OGH 8Ob78/84

OGH8Ob78/8414.2.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Hillebrand und Dr. Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei R***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Heinz P. Wechsler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 730.000 S sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. September 1984, GZ 5 R 196/84-11, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 25. April 1984, GZ 15 Cg 477/83-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 6. 1. 1972 benützte der deutsche Staatsangehörige Josef S***** jun (geboren 19. 4. 1952) den von der Beklagten betriebenen R*****-Schlepplift im Gemeindegebiet von Eben am Achensee. Infolge einer Seilentgleisung bei jener Rollenbatterie, die der Seilumlenkscheibe bei der Bergstation vorgelagert war, wurde S***** vom Seilgehänge Nr 21 am Kopf getroffen und schwer verletzt (ua Schädelbruch und Querschnittslähmung). Der als Erfüllungsgehilfe der Beklagten tätige Liftwart P***** reagierte beim Unfall falsch und unaufmerksam.

In den zu 25 Cg 430/72, 25 Cg 3/75 und 25 Cg 4/75 des Landesgerichts Innsbruck abgeführten Verfahren wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagte dem Josef S***** jun und der S*****-Betriebskrankenkasse für alle künftigen Schäden aus dem erwähnten Unfall zu haften habe. Josef S***** war bis 31. 8. 1980 als Familienmitglied über seinen Vater bei der S*****-Betriebskrankenkasse in München sozialversichert.

Am 1. 9. 1980 trat Josef S***** jun in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ein und wurde damit Pflichtmitglied der Klägerin. Am 20. 1. 1983 ist Josef S***** jun verstorben.

Gestützt auf diesen Sachverhalt begehrte die Klägerin mit der am 4. 8. 1983 beim Erstgericht erhobenen und bei der Streitverhandlung vom 7. 11. 1983 geringfügig eingeschränkten Klage die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung des Schillinggegenwerts von 103.740,23 DM sA. Sie habe im Zeitraum zwischen 1. 9. 1980 und 20. 1. 1983 als gesetzlicher Sozialversicherer für Josef S***** jun folgende auf den Unfall vom 6. 1. 1972 zurückzuführenden Leistungen erbracht:

Stationäre Krankenhausbehandlungen 88.270,66 DM;

Krankengelder (Verdienstausfall) 7.927,47 DM;

Transportkosten 2.708,70 DM;

Hilfsmittel 2.161,69 DM;

Ambulante Behandlungen 2.001,71 DM;

Sterbegeld (Bestattungskosten) 670,- - DM;

Summe 103.740,23 DM

Nach der dem § 332 ASVG entsprechenden Bestimmung des § 1542 RVO seien die Ansprüche des Josef S***** jun und der S*****-Betriebskrankenkasse auf die Klägerin übergegangen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte Verjährung ein. Die Klägerin sei nicht Rechtsnachfolger der S*****-Betriebskrankenkasse, so dass das zugunsten dieses Versicherungsträgers ergangene Feststellungsurteil der Klägerin nicht zugute kommen könne. Vorsorglich würden die Ansprüche der Klägerin auch der Höhe nach bestritten.

Die Klägerin entgegnete, die Verjährungseinwendung der Beklagten sei sittenwidrig und unberechtigt, weil die Klägerin Rechtsnachfolger des ursprünglichen Sozialversicherungsträgers, der S*****-Betriebskrankenkasse, sei. Vor dem 1. 9. 1980 habe die Klägerin keine Möglichkeit gehabt, Regressforderungen gegen die Beklagte geltend zu machen; sie habe auch kein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Ersatzansprüche besessen.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Verjährung ab. Es vertrat die Auffassung, dass außervertragliche Schadenersatzansprüche in der Regel nach dem Recht des Staats zu beurteilen seien, in dem das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt wurde. Da eine nach § 48 IPRG zu beachtende stärkere Beziehung zum Recht eines anderen Staats nicht vorliege, sei für die sich aus dem Unfall des Josef S***** jun ergebenden Rechtsfolgen österreichisches Recht maßgebend. Nach österreichischem Recht verjähre der durch die Schadenszufügung entstehende Ersatzanspruch in drei Jahren, wobei die Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt zu laufen beginne, zu dem der Schaden und die Person des Schädigers dem Geschädigten bekannt wurden. Durch die Legalzession auf den Sozialversicherungsträger gemäß § 332 Abs 1 ASVG werde die Rechtsnatur des Anspruchs nicht verändert. Unter dem in dieser Bestimmung genannten Versicherungsträger sei jeder Versicherungsträger zu verstehen, der nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Schadenszufügung möglicherweise leistungspflichtig werde. Es gebe aber keinen solidarischen Forderungsübergang auf alle möglichen Sozialversicherungsträger, sondern nur einen geteilten Forderungsübergang auf den einzelnen leistungspflichtigen Sozialversicherungsträger, und zwar nach Maßgabe seiner Leistungspflicht. Die Klägerin könne ihre Regressansprüche nach österreichischem Recht nicht von der Rechtsstellung ableiten, welche die S*****-Betriebskrankenkasse durch das von ihr gegenüber der Beklagten erwirkte Feststellungsurteil erlangte. Unter diesen Umständen sei die Verjährungseinwendung der Beklagten berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und sprach aus, dass das Erstgericht sein Verfahren erst nach eingetretener Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen habe. Es lägen die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 2 ZPO vor. Das Berufungsgericht vertrat folgenden Standpunkt:

Zunächst sei zu überprüfen, in welchem Umfang die von der Klägerin geltend gemachten Ersatzansprüche Aufwendungen betrafen, die durch den Unfall des Josef S***** jun am 6. 1. 1972 bedingt wurden. Weiters sei vorweg klarzustellen, dass die Bestimmungen des erst am 1. 1. 1979 in Kraft getretenen IPR-G nicht auf Sachverhalte zurückwirken, die sich bereits vor diesem Zeitpunkt erfüllten. Voraussetzungen und Inhalt der Legalzession hinsichtlich der Schadenersatzansprüche des verletzten Versicherten an einen ausländischen Sozialversicherungsträger seien international-privatrechtlich nach dem Recht zu beurteilen, dem dieses Versicherungsverhältnis unterworfen ist. Da die Legalzession im vorliegenden Fall ein in der Bundesrepublik Deutschland bestehendes Sozialversicherungsverhältnis betrifft, seien die Voraussetzungen des Forderungsübergangs entgegen der vom Erstgericht vertretenen Meinung nach deutschem Recht zu beurteilen. Nach herrschender deutscher Lehre und ständiger Rechtsprechung des BGH erfolge der Forderungsübergang nach § 1542 RVO in der Regel sofort mit der Entstehung des Schadenersatzanspruchs in dem die Ersatzpflicht des Schädigers auslösenden Zeitpunkt. Gleiche Rechtsgrundsätze gelten im Übrigen auch für einen nach österreichischem Recht (§ 332 ASVG) zu beurteilenden Forderungsübergang auf einen österreichischen Sozialversicherungsträger. Die Verjährung sei hingegen nach dem Recht zu beurteilen, das für das Rechtsverhältnis des Schadenersatzanspruchs selbst maßgebend ist. Die Verjährung von Schadenersatzansprüchen aus Unfällen, die sich beim Betrieb eines Schischlepplifts ereignen, unterliege dem Deliktstatut. Dies gelte auch für die Beurteilung der Verjährung eines durch Legalzession auf einen Sozialversicherungsträger übergegangenen Schadenersatzanspruchs. Da sich der Unfall des Josef S***** jun in Österreich ereignete, sei die Frage, ob die von der Klägerin geltend gemachten Ersatzansprüche, bei denen es sich materiell um Schadenersatzansprüche ihres Versicherten Josef S***** jun handelt, verjährt sind oder nicht, ausschließlich nach österreichischem Recht zu beurteilen. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung verjähre der Schadenersatzanspruch gegenüber dem Legalzessionar gemäß § 1489 ABGB in drei Jahren von der Zeit an, zu welcher der Schaden und die Person des Schädigers dem Beschädigten bekannt wurden. Soferne nicht aufgrund besonderer Umstände Abweichendes zu gelten hat, sei dieser Zeitpunkt in der Regel mit dem Unfallstag gleichzusetzen. Die aufgrund der Legalzession auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen und die beim Geschädigten verbliebenen Anspruchsteile stünden sich ab dem Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger verjährungsrechtlich als selbständige Forderungen gegenüber, weil die Person des Gläubigers verschieden sei. Daher werde durch eine vom Geschädigten selbst erhobene Klage die Verjährung des bereits auf den Sozialversicherer übergegangenen Teils der Forderung nicht unterbrochen. Auch das einem Feststellungsbegehren des Geschädigten stattgebende Feststellungsurteil erstrecke sich - und zwar auch für die Zukunft - nur auf den beim Geschädigten verbliebenen Teil des Anspruchs und habe keine Wirkung auf den auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Anspruch. Wenn er eine Unterbrechung der Verjährung des auf ihn übergegangenen Anspruchsteils herbeiführen will, müsse der Sozialversicherungsträger selber klagen.

Im vorliegenden Fall habe jedoch zum Zeitpunkt der mit 6. 1. 1972 anzusetzenden Entstehung des Schadenersatzanspruchs des Verletzten Josef S***** jun selbst keine weit entfernte rechtliche Möglichkeit einer (späteren) Leistungspflicht der Klägerin bestanden, sondern nur die Möglichkeit einer Leistungspflicht der S*****-Betriebskrankenkasse, bei welcher Josef S***** jun damals als Familienangehöriger über seinen Vater sozialversichert war. Ein Forderungsübergang iSd § 1542 RVO auf die Klägerin könne erst ab dem 1. 9. 1980 erfolgt sein. Nach österreichischer Rechtsauffassung könnten sich die Rechte der Klägerin als Legalzessionarin nicht vom früher leistungszuständigen Sozialversicherungsträger, der S*****-Betriebskrankenkasse, sondern nur unmittelbar vom Geschädigten ableiten lassen. Der Gedanke, dass rechtliche Schritte des früher leistungszuständigen Sozialversicherungsträgers Wirkungen für den erst später leistungszuständig werdenden Sozialversicherungsträger hätten, werde dem österreichischen Recht fremd erachtet. In der Bundesrepublik Deutschland werde allerdings aufgrund der Rechtsprechung des BGH die Auffassung vertreten, es bestehe unter den dargestellten Voraussetzungen zwischen den Sozialversicherungsträgern eine Art Rechtsnachfolge.

Folge man dieser Auffassung und unterstellt man, dass die Klägerin hinsichtlich der ab dem 1. 9. 1980 gemäß § 1542 RVO auf sie übergegangenen Ansprüche des Josef S***** jun aus dem Unfall vom 6. 1. 1972 Rechtsnachfolgerin der S*****-Betriebskrankenkasse war, so komme ihr die durch das von diesem Sozialversicherungsträger gegen die Beklagte erwirkte Feststellungsurteil eingetretene Verjährungsunterbrechung zugute. Die Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Ansprüche wären unter dieser Voraussetzung nicht verjährt. Die Verjährung sei aber auch bei Anwendung österreichischer Rechtsgrundsätze nicht eingetreten, weil auch der Geschädigte Josef S***** jun selbst durch Erwirkung eines Feststellungsurteils gegen die Beklagte einer Verjährung seiner künftigen Ansprüche vorbeugte und der Klägerin bei Ablehnung einer Rechtsnachfolgerschaft in Bezug auf die S*****-Betriebskrankenkasse die sich aus dem Urteil ergebende Verjährungsunterbrechung zugute komme.

Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, dem Berufungsgericht eine das Klagebegehren abweisende Entscheidung aufzutragen oder selbst in diesem Sinne zu erkennen.

Die Klägerin beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Beklagte stellt sich in ihrem Rechtsmittel auf den Standpunkt des Erstgerichts. Ihrer Ansicht nach sei der Anspruch der Klägerin verjährt, weil sie sich weder auf das Feststellungsurteil ihrer Vorgängerin, der S*****-Betriebskrankenkasse, noch des Geschädigten Josef S***** jun berufen könne.

Der Beklagten sind jedoch die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts entgegenzuhalten. Es genügt daher zunächst auf dessen Begründung hinzuweisen, die sich im Wesentlichen auf die Vorentscheidungen ZVR 1980/241 und SZ 51/95 stützte und zu den auch weitere Vorentscheidungen wie etwa 2 Ob 236/78, 2 Ob 61/81, 8 Ob 217/82, 2 Ob 18/84 zu zählen sind. Der vorliegende Fall ist dadurch charakterisiert, dass der Verletzte Josef S***** jun bis 31. 8. 1980 bei der S*****-Betriebskrankenkasse in München und ab 1. 9. 1980 bei der Klägerin, der K***** sozialversichert war. Der Feststellungsübergang auf die Klägerin konnte daher erst ab 1. 9. 1980 erfolgt sein (vgl SZ 51/95 ua). Der Lauf der eigenen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB hinsichtlich der auf die Klägerin übergegangenen Ansprüche konnte erst von der Zeit an beginnen, zu welcher sie Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen hatte (vgl SZ 50/34; 2 Ob 236/78; 2 Ob 18/84 uva). Dass dies vor der Aufnahme des versicherungspflichten Dienstverhältnisses Josef S*****s bei der Klägerin war, wurde weder behauptet, noch ist dies nach der Sachlage anzunehmen. Es entspricht durchaus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass ein vom Geschädigten selbst vor Eintritt der Legalzession an den späteren Sozialversicherer erwirktes Feststellungsurteil zur Unterbrechung der Verjährung auch zugunsten des erst nachträglich leistungspflichtig werdenden Sozialversicherungsträgers wirkt (2 Ob 236/78 ua). Das vom Geschädigten im Direktprozess erwirkte Feststellungsurteil wirkte daher im vorliegenden Fall auch zugunsten der Klägerin (vgl 2 Ob 236/78, 2 Ob 267, 268/77; 2 Ob 61/81 ua). Zutreffend hat das Berufungsgericht das einen gegenteiligen Standpunkt vertretende Urteil des Erstgerichts aufgehoben und diesem die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufgetragen.

Dem Rekurs war somit der Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

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