OGH 7Ob620/86

OGH7Ob620/8630.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Mag. Engelmaier als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Markus R***, geboren am 23.Juni 1968, infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Johann R***, Monteur, Wien 11., Kaiser-Ebersdorferstraße 90/11/73, vertreten durch Mag. DDr. Ingeborg Schäfer-Guhswald, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 30.April 1986, GZ 44 R 3191/86-15, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 10.März 1986, GZ 6 P 622/85-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern des am 23.6.1968 geborenen Markus R*** wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 9.4.1982, 1 Sch 47/82-3, gemäß § 55 a EheG geschieden. In dem am 9.4.1982 abgeschlossenen Vergleich vereinbarten die Eltern, daß das Recht und die Pflicht, den minderjährigen Markus zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und ihn zu vertreten, nur der Mutter zustehe; der Vater verpflichtete sich, zum Unterhalt des Kindes ab 1.5.1982 bis zu dessen Selbsterhaltungsfähigkeit monatlich S 2.000 zu bezahlen. Der Vergleich wurde pflegschaftsbehördlich genehmigt.

Am 19.11.1985 stellte die Mutter beim Bezirksjugendamt für den

10. Bezirk den Antrag, dieses Jugendamt zum Einhebungskurator zu bestellen und den Vater zu einer Unterhaltsleistung von monatlich S

4.400 zu verpflichten, da er als Aufzugstechniker monatlich S 20.000 (einschließlich der Sonderzahlungen) verdiene und keine weiteren Sorgepflichten habe (ON 4).

Mit Beschluß vom 15.1.1986 bestellte das Erstgericht das Bezirksjugendamt für den 10.Bezirk zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Minderjährigen gegen den Vater zum Einhebungskurator (ON 5).

Mit Beschluß vom gleichen Tag teilte das Erstgericht dem Vater mit, daß die Mutter beantragt habe, den von ihm zu leistenden Unterhalt ab dem 21.11.1985 (Tag des Einlangens des Antrages beim Erstgericht) auf monatlich S 4.400 zu erhöhen. Es forderte den Vater auf, an einem Donnerstag binnen 14 Tagen in der Zeit von 9 Uhr bis 11 Uhr auf einem näher bezeichneten Zimmer des Erstgerichtes zur Vernehmung vorzusprechen oder bis zu diesem Termin schriftlich Stellung zu nehmen. Sollte der Vater in der aufgetragenen Frist nicht vorsprechen oder nicht schriftlich Stellung nehmen, werde zur dringenden Erledigung des Antrages im Interesse des Kindes gemäß § 185 AußStrG angenommen, daß dem Antrag keine Einwendungen entgegengesetzt werden (ON 6).

Diese Aufforderung wurde dem Vater nach den Bestimmungen für die Zustellung von Klagen unter der Anschrift Kaiser-Ebersdorferstraße 90/11/73, 1110 Wien, zugestellt. Ein erster Zustellversuch erfolgte am 24.1.1986, die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches für den 27.1.1986 wurde in das Hausbrieffach eingelegt. Da auch der zweite Zustellversuch am 27.1.1986 erfolglos blieb, wurde die Sendung an diesem Tag beim Postamt 1112 Wien hinterlegt. Die Sendung wurde vom Vater nicht behoben.

Mit Beschluß vom 10.3.1986, ON 7, verpflichtete das Erstgericht den Vater, zum Unterhalt des minderjährigen Markus in Abänderung der mit Vergleich vom 9.4.1982 auferlegten monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.000 ab 21.11.1985 bis auf weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, monatlich noch den Betrag von S 2.400, somit (insgesamt) monatlich S 4.400 zu zahlen. In der Begründung führte das Erstgericht aus, daß der Vater dem ihm eigenhändig zugestellten Antrag innerhalb der ihm aufgetragenen Frist keine Einwendungen entgegengesetzt habe.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Tatsachenvorbringen, das in erster Instanz ungeachtet einer Aufforderung nach § 185 Abs 3 AußStrG versäumt worden sei, könne im Rekurs nicht in Form von Neuerungen nachgeholt werden. Das tatsächliche Vorbringen des Antragstellers gelte im Fall der Nichtäußerung eines Beteiligten so weit als zugestanden, als es nicht durch vorliegende Beweise widerlegt werde oder sonst Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der zur Äußerung Aufgeforderte dem Antrag entgegentrete. Das Gericht habe die rechtlichen Voraussetzungen für eine Stattgebung des Begehrens des Antragstellers auf Grund seines wahr zu haltenden Vorbringens zu prüfen. Aus dem Vorbringen der Mutter über die Einkünfte und die Sorgepflichten des Vaters könne die begehrte Unterhaltserhöhung schlüssig abgeleitet werden. Mache der Vater geltend, er habe den Erhöhungsantrag nicht erhalten, sei ihm zu entgegnen, daß ihm der Beschluß, mit dem er zur Äußerung aufgefordert worden sei, nach der Aktenlage wirksam zugestellt worden sei. Der Beschluß sei zwar beim Erstgericht von der Post als nicht behoben zurückgelangt; doch mache der Vater keine Umstände geltend, die auf eine Rechtsunwirksamkeit des Zustellvorganges hinweisen.

Der Vater bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs. Er macht Nichtigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, den angefochtenen Beschluß und das gesamte Verfahren als nichtig aufzuheben, in eventu ihn (zur neuerlichen Beschlußfassung durch die Vorinstanzen) aufzuheben. Nichtigkeit des (erstinstanzlichen) Verfahrens liegt nach Ansicht des Vaters vor, weil ihm der Beschluß ON 6 nicht zugestellt worden sei, sodaß er keine Möglichkeit gehabt habe, sich zu den Angaben der Mutter im Antrag ON 4 zu äußern. Er habe von der Post keine Aufforderung erhalten, ein Schriftstück abzuholen. Eine wirksame Hinterlegung sei daher nicht erfolgt. Der Vater verdiene nicht S 20.000 monatlich; die Feststellungen des Erstgerichtes seien deshalb "nichtig". Das Erstgericht habe nicht festgestellt, inwieweit der Vater über den ihm auferlegten Unterhalt hinaus Zahlungen geleistet habe.

Rechtliche Beurteilung

Da das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes bestätigt hat, ist die Anfechtung gemäß § 16 AußStrG nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nullität zulässig. Soweit der Beschwerdeführer Nichtigkeit geltend macht, stützt er sich deshalb auf einen zulässigen Anfechtungsgrund. Insoweit stehen der Zulässigkeit des Rechtsmittels auch die Bestimmungen des § 14 Abs 2 AußStrG nicht entgegen, da es sich um die Beurteilung verfahrensrechtlicher Voraussetzungen der Unterhaltsbemessung handelt (EFSlg.47.192, 44.618 ua.). Die geltend gemachte Nichtigkeit liegt aber nicht vor. Wie bereits dargestellt wurde, wurde der Beschluß ON 6 dem Vater, wie in § 185 Abs 3 AußStrG gefordert, nach den Bestimmungen für die Zustellung von Klagen, das ist im Sinne des § 106 ZPO zu eigenen Handen, zugestellt. Dabei wurde die in § 21 ZustG vorgesehene Vorgangsweise eingehalten. Zwar gelten hinterlegte Sendungen nach § 17 Abs 3 ZustG nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Eine solche Abwesenheit aber hat der Vater nicht geltend gemacht. Gemäß § 17 Abs 4 ZustG ist die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig, wenn die in § 21 Abs 2 und § 17 Abs 2 ZustG genannten Verständigungen (Ersuchen, zu einer bestimmten Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein; Verständigung von der Hinterlegung) beschädigt oder entfernt wurden. Der Vater behauptet nicht, der Zusteller habe diese Verständigungen unterlassen. Der Rückschein macht als öffentliche Urkunde über den Zustellvorgang zunächst vollen Beweis darüber, daß die darauf beurkundeten Vorgänge - insbesondere auch Ankündigung eines zweiten Zustellversuches und Verständigung von der Hinterlegung, die jeweils in das Hausbrieffach eingelegt wurden - eingehalten wurden. Es wäre deshalb gemäß § 292 Abs 2 ZPO Sache des Rechtsmittelwerbers gewesen, den Gegenbeweis zu führen (EvBl 1956/71, 5 Ob 660/80). Diesen Beweis aber hat der Vater nicht einmal versucht. Es ist daher davon auszugehen, daß ihm die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, nicht durch einen ungesetzlichen Vorgang bei der Zustellung entzogen wurde (§ 477 Abs 1 Z 4 ZPO). Nichtigkeit liegt daher nicht vor. Unrichtige Tatsachenfeststellung und (einfache) unrichtige rechtliche Beurteilung sind nicht Rekursgründe im Sinne des § 16 AußStrG. Offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird. Es bildet daher nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung eine offenbare Gesetzwidrigkeit.

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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