OGH 1Ob8/88

OGH1Ob8/8813.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter S***, Erwerbsimker, Forchtenstein, Kohlstatt 3, vertreten durch Dr. Eugen Radel und Dr. Gertrude Radel, Rechtsanwälte in Mattersburg, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen S 113.500,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes 19. Oktober 1987, GZ 14 R 202/87-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 7. Mai 1987, GZ 13 Cg 23/86-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.143,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 22. und 23. November 1984 fand im Raum Rosaliengebirge zwischen Neudörfl und Hochwolkersdorf eine Gefechtsübung der Panzertruppenschule Zwölfaxing statt, bei der Schützenpanzer, Jagdpanzer und Radfahrzeuge eingesetzt waren. Die Kettenfahrzeuge hatten ein Gewicht von etwa 13 bis 18 Tonnen, die Radfahrzeuge ein Gewicht bis zu 8 Tonnen. Die Kettenfahrzeuge sind nicht für den Verkehr zugelassen und tragen auch keine Kennzeichentafeln. Alle Fahrzeuge werden mit Dieseltreibstoff angetrieben. Die an der Übung teilnehmenden Fahrzeuge trafen am 21. November 1984 im Bereitstellungsraum unweit des Steinbruches Forchtenstein ein. Neben einem in einer Entfernung von 10 bis 15 m zum Bereitstellungsraum führenden Weg hatte der Kläger auf einer umzäunten Grundfläche 68 Bienenvölker eingewintert. Der Weg wurde von den Ketten- und Radfahrzeugen zur Zufahrt und Abfahrt benützt. Beim Eintreffen der Fahrzeuge im Bereitstellungsraum am 21. November 1984 war es sonnig, die Temperatur wurde von den Übungsteilnehmern als warm empfunden. In der Nacht auf den 22. November 1984 kühlte es stark ab; es fiel auch geringfügig Schnee. Während am 21. November 1984 von den Übungsteilnehmern fliegende Bienen beobachtet werden konnten, war dies am 22. und 23. November 1984 nicht mehr der Fall. Nach den Aufzeichnungen des Hydrographischen Dienstes des Amtes der Burgenländischen Landesregierung, Meßstelle Neustift-Rosalia, Flußgebiet Wulka, betruf die Lufttemperatur am 21. November 1984 im Mittel 3,9 Grad Celsius, am 22. November 1984 6,2 Grad Celsius und am 23. November 1984 11,2 Grad Celsius; am 21. November 1984 ist Schneefall verzeichnet.

Den Leitern der Übung und den Übungsteilnehmern war nicht bekannt, daß Erschütterungen des Bodens und der durch die Kettenfahrzeuge bewirkte Lärm Krankheiten bei eingewinterten Bienen auslösen können. Es gibt einen Befehl, daß Fahrmanöver mit Kettenfahrzeugen in der Nähe von eingewinterten Bienenstöcken vermieden werden sollen. Der Kläger suchte in den Morgenstunden des 23. November 1984 den Standort seiner Bienenvölker auf und fand am Boden um die Bienenstöcke und auf den Dächern der Bienenstöcke tote Bienen. Er wandte sich telefonisch an Oberleutnant Franz L***, der während der Übung eine Infanterieeinheit befehligte, die allerdings nicht im Bereich der Bienenstöcke operierte, und teilte ihm mit, daß die von den gepanzerten Fahrzeugen ausgehenden Erschütterungen und Auspuffgase und der durch die Fahrzeuge verursachte Lärm eine Gefahr für die eingewinterten Bienen bedeute. Franz L*** sagte dem Kläger zu, er werde den Sachverhalt dem Schadensreferenten des Bundesheeres mitteilen, was auch geschah. Die Bienenvölker des Klägers befanden sich im Zeitpunkt der Abhaltung der Übung des Ö*** B*** in der Winterruhe (Wintertraube), an deren Beginn sie seuchenfrei gewesen waren. Während der Winterruhe reagieren die Bienenvölker auf Erschütterungen und Lärm durch erhöhte Futteraufnahme, was wieder eine Belastung des Stoffwechsels und der Kotblase bewirkt. Dieser Zustand entspricht einer Streßsituation und provoziert bei Bienen eine Darmerkrankung (Nosematose). Dies führt zu einer Durchseuchung der Wintertraube und zur Bluterkrankung der Bienen (Septikämie). Das Wintervolk verliert dadurch laufend Bienen, wird immer schwächer und muß bei anhaltender Kälte wegen des gesteigerten Wärmeverlustes vermehrt Nahrung aufnehmen, was wiederum die Rückstandsbildung in der Kotblase hervorruft und schließlich zum Ausbruch der Ruhr innerhalb des Wintersitzes führt.

Der Kläger begehrt den Zuspruch des Betrages von

S 113.500,-- s.A. für den Totalverlust von 53 Bienenvölkern und einen Ertragsausfall bei 15 Bienenvölkern. Panzerfahrzeuge des Ö*** B*** hätten im November 1984 in der

unmittelbaren Umgebung der von ihm eingewinterten Bienenvölker Fahrmanöver durchgeführt. Diese Manöver hätten zu Erschütterungen des Bodens geführt, die zusammen mit dem verursachten Lärm und den entwickelten Abgasen eine Streßsituation bei den Bienen ausgelöst hätten. Es sei zu einer Durchseuchung der Wintertraube und zur Bluterkrankung der Bienen gekommen. Die operierenden Verbände des Ö*** B*** hätten sich vor Beginn der Fahrmanöver

bei Imkern erkundigen müssen, ob Einwirkungen durch Lärm, Abgase und Erschütterungen zu einer Schädigung der Bienen führen könnten. Die beklagte Partei hafte für das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten ihrer Organe. Der Kläger stütze seinen Ersatzanspruch aber auch auf die Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten von Organen des Ö*** B*** sei nicht gegeben, eine Haftung nach

dem EKHG sei nicht begründet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Ersatzpflicht des Rechtsträgers trete gemäß § 1 Abs.1 AHG nur ein, wenn das Organ rechtswidrig und schuldhaft gehandelt habe. Ein rechtmäßiges Verhalten wie etwa die erlaubte Gefährdung durch den Kraftfahrzeugverkehr könne keine Haftung nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes begründen. Im vorliegenden Fall sei ein rechtswidriges Verhalten von Organen der beklagten Partei nicht zu erkennen. Anders könnte die Beurteilung dann ausfallen, wenn der Kläger die Organe der beklagten Partei vor oder im Anfangsstadium der Übung auf eine mögliche Gefährdung seiner Bienenvölker hingewiesen und diese ungeachtet der Warnung ihr Verhalten fortgesetzt hätten, was nicht erwiesen sei. Auch eine Haftung nach den Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes sei nicht begründet. Gemäß § 1 Abs.2 lit.d KFG 1967 seien Heeresfahrzeuge, die durch Bewaffnung, Panzerung oder ihre sonstige Bauweise für die militärische Verwendung im Zusammenhang mit Kampfeinsätzen besonders gebaut oder ausgerüstet oder diesem Zweck gewidmet sind, vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen. Das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz sei aber nur auf Kraftfahrzeuge im Sinne des Kraftfahrzeuggesetzes anzuwenden. Überdies setze die Haftung nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz voraus, daß ein Sachschaden durch einen Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges verursacht worden sei. Das entscheidende Charakteristikum des Unfalles sei die Plötzlichkeit des Ereignisses, so daß eine dauernde, sich wiederholende, mit dem Betrieb des Kraftfahrzeuges gewöhnlich zusammenhängende schädliche Einwirkung nicht als Unfall anzusehen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Die Revision ließ es zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision des Klägers kommt Berechtigung nicht zu. Gemäß § 1 Abs.1 AHG haften die dort genannten Rechtsträger nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Die Bestimmungen des § 1 Abs.1 AHG verweist zwar ganz allgemein auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, zur Frage, unter welchen Voraussetzungen gehaftet wird, wird aber für das Amtshaftungsrecht ausdrücklich und damit für dieses Recht allein maßgebend gesagt, daß die Rechtsträger nur für rechtswidriges Verhalten der als ihre Organe handelnden Personen haften, das diese wem immer schuldhaft zugefügt haben.

Zunächst fällt auf, daß es der Kläger im gesamten Verfahren verabsäumt hat, die Rechtswidrigkeit des Einsatzes der Fahrzeuge der beklagten Partei bei den Fahrmanövern auf dem Weg in der Nähe der Bienenstöcke des Klägers zu behaupten und zu beweisen. Nähere Feststellungen über die Rechtmäßigkeit des Einsatzes Organe der beklagten Partei wurden daher unterlassen. Einer näheren Erörterung der Frage rechtswidrigen Verhaltens von Organen der beklagten Partei und eines allenfalls bestehenden Rechtswidrigkeitszusammenhanges, ob also der Schutzzweck einer allenfalls übertretenen Rechtsnorm auch die Bienenvölker des Klägers mitumfaßte, bedarf es aber nicht, weil Organen der beklagten Partei jedenfalls kein schuldhaftes Verhalten zur Last fällt.

Die Einfügung des Wortes "schuldhaft" in den § 1 Abs.1 AHG stellt eindeutig klar, daß Amtshaftung nach Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, die kein Verschulden voraussetzen, grundsätzlich, wenn also ein Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes anordnet, nicht in Betracht kommt. Ausnahmen gelten kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung für die Grundbuchsführung und für die Durchführung des gerichtlichen Mahnverfahrens durch Einsatz der automationsunterstützen Datenverarbeitung (§ 27 GUG; § 453 a Z 6 ZPO), darüber hinaus für Ansprüche nach Art. 5 Abs.5 MRK. In anderen Fällen ist Amtshaftung immer Verschuldens-, niemals Gefährdungs- oder Erfolgshaftung (Loebenstein-Kaniak AHG2 137). Für den an Organe der nach dem Amtshaftungsgesetz haftenden Rechtsträger anzulegenden Maßstab bei Prüfung des Vorliegens eines Organverschulden gilt allerdings § 1299 ABGB (Loebenstein-Kaniak aaO 140; Ent in ZVR 1968, 70). Der Sorgfaltsmaßstab wird aber nur durch die typischen und demnach objektiv bestimmten Fähigkeiten eines Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises bestimmt; entscheidend ist der Leistungsstandard der betreffenden Berufsgruppe (SZ 57/140; SZ 54/13 mwN; Loebenstein-Kaniak aaO 138). Zur Gewährleistung der Erfüllung der notwendigen fachlichen Voraussetzungen bestehen gesetzliche Ausbildungs- und Ernennungsvorschriften. Gemäß § 23 Abs.1 BDG 1979 soll die dienstliche Ausbildung dem Beamten die für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten vermitteln, sie erweitern und vertiefen (Loebenstein-Kaniak aaO 139). § 45 WehrG sieht auch vor, daß dem Soldaten die erforderliche militärische Ausbildung zu vermitteln ist. Daß zur militärischen Ausbildung auch die Verschaffung von Kenntnissen über das Verhalten von Bienenvölkern während der kalten Jahreszeit gehört, kann jedenfalls so lange nicht gesagt werden, als durch den von Heeresfahrzeugen bei Übungen verursachte Schädigungen nicht bekannt waren. Der Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB darf nicht überspannt werden. Dies wäre der Fall, wollte man vom Leiter einer Einsatzübung des Bundesheeres oder den sonst verantwortlichen Organen Kenntnisse über das Verhalten von Bienen während der Wintertraube und der Möglichkeit, daß durch Erschütterungen bzw. Abgase Schäden an eingewinterten Bienenvölkern entstehen können, fordern.

Aber auch die Berufung auf die Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes vermag dem Rechtsmittel des Klägers nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Vorinstanzen gingen zutreffend davon aus, daß zwischen den Vorschriften des Amtshaftungsgesetzes und des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes eine Konkurrenz von Anspruchsnormen besteht (SZ 56/133 mwN; SZ 50/45; SZ 48/17; SZ 43/10; Koziol, Österreichisches

Haftpflichtrecht2 II 383). § 1 EKHG sieht eine Haftung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes für Schäden vor, die durch einen Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges verursacht werden. Der Begriff des Kraftfahrzeuges ist gemäß § 2 Abs.2 EKHG im Sinne des Kraftfahrzeuggesetzes 1967, BGBl. Nr. 267, auszulegen. § 2 KFG 1967 umschreibt den Begriff des Kraftfahrzeuges als ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes oder auf Straßen verwendetes Fahrzeug, das durch technisch freigemachte Energie angetrieben wird und nicht an Geleise gebunden ist. Gemäß § 1 Abs.2 lit.d KFG 1967 finden die Abschnitte II bis XI des Kraftfahrgesetzes 1967 auf bestimmte Heeresfahrzeuge keine Anwendung. Ob die Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes auf Heeresfahrzeuge dennoch Anwendung finden, ist zweifelhaft (vgl. Koziol aaO II 522; Veit-Veit EKHG4 53), kann jedoch dahingestellt bleiben. Der eingetretene Schaden ist jedenfalls, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, auf keinen Unfall zurückzuführen. Der Begriff des Unfalles wird im Gesetz nicht näher umschrieben. Darunter wird im allgemeinen eine auf einen Körper oder eine Sache plötzlich einwirkende Schädigung verstanden (ZVR 1965/200; Koziol aaO 511; Veit-Veit aaO 13). Ein entscheidendes Charakteristikum des Unfallsbegriffes ist damit die Plötzlichkeit des Ereignisses, so daß eine sich wiederholende, mit dem Betrieb gewöhnlich zusammenhängende schädliche Einwirkung nicht als Unfall angesehen werden kann (Koziol aaO 512; BGHZ 37, 311, 313; Greger, Zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr Rz 105, 106 zu § 7 StVG). Einwirkungen durch Abgase, Lärm, Erschütterungen, die mit dem normalen Betrieb eines Kraftfahrzeuges verbunden sind, stellen daher auch dann keinen Unfall dar, wenn der Schaden durch eine relativ kurzzeitige, wenige Minuten dauernde Einwirkung eingetreten wäre.

Aus den dargelegten Gründen ist spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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