European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00564.850.0523.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die am 11. 6. 1984 geborene Jasmin S***** ist ein eheliches Kind der Brigitte und des Mag. Wolfgang S*****. Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des LG für ZRS Graz vom 2. 9. 1980 gemäß § 55a EheG geschieden (ON 6). Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 5. 12. 1980 (ON 11) wurden die Elternrechte der Mutter zuerkannt; dem Vater wurde ein halbtägiges Besuchsrecht im Abstand von 14 Tagen eingeräumt.
Am 6. 5. 1983 stellte die Mutter beim Erstgericht den Antrag, dem Vater das Recht auf persönlichen Verkehr mit dem Kind zur Gänze abzuerkennen. Sie begründete diesen Antrag im wesentlichen damit, daß die Besuchsrechtsausübung eigentlich nie funktioniert habe. Das Kind habe ein sehr gestörtes Verhältnis zum Vater und fürchte sich vor ihm. Versuche der Mutter, mit dem Vater gemeinsam den Besuchskontakt aufzubauen, seien gescheitert. Der Vater versuche lediglich, durch die Ausübung des Besuchsrechtes mit der Mutter in Kontakt zu treten (ON 33).
Am 16. 9. 1983 stellte der Vater den Antrag, ihm ein Besuchsrecht an jedem 1. und 3. Wochenende des Monates von Samstag 13,00 Uhr bis Sonntag 19,00 Uhr und ein Ferienbesuchsrecht im Ausmaß von mindestens 14 Tagen während der Sommerferien einzuräumen (ON 39). Mit einem am 25. 10. 1984 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragte der Vater dann die Einräumung eines Besuchsrechtes an jedem 1. und 3. Wochenende des Monats von Samstag 13,00 Uhr bis Sonntag 18,00 Uhr (ON 72).
Das Erstgericht wies die Anträge des Vaters auf Besuchsrechtseinräumung ab und erkannte dem Vater das Recht auf persönlichen Verkehr mit seiner Tochter derzeit zur Gänze ab.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Das Kind zeigt einen psychisch unauffälligen Status, gute Kontaktfähigkeit und gute Kooperationsfähigkeit. Es ist freundlich zugewendet und gesprächsbereit; die Gedankeninhalte sind formal logisch richtig aufgebaut. Das Kind scheint eine gute innere Distanz zum eigenen Vater aufgebaut zu haben und dürfte ihn instinktiv eher als krank erleben. Es besteht eine fixe Erinnerung an Handgreiflichkeiten in einer Nacht. Direkte Angst vor einer Konfrontation mit dem Vater besteht nicht; das Kind glaubt nicht, daß er ihm wieder einmal etwas antun könnte.
Die Persönlichkeit des Vaters, der sich bisher insgesamt fünfmal im Landes-Sonderkrankenhaus Graz befand, darunter vom 25. 11. bis 12. 12. 1981 und vom 27. 4. bis 6. 5. 1982 wegen einer chronifizierten paranoiden Reaktion, ist als zwanghaft, introvertiert und affektlabil mit verminderter Realitätskontrolle bei schizoider Persönlichkeitsstruktur zu charakterisieren. In der Natur dieser Persönlichkeit und in den bestehenden latent psychotischen Symptomen liegt seine Haltung gegenüber seiner Familie und insbesondere seiner Tochter begründet. Aus Briefen des Vaters an die Mutter ergibt sich, daß er nicht bereit ist, die rechtskräftige Scheidung anzuerkennen. Zu einer Remission seines Zustandsbildes ist es bisher nicht gekommen. Die noch immer bestehenden latenten psychotischen Symptome schließen grundsätzlich mit ein, daß es plötzlich zu einer neuerlichen Manifestation eines akuten psychotischen Schubes kommen kann; in diesem Fall wäre Selbst-, Fremd- und Allgemeingefährlichkeit nicht auszuschließen. Der bisherige Verlauf des Krankheitsbildes wird durch aggressive Handlungen dominiert. Im Mittelpunkt seines Bestrebens steht sein Bemühen, mit der Mutter neuerlich Kontakt aufzunehmen, der Kampf um das Besuchsrecht wird hier offensichtlich als Mittel zum Zweck verwendet. Das Bemühen um die Mutter einerseits und deren Ablehnung andererseits ist dazu angetan, die derzeit noch bestehende Kompensation mit teilweiser Realitätskontrolle zu zerstören, sodaß dann eine neuerliche krankhafte Entwicklung in Gang gesetzt werden kann, deren Auswirkungen derzeit nicht absehbar sind. Da das Kind offensichtlich als Mittel zum Zweck gebraucht wird, besteht die Gefahr, daß die derzeit noch latenten Aggressionen, die gegen die Mutter vorgebracht werden, auch auf die Tochter übertragen werden. Aus diesem Grund würde die Ausübung eines Besuchsrechtes Nachteile für das Kind nach sich ziehen. Durch Kontakte des Kindes mit dem Vater ist keine positive Auswirkung zu erwarten. Auch die Ausübung des Besuchsrechtes im Beisein eines Sozialarbeiters muß in Frage gestellt werden und müßte zumindest für ein weiteres Jahr verschoben werden. Der Vater scheint einer dringlichen psychiatrischen Behandlung bedürftig.
Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß die Ausübung des Besuchsrechtes nötigenfalls, besonders wenn die Beziehung des Kindes zu dem Elternteil, bei dem es aufwachse, unerträglich gestört würde, ganz zu untersagen sei. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, daß beim Vater Selbst-, Fremd- und Allgemeingefährlichkeit nicht auszuschließen sei. Die Einräumung eines Besuchsrechtes wäre daher dem Wohl des Kindes abträglich. Die Ablehnung des Besuchsrechtes sei jedoch lediglich eine derzeitige Lösung. Bei grundlegender Verhaltensänderung des Vaters und Änderung der Einstellung zur Realität sei die Einräumung eines Besuchsrechtes möglich.
Diese Entscheidung des Rekursgerichtes wurde dem ausgewiesenen Vertreter des Vaters am 11. 4. 1985 zugestellt. Am 2. 5. 1985 überreichte der Vater beim Erstgericht einen von ihm selbst verfaßten außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß ihm sein Besuchsrecht nicht aberkannt werde; hilfsweise stellte er einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Rechtsmittel ist zurückzuweisen.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß zunächst die Zulässigkeit und dann erst die Rechtzeitigkeit eines Rekurses zu prüfen ist (8 Ob 564/93; 8 Ob 539/84; 8 Ob 655/84 ua.).
Gemäß § 16 Abs. 1 AußStrG findet gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität die Beschwerde an den OGH statt.
Das Vorliegen der Rechtsmittelgründe der Nichtigkeit oder der Aktenwidrigkeit wird im Rechtsmittel des Vaters nicht behauptet und ergibt sich auch aus der Aktenlage nicht.
Aber auch eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG wird mit den Rechtsmittelausführungen des Vaters nicht aufgezeigt. Eine solche liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103 uva.).
Gemäß § 148 Abs. 1 ABGB hat das Gericht die Ausübung des Besuchsrechtes des nicht pflege- und erziehungsberechtigten Elternteiles in einer dem Wohl des Kindes gemäßen Weise zu regeln oder sie nötigenfalls, besonders wenn die Beziehungen des Kindes zu dem Elternteil, bei dem es aufwächst, unerträglich gestört würden, ganz zu untersagen. Eine Beschränkung dieses Rechtes kann nur dann erfolgen, wenn seine Ausübung das Wohl des Kindes ernstlich gefährden würde (EFSlg. 35.871; EvBl. 1975/42; 1 Ob 509/83; 2 Ob 563/84 ua.), wobei gewichtige konkrete Umstände die Annahme rechtfertigen müssen, daß das Besuchsrecht mißbraucht oder in einer dem Kind nachteilig Weise ausgeübt werden könnte (EFSlg. 31.254; EvBl. 1975/42; 1 Ob 509/83; 2 Ob 563/84; 8 Ob 609/84 ua.). Entscheidend für eine derartige Maßnahme ist letztlich das Wohl des Kindes.
Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen auf Grund der von ihnen getroffenen Feststellungen über die Persönlichkeit des Vaters im wesentlichen den Schluß gezogen, daß unter diesen Umständen eine Gefährdung des Kindes bei Ausübung eines dem Vater zuerkannten Besuchsrechtes nicht ausgeschlossen werden könnte und daß daher das Wohl des Kindes die Untersagung eines solchen Besuchsrechtes erfordere. Der Vater bekämpft in seinem Rechtsmittel in Wahrheit nicht die Richtigkeit der Rechtsansicht der Vorinstanzen, sondern die Richtigkeit der von ihnen getroffenen Feststellungen. Damit bringt er aber den Rechtsmittelgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG nicht zur Darstellung.
Das vorliegende Rechtsmittel des Vaters erweist sich daher im Sinne dieser Gesetzesstelle als unzulässig.
Selbst im Falle seiner Zulässigkeit müßte es aber als verspätet zurückgewiesen werden. Das Rechtsmittel des Vaters wurde nämlich nach Ablauf der im § 11 Abs. 1 AußStrG normierten 14‑tägigen Rechtsmittelfrist eingebracht. Im Sinne der auch für Revisionsrekurse geltenden Bestimmung des § 11 Abs. 2 AußStrG läßt sich die angefochtene Entscheidung ohne Nachteil eines Dritten nicht abändern. „Dritter“ im Sinne dieser Gesetzesstelle ist jede am Verfahren beteiligte vom Rechtsmittelwerber verschiedene Person, somit im vorliegenden Fall die Mutter und das Kind. Diese haben durch die angefochtene Entscheidung Rechte erlangt (vgl. EFSlg. 30.481, 34.944, 6 Ob 505/85 ua.) und eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung wäre somit ohne Nachteil dieser Person nicht möglich. Es müßte daher das vorliegende Rechtsmittel des Vaters selbst im Fall seiner Zulässigkeit als verspätet zurückgewiesen werden.
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