 Abs.1 AußStrG, der auch im Verfahren zur Bestellung von Sachwaltern für behinderte Personen gilt (NZ 1987, 95 ua). Von den nach der angeführten Gesetzesstelle für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses maßgebenden Tatbeständen kommt hier nur der der Nichtigkeit und der offenbaren Gesetzwidrigkeit in Betracht. Der Rekurswerber erblickt eine Nichtigkeit darin, daß er vor Erlassung des angefochtenen Beschlusses nicht gehört wurde. Im Verfahren außer Streitsachen wird aber ein erster Instanz unterlaufener Mangel des rechtlichen Gehörs im allgemeinen dadurch geheilt, daß Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten. Etwas anderes gilt nur, wenn das Recht der Partei auf rechtliches Gehör in wesentlichen Punkten verletzt wurde (SZ 46/93; EFSlg. 37.153, 49.984 ua). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Da für das Rekursverfahren das Neuerungsverbot nicht galt (§ 10 AußStrG), hätte der Rekurswerber im Rekurs alle Tatsachen vorbringen können, die seiner Meinung nach seiner Bestellung zum Sachwalter entgegenstehen, und hätte insbesondere auch geltend machen können, daß seine Ehegattin die Zustimmung verweigert (vgl. § 193 ABGB). Soweit er dies nunmehr erstmals im außerordentlichen Revisionsrekurs vorbringt, kann darauf nicht Bedacht genommen werden, weil für dieses Rechtsmittel das Neuerungsverbot gilt (EFSlg. 44.637, 52.740 uva). Die vom Rekurswerber geltend gemachte Nichtigkeit ist jedenfalls geheilt.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung von hier nicht in Betracht kommenden Sonderfällen abgesehen (vgl. EFSlg. 47.208), nur vor, wenn die für die Entscheidung maßgebende Frage im Gesetz ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß in der Absicht des Gesetzgebers nicht gezweifelt werden kann und trotzdem anders entschieden wurde (SZ 46/98; EFSlg. 52.757; NZ 1987, 95 uva).

Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben:

§ 281 ABGB bestimmt, welche Personen zum Sachwalter zu bestellen sind. Was in dem Fall zu geschehen hat, als keine dieser Personen bestellt werden kann, ist im Gesetz nicht ausdrücklich und klar geregelt. Immerhin verweist § 281 Abs.1 ABGB darauf, daß die Bestellung einer nahestehenden Person nur in Frage kommt, wenn das Wohl der behinderten Person nichts anderes erfordert, was einen gewissen Spielraum offen läßt, und § 281 Abs.2 ABGB enthält die Einschränkung, daß eine vom Sachwalterverein namhaft gemachte Person nur bestellt werden kann, wenn eine solche verfügbar ist. Andererseits bestimmt aber § 273 ABGB, daß für eine psychisch kranke oder geistig behinderte Person ein Sachwalter zu bestellen ist, wenn dies erforderlich ist. Daraus ergibt sich aber, daß es nicht offenbar gesetzwidrig ist, für den Fall, daß eine nahestehende Person nicht vorhanden ist und mangels Vorschlages des Sachwaltervereines auch keine von ihm namhaft gemachte Person zur Verfügung steht, eine in § 281 ABGB nicht genannte andere Person zum Sachwalter zu bestellen.

Dann ist es aber auch nicht offenbar gesetzwidrig, gemäß § 282 ABGB für diesen Sonderfall, also wenn die Spezialnorm des § 281 ABGB nicht ausreicht, sinngemäß die Bestimmung des § 200 ABGB anzuwenden. Wenn auch die Verpflichtung, eine Vormundschaft zu übernehmen, verschiedentlich als Staatsbürgerpflicht und nicht als eine Pflicht des Vormundes iSd Verweisungsnorm des § 282 ABGB aufgefaßt wird, so ist eine solche Auslegung doch nicht zwingend, sondern man kann § 200 ABGB auch so auslegen, daß damit für die schon zum Vormund bestellte Person die Verpflichtung aufgestellt wird, die Vormundschaft auch zu übernehmen (vgl. Wentzel, Piegler in Klang2 I/2 312), und damit diese Verpflichtung schon zu den Pflichten des Vormundes zählen. Es widerspricht also auch nicht offenbar der Bestimmung des § 282 ABGB, diese für eine zum Vormund bestellte Person bestehende Verpflichtung des § 200 ABGB auch für eine zum Sachwalter bestellte Person anzunehmen.

Aber auch die vom Gericht zweiter Instanz vorgenommene einschränkende Auslegung des § 195 ABGB ist nicht offenbar gesetzwidrig. Zur Zeit der Entstehung dieser Bestimmung gab es die Einrichtung der Vereinssachwalterschaft noch nicht. Man kann daher nicht auf eine offenbare Absicht des Gesetzgebers schließen, daß auch Personen, die nur während ihrer beruflichen Tätigkeit als Obmann eines Sachwaltervereines schon mehrere Sachwalterschaften zu besorgen haben, der Entschuldigungsgrund des § 195 ABGB zur Verfügung stehen soll.

Es liegt somit weder eine Nichtigkeit noch eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinn des § 16 AußStrG vor. Damit ist noch nichts zur Frage gesagt, ob der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht des Rekursgerichtes billigt, weil die Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung mit der offenbaren Gesetzwidrigkeit im Sinn der angeführten Bestimmung nicht gleichbedeutend ist (EFSlg. 44.641; NZ 1987, 351 uva).

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