Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 USt.) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile schlossen am 15.6.1968 die Ehe, der die am 2.11.1970 geborene Tochter Miriam entstammt. Die Ehefrau hatte in die Ehe ihre 1964 geborene Tochter aus erster Ehe, Andrea, mitgebracht. Letzter gemeinsamer Aufenthalt und Ehewohnung der Streitteile war Villach, Anton-Tuder-Straße 47. Dort wohnt die Klägerin auch derzeit noch mit ihren Kindern.
Die Ehefrau begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Mannes. Der Beklagte habe seit 1976 mit zahlreichen Frauen immer wieder Liebesverhältnisse unterhalten und Ehebruch begangen. Seit 1983 lebe er mit Eva-Maria K*** in Lebensgemeinschaft in dem von ihm errichteten Wohnhaus in Landskron, Andreas-Hofer-Weg. Im März 1983 sei der Beklagte aus der Ehewohnung grundlos ausgezogen und habe hiedurch die eheliche Gemeinschaft aufgehoben. Seit Oktober 1984 verletze er auch seine Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin und der Tochter.
Der Ehemann beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Er behauptete, er habe keine ehebrecherischen oder ehewidrigen Beziehungen zu anderen Frauen unterhalten. Auch sei er nicht grundlos aus der Ehewohnung ausgezogen, sondern habe diese in das von ihm neu errichtete Haus verlegt, wohin ihm die Klägerin nicht habe folgen wollen. Er habe auch keine Unterhaltsverletzung begangen. Für den Fall der Scheidung der Ehe beantragte der Beklagte den Ausspruch der Mitschuld der Klägerin. Diese sei seit 1972 ihm gegenüber zunehmend lieblos geworden. Das habe sich in der Vernachlässigung der Führung des Haushaltes, mangelhafter bis gänzlich unterlassener Zubereitung des Essens und Ablehnung der Mithilfe beim Hausbau gezeigt. Die Klägerin habe mit dem reichlich zur Verfügung gestellten Wirtschaftsgeld nicht umgehen können und dieses verschwendet, sei Mitglied bei einem Volkstanzverein gewesen und von den Vereinsabenden meist erst nach Mitternacht, teilweise erst am Morgen heimgekommen. Sie habe dem Alkohol übermäßig zugesprochen und sei auf Vorhaltungen des Beklagten ausfällig geworden. Schließlich habe sie zu Edwin H***, Herbert M*** und einem dritten Mann ehewidrige und ehebrecherische Beziehungen unterhalten.
Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Die Ehe der Streitteile verlief nur vier Jahre harmonisch. Der Beklagte begann dann Freundinnen zu haben, weshalb das eheliche Verhältnis gestört wurde. Bis einschließlich September 1984 leistete der Beklagte für die Klägerin und die Kinder ordnungsgemäß Unterhalt. Wegen Vergleichsgesprächen leistete er zunächst für Oktober 1984 keinen Unterhalt, zahlte jedoch nach Scheitern der Vergleichsgespräche weiter. Die Klägerin wechselte das Schloß der Ehewohnung aus, weil der Beklagte eheliches Gebrauchsvermögen verbrachte. Als die Klägerin von den ehewidrigen und ehebrecherischen Beziehungen des Beklagten zu anderen Frauen Kenntnis erlangte, weinte sie und schrie mit dem Beklagten, weil ihr die Nerven durchgingen. Sie fand sich aber dann damit ab, obwohl sie es nicht billigte. Die letzte Freundin des Beklagten in Österreich vor seiner Abreise nach Lybien war Margit K***. Mit dieser unterhielt er ehebrecherische Beziehungen. Der Beklagte gab der Klägerin gegenüber auch die Verhältnisse mit anderen Frauen zu und versprach, diese aufzugeben. Die Klägerin ließ mit Zustimmung des Beklagte eine Abtreibung durchführen und sich aus gesundheitlichen
Gründen über Anraten des Arztes mit Kenntnis des Beklagten sterilisieren. Am 2.August 1976 fuhr der Beklagte nach Lybien und arbeitete dort bis 2.August 1982. Er nahm auch in Lybien ehewidrige und ehebrecherische Verhältnisse mit anderen Frauen auf. Die Klägerin verhielt sich gegenüber dem Beklagten in keiner Weise ohne Grund lieblos. Sie war jederzeit bereit, ihre Pflichten als Ehegattin und Hausfrau ordnungsgemäß zu erfüllen. Sie hat dem Beklagten immer das Frühstück und Essen zubereitet. Die Klägerin war bis Oktober 1982 Mitglied der Volkstanzgruppe in Villach. Die Volkstanzabende fanden jeweils am Freitag von 19,30 Uhr bis 21,30 Uhr statt. Anschließend war noch eine Besprechung im G***, wohin die Klägerin öfters gegangen ist und dort in der Regel eine Stunde blieb. Nur wenn ein Geburtstag oder Namenstag eines Mitgliedes gefeiert wurde, dauerte der Aufenthalt im G*** länger. Im Jahr 1981 nahm die Klägerin an einem einwöchigen Volkseanzkurs am T*** teil. Die Klägerin sprach nur einmal im Jahr 1975 oder 1976 dem Alkohol zu, als sie erfahren hatte, daß der Beklagte mit Margit K*** ehebrecherische Beziehungen unterhält. Beim letzten Urlaub 1982 in IBIZA schüttete der Beklagte der Klägerin Champagner in den Ausschnitt und ins Gesicht, weil sie keinen Alkohol getrunken hatte. Die Klägerin unterhielt weder zu Edwin H*** und Herbert M*** noch zu anderen Männern eine ehebrecherische Beziehung. Sie war lediglich öfter im Haus des Ernst P***, um sich dort mit seiner inzwischen geschiedenen Gattin zu unterhalten. Edwin H*** ist mit beiden Streitteilen befreundet und hat auch beim Hausbau des Beklagten geholfen. Er fuhr öfters mit der Klägerin einen halben Tag nach JUGOSLAWIEN einkaufen, wobei meistens andere Leute mitfuhren. Einige Male fuhr die Klägerin mit Edwin H*** allein. Edwin H*** war auch öfters in der Ehewohnung der Klägerin, während der Beklagte nicht nu Hause war. Fallweise schrieb Edwin H*** der Klägerin Ansichtskarten. Im März 1983 zog der Beklagte aus der ehelichen Wohnung in sein neuerbautes Haus in Landskron. Die Klägerin bat den Beklagten, entweder zurückzukommen, oder sie ins neue Haus mitzunehmen. Der Beklagte gab zur Antwort, daß wohl die Kinder, nicht aber die Klägerin zu ihm ziehen dürften. Einen Grund dafür gab er nicht an. Die Klägerin war immer bereit, beim Hausbau des Beklagten mitzuarbeiten und hat auch mitgeholfen. Der Beklagte verkehrte mit der Klägerin bis zu seinem Auszug geschlechtlich. Seit Herbst 1983 lebt der Beklagte in seinem Haus in Landskron mit Eva K*** in Lebensgemeinschaft. In Gegenwart der Zeuginnen Miriam und Adreas S*** küßte der Beklagte Eva K*** öfter, die beiden redeten einander oft mit "Schatzi" an. Als Miriam S*** einmal von ihrem Vater abgeholt wurde und mit ihm zu seinem Haus fuhr, wurden sie von Eva K*** im Bademantel mit nassen Haaren empfangen. Auch traf Miriam S*** die Betten im Schlafzimmer ihres Vaters unaufgeräumt an, weshalb sie annahm, daß Eva K*** beim Beklagten geschlafen hat. Im Mai 1983 sah Miriam S*** durch das Fenster des Hauses des Beklagten Roswitha F*** mit nacktem Oberkörper nach oben huschen.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, der Beklagte habe die Klägerin laufend mit anderen Frauen betrogen, so daß die lieblose bis ablehnende Haltung und die Beschimpfungen der Klägerin dem Beklagten gegenüber dadurch geradezu provoziert worden seien. Die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft sei durch den Beklagten grundlos erfolgt. Zu Unterstützung dieser Eheverfehlung seien auch die mehrfachen Ehebrüche und ehewidrigen Beziehungen des Beklagten zu anderen Frauen, die an sich schon verjährt wären, heranzuziehen. Demgegenüber habe die Klägerin mit Edwin H*** ehewidrige Beziehungen unterhalten, doch überwiege das Verschulden des Beklagten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, wohl aber jener der Klägerin und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagen schied. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit Ausnahme der Beurteilung, daß der Beklagte mit Eva-Maria K*** in Lebensgemeinschaft lebt. Dies sei durch die Feststellungen, die übernommen würden, nicht gedeckt, weil unter einer Lebensgemeinschaft eine auf Dauer angelegte
Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen sei. Die Berufungsausführungen zur Frage der Abtreibung und der Sterilisation seien unbeachtlich, weil diese Sachverhalte nicht als Mitschuldgrund geltend gemacht worden seien. Es könne auch dahingestellt bleiben, ob die Klägerin beim Hausbau des Beklagten mitgeholfen habe oder nicht, Handarbeit am Bau habe von der Klägerin nicht verlangt werden können. Selbst wenn darüber hinaus Zuträgerdienste und notwendige Besorgungen von der Klägerin abgelehnt worden wären, könne ein solches Verhalten situationsbedingt keine Eheverfehlung darstellen. Die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes blieben daher bei der Rechtsbeurteilung unberücksichtigt. Einer Gegenüberstellung der Zeugin Rosalinde H*** mit den Zeugen Astrid S*** und Eduard S*** habe es nicht bedurft. Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft durch das Ausziehen aus der Ehewohnung, stelle eine schwere Eheverfehlung dar. Dazu kämen die ehebrecherischen und ehewidrigen Beziehungen des Beklagten zu anderen Frauen. Der Beklagte habe einen ausgeprägten Hang zur ehelichen Untreue gezeigt, der ihn mehr oder weniger kontinuierlich derartige Eheverfehlungen habe setzen lassen, sodaß von einem einheitlichen fortgesetzten ehewidrigen Verhalten gesprochen werden könne, weshalb der Beginn der Verjährungsfrist auf die letzte Handlung abzustellen sei. Der Beklagte habe seit Mitte der 70iger Jahre bis zuletzt der Klägerin gegenüber mehrfach die eheliche Treue gebrochen. Hiedurch sei die Ehe primär zerrüttet worden. Demgegenüber habe die Klägerin mit Edwin H*** einen gewissen, über die bloße Grußbekanntschaft hinausgehenden Umgang gepflogen, der eine Eheverfehlung darstellen könnte, wenn der Beklagte mit einem solchen Kontakt nicht einverstanden gewesen sei, oder sofern er davon nicht Kenntnis gehabt habe, damit bei Betrachtung der Gesamtsituation nicht einverstanden gewesen wäre. Freundschaftlicher harmloser Umgang mit Personen des anderen Geschlechts, der sich im Rahmen von Sitte und Anstand halte, stelle an sich noch keine Verletzung der ehelichen Treue dar. H*** sei ein Freund der Familie, ebenso des Beklagten wie der Klägerin, gewesen. Er habe dem Beklagten beim Hausbau geholfen. Einkaufsfahrten zu nahegelegenen billigeren ausländischen Märkten seien durchaus unverfänglich, auch wenn sie zufällig verschiedentlich nur zu zweit ausgeführt seien. Besuche der Klägerin durch H*** und Schreiben von Ansichtskarten seien ebenfalls noch durchaus harmlose und im alltäglichen persönlichen Umgang unter befreundeten Personen unverfängliche und übliche Kontakte. Daß diese die Ehe der Streitteile irgendwie zerrüttet hätten, sei nicht hervorgekommen. Der Klägerin könne dieser Umgang nicht als ehewidriges Verhalten angelastet werden. Aber selbst wenn dies gegen den Willen des Beklagten erfolgt wäre, überwögen die gravierenden vorangegangenen Eheverfehlungen des Beklagten das Verhalten der Klägerin so sehr, daß eine Mitschuld ihrerseits an der Zerrüttung der Ehe nicht auszusprechen wäre.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, das Klagebegehren abzuweisen, allenfalls die Scheidung der Ehe aus gleichteiligem Verschulden auszusprechen, oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt der Beklagte, daß auch das Berufungsgericht dem Antrag auf Gegenüberstellung der Zeugen Rosalinde H***, Astrid S*** und Eduard S*** nicht stattgegeben hat.
Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 27/4 uva) ist die neuerliche Überprüfung eines Verfahrensmangels erster Instanz, den das Berufungsgericht für nicht gegeben erachtete, nicht mehr zulässig. Dies gilt allerdings nicht in jenen Verfahrensarten, die der Offizialmaxime unterliegen. Ehescheidungsverfahren, in denen die mündliche Streitverhandlung erster Instanz nach dem 31.Dezember 1983 geschlossen wurde - was hier der Fall war -, sind gemäß Art.X Z 4 des Bundesgesetzes vom 11.November 1983 über Änderungen des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechts, BGBl. Nr.566, nach den teilweise geänderten allgemeinen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung in der Fassung dieses Bundesgesetzes zu führen. Nach § 460 Z 4 ZPO besteht aber nur mehr im Verfahren über die Nichtigkeit oder Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe Offizialmaxime. Der angebliche Verfahrensmangel erster Instanz, den das Berufungsgericht nicht für gegeben erachtete, kann daher im Scheidungsstreit nicht mehr mit Revision gerügt werden 1 Ob 669,670/85.
Auch die Rechtsrüge ist nicht begründet.
Soweit der Beklagte ausführt, er habe die eheliche Wohnung nicht grundlos verlassen, geht er nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus. Darüber hinaus hat er sich nach den Feststellungen geweigert, die Klägerin im neuen Haus aufzunehmen. In dieser vom Beklagten verschuldeten Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, liegt eine fortgesetzte schwere Eheverfehlung, die das Scheidungsbegehren rechtfertigt. Das Berufungsgericht ist auch mit Recht davon ausgegangen, daß der Beklagte nach den getroffenen Feststellungen zumindest ehewidrige Beziehungen zu Eva-Maria K*** unterhalten hat. Mit Recht hat das Berufungsgericht auch die festgestellten fortgesetzten Ehebrüche des Beklagten seit Mitte der 70iger Jahre mit seiner Entscheidung berücksichtigt. Da schwere Eheverfehlungen innerhalb der Verjährungsfrist festgestellt wurden, konnten auch diese Ehebrüche gemäß § 59 Abs.2 EheG berücksichtigt werden. Auf Seite der Klägerin liegen dagegen keine Eheverfehlungen vor. Alle Ausführungen der Revision zur Frage der Sterilisation der Klägerin gehen daran vorbei, daß darauf der Mitschuldantrag nicht gegründet wurde. Die Feststellungen über die Beziehungen zwischen der Klägerin und Edwin H*** lassen keineswegs den rechtlichen Schluß zu, daß es sich dabei um ehewidrige Beziehungen gehandelt habe. Gemeinsame Einkaufsfahrten mit einem Bekannten der Familie, die keineswegs heimlich erfolgten, bedeuten ebensowenig eine Eheverfehlung, wie der Empfang von Kartengrüßen und gelegentliche Besuche dieses Bekannten. Die Kontakte der Klägerin zu Edwin H*** gingen nach den Feststellungen nicht über die im täglichen Umgang unter befreundeten Personen üblichen hinaus.
Damit erweist sich jedoch die Ansicht des Berufungsgerichtes, den Beklagten treffe das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe, als richtig.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO
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