OGH 2Ob665/87

OGH2Ob665/8713.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Christina P***, geboren am 7. Juni 1974, infolge Revisionsrekurses ihrer Eltern DDr. Otto P***, Botschafter, und Tuulikki P***, Private,

Beatrixgasse 26, 1030 Wien, beide vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 24.Juli 1987, GZ 43 R 395/87-32, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 1.Juli 1987, GZ 7 P 152/86-28, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die mj. Christina P***, geboren am 7.6.1974, wurde im Testament der am 21.6.1986 verstorbenen, zuletzt in Zürich wohnhaft gewesenen österreichischen Staatsbürgerin Dr. Luise K*** zur Hälfte des Nachlasses als Erbin eingesetzt. Die Eltern der Minderjährigen legten in der Folge dem Pflegschaftsgericht Urkunden des Bezirksgerichtes Zürich (Erbbescheinigung, Willensvollstreckerzeugnis) und des Steueramtes der Stadt Zürich (Steuerinventar) vor, aus welchen Geld- und Depotguthaben der Erblasserin bei Banken in der Schweiz und in Österreich und sonstiges bewegliches Vermögen (Wohnungseinrichtung, Schmuck, Bargeld usw) von insgesamt rund 743.000 sfr sowie Schulden von ca.

1.400 sfr hervorgehen.

Vom Bezirksgericht Feldkirch wird zu A 484/86 ein Verlassenschaftsverfahren nach Dr. Luise K*** geführt. In diesem Verfahren legten die beiden Erben, die mj Christina P*** vertreten durch ihren Vater, ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis über das in Österreich befindliche Vermögen der Erblasserin (Bankguthaben und Wertpapierdepots im Werte von insgesamt rund 95.000 S) vor, gaben auf das Testament der Erblasserin gegründete unbedingte Erbserklärungen zu dem in Österreich gelegenen Nachlaßvermögen ab und stellten die Schlußanträge. Am 7.5.1987 beantragten die Eltern der mj. Christina P*** die pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Abgabe der vorgenannten unbedingten Erbserklärung. Das Pflegschaftsgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, die Abgabe einer unbedingten Erbserklärung über das in Österreich befindliche Vermögen der Erblasserin liege nicht im Interesse des Kindes, welches sich dadurch in eine nachteilige Rechtsposition begebe, weil nicht "hundertprozentig" gesagt werden könne, ob nicht doch noch Nachlaßpassiven auftreten.

Das Rekursgericht gab dem gegen den erstgerichtlichen Beschluß gerichteten Rekurs nicht Folge. Es hielt die für die Inventarerrichtung in der Schweiz geltenden Vorschriften für das gegenständliche Nachlaßverfahren nicht für erheblich und erklärte, in der Frage der Inventarerrichtung sei bei Minderjährigen der Sicherungsgedanke in den Vordergrund zu stellen. Da einerseits nach dem vorgelegten Vermögensbekenntnis der in Österreich abzuhandelnde Nachlaß ausschließlich aus Konten und Wertpapieren bestehe und besondere Verfahrenskosten und Verfahrensverzögerungen nicht zu erwarten seien, andererseits aber ein kurzes Protokoll des Gerichtskommissärs den gewichtigen Vorteil der beschränkten Haftung der Erbin mit sich bringe, sollte auf diesen Vorteil nicht verzichtet werden. Das Wohl des Minderjährigen fordere geradezu das Gegenteil, zumal die Verhältnisse im Ausland lebender Erblasser letztlich nicht bekannt seien.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der auf den Beschwerdegrund der Nichtigkeit nach § 16 AußStrG gestützte ao. Revisionsrekurs mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung der Abgabe der unbedingten Erbserklärung. Zur Begründung wird darauf verwiesen, das Rekursgericht übersehe, daß bei einer Inventierung die Einbeziehung auch des in der Schweiz gelegenen erheblichen Nachlaßvermögens erforderlich sei, wodurch Kosten entstehen würden, welche eine Erbserklärung vor dem österreichischen Nachlaßgericht untunlich erscheinen ließen. Somit liege eine Mangelhaftigkeit vom Gewichte einer Nullität vor, denn das Rekursgericht habe nicht erkannt, daß es in Wahrheit darüber entschieden habe, ob die Minderjährige wegen der hohen Kosten und Gebühren auf ihren Anteil an den österreichischen Vermögenswerten verzichten müsse. Tatsächlich bestehe nicht die geringste Gefahr, daß sich nach so langer Zeit noch Gläubiger melden könnten.

Der ao Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens eines der in § 16 AußStrG vorausgesetzten Beschwerdegründe unzulässig. Gemäß § 21 AußStrG hat das für die Abhandlung der Verlassenschaft zuständige inländische Verlassenschaftsgericht diese Abhandlung "über alles, wo immer befindliche bewegliche Vermögen und die im Inland gelegenen unbeweglichen Güter des Verstorbenen zu pflegen". Auch wenn ein im Ausland befindlicher Nachlaß eines Inländers von der ausländischen Behörde in die Abhandlung miteinbezogen wurde, hat daher das österreichische Gericht darüber die Abhandlung zu pflegen (EvBl.1974/188; SZ 49/62; 7 Ob 737/86 ua). Dabei ist grundsätzlich österreichisches Recht anzuwenden, gleichgültig, wo der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte (SZ 45/13; EvBl.1974/188).

Vorliegendenfalls ist daher, was auch der Revisionsrekurs unterstellt, von den Unterinstanzen allerdings außer acht gelassen wurde, das in der Schweiz gelegene bewegliche Nachlaßvermögen der Erblasserin in die Abhandlung einzubeziehen. Da die mj Christina P*** von ihren Eltern vertreten wird und eine Interessenkollision nicht vorliegt, hat dabei eine amtswegige Inventarerrichtung im Sinne des § 92 Abs.2 Z 1 AußStrG nicht stattzufinden.

Die Unterinstanzen vertraten die Rechtsauffassung, die Abgabe einer unbedingten Erbserklärung entspreche nicht dem Kindesinteresse, weil damit gemäß § 801 ABGB die Haftung für alle Forderungen von Gläubigern der Erblasserin verbunden ist, auch wenn die Verlassenschaft hiezu nicht hinreicht. Nach Ansicht des Rekursgerichtes erfordert das Wohl der Minderjährigen geradezu das Gegenteil, also die Abgabe bloß einer bedingten Erbserklärung - mit der gemäß § 92 Abs.1 AußStrG zwingenden Rechtsfolge einer Inventarerrichtung - , weil die Verhältnisse im Ausland lebender Erblasser nicht sicher überblickt werden können. Demgemäß wurde die nach der ausdrücklichen Anordnung des § 154 Abs.3 ABGB für die unbedingte Annahme einer Erbschaft durch einen Minderjährigen erforderliche pflegschaftsbehördliche Genehmigung nicht erteilt. Nach der Rechtsprechung kann der gänzlichen Außerachtlassung des Kindeswohles in einer pflegschaftsgerichtlichen Entscheidung das Gewicht einer Nullität zukommen (EFSlg.35.061; 6 Ob 742/81, 2 Ob 622/84, 7 Ob 674/86 ua). Auch vermag die Mißachtung dieses Grundprinzips des Pflegschaftsverfahrens selbst bei Ermessensentscheidungen eine offenbare Gesetzwidrigkeit darzustellen (7 Ob 282/72 uva, zuletzt etwa 2 Ob 543/87).

Von der Verletzung dieses Grundsatzes der Beachtung des Kindeswohles kann indes vorliegendenfalls nicht die Rede sein. Die Erwägung des Rekursgerichtes, daß die Möglichkeit des Auftretens von Gläubigern der im Ausland wohnhaft gewesenen Erblasserin nicht völlig von der Hand gewiesen werden könne, ist durchaus zutreffend. Die Inventierung des Nachlasses liegt daher im Interesse der minderjährigen Erbin. Im Hinblick auf die Beschaffenheit des in- und ausländischen beweglichen Nachlaßvermögens ist hier zweifellos keine besonders umfangreiche Inventarisierung oder Schätzung erforderlich. Die Frage der diesbezüglichen Kosten tritt demgemäß bei der hinsichtlich des Kindeswohles vorzunehmenden Gesamtbeurteilung offenbar in den Hintergrund. Ob die beantragte pflegschaftsbehördliche Genehmigung im Falle einer Haftungsübernahme der Eltern oder eines Elternteiles für die den Wert des der Minderjährigen zukommenden Nachlaßvermögens allenfalls übersteigenden Forderungen von Nachlaßgläubigern zu erteilen wäre, ist im Hinblick auf die durch § 16 AußStrG beschränkte Rechtsmittelzulässigkeit hier nicht zu erörtern.

Somit kann aber nicht gesagt werden, daß die vorliegende rekursgerichtliche Ermessensentscheidung mangels der erforderlichen Bedachtnahme auf das Interesse der Minderjährigen an der von den Rechtsmittelwerbern behaupteten Nichtigkeit oder - im Sinne ihrer inhaltlichen Ausführungen - an einer offenbaren Gesetzwidrigkeit leide.

Das sonach unzulässige Rechtsmittel war daher zurückzuweisen.

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