OGH 12Os99/87

OGH12Os99/873.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.September 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Leo Levnaic-Iwanski als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hubert Michael M*** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 26. März 1987, GZ 20 i Vr 7447/85-136, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Nurscher und des Verteidigers DDr. Hein jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Strafe auf

18 (achtzehn) Jahre

erhöht.

Die Berufung des Angeklagten wird, soweit sie sich gegen das Strafausmaß richtet, auf diese Entscheidung verwiesen; im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 23-jährige Hubert Michael M*** (im zweiten Rechtsgang) auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 25. oder 26.Juni 1985 in Wien den Hans Joachim S*** durch mehrere Schläge mit einer Mineralwasserflasche gegen den Kopf sowie durch zahlreiche Messerstiche in den Bereich des Halses vorsätzlich getötet zu haben. Die Geschwornen hatten die anklagekonforme Hauptfrage (1) nach dem Verbrechen des Mordes mit 6-Ja- gegen 2-Neinstimmen beantwortet, die Eventualfrage (2) nach dem Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86 StGB) folgerichtig unbeantwortet gelassen und die Zusatzfrage (3) nach Zurechnungsunfähigkeit bei zwei Stimmenthaltungen (§ 331 Abs. 1 zweiter Satz StPO) mit 6 Stimmen verneint.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe des § 345 Abs. 1 Z 6, 8, 9 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Soweit aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund die Fragestellung - wie im ersten Rechtsgang - deshalb als fehlerhaft gerügt wird, weil es der Schwurgerichtshof unterlassen habe, in den Schuldfragen das Erfordernis vorsätzlichen Handelns anzuführen, so genügt es, auf die in dieser Sache bereits ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27.November 1986, 12 Os 122/86 (ON 108 d.A), hinzuweisen (§§ 285 d Abs. 1 Z 1, 344 StPO), wonach die Aufnahme von Merkmalen des in Betracht kommenden Tatbestands, die vom Gesetz (§ 7 Abs. 1 StGB) subintelligiert werden, in die darauf gerichtete Schuldfrage grundsätzlich nicht geboten ist. Der weitere Einwand hinwieder, es wäre (auch) eine Eventualfrage nach dem Delikt der "schweren Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 84, 86 StGB)" zu stellen gewesen, übersieht, daß die §§ 84 bis 86 keinen eigenständigen Deliktstyp normieren, sondern lediglich (Erfolgs-)Qualifikationen des Grundtatbestands der Körperverletzung nach § 83 StGB darstellen (Foregger-Serini, StGB3, Erl I zu § 83; Leukauf-Steininger, Komm2, RN 1 zu § 83 StGB); zudem richtet sich die rechtliche Wertung einer Tat nicht nach Zwischenerfolgen (wie etwa solchen nach § 84 Abs. 1 StGB), sondern nach dem Enderfolg, sodaß die Qualifikationen nach den §§ 84 (Abs. 1), 86 StGB nicht zusammentreffen können. Der von der Beschwerde angestrebten rechtlichen Beurteilung wurde demnach durch die Eventualfrage (2) nach dem Delikt der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86 StGB) vollauf entsprochen.

Für die reklamierte (weitere) Eventualfrage nach dem Delikt der absichtlichen schweren Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 87 Abs. 1 und 2 StGB) bestand entgegen der Meinung des Beschwerdeführers keine Veranlassung, weil sich der Beschwerdeführer in der erneuerten Hauptverhandlung (wieder) nicht schuldig bekannt und geleugnet hat, gegen Hans Joachim S*** überhaupt tätlich geworden zu sein. Seine in der bereits erwähnten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27.November 1986, 12 Os 122/86, zitierte Verantwortung im Vorverfahren (vgl die S 427 und 428 im zweiten Band d.A) bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme absichtlicher schwerer Körperverletzung. Denn der Angeklagte hat hierin nur seine "Absicht, bzw den Vorsatz" geleugnet, "S*** so zu verletzen, daß er jedenfalls ums Leben komme" (S 69 = 167, 88-90 im ersten Band d.A), er hat aber nie behauptet, daß er S*** absichtlich schwer verletzen wollte, dh, daß es ihm (im Sinne der Definition der Absicht nach § 5 Abs. 2 StGB) darauf angekommen wäre, S*** eine schwere Verletzung zuzufügen (nicht aber ihn zu töten). Eine Eventualfrage nach § 87 StGB war demnach nicht indiziert.

Unter dem Grund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO behauptet der Angeklagte, der Schwurgerichtshof habe den Geschwornen insoweit eine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt, als darin die Voraussetzungen für ein Handeln mit bedingtem Vorsatz (§ 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz StGB) einerseits dahin erläutert werden, daß der Täter sich mit dem Eintritt des (strafgesetzwidrigen) Erfolgs "billigend" abfinden müsse, während andererseits ausgeführt werde, daß ein bloßes "Sich-Abfinden" mit diesem Erfolg genüge.

Auch damit ist die Beschwerde nicht im Recht.

Wenn der Schwurgerichtshof das zum bedingten Vorsatz erforderliche "Sich-Abfinden" mit der ernstlich für möglich gehaltenen, also als naheliegend angesehenen Tatbildverwirklichung deren "billigendem" In-Kaufnehmen gleichsetzte, so ist dies zwar unrichtig, beschwert indes den Angeklagten nicht. Wird doch damit strafbarkeitseinschränkend zum Ausdruck gebracht, der Täter müsse bei der weiteren Willensbildung den nachteiligen Ereignisablauf geradezu bejahen oder "billigen", wogegen in Wahrheit schon eine "bewußte" Gleichgültigkeit in bezug auf den Erfolgseintritt genügt (12 Os 120/84 ua). Ein solcher strarbarkeitseinschränkender Mangel der Rechtsbelehrung, der die Position des Beschwerdeführers begünstigt, kann sich aber niemals zum Nachteil der Verteidigung auswirken, sodaß es insoweit generell an einer überhaupt denkbaren Benachteiligung der Beschwerdeinteressen fehlt (vgl erneut 12 Os 120/84, 10 Os 10/82).

Zu den behaupteten Nichtigkeitsgründen nach § 345 Abs. 1 Z 9 und 12 StPO führt der Beschwerdeführer aus, daß die Antwort der Geschwornen auf die gestellte Hauptfrage unvollständig sei, weil der Wahrspruch über die subjektive Tatseite nichts aussage und daher für die Aufnahme des Vorsatzes im Schuldspruch jede Grundlage fehle; dieser Mangel im Wahrspruch lasse eine eindeutige rechtliche Beurteilung der Tat, sei es als Mord, als Körperverletzung mit tödlichem Ausgang oder als absichtliche schwere Körperverletzung mit tödlichem Ausgang, nicht zu.

Der Beschwerde kann auch hier nicht gefolgt werden. Daß die Aufnahme des Vorsatzerfordernisses in die Fragestellung nicht erforderlich war, hat der Oberste Gerichtshof bereits in der mehrfach zitierten Entscheidung vom 27.November 1986 (ON 108) klargestellt. Von einer Unvollständigkeit des Wahrspruchs kann im gegebenen Zusammenhang keine Rede sein. Auf der Grundlage dieses Wahrspruchs läßt sich aber auch eine unrichtige Subsumtion der darin festgestellten Tat durch den Schwurgerichtshof nicht ableiten, ist doch dem Wahrspruch mit aller Deutlichkeit zu entnehmen, daß die Geschwornen den Angeklagten einer Tat für schuldig befunden haben, die als das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB zu beurteilen ist. Der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 13 des § 345 Abs. 1 StPO reklamierend bekämpft der Beschwerdeführer schließlich seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB mit der Behauptung, daß seine psychische Abartigkeit jenes Grades entbehre, der für eine Einweisung erforderlich sei.

Die Beschwerde übergeht jedoch, daß das Erstgericht die Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen zur Tatsachengrundlage erhoben hat (vgl III S 257, insbes das Gutachten des Sachverständigen Dr. G***, I S 543 f) und darauf die Annahme stützte, daß der Angeklagte die Tat unter dem Einfluß einer seelischen Abartigkeit von höherem Grad begangen hat. Davon ausgehend wurde aber die in Rede stehende (materiellrechtliche) Einweisungsvoraussetzung zutreffend bejaht.

Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu 15 Jahren Freiheitsstrafe. Es ordnete weiters gemäß § 21 Abs. 2 StGB die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an. Bei der Strafbemessung waren erschwerend die Wehrlosigkeit des Opfers, die Brutalität bei der Tatausführung und der Mißbrauch des Vertrauensverhältnisses, mildernd hingegen der Umstand, daß der Angeklagte zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, die psychisch abartige Persönlichkeitsstruktur und die Erregung zur Tatzeit.

Mit ihren Berufungen streben die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung der Freiheitsstrafe an, während der Angeklagte eine Strafmilderung und die Ausschaltung der Anstaltseinweisung begehrt. Lediglich der Berufung der Anklagebehörde kommt Berechtigung zu. Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zwar im wesentlichen richtig festgestellt. Entgegen den Ausführungen der Staatsanwaltschaft hat das ursprüngliche Geständnis des Angeklagten bei der gegebenen Beweislage doch wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen; auch wurde seine abnorme Persönlichkeitsstruktur mit Recht als mildernd gewertet. Das Erstgericht hat jedoch zu wenig darauf Bedacht genommen, daß sich der Angriff gegen einen Menschen richtete, der dem Angeklagten freundschaftlich zugetan und ihm infolge eines körperlichen Gebrechens wehrlos ausgeliefert war, was bei Berücksichtigung des Schuld- und Unrechtsgehalts der Tat doch erheblich ins Gewicht fällt. Erst die im Spruch ersichtliche Strafe trägt den im § 32 StGB normierten Grundsätzen für die Strafbemessung Rechnung.

Die gegen das Strafmaß gerichtete Berufung des Angeklagten war auf diese Entscheidung zu verweisen.

Soweit die Berufung des Angeklagten die Anstaltseinweisung bekämpft, kommt ihr keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat seine Feststellungen über die Gefährlichkeitsprognose auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. G*** (Band I ON 39, S 543/544; Band III, S 233) und Dr. J*** (Band II ON 115, S 415; Band III, S 235 f) gestützt und diese zur Feststellungsgrundlage erhoben. Die Berufung erschöpft sich demgegenüber in dem Vorbringen, daß die Zukunftsprognose nicht so schlecht sei, daß ernstlich angenommen werden müsse, der Angeklagte könnte in Zukunft wieder schwere Straftaten begehen und zeigt damit nichts auf, was gegen die Annahme einer solchen ungünstigen Prognose sprechen könnte.

Es war der Berufung daher insoweit ein Erfolg zu versagen.

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