OGH 4Ob522/84

OGH4Ob522/8427.2.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Theresia A, vertreten durch die erbserklärte Erbin Marianne B, Arbeiterin, 4690 Schwanenstadt, Mühlwang 26, diese vertreten durch Dr. Peter Franzmayr, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagten Parteien 1) Josef C, Sparkassenangestellter, 4673 Gaspoltshofen, Sparkassenfiliale, und 2) Johann D, Sparkassenangestellter, 4680 Haag a.H., Marktplatz 20, beide vertreten durch Dr. Walter Hasibeder, Rechtsanwalt in Ried i.I., wegen eidlicher Vermögensangabe (Streitwert S 80.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 26.Juni 1984, GZ 4 R 131/84-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Kreisgerichtes Wels vom 12.Jänner 1984, GZ 1 Cg 267/83-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, den beiden beklagten Parteien die mit S 5.258,34 (darin S 368,94 Umsatzsteuer und S 1.200,- Barauslagen) je zur Hälfte binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Josef A verstarb am 17.2.1981; seine Witwe Theresia A am 13.11.1981. Die Verlassenschaft nach Josef A wurde (zu A 34/81) beim Bezirksgericht Haag am Hausruck abgehandelt, jene nach Theresia A wird (zu A 218/81) beim Bezirksgericht Lambach geführt. Marianne B ist die Tochter der Theresia A. Sie erhebt mit der - im Laufe des Verfahrens ergänzten - Klage gegen 1) Alois E, 2) Franz F,

3) Josef C, 4) Friedrich G und 5) Johann D ein auf Art H EGZPO gestütztes Urteilsbegehren betreffend das Vermögen der beiden Erblasser. Bei der ersten Tagsatzung am 29.8.1983 trat hinsichtlich der Beklagten F und G Ruhen des Verfahrens ein.

Die Klägerin brachte im wesentlichen vor: Sie sei Alleinerbin nach den verstorbenen Ehegatten A und habe die Erbserklärungen abgegeben, die vom Gericht angenommen worden seien. In beiden Abhandlungsverfahren sei es aber bisher unmöglich gewesen, die Aktiva der Verstorbenen festzustellen. Die Klägerin habe ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens. Der Beklagte Alois E habe sofort nach dem Tode des Josef A die Fahrnisse weggebracht; er habe das Bargeld gesammelt und dieses zum Teil auf Konten des Josef A und der Theresia A bei den Geldinstituten der Raiffeisenkasse und der Sparkasse in Gaspoltshofen und Haag a.H. eingelegt. E sei über die Konten und Einlagebücher und deren Verbleib informiert. Insbesondere habe er am 10.4.1981 zwei Sparbücher der Raiffeisenkasse Gaspoltshofen mit einem Einlagestand von S 137.723,40 und S 145.860,55 aufgelöst und die Geldbeträge auf unbekannte Konten überwiesen.

Bei den Geldinstituten der Raiffeisenkasse und Sparkasse in Gaspoltshofen und Haag a.H. hätten an den Todestagen der Ehegatten A mehrere Konten mit hohen Geldbeträgen bestanden. Die Geldinstitute und deren Leiter, die Beklagten Josef C und Johann D, weigerten sich aber unter Berufung auf das Bankgeheimnis, dem Gericht Auskünfte zu geben. Beide hätten Kenntnis von den Bankkonten sowie von der Verschweigung bzw. Verheimlichung des Nachlaßvermögens und schließlich davon, daß Alois E die bezüglichen Spareinlagen an sich gebracht habe.

Die Beklagten Alois E, Josef C und Johann D beantragten Klagsabweisung. C und D wendeten im wesentlichen ein, daß es der Klägerin an der Aktivlegitimation mangle und daß sie, Beklagte, nicht passiv legitimiert seien. Sie seien lediglich Geschäftsstellenleiter der Sparkasse Ried i.I. - Haag a.H., nicht aber deren Organe. Vertragspartner von Kunden der Anstalt sei diese, also die Sparkasse Ried.i.I. - Haag a.H. Für die Erteilung von Auskünften seien die Organe der Sparkasse, nämlich der Vorstand, zuständig. Die Beklagten hingegen seien weisungsgebundene Dienstnehmer, dürften keine Auskünfte erteilen und hätten das Bankgeheimnis zu wahren.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Klagebegehren gegen die Beklagten Josef C und Johann D zur Gänze ab. Es stellte fest, daß Josef C (in Gaspoltshofen) Johann D (in Haag a.H. Angestellte 'ihrer Geldinstitute' (richtig: örtliche Geschäftsstellenleiter der Sparkasse Ried i.I. - Haag a.H.) seien, daß bisher weder das Abhandlungsgericht noch der Gerichtskommissär Anfragen an die Sparkassenfiliale Gaspoltshofen oder an die Sparkasse Ried i.I. - Haag a.H. richteten und daß deshalb auch keine Auskünfte der beiden Geldinstitute dem Abhandlungsverfahren zugrunde gelegt werden konnten.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht, daß die Klägerin die Beklagten C und D als Filialleiter der Sparkasse, aber nicht die Sparkasse selbst geklagt habe. Die Beklagten seien nach Vorschriften des bürgerlichen Rechtes gegenüber der Klägerin nicht zur Angabe eines Vermögens verpflichtet. Nach § 23 Abs 1 KWG bestehe sogar ein ausdrückliches Verbot, Geheimnisse, die den Beklagten ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindungen mit Kunden vertraut oder zugänglich gemacht worden seien, zu offenbaren. Das Bankgeheimnis bestehe allerdings gegenüber dem Abhandlungsgericht nicht, doch habe sich dieses noch nicht um Auskunft an die Kreditinstitute gewendet. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil nicht Folge. Es ergänzte die Tatsachenfeststellungen folgendermaßen:

Mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Haag a.H. vom 19.3.1984, A 34/81-29, wurde der Nachlaß des am 17.12.1981 verstorbenen Josef A auf Grund des Gesetzes und der bedingt abgegebenen Erbserklärungen zu 2/3 dem Nachlaß der am 13.11.1981 nachverstorbenen Witwe des Erblassers, Theresia A, vertreten durch die Klägerin als erbserklärte Erbin, sowie dessen Verwandten, nämlich dem Halbbruder Hermann I und der Halbschwester Hermine J zu je 1/12, dem Neffen Josef K und den Nichten Annemarie L und Marlene M zu je 1/24 sowie den Großneffen Karl A und Michael A zu je 1/48 eingeantwortet. Im Verlassenschaftsverfahren nach Theresia A änderte die Klägerin ihre ursprünglich bedingte Erbserklärung in eine unbedingte Erbserklärung ab. Am 18.5.1984 legte der Vertreter der Klägerin die Abhandlungsschrift vor; das eidesstättige Vermögensbekenntnis der Klägerin ergibt Aktiva von S 24.900,-, Passiva nach Josef A von S 5.814,98

und nach Theresia A von S 10.147,50, somit einem reinen Wert des Nachlasses der Theresia A von S 8.937,52. Mit dieser Eingabe beantragte die Klägerin auch, ihr auf Grund ihrer unbedingt abgegebenen Erbserklärung den Nachlaß der Theresia A auf Grund des Gesetzes zur Gänze einzuantworten, die Einantwortungsurkunde zu erlassen und ihrem Vertreter zuzustellen. über diese Anträge hat das Abhandlungsgericht noch nicht entschieden.

In rechtlicher Hinsicht betonte das Berufungsgericht, daß die Klägerin im eigenen Namen und nicht namens der ruhenden Verlassenschaften nach Josef oder Theresia A den Rechtsstreit gegen Josef C und Johann D, jeweils persönlich, führe, nicht aber gegen die Kreditinstitute, deren Bedienstete die Genannten sind. Für Josef C und Johann D bestehe indes persönlich keine Verpflichtung, ein Vermögen oder Schulden der Ehegatten Josef und Theresia A auf Grund von Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes oder einer privatrechtlichen Vereinbarung - eine solche sei nicht behauptet worden - anzugeben. Da die Klägerin nicht ein privates, von deren beruflicher Tätigkeit unabhängiges Wissen der Beklagten behaupte, seien diese an das Bankgeheimnis gebunden.

Bei der Klägerin handle es sich aber auch nicht um eine Kundin der Sparkasse Ried i.I. - Haag a.H. Kunden dieser Sparkasse seien nach dem Vorbringen zuerst nur Josef und Theresia A gewesen, während jetzt nur jene Personen in Frage kämen, denen der Nachlaß nach Josef A eingeantwortet wurde, und der ruhende Nachlaß nach Theresia A, der durch die Klägerin als erbserklärte Erbin lediglich vertreten werde. Eine ausdrückliche und schriftliche Zustimmung der angeführten Kunden der Sparkasse zur Angabe des Vermögens der Ehegatten Josef und Theresia A sei in erster Instanz nicht behauptet worden. Eine solche könne, da die Klägerin nicht Kundin der Sparkasse sei, auch in der gegenständlichen Klage nicht erblickt werden und reiche deshalb zur Aufhebung des Bankgeheimnisses nicht aus. Das Berufungsgericht erklärte die Revision gemäß den §§ 500 Abs 3 und 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig, da die Entscheidung von der Lösung von Rechtsfragen abhängig sei, denen zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukomme. Soweit für das Berufungsgericht ersichtlich, bestehe zum Bankgeheimnis des § 23 KWG keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes in seinem ganzen Inhalt erhebt die Klägerin Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Klagsstattgebung, hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag.

Die Beklagten, die eine Revisionsbeantwortung erstatteten, beantragen die Zurückweisung der Revision als unzulässig, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Zulässigkeit der Revision - an den bezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist das Revisionsgericht nicht gebunden (§ 508 a Abs 1 ZPO) - ist zu bejahen, die maßgeblichen Rechtsfragen der Kundeneigenschaft des ruhenden Nachlasses sowie der Verpflichtung zur Wahrung bzw. zur Offenbarung des Bankgeheimnisses nach dem § 23 KWG - zu welchem Fall es an einer veröffentlichten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt - erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO haben.

Die Revisionswerberin macht im wesentlichen geltend, daß Kunden der Bankinstitute die Verlassenschaften nach Josef und Theresia A seien, die durch die Klägerin als erbserklärte Erbin gesetzlich vertreten werden. In dieser Eigenschaft sei die Klägerin berechtigt, die begehrten Auskünfte zu verlangen, und die Berufung der Beklagten auf das Bankgeheimnis ihr gegenüber sei unstatthaft. Zur Frage der Aktivlegitimation ist davon auszugehen, daß die Klägerin Marianne B, wie sich aus dem Zusammenhang der Klagserzählung ergibt, die Beklagten C und D nicht kraft eigenen Rechts, sondern unter ausdrücklichem Hinweis auf ihre Eigenschaft als erbserklärte Erbin in Anspruch nimmt. Sie leitet ihre Klagslegitimation somit aus dem 'Rechtskreis' (Fasching III 113) der zuletzt verstorbenen Erblasserin Theresia A ab. Es ist zwar richtig, daß bis zur Einantwortung nur der ruhende Nachlaß parteifähig ist und klagen oder geklagt werden kann (Fasching II 124; ders. N Rdz 335; II 6 324; Welser in Rummel ABGB Rdz 6 zu § 547; SZ 40/38), doch schadet der Umstand, daß sich Marianne B selbst namentlich als Klägerin bezeichnet, nicht, weil es, um die Klagslegitimation bejahen zu können, keines Parteiwechsels (Parteiänderung), der unzulässig wäre, sondern bloß der Berichtigung der Parteibezeichnung bedarf (Fasching II 127; ders.N Rdz 323 ff; insb.328). Eine Berichtigung der Parteibezeichnung kann in jeder Lage des Verfahrens auch von amtswegen durchgeführt werden (Fasching II, 112

und 127 sowie III 112 Welser a.a.O.; SZ 23/7), welchem Umstand daher das Revisionsgericht Rechnung trug. Die Aktivlegitimation der klagenden Partei 'Verlassenschaft nach Theresia A, vertreten durch die erbserklärte Erbin Marianne B' ist somit gegeben. Daß dem ruhenden Nachlaß des verstorbenen Kunden einer Kreditunternehmung die Eigenschaft eines Kunden im Sinne des Kreditwesengesetzes (BG v. 24.Jänner 1979, BGBl.1979/63 - KWG) ebenso zukommt, wie dem Verstorbenen selbst kann nicht bezweifelt werden ((§ 547 ABGB Welser aaO Rdz 3). Demzufolge kommt aber der klagenden Partei gegenüber eine Berufung auf das Bankgeheimnis nicht in Betracht, weil eine 'Offenbarung' des Bankgeheimnisses nach § 23 KWG schon begrifflich nur gegenüber Dritten möglich ist und die Bank ihren Kunden jederzeit zur Auskunft über den Stand der Konten aus der Geschäftsbeziehung vertraglich verpflichtet ist (SZ 54/26; 3 Ob 600/83; 3 Ob 553/80;

Haushofer-Schinnerer-Ulrich, Kreditwesengesetz Anm.4) S.78 und 7) S.79).

Dieser Anspruch des Kunden ist ein solcher nach bürgerlichem Recht und könnte daher bei Vorliegen der Voraussetzungen gegenüber der Kreditunternehmung, deren Angestellte die Beklagten sind, als dem Vertragspartner nach dem ersten Anwendungsfall des Art.H Abs 1 EGZPO geltend gemacht werden.

Die Klägerin stützt indes ihr gegenüber den beiden Beklagten erhobenes Begehren mit unmißverständlicher Deutlichkeit in allen Instanzen auf den zweiten Anwendungsfall des Art.H Abs 1 EGZPO; sie behauptet mehrfach, daß die Beklagten von der Verschweigung oder Verheimlichung des Vermögens vermutlich Kenntnis hätten. Dieser zweite Tatbestand des Art.H Abs 1 EGZPO stellt eine eigene Norm des materiellen Rechtes dar, die bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen auch ohne sonstige rechtliche Verpflichtung zur Vermögensabgabe und Eidesleistung zwingt (SZ 48/114 =EvBl 1977/42 = JBl 1976, 372 u.a.; Fasching II 89). Der Oberste Gerichtshof hat aber wiederholt ausgesprochen, daß durch die genannte Bestimmung nur eine bewußte absichtliche Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens getroffen werden sollte und daher eine Tätigkeit des Beklagten voraussetzt, die die Verschweigung oder Verheimlichung des Vermögens bezweckt. In einem bloß passiven Verhalten, insbesondere in der bloßen Verweigerung der Auskunft über ein Vermögen, kann hingegen ein Verheimlichen oder Verschweigen im Sinne des Art.H Abs 1 EGZPO nicht erblickt werden (SZ 48/114; EvBl 1956/193; Fasching II 95). Die Klägerin wirft den Beklagten in ihrem Vorbringen ausschließlich eine solche Auskunftsverweigerung vor. Demnach kann aber die vorliegende, auf den zweiten Tatbestand des Art.H Abs 1 EGZPO gestützte Klage nicht zum Ziel führen.

Aus diesen Erwägungen muß der Revision ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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