OGH 8Ob53/87

OGH8Ob53/8725.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Huber als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***

N***-O***, Am Alten Viehmarkt 2, D-8300 Landshut,

vertreten durch Dr. Rainer Schischka, Rechtsanwalt in Wien, wider

die beklagte Partei W*** S*** W***

V***, Schottenring 30, 1010 Wien, vertreten durch

Dr. Gertrud Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen DM 9.559,60 s.A. (S 67.239,36) und Feststellung (Streitwert S 100.000,--) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Jänner 1987, GZ 17 R 289/86-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Juli 1986, GZ 22 Cg 721/86-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die in ihrem Ausspruch über das Feststellungsbegehren und den Zuspruch eines Teilbetrages von

S 44.416,53 s.A. als unangefochten unberührt bleiben, werden in Ansehung des Leistungsbegehrens und in der Kostenentscheidung dahin abgeändert, daß die Entscheidung diesbezüglich wie folgt zu lauten hat:

1.) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von S 44.416,53 samt 4 % Zinsen seit 22. Februar 1986 zu bezahlen.

2.) Das Leistungsmehrbegehren von S 22.822,23 samt 4 % Zinsen seit 22. April 1986 wird abgewiesen.

3.) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 11.361,78 (darin S 3.752,64 an Barauslagen und S 691,74 an Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen. Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen an Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von

S 4.103,39 (darin S 27,36 an Barauslagen und S 370,55 an Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Hingegen ist die klagende Partei schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von S 4.219,20 (darin S 1.500,-- an Barauslagen und S 147,20 an Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 20. Dezember 1974 ereignete sich auf der Westautobahn im Gemeindegebiet Laakirchen, Oberösterreich, ein Verkehrsunfall, an dem der bei der Klägerin rentenversicherte Slavko C*** als Lenker seines PKWs mit dem bundesdeutschen Kennzeichen KÜN-LC 71 und Nikolaus G*** als Lenker des bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKWs O 476.229 beteiligt waren. In der Zeit vom 1. Juli 1981 bis 30. April 1986 zahlte die Klägerin ihrem Versicherten C*** den Betrag von DM 9.559,60 an Berufsunfähigkeitsrente. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1977 verzichtete die Beklagte gegenüber der L***

(LVA) Württemberg, die C*** Leistungen zur Heilbehandlung und Rehabilitation erbracht hatte, auf die Verjährung. Die LVA Württemberg hat bis 29. Juni 1981 in Unkenntnis jugoslawischer Vorversicherungszeiten C***'S Leistungen erbracht. Erst nach der Antragstellung auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente wurde das Bestehen von jugoslawischen Vorversicherungszeiten bekannt. Der Versicherungsakt wurde hierauf der für Versicherte mit ausländischen Versicherungszeiten zuständigen Klägerin abgetreten. Mit der am 11. April 1986 erhobenen Regreßklage begehrte die L*** N***-O*** von der Beklagten

die Bezahlung von DM 9.559,60 samt Anhang und die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Leistungen der Klägerin aus Anlaß des Versicherungsfalles, sofern diese Deckung fänden und die Haftpflichtversicherungssumme nicht überschritten werde. Rechtskräftig sei ausgesprochen (2 Ob 141/77), daß die unfallsbeteiligten Lenker ein gleichteiliges Mitverschulden treffe. Die Berufsunfähigkeit sei eine Folge des Verkehrsunfalles. Das Regreßrecht sei nach österreichischem Kollisionsrecht vor dem 1. Jänner 1979 zu beurteilen. Für den Ersatzanspruch gelte österreichisches, für die Zession bundesdeutsches Recht. Gemäß Art. 43 Abs. 1 des zwischenstaatlichen Abkommens über Soziale Sicherheit, BGBl. 1969/328, gehe der Schadenersatzanspruch auf den leistungspflichtigen Sozialversicherungsträger nach dem Recht seines Vertragsstaates über, somit nach bundesdeutschem Recht (§ 1542 RVO). Nach dem bundesdeutschen Recht bewirke der Zuständigkeitswechsel der betroffenen Sozialversicherungsträger, daß der später zuständig gewordene Sozialversicherungsträger die auf ihn übergegangene Schadenersatzansprüche des Verletzten als Rechtsnachfolger des ursprünglich zuständigen Sozialversicherungsträgers geltend machen könne.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Anspruch sei verjährt. Grund, Umfang und Verjährung der Legalzession richteten sich nach österreichischem Recht. Zum Unfallszeitpunkt sei die LVA Würrtemberg zuständig gewesen. Ihr gegenüber sei im Umfang der von ihr erbrachten Leistungen ein Verjährungsverzicht abgegeben worden. Einen solidarischen Forderungsübergang auf alle möglichen Sozialversicherungsträger gebe es nach österreichischer Rechtsprechung nicht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, sprach der Klägerin DM 9.559,60 in öS zum Kurs Wiener Börse am Tag vor der Zahlung Devise Frankfurt Ware samt 4 % Zinsen ab 22. April 1986 zu und beurteilte den bereits wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß für die Zession und deren Wirkungen bundesdeutsches Recht maßgebend sei. Der gegenüber der LVA Württemberg abgegebene Verjährungsverzicht wirke gemäß § 1542 RVO iVm § 412 und § 398 BGB auch gegenüber der Klägerin. Bei gegenteiliger Ansicht könnten später zuständig werdende Versicherungsträger keine Ansprüche mehr gegen den Schädiger stellen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß es die Beklagte schuldig erkannte, der klagenden Partei den Betrag von S 67.239,36 s.A. zu bezahlen. Außerdem sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes nicht S 300.000,-- übersteigt und die Revision gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei. In Erledigung der den Eintritt der Verjährung der Restforderung geltend machenden Rechtsrüge der Berufungswerberin führte das Berufungsgericht im wesentlichen folgendes aus:

In der Verjährungsfrage sei die Rechtsansicht des Erstgerichtes durch die österreichische Rechtsprechung zu Regreßansprüchen bundesdeutscher Legalzessionäre sowohl auf der Basis des Kollisionsrechtes vor Wirksamwerden des IPRG wie danach gedeckt. Die Legalzession an bundesdeutsche Sozialversicherungsträger richte sich nach bundesdeutschem Recht. Dabei vollziehe sich der Forderungsübergang gemäß § 1542 RVO in dem die Ersatzpflicht des Schädigers auslösenden Zeitpunkt. Ein später - also nach Entstehen der Leistungspflicht des Legalzesssionars - erwirktes Feststellungsurteil des Geschädigten gegenüber dem Schädiger habe keine Wirkung auf den vorher auf die Klägerin als Legalzessionarin übergegangenen Teil der Ansprüche (SZ 47/68, ZVR 1979/22, 1980/241, 1984/231 und 2 Ob 37/84). Voraussetzungen und Inhalt der Legalzession hinsichtlich der nach österreichischem Recht zu beurteilenden Schadenersatzansprüche des verletzten Versicherten an einen ausländischen Sozialversicherungsträger seien hingegen nach dem Recht zu beurteilen, dem dieses Sozialversicherungsverhältnis unterworfen sei (Duchek-Schwind, IPRG § 5 RN 5; Schwimann, Grundriß IPR 107 ff, SZ 55/108, 2 Ob 27/84 ebenfalls Rechtslage vor 1. Jänner 1979). Für den Rechtsübergang und auch den später im Wege der Legalzession erfolgten Forderungsübergang von der LVA Württemberg auf die klagende Partei sei somit ausschließlich (vgl. auch Art. 43 des zwischenstaatlichen Abkommens) das BGB hinsichtlich seiner Regeln über dessen Wirkungen maßgebend (§ 412 BGB, §§ 398 ff BGB). Gegenüber dem Vorlegalzessionar LVA Württemberg habe die Beklagte einen Verjährungsverzicht mit der Wirkung eines Feststellungsurteils abgegeben. Gemäß § 1497 ABGB (so auch § 209 BGB) sei dadurch die Verjährung unterbrochen worden. Ein rechtskräftig festgestellter Anspruch verjähre in dreißig Jahren (§§ 1478, 1497 ABGB; Dittrich-Tades, ABGB32 § 1497/E 57 und 60; ebenso § 218 BGB). Die mit Wirkung eines Feststellungsurteils abgegebene Verjährungsverzichtserklärung sei gemäß § 1502 ABGB (so auch § 225 BGB) zulässig. Nach österreichischem aber auch bundesdeutschem Recht schließe die abgegebene Erklärung der Beklagten die Verjährungseinrede gegenüber Regreßansprüchen der LVA Württemberg aus, die sich nur zufolge ausländischer Versicherungszeiten später nicht als leistungszuständig und zwar auch für die Versehrtenrente erwiesen habe. Nach bundesdeutschem Recht - gegenüber der abweichenden österreichischen Rechtslage maßgebend - sei die Klägerin Legalzessionarin (§§ 412, 401 BGB) in der Rechtsnachfolge durch den Zuständigkeitsübergang von der LVA Württemberg. Sie sei damit auch in deren Rechtsstellung bezüglich der Regreßansprüche samt dem Verjährungsverzicht eingetreten. Es sei daher keine Aufspaltung der Schadenersatzansprüche vorgelegen, wie in jenen Fällen, in denen etwa nach dem Eintritt der Legalzession der Geschädigte ein Feststellungsurteil für das Kausalverhältnis, den Schadenersatzanspruch - aber nur mehr für den ihm selbst verbliebenen wirksam - erwirkt habe. Die durch das Urteil des Sozialgerichtes Heilbronn festgestellte Leistungspflicht von Berufsunfähigkeitsrenten an den Geschädigten habe den Regreß für die Geldforderung von DM 9.559,60 ausgelöst. Eine Verjährung in dem von der Berufungswerberin aufgezeigten Sinne sei nicht eingetreten. Der Berufung komme daher keine Berechtigung zu. Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht lediglich damit, daß die zu lösenden Rechtsfragen keine solchen im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO seien.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes in Ansehung des Zuspruches eines S 44.416,53 übersteigenden Betrages, und zwar der Bestätigung der Stattgebung des Klagebegehrens hinsichtlich des Ersatzes der Rentenleistungen bis 10. April 1983, das seien S 23.456,62 (DM 3.303,75) s.A., richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO gestützte außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung eines mit S 23.456,62 (DM 3.303,75) angegebenen Teilbegehrens abzuändern. Die Klägerin machte von der ihr gemäß § 508 a Abs. 2 ZPO eingeräumten Möglichkeit, eine Revisionsbeantwortung einzubringen, Gebrauch und beantragte die Zurückweisung der Revision und hilfsweise, ihre keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht zulässig, weil das Berufungsgericht bei Lösung der Frage, ob der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede Berechtigung zukommt, von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgegangen ist.

Bei Beurteilung der Frage, ob der Anspruch der Klägerin auf Ersaz der von ihr in der Zeit vom 1. Juli 1981 bis 10. April 1983 erbrachten Rentenleistungen verjährt ist, ist vorerst davon auszugehen, daß auf den gegenständlichen Verkehrsunfall und die diesem Verfahren zugrunde liegende Regreßklage im Hinblick auf den Zeitpunkt des Unfalles (20. Dezember 1974) weder das mit 1. Jänner 1979 in Kraft getretene IPRG noch das erst ab 3. Juni 1975 wirksame Haager Straßenverkehrsabkommen (BGBl. 1975/387) anwendbar sind. Nach der Rechtsprechung zu dem somit zur Anwendung kommenden Kollisionsrecht des ABGB ist bei außervertraglichen Schadenersatzansprüchen, jedenfalls dann, wenn - so wie hier - für die Beteiligten keine engere Beziehung zum Recht eines anderen Staates ersichtlich ist, an das Recht des Deliktsortes anzuknüpfen (SZ 35/23; SZ 43/70; SZ 45/66 und 91; ZVR 1975/157 ua; Klang2 I/1, 242 f). Zu dem für außervertragliche Schadenersatzansprüche maßgeblichen Anwendungsbereich des Deliktsstatus gehört auch die Beurteilung der Frage der Verjährung des Schadenersatzanspruches (SZ 40/88; EvBl. 1972/75 = RZ 1972, 31; ZVR 1974/244; ZVR 1977/75 ua).

Es entspricht der Lehre und ständigen Rechtsprechung, daß ein rechtskräftiges Feststellungserkenntnis die Einrede der Verjährung grundsätzlich auch für die erst nachträglich entstehenden Ansprüche für die Dauer von 30 Jahren ausschließt, dies aber nicht für die Feststellung der Haftung für künftig wiederkehrende Leistungen gilt. Soweit das Urteil auch die Verpflichtung zum Ersatz künftig fällig werdender Rentenbeträge ausspricht, unterliegen diese künftig verfallenden Renten neuerlich der dreijährigen Verjährung (Klang in Klang2 VI 609; Koziol-Welser7 I 171; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 1489 samt Rechtsprechungsnachweis). Da der hier eingetretenen Legalzession der Anspruch des Versicherungsnehmers der Klägerin auf Verdienstentgang für die Zukunft wegen Erwerbsunfähigkeit zugrundeliegt und der Regreßanspruch derselben Verjährung wie der Anspruch des Gläubigers unterliegt (zur deutschen Rechtslage des § 1542 RVO und des nunmehr geltenden § 116 SGB X vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozeß19 30. Kap. RZ 36), sodaß die Position des Regreßpflichtigen in keiner Weise verändert wird (vgl. § 332 ASVG, § 67 VersVG), gilt für die Verjährung der hier geltend gemachten Ersatzansprüche die dreijährige Verjährungsfrist. Im Hinblick auf die am 11. April 1986 erhobene Regreßklage ist der Anspruch auf Ersatz der von der Klägerin in der Zeit vom 1. Juli 1981 bis einschließlich 10. April 1983 erbrachten Rentenleistungen verjährt und das diesbezügliche Klagebegehren nicht berechtigt. Aus der von der Klägerin vorgelegten Leistungsaufstellung Beilage B, deren Echtheit und Richtigkeit von der Beklagten zugegeben wurde (ON 3 dA), ergibt sich, daß die Klägerin an Rentenleistungen in der Zeit vom 1. Juli 1981 bis 31. Dezember 1982 insgesamt DM 2.784,-- und im Jahr 1983 eine monatliche Rente von DM 157,50 erbracht hat. Die Rentenleistungen der Klägerin in der Zeit vom 1. Jänner 1983 bis 10. April 1983 betrugen daher insgesamt DM 525,-- (3mal DM 175,50 zuzüglich des aliquoten Teils für 10 Tage im April im Betrag von DM 52,50). Der Anspruch auf Ersatz von Leistungen in der Höhe von DM 3.309,-- ist somit verjährt. Ausgehend von dem vom Berufungsgericht der Umrechnung des DM-Betrages in Schilling unbekämpft zugrunde gelegten Kurses im Zeitpunkt der Fälligstellung des Schadenersatzanspruches, ergibt sich ein Betrag von S 23.274,51, dessen Ersatz der Klägerin wegen Verjährung nicht mehr zugesprochen werden kann. Da die Beklagte jedoch das Urteil des Berufungsgerichtes im Umfang des Zuspruches von S 44.416,53 ausdrücklich unangefochten ließ, mußte bei der Abänderung dieses Urteiles auch von diesem Betrag ausgegangen werden. Die Entscheidung über die Prozeßkosten beruht auf § 43 Abs. 1 ZPO, jene über die Kosten der Rechtsmittelverfahren auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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