OGH 1Ob551/85

OGH1Ob551/8517.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Ingrid H***, Angestellte, Wien 13., Gallgasse 11, vertreten durch Dr. Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Gerhard A, Goldschmiedemeister, Wien 6., Stiegengasse 7/24, vertreten durch Dr. Herwig Rainer Hanslik, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse gemäß §§ 81 ff. EheG infolge Revisionsrekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 19. Dezember 1984, GZ 44 R 288/84-102, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 27. September 1984, GZ 1 F 1/81-96, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

  1. 1) Der Revisionsrekurs der Antragstellerin wird zurückgewiesen;
  2. 2) Der Revisionsrekurs des Antragsgegners wird insoweit als die Auferlegung einer S 200.000,- übersteigenden Ausgleichszahlung beantragt wird, zurückgewiesen. Im übrigen wird dem Revisionsrekurs teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß der Antragstellerin die Bezahlung einer weiteren Ausgleichszahlung von S 30.000,- an den Antragsgegner binnen einem Jahr nach Rechtskraft dieses Beschlusses aufgetragen wird. Die Verfahrenskosten werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung

Die Rechtssache war Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 4.4.1984, 1 Ob 525/84, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

Das Erstgericht trug der Antragstellerin die Leistung einer Ausgleichszahlung im Betrag von S 100.000,- auf. Die Verfahrenskosten wurden gegeneinander aufgehoben. Das Erstgericht stellte fest, daß die Antragstellerin derzeit über keine Ersparnisse verfüge; ein Prämiensparbuch mit einem Guthaben von S 75.000,- sei im Jahre 1981 aufgelöst und das Sparguthaben für den Unterhalt der Antragstellerin und ihrer Kinder verwendet worden. Eine Inanspruchnahme der Antragstellerin aus einem Vom Antragsgegner aufgenommenen Existenzgründungskredit, für den die Antragstellerin mithaftete, komme nicht mehr in Frage, weil der Antragsgegner am 21.12.1982 die aushaftende Darlehensschuld zur Gänze berichtigt habe.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht unter Hinweis auf die Ausführungen des Obersten Gerichtshofes im Beschluß vom 4.4.1984, 1 Ob 525/84, die Auferlegung einer Ausgleichszahlung im Betrag von S 100.000,- als gerechtfertigt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Den Rekurs des Antragsgegners wies es, soweit der Zuspruch einer S 200.000, übersteigenden Ausgleichszahlung begehrt wid, zurück und gab ihm im übrigen nicht Folge. Die Kosten des Rekursverfahrens wurden gegeneinander aufgehoben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Im fortgesetzten Verfahren sei nur mehr zu klären gewesen, welche Mittel der Antragstellerin zur Leistung einer Ausgleichszahlung zur Verfügung stehen. Der Oberste Gerichtshof habe dem Erstgericht nur aufgetragen, dem Antragsgegner den Beweis zu ermöglichen, daß die Antragstellerin über Ersparnisse verfüge. Da dies nach den Verfahrensergebnissen nicht zutreffe, sei die Auferlegung einer S 100.000,- übersteigenden Ausgleichszahlung nicht gerechtfertigt.

Beide Streitteile bekämpfen die Entscheidung des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Revisionsrekurs nur gegen die Kostenentscheidung der Vorinstanzen. Da § 234 AußStrG nach ständiger Rechtsprechung keinen Weg zur Anfechtung der Kostenentscheidung der zweiten Instanz eröffnet (EFSlg 42.489, 39.915 u.a.), ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen. Soweit der Antragsgegner die Auferlegung einer S 200.000,-

übersteigenden Ausgleichszahlung anstrebt, steht dem entgegen, daß der Oberste Gerichtshof mit der Entscheidung vom 4.4.1984, ON 88, dem Rekurs des Antragsgegners, der die Auferlegung einer höheren Ausgleichszahlung als S 200.000,- anstrebte, nicht Folge gab. Wenn der Antragsgegner nunmehr neuerlich den Zuspruch einer S 200.000,-

übersteigenden Ausgleichszahlung begehrt, steht dem in Ansehung des S 200.000,- übersteigenden Begehrens Rechtskraft entgegen, so daß der Revisionsrekurs insoweit ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen ist.

Im übrigen ist der Revisionsrekurs teilweise gerechtfertigt. Nach den getroffenen Feststellungen verfügte die Antragstellerin im Jahre 1981, somit auch noch nach Einleitung des Aufteilungsverfahrens, über ein nach Aussage der Antragstellerin während der Ehe 1976 angelegtes Prämiensparbuch mit einem Guthaben von S 75.000,-, das sie in der Folge aufgelöst ud für ihren Unterhalt bzw. für den Unterhalt ihrer Kinder verbraucht hat. Daß dieses Sparguthaben gemäß § 82 EheG der Aufteilung nicht zu unterziehen wäre, wurde weder behauptet noch festgestellt.

Welche Ersparnisse in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen sind, ergibt sich aus § 81 Abs 3 EheG, wonach als solche alle ihrer Art nach üblicherweise für eine Verwertung bestimmte Wertanlagen gelten, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angesammelt wurden. Maßgeblich für die Einbeziehung ist demnach grundsätzlich der Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Eine Ausnahme sieht § 91 Abs 1 EheG vor, wonach auch vor Einbringung der Ehescheidungsklage bzw. Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft vorhandene Ersparnisse in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen sind, die zwei Jahre zuvor noch vorhanden waren und in der Folge in einer Weise verringert wurden, die der Gestaltung der Lebensverhältnisse während der ehelichen Lebensgemeinschaft widersprachen. Gemeint sind damit vor allem Verringerungen von Ersparnissen, die während der ehelichen Krise dadurch entstehen, daß ein Ehegatte plötzlich, sei es für sich allein, sei es schon zusammen mit einem künftigen Partner, einen aufwendigen Lebensstil pflegt und mehr für seinen persönlichen Bedarf ausgibt, als es bisher den Lebensgewohnheiten in der Ehe entsprochen hat (Schwind, Eherecht 2 335), aber auch Umschichtungen von Ersparnissen in ein Unternehmen, die ihren Grund nicht in der Sorge um die Erhaltung des bisher aus dem Unternehmen bezogenen Lebensunterhalts haben (Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 91 EheG). Der Oberste Gerichtshof hat klargestellt, daß die Bestimmung des § 91 Abs 1 EheG auch Vermögensverringerungen betrifft, die nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft eintreten (EFSlg 41.415); auch ein aufwendiger Lebensstil oder unberechtigte Umschichtungen nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft dürfen nicht zum Nachteil des anderen Ehegatten ausschlagen. Aus dem seinerzeitigen Bericht des Justizausschusses (916 BlgNR 14.GP 18) ergibt sich darüber hinaus, daß die Regelung des § 91 Abs 1 EheG sich auch auf Vermögensverringerungen bis zum Zeitpunkt der Aufteilung selbst bezieht. In diesem Sinne sprach der Oberste Gerichtshof aus, daß die Bestimmung des § 91 Abs 1 EheG auch auf Vermögensverringerungen anzuwenden sei, die nach der Ehescheidung eintreten, doch ging es hiebei nur um die Berücksichtigung von Wertveränderungen, die bis dahin eingetreten waren (SZ 55/192; 3 Ob 559/84). Die Berücksichtigung später entstandener Rechtsanwaltskosten lehnte der Oberste Gerichtshof grundsätzlich mit dem Argument ab, daß eine Prozeßführung oder die sonstige Einschaltung eines Rechtsanwaltes nicht der üblichen Gestaltung einer Ehe entspricht (EFSlg 43.796),

Mit der Frage, wie eheliche Ersparnisse zu behandeln sind, die ein Ehegatte ohne Zustimmung des anderen nach Scheidung der Ehe verbrauchte, scheint sich der Oberste Gerichtshof bisher nicht befaßt zu haben. Die Bestimmung des § 81 Abs 3 EheG wird richtig dahin verstanden, daß alle Ersparnisse in die Aufteilung einzubeziehen sind, die das Ergebnis gemeinsamer Anstrengung der Ehegatten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft waren, und nur solche auszuschließen, bei denen dies nicht zutrifft (Huber in JBl 1983, 651). Der Justizausschuß führte demgemäß auch aus, daß durch die Regelung des § 91 Abs 1 EheG jede einseitige Verfügung eines Ehegatten, durch die (ua) die ehelichen Ersparnisse verringert werden, mit der Wirkung erfaßt sind, daß der Wert des Fehlenden auf Antrag des benachteiligten Ehegatten in die Aufteilung einzubeziehen, also so vorzugehen ist, als ob dem anderen Ehegatten der Vermögenswert, um den er die Aufteilungsmasse verringert hat, bei der Aufteilung zugekommen wäre. Unbeachtlich sollen nur Vermögensverringerungen sein, die im Einklang mit der bisherigen Lebensgestaltung der Ehegatten standen; die Vermögensverringerung muß also die Folge einer aufwendigeren als der bisherigen Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten sein. Damit ist aber nichts anderes gemeint als der Aufwand, der nach der Art der Gestaltung der Lebensverhältnisse während der ehelichen Lebensgemeinschaft bedenklich erscheint und den Verdacht nahelegt, daß er nur in der Absicht getätigt wurde, den anderen Ehegatten bei der Aufteilung der ehelichen Ersparnisse zu benachteiligen. Es sollen daher nur Ereignisse während des Ehescheidungsund Aufteilungsverfahrens, die unvermeidbare Aufwendungen zur Folge hatten, aber auch Maßnahmen eines Ehegatten, die nach den Umständen vermutlich auch bei aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft nicht anders getroffen worden wären und zu einer Verringerung der ehelichen Ersparnisse führten, im Aufteilungsverfahren als die Aufteilungsmasse verringernd berücksichtigt werden.

Daß eheliche Ersparnisse zur Deckung des Unterhalts der Familie verwendet werden, wenn besondere Umstände die Deckung des Unterhalts aus den laufenden Einkommen der Familienangehörigen nicht ermöglichen, entspricht gewiß der üblichen Gestaltung einer ehelichen Lebensgemeinschaft,wenn auch nicht der der Antragstellerin und des Antragsgegners, die bis zuletzt Ersparnisse anlegten. Anhaltspunkte dafür, daß der Antragsgegner nicht in der Lage gewesen wäre, auch über die Scheidung der Ehe hinaus den Unterhalt seiner gesamten früheren Familie zu decken, bestehen nicht. Die Fortzahlung des wöchentlichen Wirtschaftsgeldes, das die Antragstellerin nach ihren Angaben (S 435) bis zur Scheidung der Ehe erhielt, entfiel vielmehr wegen der Änderung der Rechtslage durch die Scheidung. Im Zusammenhang damit wurden offenbar die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten, die bisher beiden Elternteilen zustanden bzw. oblagen, der Antragstellerin zuerkannt (§ 177 Abs 1 ABGB), wogegen die Antragstellerin, da die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden wurde, auf die Ansprüche nach § 68 EheG beschränkt wurde, falls sie nicht überhaupt auf Unterhalt verzichtet hatte. Den Kindern, allenfalls der Antragstellerin, standen jedenfalls nicht mehr Naturalunterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner, sondern nur mehr solche in Geld zu, also Ansprüche, die in dieser Weise während der Ehe nicht bestanden und bei Nichtleistung in gerichtlichen Verfahren durchzusetzen waren. Das Fortdenken der Gestaltungsverhältnisse während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft auf die Zeit nach der Scheidung der Ehe hat aber dort seine Grenzen, wo durch Verwendung eheliche Ersparnisse durch einen Ehegatten Ansprüche befriedigt wurden, die ihrer Art nach erst durch die Ehescheidung entstanden sind. Es geht nicht an, daß ein geschiedener Ehegatte die Tatsache, daß er und nicht der andere frühere Ehegatte über eheliche Ersparnisse verfügen kann, ohne Konsequenzen dazu nützen darf, eigene Bedürfnisse oder die Dritter, mögen es auch die aus der Ehe stammenden Kinder sein, zu befriedigen, obwohl ihm das Gesetz andere Möglichkeiten zur Durchsetzung allfällig unbefriedigter Ansprüche weist, und damit eine Verringerung des der Aufteilung unterliegenden Vermögens oder einer Ausgleichszahlung herbeizuführen. Die Antragstellerin, die dafür beweispflichtig wäre, Ersparnisse der Gestaltung der seinerzeitigen ehelichen Lebensverhältnisse gemäß verbraucht zu haben, hat nicht einmal behauptet, daß der Antragsgegner seinen Unterhaltsverpflichtungen seinen Kindern gegenüber nicht nachgekommen wäre oder daß ihr ein Unterhaltsanspruch gegen den Antragsgegner zugestanden wäre, den dieser nicht erfüllt hätte, weshalb sie genötigt gewesen wäre, das Prämiensparbuch aufzulösen und den Erlös zur Befriedigung der Bedürfnisse ihrer Familie zu verwenden. Es kann daher die Beantwortung der Frage auf sich beruhen, ob sie nicht dennoch allein auf die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche zu verweisen gewesen wäre. Unter den gegebenen Umständen kann die Antragstellerin jedenfalls die Auflösung des Prämiensparbuches und die Verwendung des Erlöses dem Antragsgegner nicht als Grund entgegenhalten, daß ihm nicht ein Teil dieser allein von ihr verwendeten ehelichen Ersparnisse in Form einer höheren Ausgleichszahlung zuzukommen habe.

Der Oberste Gerichtshof konnte in seiner Entscheidung vom 4.4.1984, 1 Ob 525/84, den Fall, daß die Antragstellerin ein Spargutgaben zwar besessen, aber während des Aufteilungsverfahrens aufgelöst hat, nicht berücksichtigen, da die Behauptungen der Streitteile nur dahin gingen, daß die Antragstellerin über ein Sparguthaben verfügen könne bzw. daß dies nicht der Fall sei. Eine Ausgleichszahlung in voller Höhe des früheren Sparguthabens erschiene allerdings im Hinblick auf das relativ geringe Einkommen der Antragstellerin (S 13.500,- monatlich) nicht billig, so daß die (weitere) Ausgleichszahlung mit S 30.000,- zu bemessen ist. Zur Leistung dieses Betrages ist der Antragstellerin auch eine Zahlungsfrist von einem Jahr einzuräumen. Ungeachtet des teilweisen Rechtsmittelerfolges des Antragsgegners ist die gegenseitige Kostenaufhebung unter Billigkeitsgesichtspunkten (§ 234 AußStrG) gerechtfertigt, zumal das Rechtsmittel des Antragsgegners überwiegend unzulässig ist bzw. erfolglos blieb. Der Antragsgegner hat auch die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Antragstellerin nicht erkannt, so daß die Rechtsmittelgegenschrift der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht dient. Der Rechtsmittelerfolg des Antragsgegners gibt auch zu einer Änderung der Kostenentscheidung der Vorinstanzen keinen Anlaß. Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

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