OGH 1Ob698/85

OGH1Ob698/8511.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr.Gerhard A, Kammeramtsdirektor, Eisenstadt, Georgistraße 27/3/7, vertreten durch Dr.Franz Sturm, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Renate B, Angestellte, Eisenstadt, Georgistraße 27/3/7, vertreten durch Dr. Ulrich Rapp, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgerichtes vom 23.Juni 1985, GZ R 125/85-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 15.November 1984, GZ F 3/83-23, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Streitteile schlossen am 25.November 1972 die Ehe. Damals war der Antragsteller bereits Nutzungsberechtigter einer von ihm voll möblierten Genossenschaftswohnung in Eisenstadt, Georgistraße 27. Diese Wohnung wurde in der Folge als Ehewohnung benutzt. Die Antragsgegnerin war bis Mai 1973 berufstätig. Von diesem Zeitpunkt an führte sie bis 31.Juli 1982 mit kurzen Zeiträumen geringfügiger Beschäftigungen ausschließlich den ehelichen Haushalt. Mit Mietvertrag vom 11.Dezember 1973 nahm der Antragsteller einen Teil des Grundstückes 1264 KG Trausdorf im Ausmaß von 480 m 2 in Bestand. Der jährliche Mietzins beträgt derzeit S 7.000. Auf diesem Grundstück errichtete der Antragsteller mit seinen aus einer Erbschaft und einer Schenkung seiner Mutter stammenden Mitteln von S 630.000,-- durch ein Bauunternehmen ein Superädifikat. Auch die Einrichtung dieses Hauses wurde vom Antragsteller finanziert. Nebenarbeiten wie die Errichtung eines Betonweges, einer Ufermauer und eines Zaunes wurden von den Streitteilen und deren Freunden durchgeführt. Von 1978 an wohnten die Streitteile jeweils von Mai bis Ende Oktober eines jeden Jahres in diesem Wochenendhaus. Die kinderlose Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 29.April 1982, 2 Cg 71/83-8, rechtskräftig aus dem Verschulden der Antragsgegnerin geschieden. Die Antragsgegnerin ist seit 1.August 1982 wieder berufstätig, sie bezieht seit 1.November 1984 ein monatliches Nettoeinkommen von S 6.500,--. Eheliche Ersparnisse sind nicht vorhanden. Der Verkehrswert der Genossenschaftswohnung beträgt S 330.000,--, der Wert ihrer Einrichtungsgegenstände S 60.000,--, der Verkehrswert des Superädifikates in Trausdorf S 640.000,--, der Wert der Einrichtung des Wochenendhauses S 40.000,--. Der Antragsteller begehrt die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse derart, daß die Antragsgegnerin aus der ehelichen Wohnung Eisenstadt, Georgistraße 27, gegen Bezahlung eines Betrages von S 110.000,-- ausziehe. Das Superädifikat in Trausdorf unterliege nicht der Aufteilung, weil es aus Mitteln der Erbschaft nach dem Vater und Zuwendungen der Mutter vom Antragsteller finanziert worden sei. Ehewohnung sei allein die Genossenschaftswohnung in Eisenstadt. Die Antragsgegnerin beantragt, ihr entweder das Superädifikat in Trausdorf oder die Genossenschaftswohnung in Eisenstadt zuzuweisen. Das Erstgericht, das auch der Aufteilung unterliegende Fahrnisse zuteilte, sprach aus, daß der Antragsteller Nutzungsberechtigter der Genossenschaftswohnung in Eisenstadt bleibe und die Antragsgegnerin schuldig sei, diese Wohnung binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Beschlusses zu räumen. Das Wochenendhaus in Trausdorf bleibe im Eigentum des Antragstellers. Der Antragsteller sei schuldig, der Antragsgegnerin binnen Monatsfrist eine Ausgleichszahlung von S 450.000,-- zu leisten. Sowohl die Genossenschaftswohnung als auch das Wochenendhaus hätten der Befriedigung der Wohnbedürfnisse der Streitteile gedient, so daß beide Objekte und die Wohnungseinrichtung in Trausdorf der Aufteilung unterlägen. Eine Zuweisung eines der beiden Objekte an die Antragsgegnerin würde einer Enteignung des Antragstellers gleichkommen. Die bloße Einräumung eines Wohnungsrechtes zugunsten der Antragsgegnerin würde nicht genügen, um eine Trennung der Lebensbereiche der Streitteile herbeizuführen. Beide Objekte seien daher dem Antragsteller zu belassen. Die Höhe der Ausgleichszahlung entspreche der Billigkeit, die Antragsgegnerin erhalte etwa die Hälfte des Wertes der beiden Objekte.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin nicht, dem des Antragstellers teilweise Folge. Es setzte die vom Antragsteller zu leistende Ausgleichszahlung auf S 200.000,-- herab. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Das Erstgericht habe rechtsirrig das Wochenendhaus in Trausdorf im geschätzten Verkehrswert von S 640.000,-- in das Verfahren einbezogen. Die Anschaffung dieses Wochenendhauses sei hauptsächlich aus Geldmittel erfolgt, die der Antragsteller durch eine Erbschaft nach seinem Vater bzw. durch einen von seiner Mutter geschenkten Bargeldbetrag erhalten habe. Damit sei auch das aus diesen Mittel errichtete Superädifikat von der Aufteilung ausgenommen. Ein nennenswerter konkreter Geldwert der von der Antragsgegnerin für dieses Wochenendhaus erbrachten Leistungen lasse sich nicht feststellen. Die von der Antragsgegnerin im Rahmen des Billigkeitsgedankens bei der Ausgleichszahlung zu berücksichtigende Werterhöhung könne nur pauschal ermittelt und angerechnet werden. Schon die rechtliche und bauliche Beschaffenheit des Superädifikates, das nur während der Sommermonate im Zusammenhang mit der Wohnung in Eisenstadt benützt worden sei und, abgesehen von einem offenen Kamin im Wohnzimmer, keine Heizmöglichkeit aufweise, zeige deutlich, daß es sich hier nicht um die Ehewohnung im Sinne der §§ 90, 97 ABGB und §§ 81 Abs 2, 82 Abs2 EheG handle. Der Gesetzgeber habe zwar nicht positiv bestimmt, welche Merkmale für die rechtliche Eigenschaft einer Wohnung als Ehewohnung bestimmend seien, doch habe er offensichtlich der bisherigen Begriffsbestimmung im Sinne der zur

6. DVEheG ergangenen Rechtsprechung folgen wollen. Demnach sei nicht jede von einem Ehegatten während der Ehe benützte Wohnung als Ehewohnung anzusehen; wesentlich sei die Widmung der Räumlichkeit durch den über ihre Nutzung verfügungsberechtigten Ehegatten zur Stätte des den Ehegatten gemäß § 90 ABGB grundsätzlich obliegenden gemeinsamen Wohnens. Diese Widmung sei Ausfluß des ehelichen Beistands und der Unterhaltsgewährung. Die nur vorübergehende Benützung während der Sommermonate zeige, daß nach wie vor die Eisenstädter Wohnung der Abwicklung des ehelichen Lebens gedient habe und jener Bereich gewesen sei, in dem der Haushalt geführt worden sei. Dem Objekt in Trausdorf komme somit nicht die rechtliche Beurteilung als Ehewohnung zu. Was die Zuteilung der ehelichen Wohnung samt Einrichtung in Eisenstadt, Georgistraße 27, betreffe, so habe das Erstgericht diese mit Recht antragsgemäß dem Antragsteller als bisherigem Nutzungsberechtigten zur alleinigen Benützung zugewiesen. Diese Regelung entspreche dem im § 90 Abs 1 EheG ausgedrückten Bewahrungsschutz, wonach jedem Ehegatten sein Eigentum oder sonstige dingliche Rechte möglichst erhalten bleiben sollten. Die alleinige Nutzung der in Rede stehenden Genossenschaftswohnung durch den Antragsteller entspreche auch wegen des Alleinverschuldens der Antragsgegnerin an der Zerrüttung der Ehe der Billigkeitserwägung nach § 83 EheG. Die Überlassung der Ehewohnung an den Antragsteller übertreffe in ihrem Wert die der Antragsgegnerin zugekommenen Gebrauchsgegenstände bei weitem, so daß es ein Gebot der Billigkeit sei, daß der Antragsteller durch eine Ausgleichszahlung die Antragsgegnerin bei der Beschaffung einer neuen Wohnung unterstütze. Unter Berücksichtigung des Wertes der Genossenschaftswohnung und der Einrichtungsgegenstände in Trausdorf erscheine eine Ausgleichszahlung von S 200.000,-- billig und angemessen. Mit diesem Betrag werde die Antragsgegnerin eine andere Wohnmöglichkeit finden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, mit dem sie anstrebt, daß ihr entweder die Genossenschaftswohnung in Eisenstadt oder das Superädifikat in Trausdorf zugewiesen werde, ist berechtigt. In ihm bekämpft sie die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, bei dem Wochenendhaus handle es sich um keine Ehewohnung im Sinne der §§ 81 Abs2, 82 Abs2, 87 f EheG. Welche Merkmale für die rechtliche Eigenschaft einer Wohnung als Ehewohnung bestimmend sind, hat der Gesetzgeber nicht positiv definiert (SZ 54/126). Zur Auslegung des Begriffes Ehewohnung in den genannten Bestimmungen des EheG sind daher die Vorschriften der §§ 90, 92 und 97 ABGB heranzuziehen. Nach § 90 ABGB sind die Ehegatten besonders zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet; § 92 ABGB enthält Vorschriften über die Verlegung der gemeinsamen Wohnung, § 97 ABGB schützt jeden Ehegatten insoweit, als er die Wohnung, die der Befriedigung seines dringenden Wohnungsbedürfnisses dient und auf die er angewiesen ist, nicht verlieren soll. Als Ehewohnung im Sinne des § 81 Abs2 EheG ist daher jene Wohnung zu verstehen, in der die Ehegatten bei Wirksamwerden der Scheidung im gemeinsamen Haushalt lebten oder zuletzt gelebt hatten (SZ 54/114; 1 Ob 541/85). Entscheidend ist die Widmung der Räumlichkeiten durch den über ihre Nutzung verfügungsberechtigten Ehegatten für Zwecke des den Ehegatten gem. § 90 ABGB grundsätzlich obliegenden gemeinsamen Wohnens (SZ 54/126; 1 Ob 541/85). Gemeinsame Wohnung ist eine Einheit von Räumen, in der sich der Schwerpunkt der gemeinsamen Lebensführung der Ehegatten befindet. Treffen diese Merkmale auf zwei Wohnungen zu, sind beide im Sinn des Gesetzes Ehewohnungen (SZ 54/126). Nach dem vorliegenden Sachverhalt wechselte der Schwerpunkt der gemeinsamen Lebensführung jahreszeitlich bedingt zwischen der Genossenschaftswohnung in Eisenstadt und dem Superädifikat in Trausdorf. Diese wurde nicht etwa nur als Ferienoder Wochenendhaus benützt, in welchem Falle wohl von einer Ehewohnung im Sinne des Gesetzes nicht gesprochen werden könnte (Ent-Kopf,Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe 97). In ihm befand sich vielmehr für jeweils eine Jahreshälfte der Schwerpunkt der gemeinsamen Lebensführung der Ehegatten. Der Rekurswerberin ist daher zu folgen, daß sich auch im Superädifikat in Trausdorf eine Ehewohnung befand. Dieses Superädifikat unterläge zwar gem. § 82 Abs 1 Z.1 EheG dennoch nicht der Aufteilung, weil es Surrogat vom Antragsteller ererbter und geschenkter Bargeldbeträge ist (SZ 53/52; 1 Ob 533/85 ua; Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 10 zu §§ 81, 82 EheG; Schwind, Eherecht 2 314; Koziol-Welser 7 II 211; Honsell in Ostheim, Familienrechtsreform 175; Bydlinski in FS Schwind 39), als Ehewohnung ist es aber gem. § 82 Abs2 EheG dann in die Aufteilung einzubeziehen, wenn die Antragsgegnerin zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse auf die Weiterbenützung des Superädifikates etwa wegen sonst eintretender länger dauernder Obdachlosigkeit, angewiesen wäre (EvBl 1984/82; EvBl 1983/102; SZ 54/79; Schwind aaO 318).

Ob dies zutrifft, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Lebensbedürfnisse der Antragsgegnerin könnten nur dann in Trausdorf befriedigt werden, wenn das Superädifikat für einen ganzjährigen Aufenthalt geeignet ist oder zumindest ohne großen Aufwand ganzjährig benützbar gemacht werden kann. Die Parteien haben dazu divergierende Behauptungen aufgestellt. Daraus allein, daß das Sußerädifikat während der aufrechten Lebensgemeinschaft nur in den Sommermonaten benützt wurde, kann noch nicht der Schluß gezogen werden, es sei während der kalten Jahreszeit nicht benützbar. Das Erstgericht wird unter Beiziehung der Bestandgeber

(§ 229 Abs 1 AußStrG) Feststellungen über die Eignung der Wohnung als dauernden Wohnsitz zu treffen haben und bei Vorliegen der oben dargelegten Voraussetzungen des § 82 Abs2 EheG zu erwägen haben, ob für das Superädifikat Anrodnungen im Sinne des § 87 EheG zugunsten der Antragsgegnerin zu treffen wären.

Sollte das Superädifikat in Trausdorf nicht in die Aufteilung einzubeziehen sein, käme, da dann beide Teile auf die Benützung der Genossenschaftswohnung angewiesen wären, wegen des Alleinverschuldens der Antragsgegnerin an der Ehescheidung und des Einbringens der Wohnung samt Einrichtung in die Ehe durch den Antragsteller diesem bei der Zuteilung das Vorrecht zu. Die Angemessenheit der Höhe der zuerkannten Ausgleichszahlung wurde von der Antragsgegnerin nicht bekämpft.

Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 234 AußStrG.

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