OGH 8Ob218/76

OGH8Ob218/7623.3.1977

SZ 50/45

Normen

ABGB §6
ABGB §7
Algemeines Sozialversicherungsgesetz §333
Bundeskrankenund Unfall-Versicherungsgesetz §125 Abs3
Bundeskrankenund Unfall-Versicherungsgesetz §§125 ff
ABGB §6
ABGB §7
Algemeines Sozialversicherungsgesetz §333
Bundeskrankenund Unfall-Versicherungsgesetz §125 Abs3
Bundeskrankenund Unfall-Versicherungsgesetz §§125 ff

 

Spruch:

Die Grenze einer ausdehnenden Anwendung der für einen bestimmten Tatbestand gegebenen Regel auf einen anderen, ihm ähnlichen muß dort gezogen werden, wo eine solche Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht

Keine analoge Anwendung der Haftungsbeschränkung des § 333 ASVG vom Bereich des B-KUVG § 125 Abs. 3 B-KUVG greift nur in die Regelung des AHG ein. Der Unfallgeschädigte kann gegen den Bund unabhängig von den Bestimmungen des AHG Ansprüche nach dem EKHG geltend machen, aber nur mit der Beschränkung auf dessen Haftungshöchstbeträge

OGH 23. März 1977, 8 Ob 218/76 (OLG Innsbruck 2 R 70, 71/76; LG Innsbruck 1 Cg 565/75)

Text

Am 30. Juli 1972 befanden sich der Kläger und Franz H, beide Gendarmeriebeamte, gemeinsam mit ihren Dienstmotorrädern auf einer Patrouillenfahrt in Osttirol. Auf der Heimfahrt zu ihrer Dienststelle kam es gegen 17.30 Uhr im Gemeindegebiet von Nußdorf-Debant dadurch zu einem Unfall, daß der Kläger, der wegen eines einsetzenden Regens nach links zu einer Tankstelle abbiegen wollte, um dort Unterstand zu finden, vom Motorrad des nachfolgenden Franz H gestreift wurde. Der Kläger erlitt dadurch einen Unterschenkelbruch, Franz H wurde wegen dieses Unfalles rechtskräftig verurteilt, weil er es beim Überholen an der erforderlichen Aufmerksamkeit habe fehlen lassen und das vom Kläger gelenkte Motorrad gestreift habe.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Haftung der beklagten Republik Österreich für alle aus dem Unfall vom 30, Juli 1972 entstehenden Schäden, eine monatliche Rente von 3333.98 S ab 1. August 1975 und Ersatz eines weiteren Schadens von 77 124.96 S. Letzterer setzt sich zusammen aus einem Schmerzengeld von 105 000 S, einem Verdienstentgang von 32 538.78 S, aus den Kosten der Heilbehandlung, Besuchskosten seiner Gattin im Krankenhaus und sonstiger Auslagen von 8286.18 S, aus den Kosten einer Ersatzkraft für verschiedene Hausarbeiten von 6300 S abzüglich einer vom Haftpflichtversicherer der Beklagten geleisteten Teilzahlung von 75 000 S. Der Unfall habe sich auf einer Patrouillenfahrt ereignet, an der er und Franz H als Gendarmeriebeamte der Verkehrsgruppe L teilgenommen haben. Franz H treffe das Alleinverschulden an dem Unfall. Die Beklagte sei Halterin des von Franz H gelenkten Motorrades und auch Dienstgeberin sowohl des Klägers als auch Franz Hs.

Die Beklagte stellte zwar das Schmerzengeld der Höhe nach mit 10 000 S außer Streit, bestritt aber jegliche Haftung. Sie wendete ein, sie sei nicht passiv legitimiert, soweit die Klage auf Verschuldenshaftung gestützt werde, da der Kläger und Franz H in Vollziehung von Landessachen tätig gewesen seien, als Rechtsträger im Sinne des AHG daher das Land Tirol und nicht die Beklagte in Betracht komme. Ihre Haftung sei aber auch gemäß § 333 ASVG ausgeschlossen. Diese Bestimmung sei zwar in das B-KUVG nicht aufgenommen worden, sei aber im Anwendungsbereich dieses Gesetzes im Hinblick auf die Gleichheit der tatsächlichen Voraussetzungen, der Interessenlage und im Hinblick auf das Bedürfnis nach Verhinderung einer mehrfachen Belastung des öffentlich-rechtlichen Dienstgebers analog anzuwenden. Den Kläger treffe jedenfalls ein Mitverschulden zu einem Viertel. Ihre allfällige Haftung nach dem EKHG wäre auf die Haftungssumme des EKHG in der zur Zeit des Unfalles geltenden Fassung beschränkt. Die Leistungen der Versicherungsanstalt der öffentlichen Bediensteten (BVA) übersteigen jedenfalls 200 000 S. Falls Regreßansprüche der BVA gegenüber der Beklagten rechtlich begrundet wären, würden diese im Rahmen der allfälligen Haftung der Beklagten jedenfalls das Quotenvorrecht genießen. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, ergäbe die anteilige Berücksichtigung allfälliger Regreßforderungen der BVA im Rahmen der allfälligen Haftung der Beklagten eine erhebliche Minderung der Forderung des Klägers. Dieser habe die Beklagte mit Schreiben vom 9. April 1975 zur Anerkennung der in der Klage erhobenen Ansprüche nach dem AHG aufgefordert. Die Beklagte habe mit Schreiben der Finanzprokuratur vom 17. Juli 1975 den Ersatz dieser Ansprüche abgelehnt.

In der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 1975 brachte der Kläger noch vor, die Beklagte auch nach dem AHG in Anspruch zu nehmen.

Die Beklagte entgegnete, die Geltendmachung dieses Anspruches sei unzulässig, der darauf gestützte Anspruch auch verjährt. Die Klage enthalte keine Ausführungen über einen Amtshaftungstatbestand und über ein Aufforderungsverfahren.

Das Erstgericht sprach dem Kläger mit Teilurteil ein Schmerzengeld von 10 000 S zu. Mit dem in das Urteil aufgenommenen Beschluß wies es das auf den Rechtsgrund der Amtshaftung gestützte Begehren zurück. Zur Begründung dieses Beschlusses führte es aus, die Klage sei nur auf das EKHG gestützt worden. Die Ausdehnung des Anspruches auf das AHG stelle eine unzulässige Klagsänderung dar.

Das Berufungsgericht bestätigte diesen Beschluß mit der Maßgabe, daß die Klagsänderung, das Klagebegehren auch auf den Rechtsgrund der Amtshaftung zu stützen, nicht zugelassen werde. Das Teilurteil hob es unter Rechtskraftvorbehalt auf.

Die Untergerichte gingen im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Kläger und Franz H befanden sich auf Patrouille, deren Kommandant der Kläger war. Ihren letzten Aufenthalt hatten sie gegen

17.30 Uhr bei der Debant-Brücke. Dann fuhren sie zurück zu ihrer Dienststelle, weil ihr Dienst um 18 Uhr endete. Als erster fuhr der Kläger Richtung L. Ihm folgte Franz H. Der Kläger hatte schon einen größeren Vorsprung vor Franz H. Als es zu regnen anfing, beschloß er nach links zu einer Tankstelle abzubiegen, um dort Unterstand zu finden. Nachdem er zwei PKW überholt hatte, den vorderen etwa 50 bis 100 m vor der späteren Unfallstelle, blieb er etwa in Fahrbahnmitte und gab mit dem in Hüfthöhe angewinkelten linken Arm ein deutlich erkennbares Handzeichen zum Linksabbiegen, bremste sein Fahrzeug allmählich ab und blieb dann bei der Einfahrt zur Tankstelle in der Fahrbahnmitte stehen, da er wegen Gegenverkehrs nicht sofort nach links abbiegen konnte. Als er etwa vier bis fünf Sekunden gestanden war, näherte sich Franz H, der inzwischen sein Motorrad auf etwa 100 km/h beschleunigt hatte, um wieder zum Kläger aufzuschließen. Auch er fuhr in Fahrbahnmitte, weil er mehrere PKW überholen wollte. Da die Windschutzscheibe seines Motorrades mit Regentropfen behaftet und daher die Sicht ungenügend war, fuhr er mit hochaufgerichteten Beinen, um so über die Windschutzscheibe hinwegschauen zu können. Als er sich dem Kläger auf etwa 100 m genähert hatte, verringerte er seine Geschwindigkeit, weil er glaubte, genügend nahe aufgeschlossen zu haben. Er bemerkte jedoch nicht, daß der Kläger mit seinem Motorrad stehengeblieben war. Erst als er sich diesem auf 15 m genähert hatte, bemerkte er das Anhalten des Klägers. Er bremste noch, konnte aber weder anhalten noch ausweichen, sondern streifte mit dem Sturzbügel seines Motorrades das Motorrad oder den Fuß des Klägers, der dabei zu Sturz kam. Die Unfallstelle befindet sich im Bereich eines übersichtlichen geraden Straßenstücks. Die Fahrbahn war wegen des soeben begonnen Regens naß. Die Fahrbahnbreite betrug

7.80 m, eine Geschwindigkeitsbegrenzung bestand nicht. Der Unfall ereignete sich außerhalb des Ortsgebietes im Bereich der Tankstellenzufahrt. Beide Motorräder standen im Eigentum der Beklagten und waren für das Bundesministerium für Inneres, Generaldirektion für öffentliche Sicherheit, zugelassen. Der Kläger und Franz H waren der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos Tirol, Verkehrsgruppe L, zugeteilt. Der sachliche Wirkungsbereich der Verkehrsabteilung umfaßt die Handhabung der Verkehrspolizei (Überwachung der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften, Verkehrsregelung), Maßnahmen im Dienste der Strafjustiz nach § 24 StPO, soweit sie im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen, die Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit auf den Straßen sowie die Besorgung sonstiger Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr, die zur Vollziehung dem Landeshauptmann oder der Landesregierung zugewiesen sind. Dem Kläger und Franz H waren für den Unfallstag keine besonderen Dienste vorgeschrieben worden. Sie hatten auf der Strecke Lienz-Iselsberg beziehungsweise Lienz-Ainet zu patrouillieren und in Fällen der Verletzung von Rechtsvorschriften oder zwecks Gewährleistung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs einzuschreiten. Bei Verkehrsunfällen hatten sie erste Hilfe zu leisten und die Unfallstelle abzusichern. Normalerweise erlassen die Gendarmeriebeamten bei solchen Patrouillen Strafverfügungen nach der StVO und dem KFG im Verhältnis von etwa 80 zu 20. Am Unfallstag hatten sie Abstrafungen sowohl nach der StVO als auch nach dem KFG vorgenommen, wobei aber das konkrete Verhältnis für diesen Tag nicht feststeht. Mit Wirkung vom 1. September 1974 wurde der Kläger wegen der durch diesen Unfall eingetretenen Dienstunfähigkeit in den zeitlichen Ruhestand versetzt. Im Zusammenhang mit dem Unfall erhielt der Kläger von der Kfz-Haftpflichtversicherungsanstalt der Beklagten 75 000 S an Schmerzengeld; die BVA ersetzte ihm einen Teil der Heilungskosten und leistet eine 30%ige Versehrtenrente von derzeit 1327 S monatlich. Leistungen (gemeint: sonstige Leistungen) erhielt der Kläger von einer Unfallversicherung nicht.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, das B-KUVG enthalte eine dem § 333 ASVG korrespondierende Bestimmung nicht. Eine analoge Anwendung dieser Gesetzesbestimmung auf den vorliegenden Fall sei nicht möglich. Die Haltereigenschaft der Beklagten sei auf Grund des festgestellten Sachverhaltes gegeben. Die Beklagte hafte daher dem Kläger nach dem EKHG. Das Verschulden des Lenkers ihres Motorrades Franz H stehe fest. Den Kläger treffe kein Mitverschulden. Er habe sich zum Linkseinbiegen zur Fahrbahnmitte eingeordnet, rechtzeitig die beabsichtigte Änderung der Fahrtrichtung angezeigt und seine Geschwindigkeit auf einer Strecke von 50 bis 100 m allmählich herabgesetzt, wobei die Bremslichter aufgeleuchtet haben. Dem Kläger sei daher der außer Streit gestellte weitere Schmerzengeldteilbetrag von 10 000 S zuzusprechen.

Auch das Berufungsgericht verneinte die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Bestimmungen des § 333 ASVG über die Haftungsbeschränkungen des Dienstgebers gegenüber dem Dienstnehmer bei Arbeitsunfällen im Anwendungsbereich des B-KUVG. Eine Gesetzeslücke setze eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechtes gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung voraus. Eine Ergänzung des Gesetzes dürfe nicht einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widersprechen. Der in den §§ 125 ff. B-KUVG verwirklichte Gesetzestext zeige, daß der Gesetzgeber bei der Schaffung dieses Gesetzes den Text der §§ 332 ff. ASVG eindeutig vor Augen gehabt habe, die Einschränkung der Haftung des Dienstgebers im Sinne des § 333 ASVG aus welchen Gründen immer aber nicht normieren wollte. Die Bestimmungen der §§ 333 bis 335 ASVG seien in das B-KUVG nicht übernommen worden. Die Bestimmung des § 2 ASVG sei zum Zwecke der Anpassung dieses Gesetzes an das neugeschaffene B-KUVG gleichzeitig mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes novelliert worden und bestimme ausdrücklich, daß die Vorschriften des ASVG für die Kranken- und Unfallsversicherung öffentlich Bediensteter nur insoweit gelten, als dies im B-KUVG oder im ASVG angeordnet werde. Dies sei hinsichtlich der Vorschriften des § 333 ASVG nicht der Fall. Für eine von den Vorschriften des ASVG abweichende Regelung des Schadenersatzes und der Haftung im B-KUVG gebe es durchaus sachliche Gründe. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage werde wiederholt auf die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes hingewiesen. Der Beamte unterliege anderen Pflichten als der private Dienstnehmer. Die Besoldung des Beamten sei nicht mit der privater Dienstnehmer vergleichbar. Im Krankheitsfalle laufe sein Gehalt weiter. Die Pension sei anders geregelt. Die Auflösung des Dienstverhältnisses unterliege anderen Normen. Anders als in der Privatwirtschaft sei im öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis die Fürsorge des Dienstgebers für seine Dienstnehmer immer schon verankert gewesen. Es wäre damit schwer vereinbar, wenn sich der öffentlich-rechtliche Dienstgeber Aufwendungen im Bereich der Unfallversicherung von seinen Dienstnehmern dadurch "ablösen" ließe, daß diese zum Beispiel auf ein Schmerzengeld verzichten müssen, wenn sie im Zuge eines Dienstunfalles verletzt werden. Es könne von der öffentlichen Hand erwartet werden, daß alle Unfallsverhütungsvorschriften beachtet würden. Im Gegensatz zum privaten Dienstgeber sei der Staat Dienstgeber sehr vieler öffentlicher Bediensteter. Das Risiko, für einen Dienstunfall aufkommen zu müssen, gleiche sich überschaubar aus. Es gebe Fälle, in denen der Bund keine Beiträge leiste, dennoch aber im Einzelfall Leistungen erbringe. So werden von den Gebietskörperschaften keine Dienstgeberbeiträge an den Fonds nach dem Familienlastenausgleich erbracht, von ihnen aber der Aufwand an Familienbeihilfe aus eigenem getragen. Die Gebietskörperschaften seien auch von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ausgenommen. Der Gesetzgeber gehe davon aus, daß der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften in der Lage seien, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Dies gelte auch im Bereiche des Schadenersatzrechtes, wo dem öffentlich-rechtlichen Dienstgeber zugemutet werde, seinen Dienstnehmern bei einem Dienstunfall auch den durch das B-KUVG nicht gedeckten Schaden zu ersetzen. Trotz aller Ähnlichkeit der Tatbestände im Bereiche des ASVG und im Bereiche des B-KUVG bestunden doch gewichtige Unterschiede. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien die Bestimmungen des § 125 Abs. 3 B-KUVG nicht nur dann sinnvoll, wenn eine Regreßhaftung des Bundes weder als Dienstgeber noch als Rechtsträger im Sinne des AHG angenommen, also die Regel des § 333 ASVG analog angewendet werde. Es gebe Arbeitsunfälle, bei denen weder ein Amtshaftungstatbestand noch eine Haftung des öffentlichen Dienstgebers gegeben sei, dennoch aber gegen einen in derselben Dienststätte tätigen Dienstnehmer ein Ersatzanspruch bestehen könne. Die Rechtsprechung habe die analoge Anwendung des § 333 ASVG für den Bereich des Heeresversorgungsgesetzes auf Schadenersatzansprüche der Wehrpflichtigen des Präsenzdienstes unter Hinweis auf den Ausnahmecharakter des § 333 ASVG ausdrücklich verneint.

Die Haftung der Beklagten sei auf die Haftungshöchstbeträge des EKHG nicht beschränkt, weil sie gemäß § 19 Abs. 2 EKHG für das Verschulden des Motorradlenkers Franz H über die Haftungsgrenzen des EKHG hinaus hafte. Es ergebe sich daher gar nicht das Problem, daß die Haftungssumme des EKHG durch etwaige Leistungen der BVA schon erschöpft sein könnte. Ein Mitverschulden des Klägers habe das Erstgericht mit Recht verneint.

Die Sache sei aber noch nicht spruchreif. Der Kläger habe in der Klage den vom Haftpflichtversicherer bezahlten Betrag von 75 000 S als Teilzahlung von der Gesamtsumme aller Ansprüche in Abzug gebracht. Im Hinblick auf dieses Prozeßvorbringen des Klägers könne nicht davon ausgegangen werden, daß sich die Prozeßerklärung der Beklagten, das Schmerzengeld der Höhe nach mit 10 000 S außer Streit zu stellen, sich nur mehr auf ein restliches Schmerzengeldbegehren des Klägers von 30 000 S (105 000 S abzüglich 75 000 S) beziehe. Der Beklagte habe nicht außer Streit gestellt, daß dem Kläger ein weiteres Schmerzengeld von 10 000 S zustehe. Zur Beurteilung der Frage, ob ein Schmerzengeld von mindestens 85 000 S angemessen sei, fehle es aber an Feststellungen über den konkreten Heilungsverlauf.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Beklagte, die nach der Teleologie des B-KUVG und nach dem Gebot der Gleichbehandlung des Gleichartigen aus dem Fehlen einer den Bestimmungen des § 333 ASVG entsprechenden Regelung im B-KUVG das Bestehen einer Gesetzeslücke ableitet und deren Schließung durch Analogie verlangt, trägt nicht der besonderen Vorgangsweise des Gesetzgebers bei der Schaffung der Regelung des Abschnittes II über Schadenersatz und Haftung im B-KUVG Rechnung. Der Ausfüllung einer Gesetzeslücke im Wege der Analogie hat die Feststellung, daß eine Gesetzeslücke vorliegt, vorauszugehen. Es liegt hier nicht der Fall vor, daß infolge gesellschaftlicher, technischer oder wirtschaftlicher Entwicklungen neue Fragen auftauchen, die im Rahmen des von der Grundabsicht des Gesetzes erfaßten Regelungsbereiches nunmehr einer Regelung bedürfen, die aber der Gesetzgeber noch nicht gesehen hat. Für die Regelung der Unfallsversicherung im B-KUVG lag dem Gesetzgeber - wie sowohl aus den Gesetzesmaterialien als auch aus der Gesetzestextierung hervorgeht - das ASVG als Vorbild zugrunde. Es käme daher nur eine anfängliche, nicht bewußte Gesetzeslücke in Betracht, wenn der Gesetzesgeber eine nach seiner Grundabsicht der Regelung bedürftige Frage übersehen oder irrtümlich für von ihm bereits geregelt gehalten hätte (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., 363 ff.; Gschnitzer, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechtes, 32). Es ist richtig, daß die "immanente Teleologie" des Gesetzes in diesem Zusammenhang nicht zu eng verstanden werden darf und daß dabei auch allgemeine Rechtsprinzipien, wie das Prinzip der Gleichbehandlung des Gleichartigen zu berücksichtigen sind. Die Grenze einer ausdehnenden Anwendung der für einen bestimmten Tatbestand gegebenen Regel auf einen anderen, ihm ähnlich muß aber dort gezogen werden, wo eine solche Ergänzung etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (vgl. Larenz, a. a. O., 358 ff.; Koziol - Welser, Grundriß, 4. Aufl., 21 ff.; Pallandt BGB, 36. Aufl., 9 vor § 1 V 3 a und b). Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu. Der Gesetzgeber hatte mit dem B-KUVG nicht etwa eine Pensionsversicherung - wie etwa in dem später entstandenen Bauern-Pensionsversicherungsgesetz BGBl. 28/1970 -, sondern mit der Krankenversicherung die Unfallsversicherung der Dienstnehmer aus einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis und der diesen Gleichgestellten zu regeln. Es kann daher nicht unterstellt werden, daß der Gesetzgeber bei der Regelung der Schadenersatzansprüche und der Haftung in Verbindung mit den Leistungsansprüchen gegenüber dem Sozialversicherungsträger im Abschnitt II des B-KUVG nicht bedacht hätte, dabei auch den Schadenersatz und die Haftung im Rahmen der sozialen Unfallversicherung zu regeln. Der Systematik des ASVG folgend regelt § 125 B-KUVG den Übergang von Schadenersatzansprüchen auf die Versicherungsanstalt. Diese Regelung folgt fast wörtlich der gleichartigen Regelung des § 332 ASVG im wesentlichen mit der Ausnahme der Bestimmung des § 332 Abs. 3 ASVG, die die Legalzession von Schadenersatzansprüchen nach § 333 ASVG ausschließt. Wenn der Gesetzgeber schon bei der Regelung des Überganges von Schadenersatzansprüchen im § 125 B-KUVG abweichend von der Regelung des § 332 ASVG gerade jene Bestimmungen herausnimmt, die auf die Haftungsbeschränkung des § 333 ASVG Bezug hat, kann nicht angenommen werden, daß dies nicht bewußt geschehen sei und der Gesetzgeber dabei nur übersehen habe, in den dem § 125 B-KUVG folgenden Bestimmungen eine dem § 333 ASVG entsprechende Regelung zu treffen, die die Haftung des Dienstgebers und der ihm Gleichgestellten gegenüber seinem Dienstnehmer aus einem Arbeitsunfall (Berufskrankheit) auf vorsätzliche Verursachung beschränkt. Es fehlt im B-KUVG nicht nur eine dem § 333 ASVG, sondern auch eine dem § 334 ASVG gleichartige Regelung, welch letztere in engem Zusammenhang mit der Regelung des § 333 ASVG dem Sozialversicherungsträger einen originären Ersatzanspruch gegen den Dienstgeber und die ihm Gleichgestellten bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung eines Arbeitsunfalles gewährt. Mögen auch die Gesetzesmaterialien keinen Aufschluß darüber geben, warum eine den §§ 333 und 334 ASVG entsprechende Regelung in das B-KUVG nicht aufgenommen wurde, kann dem Gesetzgeber mit Bedacht auf die dargestellte Vorgangsweise bei der Regelung der Haftung und des Schadenersatzes im Abschnitt II nicht unterstellt werden, daß er nach seiner Grundabsicht nur übersehen habe, im B-KUVG eine dem § 333 ASVG entsprechende Regelung zu treffen. Eine "planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes kann um so weniger angenommen werden, als gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des B-KUVG mit der 20. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 201/1967, die bisherigen Bestimmungen des § 2 Abs. 2 ASVG, wonach die Bestimmungen des ASVG in der Sonderversicherung der "Krankenversicherung der Bundesangestellten" nur soweit gelten, als dies in den Vorschriften über die Sonderversicherung oder im ASVG angeordnet ist, durch Änderung der Bezeichnung dieser Sonderversicherung in "Kranken- und Unfallversicherung öffentlicher Bediensteter" an die neue Rechtslage angepaßt worden sind. Damit wurde ausdrücklich der schon im Grundgesetz des ASVG enthaltene Grundsatz der nur beschränkten Anwendbarkeit der Bestimmungen des ASVG für das neue Gesetz über die Kranken- und Unfallsversicherung öffentlich Bediensteter aufrechterhalten. Liegt aber eine "planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes nicht vor, sind die Voraussetzungen für eine Gesetzeslücke nicht gegeben. Eine der Beklagten nach rechtspolitischen Gesichtspunkten allenfalls notwendig erscheinende Korrektur des Gesetzes bedürfte einer neuen Gesetzesregelung.

Es kann auch nicht der Ansicht der Beklagten gefolgt werden, die Bestimmungen des § 125 Abs. 3 B-KUVG seien nur sinnvoll, wenn eine Regreßhaftung des Bundes weder als Dienstgeber noch als Rechtsträger angenommen, die Regelung des § 333 ASVG sohin analog angewendet werde. Die Beschränkung des Rückgriffes des Sozialversicherungsträgers gegen einen Arbeitskollegen des Verletzten ist vom Umfang der Haftung des Dienstgebers vollkommen unabhängig. Haftet ein Dienstnehmer für die Verletzung seines Arbeitskollegen, ist der Rückgriff des Sozialversicherungsträgers mit der Beschränkung des § 125 Abs. 3 B-KUVG zulässig, gleichgültig, ob die Haftung des Dienstgebers auf vorsätzliche Verursachung des Arbeitsunfalles beschränkt ist oder ob dieser für das Verschulden seines Dienstnehmers nach den allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes oder nach dem EKHG oder nach dem AHG haftet. § 125 Abs. 3 B-KUVG greift nur in die Regelung des AHG ein (vgl. Erläuternde Bemerkungen zu § 125 B-KUVG, 463 BlgNR, XI. GP). Inwiefern mit Rücksicht auf die rechtliche Möglichkeit eines direkten Zugriffes des verletzten Dienstnehmers gegen den schädigenden Dienstnehmer eine Haftung des Dienstgebers gegenüber dem verletzten Dienstnehmer nicht sinnvoll sein soll, ist überhaupt nicht erkennbar.

Die Beklagte bekämpft ferner die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß ihre Haftung nicht durch die Haftungshöchstbeträge des EKHG begrenzt sei, weil sie für das Verschulden des beim Betriebe des Motorrades tätigen Lenkers nach § 19 Abs. 2 EKHG auch über die Haftungshöchstgrenzen des EKHG hinaus hafte und daher das Problem, daß die Haftungshöchstsumme des EKHG durch etwaige Leistungen der BVA schon erschöpft sei, gar nicht auftreten könne.

Der Beklagten ist darin beizupflichten. Bei der Beurteilung der Haftung der Beklagten ist auf Grund des festgestellten Sachverhaltes davon auszugehen, daß Franz H als Organ der Beklagten in Vollziehung von Aufgaben der Hoheitsverwaltung den Kläger verletzt hat. Auf ein Verschulden dieses Organes gestützte Ansprüche des Klägers könnten nur unter Beobachtung der Verfahrensvorschriften des AHG durchgesetzt werden. Der Kläger ist aber nicht gehindert, gegen die Beklagte Ansprüche nach dem EKHG unabhängig von den Bestimmungen des AHG geltend zu machen (vgl. ZVR 1966/125; ZVR 1970/205). Die von ihm auf das EKHG gestützten Ansprüche unterliegen jedoch den Beschränkungen dieses Gesetzes, somit auch der Beschränkung auf die Haftungshöchstbeträge nach den §§ 15 und 16 EKHG. Die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes können auch nicht durch Anwendung des § 19 Abs. 2 EKHG umgangen werden, wonach der Halter eines Kraftfahrzeuges für das Verschulden des Lenkers, der mit seinem Willen beim Betriebe tätig war, haftet (vgl. ZVR 1970/205; ZVR 1973/180; 2 Ob 199/75). Die Haftungsbeschränkung würde allerdings den Zuspruch eines Teilbetrages von 10 000 S an Schmerzengeld nicht hindern, da der im Zeitpunkt des Unfalles geltende Haftungshöchstbetrag für Personenschaden 600 000 S (§ 15 Abs. 1 Z. 2 EKHG) betragen hat, der Haftpflichtversicherer der Beklagten ja nur 75 000 S an Schmerzengeld bezahlt hat und selbst die von der Beklagten behaupteten bisherigen Aufwendung des Sozialversicherungsträgers nur 200 000 S ausmachen. Auf die Haftungsbeschränkung wird allerdings insbesondere bei der Erledigung des Feststellungsbegehrens und des Rentenbegehrens Bedacht zu nehmen sein, die jedoch nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses sind.

Dennoch ist die Sache über den Anspruchsteil von 10 000 S an Schmerzengeld aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen noch nicht zur Entscheidung reif. Im Hinblick auf das Prozeßvorbringen des Klägers, der nach Abzug der geleisteten Teilzahlung von 75 000 S vom Gesamtschaden einen restlichen Schaden von 77 124.96 S geltend macht, bedarf es zumindest einer Erörterung mit den Parteien (§ 182 ZPO), was die Beklagte mit der Außerstreitstellung der Höhe des Schmerzengeldes mit 10 000 S gemeint hat (ob in Bezug auf das gesamte Schmerzengeldbegehren oder zusätzlich zu dem bereits bezahlten Schmerzengeld). Allenfalls sind die erforderlichen Feststellungen zu treffen.

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