Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Rekursbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung
Der Kläger stellte das Begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, auf seinem Grundstück 857/7 der KG Kleinmünchen, welches an das des Klägers angrenzt, jede Lärmerzeugung, insbesondere durch den nicht genehmigten Gebrauch von Verstärkeranlagen, soweit dadurch das von der Gewerbebehörde zugestandene Maß von maximal 25 dB(A) überschritten wird, zu unterlassen. Hiezu bringt er vor, der Beklagte habe beim Betrieb seiner Diskothek den ihm von der Gewerbebehörde gestatteten Geräuschpegel ständig überschritten und die diesbezüglichen Auflagen mißachtet. Insbesondere sei dies am 28. Mai 1979, vom 3. zum 4. Juli 1982, vom 11. bis 12. Juli 1982 und zuletzt vom 8. bis 9. Mai 1984 der Fall gewesen. Durch die Lärmbelästigung werde im Wohnhaus des Klägers die Nachtruhe in unerträglicher, gesundheitsschädigender Weise gestört. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er habe eine rechtskräftige Betriebsanlagengenehmigung, sodaß ein Unterlassungsanspruch nicht gegeben sei. Eine Begrenzung des Lärmausmaßes auf 25 dB(A) erscheine sinnwidrig, weil nach den durchgeführten Messungen bereits der durch sonstige Geräusche vorhandene nächtliche Grundgeräuschpegel dieses Maß überschreite. Der Betrieb der Verstärkeranlage übersteige nicht das vorgeschriebene Lärmausmaß. Der Auftritt von Musiktruppen mit eigenen Verstärkeranlagen bei Tanzveranstaltungen des Beklagten sei zulässig.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. In der Begründung seiner Entscheidung führte es aus, der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, übersteige den Betrag von S 15.000,--, nicht aber jenen von S 300.000,--; die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 Z 4 ZPO lägen vor.
Gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles.
Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist unzulässig, weil entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht gegeben sind.
Die Unterinstanzen gingen von folgendem Sachverhalt aus: Der Beklagte betreibt auf dem Grundstück 857/7 der KG Kleinmünchen in Linz, Am Steinbühel 27 a, eine Tanzbar (Diskothek). Die Bewilligung hiezu wurde ihm zunächst am 11. August 1978 durch das Baurechtsamt des Magistrates Linz erteilt. Nachdem dieser Bescheid vom Landeshauptmann für OÖ mit Bescheid vom 27. Jänner 1979 im Sinne der Abweisung des Genehmigungsansuchens abgeändert worden war, erteilte das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie mit Bescheid vom 21. Juni 1981 die Betriebsanlagengenehmigung, wobei unter anderem folgende Auflage vorgeschrieben wurde: "Der Betrieb der Anlage ist so zu führen, daß in den Schlafräumen der Nachbarn bei geöffneten Fenstern dieser Räume der nächtliche Grundgeräuschpegel, welcher beim Nachbarn F*** mit maximal 25 dB(A) ermittelt wurde, nicht überschritten wird. Dies ist entweder durch bauliche Maßnahmen wie zum Beispiel Montage einer Vorsatzschale zum bestehenden Dach und Zumauern der zum Nachbarn F*** führenden Fenster oder durch Fixierung der Verstärkerleistung der Musikanlagen durch Regelverstärker zu erreichen." Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit Urteil vom 18. Februar 1983 zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie erließ hierauf den Bescheid vom 17. Oktober 1983, mit welchem es die Betriebsbewilligung mit der vorgenannten, wie folgt ergänzten Auflage neuerlich erteilte:
"... Für die Durchführung der schalltechnischen und baulichen Maßnahmen ist eine einschlägige Fachfirma heranzuziehen." Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger neuerlich eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, hinsichtlich welcher bei Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz noch keine Entscheidung vorlag.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht den Standpunkt, bei behördlich genehmigten Anlagen könne im Sinne des § 364a ABGB nur Schadenersatz wegen einer das ortsübliche Maß überschreitenden Beeinträchtigung begehrt werden. Verstöße gegen die in der Betriebsanlagengenehmigung vorgeschriebenen Auflagen seien gemäß § 367 Z 26 GewO von der Verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu ahnden. Ein Unterlassungsanspruch sei hinsichtlich derartiger Immissionen ausgeschlossen, weil sie typischerweise mit dem Betrieb der genehmigten Anlage verbunden seien. In diesem Sinne könnten also nur völlig atypische Einwirkungen erheblich erscheinen, nicht aber solche, welche als vorhersehbar bereits zum Gegenstand von Auflagen gemacht wurden. Da die Diskothek des Beklagten mit Bescheid des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie vom 17. Oktober 1983 rechtskräftig bewilligt worden sei, müsse der Klagsanspruch verneint werden. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, die Duldungspflicht des Nachbarn hinsichtlich einer behördlich genehmigten Anlage habe an den erteilten Auflagen ihre Grenze. Das in einem Bescheid zugelassene Maß der Lärmeinwirkung dürfe daher nicht überschritten werden. Demgemäß könne sich der Beklagte vorliegendenfalls nur "im zulässigen Rahmen" darauf beruhen, daß dem Kläger allenfalls ein Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB, nicht aber ein Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB zustehe. Im übrigen sei die vom Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie erteilte Betriebsgenehmigung in der Zwischenzeit, also nach Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, vom Verwaltungsgerichtshof neuerlich aufgehoben worden, sodaß die im Bewilligungsbescheid enthaltenen Auflagen nicht mehr aufrecht bestünden und die Bedeutung eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruches daher offenkundig erscheine. Das Erstgericht habe somit im fortgesetzten Verfahren die Voraussetzungen des Klagsanspruches im einzelnen zu prüfen. Liege eine Genehmigung der Verwaltungsbehörde vor, so wären die im Bescheid bestimmten Immissionsgrenzen maßgebend. Mangels einer diesbezüglichen genauen, dem Ermessen der Verwaltungsbehörde unterliegenden Regelung könne das Gericht zwar nicht im Wege der selbständigen Vorfragenbeurteilung die Entscheidung der Verwaltungsbehörde vorweg nehmen, in diesem Falle müsse daher von der ortsüblichen Toleranzgrenze ausgegangen werden.
In seinem gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erhobenen Rekurs bringt der Beklagte vor, aus § 364a ABGB ergebe sich, daß der Nachbar die von behördlich genehmigten Anlagen ausgehenden Immissionen nicht abwehren, sondern nur Schadenersatz fordern könne. Insbesondere komme bei Beeinträchtigungen, die für den Betrieb einer genehmigten Anlage typisch seien, ein Unterlassungsanspruch nicht in Frage. Durch die Bestimmungen der §§ 366 Abs 1 und 360 Abs 2 GewO über die verwaltungsrechtliche Ahndung von Betriebsführungen ohne Betriebsgenehmigung bzw. Stillegung nicht genehmigter Betriebsanlagen wegen unzumutbarer Belästigungen sei der Grundnachbar hinreichend geschützt. Der Genehmigungsbescheid biete der Behörde eine ausreichende Handhabe, um das Ausmaß der zulässigen Immissionen genau zu definieren, entsprechende Auflagen vorzuschreiben und die Einhaltung dieser Auflagen zu überprüfen.
Dem ist folgendes zu entgegnen:
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehrfachen Entscheidungen, so in 6 Ob 772/79, 2 Ob 512/82 = MietSlg 34.031 und 1 Ob 658/82 = EvBl 1983/82, ausgesprochen, daß das Untersagungsrecht nach § 364 Abs 2 ABGB auch dann besteht, wenn sich der Inhaber einer genehmigten Anlage (§ 364a ABGB) nicht an die im Genehmigungsbescheid erteilten Auflagen hält. Von einer derartigen Anlage ausgehende Immissionen sind daher nur in dem von der Genehmigung erfaßten Ausmaß zu dulden (so auch Koziol-Welser7 II 39 unter Hinweis auf SZ 50/84 und SZ 55/172). Der Umstand, daß Abhilfe auch im Verwaltungsweg geschaffen werden könnte, steht der Verfolgung des privatrechtlichen Untersagungsanspruches nicht entgegen (MietSlg 34.031). Die beiden erstgenannten Entscheidungen hatten - ebenso wie der vorliegende Fall - Lärmimmissionen betroffen. In der Entscheidung EvBl 1983/82 ging es um Geruchsbelästigungen durch eine Textilfabrik.
Somit ist entgegen der berufungsgerichtlichen Ansicht die Frage, ob bei Überschreitung der im Genehmigungsbescheid begrenzten, von einer Anlage ausgehenden Immissionen ein Untersagungsrecht besteht, durch die einschlägige diesbezügliche Judikatur bereits geklärt. Die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO liegen insoweit daher nicht vor.
Mangels rechtskräftiger verwaltungsbehördlicher Genehmigung gilt eine Anlage nicht als behördlich genehmigte Anlage im Sinne des § 364a ABGB (EvBl 1983/82).
Vorliegendenfalls wurde der bei Klagseinbringung vorhandene rechtskräftige Genehmigungsbescheid, der eine Lärmimmissionsgrenze von 25 dB(A) festgesetzt hatte, nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben. Es kann daher nicht von einer behördlich genehmigten Anlage und einer durch die Verwaltungsbehörde festgesetzten Lärmbegrenzung ausgegangen werden. Das bei Schluß der mündlichen Verhandlung vorliegende Klagebegehren "Der Beklagte sei schuldig, jede Lärmerzeugung, insbesondere durch den nicht genehmigten Gebrauch von Verstärkeranlagen, soweit dadurch das von der Gewerbebehörde zugestandene Maß von maximal 25 dB(A) überschritten wird, zu unterlassen", ist nunmehr, solange keine rechtskräftige verwaltungsbehördliche Festsetzung einer (gleichlautenden) Immissionsgrenze erfolgt, jedenfalls verfehlt. Dem Kläger wird daher gemäß § 182 ZPO Gelegenheit zu geben sein, das Klagebegehren allenfalls neu zu formulieren und die im Sinne des § 364 Abs 2 ABGB erforderlichen Behauptungen aufzustellen. Eine Rechtsfrage von der im § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorausgesetzten Bedeutung stellt sich in diesem Zusammenhang nicht.
Der vom Rekursgericht ausgesprochene Rechtskraftvorbehalt ist gemäß § 526 Abs 2 ZPO für den Obersten Gerichtshof nicht bindend. Da die Voraussetzungen hiefür nicht vorliegen, erscheint der vom Beklagten gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erhobene Rekurs unzulässig. Er war daher zurückzuweisen. Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Rekursbeantwortung war abzuweisen, weil der Kläger auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen hat (2 Ob 41/84, 2 Ob 20/85).
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