OGH 12Os120/84

OGH12Os120/8413.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. September 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Heinz A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Eisenstadt vom 5. Juni 1984, GZ 11 Vr 1026/83-60, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Knob, und des Verteidigers Dr. Dörnhöfer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15. September 1959 geborene Mechaniker Heinz A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 25. September 1983 in Hornstein Wolfgang B durch zwei Stiche mit einem Fixiermesser gegen die linke Brustseite, wodurch es zur Durchtrennung der Körperhauptschlagader kam, vorsätzlich tötete. Die Geschwornen haben die (anklagekonforme) Hauptfrage nach Mord (§ 75 StGB) stimmeneinhellig bejaht, die in Richtung Notwehr und Zurechnungsunfähigkeit gestellten Zusatzfragen jedoch ebenso stimmeneinhellig verneint; die ihnen desweiteren vorgelegten Eventualfragen nach Totschlag (§ 76 StGB), Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 83 Abs 1, 86 StGB) und absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge (§ 87 Abs 1 und 2, zweiter Fall, StGB) blieben folgerichtig unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

In seiner allein die Z 8 des § 345 Abs 1 StPO relevierenden Nichtigkeitsbeschwerde behauptet der Angeklagte zunächst, der Schwurgerichtshof habe den Geschwornen zur Hauptfrage (nach Mord) deshalb eine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt, weil die Voraussetzungen für ein Handeln mit bedingtem Vorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) dahin erläutert worden seien, daß der Täter den Eintritt des strafgesetzlichen Erfolges 'zumindest billigend in Kauf nimmt'. Bei diesem Vorbringen gibt die Beschwerde jedoch den Inhalt der tatsächlich erteilten (schriftlichen) Rechtsbelehrung (vgl S 495/I) nur unvollständig wieder. In dieser wird nämlich vorsätzliches Handeln mit folgenden Worten erklärt: 'Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht;

dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet (§ 5 Abs 1 StGB), daß er also den Eintritt des strafgesetzlichen Erfolges zumindest billigend in Kauf nimmt (sogenannter bedingter Vorsatz).'. Damit hat der Schwurgerichtshof aber die Voraussetzungen bedingten Vorsatzes (zunächst) ausreichend und richtig (vgl 10 Os 96/81, 13 Os 41/80, 12 Os 134/79, 12 Os 11/77 u a) mit den im Gesetz selbst verwendeten, allgemein verständlichen Worten beschrieben; lediglich im letzten Halbsatz der Belehrung hat er (überflüssigerweise) das zum bedingten Vorsatz erforderliche 'Sich-Abfinden' mit einer ernstlich für möglich gehaltenen, also als naheliegend angesehenen Tatbildverwirklichung (das sogenannte 'voluntative' Vorsatzelement) einem 'billigenden' In-Kauf-Nehmen gleichgesetzt. Dies (und nur dies) ist unrichtig, aber nicht deshalb, weil -

wie der Beschwerdeführer meint - die Erklärung nur besage, daß der Täter die Tatbildverwirklichung ernstlich für möglich halten müsse und nicht auch zur notwendigen weiteren Willensbildung Stellung nehme, sondern im Gegenteil deshalb, weil darin strafbarkeitseinschränkend zum Ausdruck kommt, der Täter müsse bei der weiteren Willensbildung den nachteiligen Ereignisablauf geradezu bejahen oder 'billigen', wogegen in Wahrheit schon eine 'bewußte' Gleichgültigkeit in bezug auf den Erfolgseintritt genügt, bei der sich der Täter etwa 'von mir aus' oder 'wenn schon' sagt und solcherart (oder ähnlich) eine 'positive' (= aktive) innere Einstellung zur Verwirklichung des deliktischen Sachverhaltes zeigt (vgl 10 Os 10/82 u a).

Die unterlaufene Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung hat indes eine Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO nicht zur Folge. Denn ebenso wie die Zulässigkeit von Rechtsmitteln überhaupt (in bezug auf deren Zielrichtung) eine Beeinträchtigung der Rechte (Beschwer) desjenigen voraussetzt, zu dessen Gunsten sie ergriffen werden, ist jede Nichtigkeitssanktion nach dem Sinn des Gesetzes nur auf die Behebbarkeit solcher Fehler gerichtet, die zu einer Verletzung der vom Beschwerdeführer vertretenen Interessen der Strafverfolgung oder der Verteidigung geführt haben oder zumindest ihrer Art nach (in abstracto) führen konnten. Ein (hier vorliegender) strafbarkeitseinschränkend wirkender Mangel der Rechtsbelehrung, der die Position des Beschwerdeführers begünstigt, kann sich aber niemals zum Nachteil der Verteidigung auswirken, sodaß es insoweit generell an einer überhaupt denkbaren Benachteiligung der Beschwerdeinteressen fehlt (vgl erneut 10 Os 10/82; ebenso EvBl 1983/18 mwN).

Richtig ist, daß - wie die Beschwerde weiter ausführt - eine Rechtsbelehrung des Inhaltes, der Angeklagte habe nach den Erfahrungen des Lebens damit rechnen müssen, daß der strafbare Erfolg eintreten werde, zur Erklärung bedingten Vorsatzes im Sinne des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB nicht ausreichen würde. Eine solche (unrichtige) Erklärung der erwähnten Vorsatzform ist aber weder erfolgt, noch hätten (der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht zuwider) die Geschwornen hierüber 'in der Rechtsbelehrung aufgeklärt werden müssen'. Denn Aufgabe der Rechtsbelehrung ist es, die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlungen, auf die die den Geschwornen vorgelegten Fragen gerichtet sind, sowie die in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes zu erläutern (und das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage klarzulegen), nicht aber darauf hinzuweisen, was zur Herstellung eines Tatbestandsmerkmales nicht ausreicht.

Damit versagt aber auch der Einwand, die Rechtsbelehrung hätte einen Hinweis darauf enthalten müssen, daß aus dem Tathergang bzw aus dem Begehungsmittel und der Begehungsweise (§ 84 Abs 2 Z 1 StGB) noch keineswegs notwendigerweise auf eine allfällige 'Mordabsicht' (gemeint wohl: Mordvorsatz) des Täters geschlossen werden muß. Denn die Rechtsbelehrung hat nur rechtliche, nicht auch tatsächliche Umstände, die bloß für die Beweiswürdigung in Betracht kommen, zu erläutern. Das Verhältnis der gestellten Fragen zueinander wird in der schriftlichen Rechtsbelehrung (die auch die Vorsatzerfordernisse für die jeweiligen strafbaren Handlungen, auf die diese Fragen gerichtet sind, aufzeigt) ohnedies eindeutig klargestellt (vgl S 501/I). Auf die Besonderheiten des Falles war darin hingegen nicht einzugehen, weil die Zurückführung der in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale auf den ihnen zugrundeliegenden konkreten Sachverhalt erst bei der gemäß § 323 Abs 2 StPO durchzuführenden Besprechung zu erfolgen hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich demnach zur Gänze als unbegründet, weshalb sie zu verwerfen war.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 (fünfzehn) Jahren. Dabei wertete es als erschwerend, daß der Angeklagte bereits mehrmals wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten verurteilt wurde, als mildernd hingegen, daß er die Tat ohne Absicht auf deren Begehung im Zuge einer Erregung über ein vorhergehendes Verhalten des Opfers sowie in einem durch Alkohol enthemmten Zustand begangen hat. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Meinung des Berufungswerbers hat das Erstgericht den Umstand, daß die Tat nicht mit Vorbedacht, sondern impulsiv 'im Affekt' begangen worden ist, ohnedies bei der Ausmessung der verwirkten Strafe entsprechend berücksichtigt. Daß der Berufungswerber die Tat in einem durch Alkohol enthemmten Zustand begangen hat, kann ihm vorliegend nicht als mildernd zugute gehalten werden, fällt doch die gemäß § 35 StGB gebotene Vorwurfsabwägung angesichts der Tatsache, daß der Angeklagte nach dem Inhalt der Vorstrafakten immer wieder in alkoholisiertem Zustand straffällig geworden ist, mithin um die schädlichen Wirkungen des Alkoholkonsums wußte, zu seinen Ungunsten aus.

Recht besehen kann daher lediglich die Erregung über ein vorhergehendes Verhalten des Tatopfers als Milderungsgrund angenommen werden.

So gesehen entspricht aber das vom Geschwornengericht gefundene Strafmaß durchaus der Schwere der personalen Täterschuld des Angeklagten und dem Unwert der von ihm verschuldeten Mordtat, weshalb dem Begehren um Strafreduzierung nicht näher getreten werden konnte.

Auch der Berufung mußte deshalb ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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