OGH 6Ob632/87 (6Ob633/87)

OGH6Ob632/87 (6Ob633/87)27.8.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Bauer und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Alois R***, geboren am 21. Februar 1931 in St. Johann im Pongau, Maurer, Bergwerkstraße 290, 8970 Schladming, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr und Dr. Michael Bauer, Rechtsanwälte in Liezen, wider die beklagte und widerklagende Partei Traude R***, geboren am 1. Februar 1934 in Graz, Hausfrau, Bergwerkstraße 290, 8970 Schladming, vertreten durch Dr. Gerhard Delpin, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Ehescheidung, infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 25. März 1987, GZ 2 R 50,51/87-45, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 29. Dezember 1986, GZ 7 Cg 387/85-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der klagenden und widerbeklagten Partei wird Folge gegeben und das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abgeändert, daß das Verschulden die beklagte und widerklagende Partei allein trifft. Das Klagebegehren der beklagten und widerklagenden Partei wird abgewiesen.

Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit S 46.111,08 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten S 1.503 Barauslagen und S 4.055,28 Umsatzsteuer), die mit S 14.829,20 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 1.000 Barauslagen und S 1.257,20 Umsatzsteuer) und die mit S 10.555,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.500 Barauslagen und S 823,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile hatten bereits am 26. April 1964 die Ehe geschlossen, der der 1964 geborene Sohn Thomas entstammt und die am 24. Mai 1968 aus dem Verschulden des nunmehrigen Klägers und Widerbeklagten (in der Folge: Kläger) geschieden worden war. Am 18. Februar 1974 heirateten die Streitteile neuerlich.

Mit der am 6. November 1985 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Scheidung aus dem Verschulden der Beklagten und Widerklägerin (in der Folge: Beklagte). Er brachte vor, Mitte Oktober habe sich im Zimmer der Beklagten ein nackter Mann aufgehalten, mit dem die Beklagte die Ehe gebrochen habe, sie habe auch schon vorher mehrfach ehewidrige Beziehungen zu fremden Männern unterhalten und setze dies fort. Die Beklagte spreche starkt dem Alkohol zu und sei von der Verwaltungsbehörde mehrfach wegen nächtlicher Ruhestörung bestraft worden. Anfang November 1985 habe die Beklagte mit einem Vorschlaghammer heftig auf die Tür des Zimmers des Klägers eingeschlagen und sich geäußert: "Komm heraus, ich hau Dir mit dem Vorschlaghammer auf den Kopf, heute bringe ich Dich noch um". Die Beklagte sprach sich zunächst gegen die Ehescheidung aus, brachte am 22. Jänner 1986 aber eine Widerklage ein, in der sie ausführte, der Kläger habe sich durch die zweite Eheschließung nur die Kosten für eine eigene Lebensführung und teilweise auch die Unterhaltsleistungen ersparen wollen, seit 1974 sei es zu keinem ehelichen Verkehr mehr gekommen, der Kläger arbeite nur selten und habe nur in unzureichendem Ausmaß für die Beklagte Unterhaltszahlungen geleistet, so daß ständig Exekutionen erforderlich gewesen seien. Der Kläger habe die Beklagte ständig so mißhandelt, daß sie Verletzungen davongetragen habe. Er habe sie beschimpft und öfters gezwungen, am ungeheizten Dachboden zu übernachten, wodurch sich die Beklagte eine chronische Nierenbeckenentzündung zugezogen habe. Im Zuge der Auseinandersetzungen habe der Kläger auch mehrfach die Einrichtung zertrümmert, habe den Kleiderkasten der Beklagten zersägt und den Fernsehapparat beschädigt. Seit mehr als drei Jahren lebten die Ehegatten in der Ehewohnung getrennt. Für den Fall der Abweisung des auf Verschulden des Klägers gestützten Begehrens beantragte die Beklagte die Ehescheidung nach § 55 EheG.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem beiderseitigen, jedoch überwiegenden Verschulden der Beklagten. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die Streitteile hielten nach der Scheidung ihrer ersten Ehe Kontakt zueinander und schlossen die zweite Ehe im Interesse eines geordneten Familienlebens. Die Beklagte hatte damals ein Friseurgeschäft, das sie aber wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten bald aufgeben mußte. Der Kläger war als Maurer beschäftigt, im Winter war er arbeitslos und bezog Arbeitslosenunterstützung. Er gab der Beklagten regelmäßig Wirtschaftsgeld, versorgte den Haushalt ordentlich und sorgte für ein geregeltes Familienleben. Der im wesentlichen harmonische Verlauf der ersten Jahre der zweiten Ehe, in dem es zwischen den Streitteilen auch zu Intimkontakten kam, war lediglich dadurch gestört, daß die Beklagte zeitweise übermäßig dem Alkohol zusprach. Da dies dem Kläger aus der ersten Ehe bekannt war, maß er diesem Umstand keine allzu große Bedeutung zu. 1980 zogen die Streitteile in die nunmehrige Ehewohnung. Obwohl die Beklagte vom Kläger regelmäßig weiterhin Wirtschaftsgeld bezog, beklagte sie sich über unzureichende Unterhaltsleistungen und brachte eine Unterhaltsklage ein. Der Kläger ließ am 11. Dezember 1981 ein Versäumungsurteil ergehen und überwies den Betrag von S 4.000 monatlich regelmäßig an die Beklagte. Trotzdem führte die Beklagte mehrmals wegen behaupteter Unterhaltsrückstände Exekution gegen den Kläger und erstattete Strafanzeigen. Eine Unterhaltsverletzung durch den Kläger konnte nicht festgestellt werden. Durch die Neigung der Beklagten zum übermäßigen Alkoholkonsum kam es in den Jahren 1980 und 1981 zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen den Streitteilen. Die Beklagte, die temperamentvoll, ausgehfreudig, sportlich und an gesellschaftlichen Kontakten sehr interessiert war, bemängelte die zunehmende Interesselosigkeit des Klägers an gemeinsamen Unternehmungen. Tatsächlich zog sich der Kläger, ein an sich ruhig lebender, in sich gekehrter und gegenüber der gedanklichen Wendigkeit der Beklagten, die Matura hat, eher schwerfällig wirkender Mensch, in sich zurück und zog es vor, die Abende vor dem Fernsehapparat zu verbringen und an den Unternehmungen der Beklagten nicht teilzunehmen. Die Beklagte begann ihre Freizeit allein zu gestalten. Dies führte zu Nörgeleien und Vorhaltungen durch die Beklagte gegenüber dem Kläger, insbesondere wenn sie alkoholisiert war. Gleichzeitig begann sich der Sohn der Streitteile, dem der Alkoholkonsum seiner Mutter mißfiel, von dieser ab- und vermehrt dem Vater zuzuwenden. Die Beklagte begann sich von der Fürsorge für die Familie zu lösen und sich zu "verselbständigen". Sie ging allein aus, konsumierte Alkohol und legte gegenüber dem Kläger ein sekkantes und provozierendes Verhalten an den Tag. Im nüchternen Zustand benahm sie sich jedoch eher unauffällig und versorgte vorerst auch weiterhin den Haushalt. Im Jahre 1983 provozierte sie den Kläger dadurch, daß sie am Fernsehgerät mit Klebestoff schriftliche Notizen mit Vorwürfen gegen ihn befestigte. Dies nahm der Kläger zum Anlaß, allein in das Schlafzimmer, welches getrennt vom Gang der Ehewohnung zu erreichen ist, zu ziehen. Ab diesem Zeitpunkt wurden nur mehr Küche und Badezimmer gemeinsam von den Streitteilen benützt, die Beklagte bewohnte das Wohnzimmer samt einem Nebenraum, ein weiteres Zimmer benützte der Sohn. Trotz der räumlichen Trennung innerhalb der Ehewohnung und des aufs Notwendigste beschränkten Kontaktes zwischen den Streitteilen - der Kläger versorgte sich ab 1983 selbst und auch den ehelichen Sohn Thomas, eine Haushaltsführung durch die Beklagte erfolgte nicht mehr - kam es weiterhin zu wörtlichen Auseinandersetzungen. Die Beklagte provozierte den Kläger durch ungerechtfertigte Beschuldigungen, er unterhalte mit dem Sohn gleichgeschlechtliche Beziehungen, weshalb er ihr einmal eine Spraydose nachwarf. Die Beklagte klopfte mehrfach gegen die Tür des vom Kläger benutzten Zimmers, beschimpfte diesen und den Sohn und sprach des öfteren am örtlichen Gendarmerieposten und beim Bezirksgericht Schladming vor und beklagte sich, daß sie zu wenig Unterhalt bekomme und der Kläger sie verletzt habe. Solche Vorsprachen tätigte sie allerdings nur, wenn sie alkoholisiert war. Da keine Anhaltspunkte für tatsächliche Verletzungen gegeben waren, wurde jeweils kein Grund zum Einschreiten gefunden. Dieser Umstand und auch, weil der Kläger mehrfach feststellte, daß fremde Männer sich in den Räumlichkeiten der Beklagten aufhielten, führten dazu, daß er sich völlig zurückzog. Er führte ein unauffälliges Leben, fiel weder durch Aggressionen noch durch sonstige Unregelmäßigkeiten auf. Objektive Anhaltspunkte für ein tätliches, mit Verletzungsfolgen verbundenes Vorgehen gegen die Beklagte oder widerrechtliche Beschädigung von Gegenständen durch ihn sind nicht gegeben. Im Sommer 1985 stellte Thomas R*** fest, daß sich ein fremder Mann im Zimmer der Beklagten aufhielt. Während dieser nackt im Bett lag, hielt sich die Beklagte im selben Zimmer, mit einem Bademantel bekleidet, auf.

Dieser Mann nächtigte mehrfach im Zimmer der Beklagten. Obwohl sich mehrfach fremde Männer im Zimmer der Beklagten aufhielten, konnten Intimkontakte der Beklagten zu anderen Männern nicht als erwiesen angenommen werden. Das sekkante und provozierende Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger und Thomas R***, welches vor allem in Beschimpfungen auch gegenüber Nachbarn ausartete und vor allem im vermehrten Alkoholkonsum der Beklagten begründet war, spitzte sich im Jahr 1985 zu. Am 1. November 1985 schlug die Beklagte mit einem 1,5 kg schweren Vorschlaghammer gegen die Zimmertür des Klägers und forderte diesen auf, zusammenzupacken und zu verschwinden. Auch drohte sie, ihm mit dem Vorschlaghammer auf den Kopf zu schlagen. Dieser Vorfall wiederholte sich am 3. und 5. November 1985. Der Kläger flüchtete aus seinem Zimmer über das Fenster in die einen Stock tiefer gelegene Wohnung. Es wurde die Gendarmerie verständigt und die Beklagte über Veranlassung der Gendarmerie über ärztliche Einweisung ins Landessonderkrankenhaus Graz gebracht. Die Einweisung erfolgte wegen chronischem Alkoholismus durch den Amtsarzt. Anläßlich ihrer Aufnahme zeigte die Beklagte keine Reiz- oder Ausfallserscheinungen, wirkte anläßlich der Erstuntersuchung bewußtseinsklar und orientiert, jedoch psychosomatisch unruhig; der Realitätsbezug und das Kritikvermögen schienen herabgesetzt. Nachdem sich die Beklagte am 19. November 1985 ruhig, situativ angepaßt, kooperativ, weitgehend einsichtig und kritikfähig gezeigt hatte, wurde sie am 22. November 1985 aus dem Krankenhaus in häusliche Pflege entlassen. Nach ihrer Rückkehr in die Ehewohnung bereits im Zuge des Scheidungsverfahrens besserte sich vorerst das Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger. Ein gegenseitiger Kontakt bestand jedoch nicht. Ab Sommer 1986 begann sich die Beklagte wieder sekkant zu verhalten, indem sie den Geschirrspüler ohne Notwendigkeit laufen ließ, den Warmwasserboiler übermäßig erhitzte, so daß Thomas R*** die Kabel durchschnitt. Ebenso begann die Beklagte wieder den Kläger und Thomas R*** in der üblichen Art zu beschimpfen. Ein Aussperren der Beklagten aus der Ehewohnung konnte nicht als erwiesen angenommen werden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, seit der räumlichen Trennung im Jahr 1983 sei die Zerrüttung der Ehe gegeben gewesen. Primäre Ursache sei der übermäßige Alkoholkonsum der Beklagten gewesen. Wenn auch Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, daß das Verhalten des Klägers, der nicht bereit gewesen sei, den Wünschen der Beklagten nach vermehrten gesellschaftlichen Kontakten zu entsprechen, zur Entfremdung beigetragen habe, könne dieses Verhalten nicht als Anlaß für den übermäßigen Alkoholgenuß der Beklagten gesehen werden. Tatsächlich hätte der Kläger aber bei aufrechter ehelicher Gesinnung und auch im Interesse einer Fortsetzung der vorerst harmonischen Beziehungen erkennen können und müssen, daß seine Teilnahme an den Unternehmungen der Beklagten dazu hätte beitragen können, der Steigerung des Alkoholkonsums und der damit verbundenen Auswüchse Einhalt geboten werde. Zumindest hätte der Kläger durch eine geringfügige Anpassung an die Interessen der Beklagten eine Einschränkung bewirken können, allenfalls auch im Zuge seiner ehelichen Beistandspflicht durch einen Rat einer ärztlichen Behandlung, so daß auch der Kläger, wenn auch geringfügig, an der weiteren als exzessiv zu bezeichnenden Entwicklung der Beklagten und totalen Zerrüttung der Ehe als mitschuldig anzusehen sei. Der Beklagten sei ihr sekkantes und provokantes Verhalten vorzuwerfen, sie habe sich offensichtlich in keiner Weise mehr bemüht, ihre Haushalts- und Beistandspflichten zu erfüllen, sondern den Kläger durch ungerechtfertigte Anschuldigungen unmöglich zu machen. Dies zeigten die anlaßlosen Unterhaltsexekutionen, die Provokation durch Aufnahme fremder Männer und der Vorfall im November 1985. Das Verschulden der Beklagten überwiege daher.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge. Zur Mängelrüge der Beklagten, in der insbesondere geltend gemacht worden war, die während des größeren Teiles des Verfahrens anwaltlich nicht vertretene Beklagte hätte angeleitet werden müssen, weitere Beweisanträge zu stellen, es hätte auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 EheG geprüft werden müssen, führte das Gericht zweiter Instanz aus, eine Verletzung der Anleitungspflicht liege nicht vor, die Beklagte hätte noch zu der Zeit, als sie anwaltlich vertreten gewesen sei, die Möglichkeit gehabt, sich auf § 50 EheG zu berufen. Wenn das Erstgericht, das sich von der Beklagten persönlich einen Eindruck habe verschaffen können, von ihrer Prozeßfähigkeit ausgegangen sei - dagegen sprechende Umstände lägen nicht vor -, so könne darin kein Verfahrensmangel erblickt werden. Beide Rechtsrügen seien nicht berechtigt. Das Erstgericht habe im passiven Verhalten des Klägers, aus dessen Alleinverschulden die erste Ehe geschieden worden sei, zutreffend ein gewisses Mitverschulden erblickt. Das Verschulden der Beklagten, die sich dem Alkohol zugewendet, mit fremden Männern verkehrt und den Haushalt vernachlässigt habe, überwiege aber.

Beide Parteien bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision. Der Kläger macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und begehrt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten geschieden werde. Die Beklagte macht als Revisionsgründe Nichtigkeit nach § 477 Abs. 1 Z 4, 5 und 9 ZPO, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß die Ehe aus dem Alleinverschulden des Klägers geschieden werde. Hilfsweise stellen beide Parteien einen Aufhebungsantrag.

In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien jeweils,

der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Zur Revision der Beklagten:

Der Behauptung, der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z 9 ZPO liege vor, fehlt jegliche Rechtfertigung. Die Revision enthält dazu auch keine Ausführungen, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist. Die Nichtigkeitsgründe des § 477 Abs. 1 Z 4 und 5 ZPO erblickt die Beklagte darin, daß sie während eines Teiles des Verfahrens nicht anwaltlich vertreten und bei mehreren Tagsatzungen auch nicht persönlich anwesend war. Auch diese Nichtigkeitsgründe liegen jedoch nicht vor, weil im Ehescheidungsverfahren in erster Instanz kein Anwaltszwang besteht und die Beklagte zu allen Tagsatzungen geladen war.

Zur Revision wegen Nichtigkeit rügt die Beklagte überdies, daß sie in erster Instanz nicht angeleitet worden sei, weitere Beweisanträge zu stellen und sich auf § 50 EheG zu berufen. Gleiches führt sie zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens aus. Eine Nichtigkeit kann in den behaupteten Umständen auf keinen Fall liegen. Da nach § 460 Z 4 ZPO in der Fassung des Bundesgesetzes vom 11. November 1983, BGBl. Nr. 566/1983 im Ehescheidungsverfahren die Offizialmaxime nicht gilt, können nach ständiger Rechtsprechung Verfahrensmängel, die das Berufungsgericht nicht für gegeben erachtete, nicht mehr mit Revision gerügt werden (EFSlg. 49.388, 6 Ob 503/86 uva). Die schon in der Berufung behaupteten Verfahrensmängel können daher in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden.

Als Aktenwidrigkeit wird gerügt, daß das Gericht hinsichtlich der Eheverfehlungen nicht der Darstellung der Beklagten, sondern jener des Klägers und des Sohnes folgte. Die Beklagte wendet sich damit lediglich gegen die in dritter Instanz unanfechtbare Beweiswürdigung.

Rechtliche Beurteilung

In der Rechtsrüge verweist die Beklagte neuerlich auf § 50 EheG. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich jedoch keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß das Verhalten der Beklagten auf einer geistigen Störung beruhte, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist. Auch die Behauptung, das Verhalten der Beklagten sei eine Reaktionshandlung auf Eheverfehlungen des Klägers gewesen, entbehrt jeglicher Grundlage. Berücksichtigt man das Gesamtverhalten der Beklagten, nämlich insbesondere den Alkoholmißbrauch, den Umstand, daß fremde Männer in ihrem Zimmer übernachteten, sie den Kläger beschimpfte und mit einem Vorschlaghammer bedrohte, kann nicht zweifelhaft sein, daß sie schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG begangen hat.

Die Ehescheidung aus dem Verschulden der Beklagten erfolgte daher zu

Recht.

Zur Revision des Klägers:

Auf die Ausführungen des Klägers, das ihm von den Vorinstanzen vorgeworfene passive Verhalten stelle keine Eheverfehlung dar, braucht nicht eingegangen zu werden, weil die Beklagte dieses Verhalten nicht als Scheidungsgrund geltend machte und es daher bei der Verschuldensabwägung nicht berücksichtigt werden kann (EFSlg. 31.713, 41.278, 8 Ob 570/86). Die Umstände, die sie als Scheidungsgründe geltend machte, wurden nicht als erwiesen angenommen. Der Ausspruch eines Verschuldens des Klägers hat daher zu entfallen. Das Klagebegehren der Widerklage war abzuweisen. An der Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz ändert sich durch die Abänderung nichts, weil das Erstgericht dem Kläger ohnedies die gesamten Kosten zugesprochen hat. Gemäß den §§ 41 und 50 ZPO hat die Beklagte dem Kläger auch die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu ersetzen. Das Streitinteresse für die Berufungs- und für die Revisionsschrift beträgt je S 60.000, für die Beantwortungen der Rechtsmittel der Gegenseite ist das Streitinteresse mit S 120.000 anzunehmen.

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