OGH 1Ob761/76

OGH1Ob761/762.3.1977

SZ 50/34

Normen

ABGB §1295
ABGB §1313a
ABGB §1315
ABGB §1489
ABGB §1295
ABGB §1313a
ABGB §1315
ABGB §1489

 

Spruch:

Das Bauunternehmen, das Arbeiten an einer Bundesstraße durchführt, kann eine vertragliche Schutzpflicht zugunsten Dritter treffen. Die Verletzung dieser Schutzpflicht hat unmittelbare Schadenersatzansprüche der Dritten gegen das Bauunternehmen zur Folge

Wird bei einer Bauführung schuldhaft eine Wasserleitung beschädigt, haftet der Bauführer auch für die Folgeschäden im Unternehmen des Eigentümers der Wasserleitung oder des an dieser dinglich Berechtigten, nicht aber Personen gegenüber, denen nur ein obligatorisches Wasserbezugsrecht aus der Leitung zusteht

OGH 2. März 1977, 1 Ob 761/76 (OLG Innsbruck 5 R 9/76; LG Feldkirch 4 Cg 1702/74)

Text

Die Kläger haben in A eine Geflügelzucht mit einer Brütung, Mästung und Schlachtung betrieben. Nach ihrem Vorbringen sei im Zuge der Erbauung der Umfahrungsstraße B die seinerzeit von den Klägern zum Stallgebäude ihrer Geflügelzucht gelegte Wasserleitung abgefroren. Das Abfrieren hätte die beklagte Partei, ein Bauunternehmen, zu vertreten, weil sie in diesem Bereich Geländearbeiten durchgeführt habe, wodurch die ursprünglich in Frosttiefe befindliche Wasserleitung nur noch zirka 20 cm unter der Erdoberfläche zu liegen gekommen sei, was schließlich zum Einfrieren derselben geführt habe. Im Hühnerstall der Kläger habe sich eine automatische Tränkanlage befunden, die durch das Abfrieren der Wasserleitung lahmgelegt worden sei. Die Kläger hätten versucht, durch händische Tränke die Tiere am Leben zu erhalten, doch hätten sie Ende Jänner, Anfang Feber 1971 - daß die Wasserleitung unterbrochen war, hätten die Kläger am 24. Dezember 1970 festgestellt -, erkennen müssen, daß sich der Zustand bzw. die Legeleistung der empfindlichen Tiere verschlechtert habe. Über Anraten des Amtstierarztes hätten die Kläger die Tiere schlachten müssen. Hiedurch sei ihnen der in der Klage näher aufgeschlüsselte Schaden in Höhe des Klagsbetrages entstanden.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung, wendete mangelnde Aktivlegitimation der Zweitklägerin, aber auch mangelnde Passivlegitimation der beklagten Partei ein, und überdies, daß die Arbeiten an der Umfahrungsstraße B bereits im Herbst 1969 abgeschlossen gewesen seien. Die beklagte Partei habe die Arbeiten über Auftrag des Landesstraßenbauamtes durchgeführt, eine Haftung nach § 1315 ABGB komme nicht in Betracht. Zudem habe die beklagte Partei keinerlei Auftrag zu einer Tieferverlegung der Wasserleitung erhalten. Die beklagte Partei wendete auch Verjährung ein; die Klage hätte spätestens am 24. Dezember 1973 eingebracht werden müssen. Aber selbst wenn die beklagte Partei für irgendeinen Schaden zu haften hätte, träfe die Kläger ein Mitverschulden von mindestens 80%, denn diese hätten erst am 18. Jänner 1971 dem Landesstraßenbauamt von dem Leitungsschaden Mitteilung gemacht. Die Kläger hätten die beklagte Partei auch nie auf die Wasserleitung aufmerksam gemacht. Im übrigen sei damals im Betrieb der Kläger eine Hilfsperson beschäftigt gewesen, die für eine händische Tränke der Tiere ungeeignet gewesen sei.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei für schuldig, den Klägern den Betrag von 662.60 S samt 9% Zinsen seit 1. März 1973 zu bezahlen. Das Mehrbegehren von 142 800 S samt Anhang wurde abgewiesen. Es ging von folgendem Sachverhalt aus: Beide Kläger betrieben bis zum Jahre 1971 gemeinsam in A eine Hühnerfarm als Vermehrungszuchtbetrieb. Etwa 40 m südlich des Stallgebäudes führt die neuerrichtete Bundesstraße 190 (Umfahrung B) vorbei. Zum Stallgebäude gelangt man von D durch eine Unterfahrung unter der neu errichteten Bundesstraße. Etwa parallel zum Weg, der von D zur Unterführung und später zum Stallgebäude führt, - nur einige Meter weiter östlich - befindet sich die gegenständliche Wasserleitung.

Die beklagte Partei führte in den Jahren 1968 und 1969 im Auftrag des Bundes, vertreten durch das Landesstraßenbauamt F, die Erdarbeiten für die Umfahrungsstraße im Baulos km 577.63 bis km 588.03 durch. Restarbeiten waren noch im Frühjahr 1970 notwendig. Im Zuge der Erdarbeiten wurde die Wasserleitung zum Hühnerstall der Kläger südlich der neuerrichteten Straße zweimal abgerissen. Ohne speziellen Antrag durch das Landesstraßenbauamt entschloß sich die beklagte Partei im Frühjahr 1969, diese Wasserleitung südlich der neuen Straße tiefer zu verlegen. Als die Leitung im Sommer 1968 zweimal abgerissen wurde, machte der Erstkläger den Bauleiter der beklagten Partei Herbert M darauf aufmerksam, daß es sich hiebei um die Wasserleitung zum Hühnerstall handle. Die durch das zweimalige Abreißen der Wasserleitung erforderlich gewordenen Reparaturen gingen auf Kosten der beklagten Partei. Obwohl auch nördlich der Bundesstraße Abhobelungs- und Planierungsarbeiten durchgeführt wurden, wurde die Wasserleitung dort nicht tiefer verlegt. Im Herbst 1969 waren die Erdbewegungsarbeiten im wesentlichen abgeschlossen.

Ursprünglich war die Wasserleitung in frostsicherer Tiefe von zirka

1.3 m verlegt. Durch die Abhobelungsarbeiten geriet die Wasserleitung nördlich der Bundesstraße weiter an die Erdoberfläche. Dort, wo die Leitung später dann abgefroren ist, war sie nur noch 20 bis 50 cm unter der Erdoberfläche.

Bei der Bauvergabe an die beklagte Partei wurde von dieser Wasserleitung nicht gesprochen. Auch in der Baubeschreibung ist von der Leitung nichts gestanden. Das Landesstraßenbauamt hat nie einen Auftrag zu einer Tieferverlegung der Wasserleitung erteilt. Der Bauleiter Herbert M ist seit 1958 bei der beklagten Partei in dieser Funktion beschäftigt, er ist selbständiger Bauleiter, auch für größere Baustellen und ist als verläßlich und tüchtig bekannt.

Im Laufe des 24. Dezember 1970 erfuhr der Erstkläger von seinem Arbeiter, daß die Wasserzufuhr unterbrochen sei. Bis Ende des Jahres 1970 betreute ein türkischer Gastarbeiter die Hühnerfarm. Der Erstkläger vermutete gleich, daß die Wasserleitung abgefroren ist, denn die Temperaturen lagen in der Zeit zwischen 17. und 24. Dezember 1970 zwischen minus 10 und minus 15 Grad. Der Erstkläger telefonierte noch am 24. Dezember 1970 - offenbar weil er vermutete, daß das Abfrieren der Leitung mit den Bauarbeiten an der Bundesstraße im Zusammenhang steht - mit Hofrat N vom Landesstraßenbauamt, der ihn an Eduard A verwies. Von der beklagten Partei konnte wegen Weihnachtsurlaubes bis 6. Jänner 1971 niemand erreicht werden. Der Erstkläger telefonierte noch einige Male mit dem Landesstraßenbauamt. Im Laufe des Jänner 1971 - ein genaueres Datum war nicht festzustellen - verständigte A die beklagte Partei. Der Bauleiter Herbert M erfuhr am 24. Jänner 1971 vom Schadensfall. Aber bereits am 18. Jänner 1971 schrieb der Erstkläger an das Landesstraßenbauamt und teilte schriftlich mit, daß die Wasserleitung zugefroren und durch den Wasserausfall die Legeleistung der Hühner um 70% zurückgegangen sei. Einige Tiere hätten bereits geschlachtet werden müssen. Mehrere Stunden pro Tag müsse Wasser getragen werden. Hierauf fand am 22. Jänner 1971 zwischen den Klägern und den zuständigen Bearbeitern im Landesstraßenbauamt eine Besprechung statt, wobei festgehalten wurde, daß die Hühner durch Wassertragen versorgt würden. Eine weitere Versorgung sei aber nicht mehr möglich, weil der Kanal, aus dem das Wasser entnommen wurde, abgestellt worden sei. Der Erstkläger vermutete damals, daß die Wasserleitung nicht mehr frostsicher verlegt sei, er sicherte zu, dies durch eine Firma überprüfen zu lassen. Er beauftragte am 23. Jänner 1971 die Firma R mit den Überprüfungsarbeiten, wobei noch am selben Tag festgestellt wurde, daß die Wasserleitung nördlich der Bundesstraße nur mehr 20 bis 50 cm unter dem Boden lag. Bei der damals herrschenden Kälte war es selbstverständlich, daß das Wasser in dieser Leitung gefroren war.

Am 25. Jänner 1971 schnitt die beklagte Partei den abgefrorenen Teil der Wasserleitung heraus und setzte ein Stück Hochdruckschlauch ein. Gleichzeitig wurde die Leitung in Frosttiefe von zirka 1.3 m abgesenkt. Den Klägern entstand durch die Reparatur der Wasserleitung ein Schaden von 682.60 S.

Die Hühner der Kläger wurden über eine automatische Tränkanlage mit Wasser versorgt. Als die Wasserleitung am 24. Dezember 1970 abfror, wurden die Tiere zunächst händisch getränkt. Da der türkische Gastarbeiter mit Ende des Jahres 1970 sein Dienstverhältnis zu den Klägern löste, übernahmen die Kläger selbst mit ihren beiden Kindern die händische Tränke der Tiere. Das Wasser dazu wurde zunächst aus einem Kanal entnommen, der bis 20. Jänner 1971 durchgehend Wasser führte. Am 22. Jänner 1971 floß aber kein Wasser, wohl dann wieder vorn 24. Jänner 1971 bis. Ende Jänner 1971. Als der G-Kanal kein Wasser führte, versuchten die Kläger Wasser mit einem Auto zur Hühnerfarm zu transportieren, was aber äußerst schwierig war.

Spätestens knapp vor dem 18. Jänner 1971, möglicherweise aber bereits schon kurz nach Beginn der händischen Tränke der Tiere ab 24. Dezember 1970, merkte der Erstkläger, daß die Legeleistung der Hühner um mehr als 50% nachließ. Er verständigte deshalb am 27. Jänner 1971 den Amtstierarzt Dr. F, der am selben Tage feststellte, daß die Hühner ein schmutzig-gräuliches Haarkleid aufwiesen; um die Kloake waren auf einer handtellergroßen Fläche keine Federn festzustellen, diese Stelle war entzundlich gerötet. Dr. F riet dem Klägern, die Tiere zu schlachten. Die Kläger schlachteten die Hühner und verkauften sie als Suppenhühner um 5 S pro kg Fleisch.

Werden Hühner, wie sie die Kläger besaßen, nicht mit Wasser versorgt, tritt eine Ausweitung des Kropfes mit Verstopfung der Speiseröhre zum Magen ein. Werden die Hühner mit schlechtem Wasser versorgt, erkranken sie an Darmkatarrh mit Durchfall. Die 400 Hühner der Kläger hatten einen täglichen Wasserbedarf von gut 100 l. Hühner, die eine automatische Tränkanlage gewohnt sind, können durch die händische Tränkung unruhig werden, wodurch es zu einem Rückgang der Legeleistung kommt. Wenn die Hühner kein Wasser oder schlechtes Wasser bekommen, geht die Legeleistung sofort zurück. Bleibt dies etwa ein Monat so, erholen sich die Tiere nicht mehr, dann steht fest, daß sie geschlachtet werden müssen, weil es nicht wirtschaftlich wäre, sie weiter zu behalten. Der Rückgang der Legeleistung bei den Tieren der Kläger kann verschiedene Ursachen gehabt haben. Sie kann durch die Umstellung auf die händische Tränkung zurückgegangen sein, auch ein Wurmbefall könnte die Ursache gewesen sein, ebenso wie eine unrichtige Fütterung. Hühner können auch einen Darmkatarrh durchübermäßige Wasseraufnahme bekommen, welche durch die händische Tränkung verursacht worden sein könnte. Es läßt sich - wie das Erstgericht weiter ausführte - heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen, warum die Hühner geschlachtet werden mußten. Zu 90% ist die mangelnde Wasserversorgung oder die Versorgung mit schlechtem Wasser und die darüber hinaus übliche Streßeinwirkung (Unruhe) durch die händische Tränkung Ursache des Rückganges der Legeleistung und damit des Schlachtens der Tiere.

In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, daß auch die Zweitklägerin aktiv legitimiert und daß eine Verjährung der klägerischen Ansprüche noch nicht eingetreten sei. Für die Reparatur der Wasserleitung hafte die beklagte Partei, denn spätestens beim zweiten Abreißen im Jahre 1968 sei ihr die Existenz dieser Leitung und der Verlauf derselben bekanntgeworden. Sie hätte daher auch die Leitung nördlich der Umfahrungsstraße tiefer verlegen müssen. Aus diesem Gründe sei der der Höhe nach nicht mehr strittige Betrag für die Reparatur der Wasserleitung zuzusprechen gewesen. Ein Mitverschulden der Kläger scheide aus. Es sei nicht nachgewiesen, daß das Einfrieren der Wasserleitung kausal für den Rückgang der Legeleistung und das Schlachten der Hühner war. Hiefür kämen auch andere Ursachen in Betracht. Die vorn Sachverständigen genannte Wahrscheinlichkeit von 90% reichte nicht aus, um die Kausalkette zu schließen. Es sei deshalb das Klagebegehren hinsichtlich der übrigen Forderungen abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil in seinem gesamten Umfang unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Gericht zweiter Instanz hegte gegen die Feststellungen des Erstgerichtes hinsichtlich der natürlichen Kausalität Bedenken, wiederholte deshalb das Beweisverfahren und gelangte zu folgenden Feststellungen: Die Kläger hatten in ihrem Betrieb eine automatische Tränkanlage System L installiert. Die Tränkekübel sind an einer drucklosen Wasserleitung angeschlossen und ermöglichen einer größeren Anzahl von Hühnern, aus der um die Kübeln herumlaufenden Rille zu trinken. Der Wasserstand in dieser Rille bleibt konstant, es rinnt jeweils so viel Wasser zu, als die Hühner entnehmen. Die Wasserleitungen zu den einzelnen Kübeln gingen von einem Boiler aus, zu dem die Wasserzuleitung führte. Nach dem Abfrieren der Wasserleitung und dem dadurch bedingten Wasserausfall erfolgte keine Nachfüllung der Tränkekübel. Ein händisches Nachfüllen in diese Kübel wäre nicht zielführend gewesen, weil die Kübel so wenig Wasser aufnehmen, daß man etwa viermal je Stunde mit einer Flasche hätte nachfüllen müssen. Es war auch nicht möglich, den erwähnten Boiler händisch nachzufüllen, weil dessen Füllöffnung nicht erreichbar war. Es war deshalb notwendig, im Stalle mehrere Handtränken aufzustellen. Diese Umstellung konnten die Kläger ungefähr bis Mittag des 24. Dezember 1970 bewerkstelligen. Als mit der Handtränke begonnen wurde, stürzten sich die Tiere auf die Behältnisse. Während man sonst so wenig wie möglich den Stall betritt, wurde durch die Handtränke ein häufiges Betreten des Stalles und ein Umgehen notwendig, wodurch die Tiere unruhig wurden. Tiere in Legebatterien sind sehr empfindlich, vor allem gegen Streß. Eine Veränderung der Tränke kann durchaus zu einem solchen Streß führen. Das Wasser für händische Tränke entnahmen die Kläger weitgehend dem am Stall vorbeifließenden Kanal. Einige Zeit nach der Umstellung auf die Handtränke war an den Hühnern ein Rückgang der Legeleistung zu beobachten. Dies war zirka ein bis zwei Wochen nach dem Wasserausfall. Diese Verminderung der Legeleistung verschlechterte sich weiter und schließlich trat auch im äußeren Erscheinungsbild der Tiere eine nachteilige Veränderung ein. Die Kläger verständigten hierauf den Tierarzt Dr. F, der am 27. Jänner 1971 in den Hühnerstall kam. Er stellte sofort fest, daß mit den Tieren etwas nicht stimmen könne. Sie waren um die Kloake nackt und ohne Federn. Die Federn und die Haut waren in dieser Gegend schmutzig verfärbt; es fehlten auch Federn am Rücken. Der Arzt schloß daraus, daß die Tiere in einem schlechten Ernährungszustand seien und riet den Klägern, sie zu schlachten. Der Tierarzt sah den Hühnern an, daß sie eine befriedigende Legeleistung nicht mehr werden erbringen können und daß sie sich nach ihrem Zustand nicht mehr so erholen könnten, wie es für eine erwartete Legeleistung notwendig wäre. Daß die Legeleistung ein bis zwei Wochen nach dem 24. Dezember 1970 abnahm, lasse darauf schließen, daß die Tiere durch den mit dem vorübergehenden Wasserentzug verbundenen Streß nachher übermäßig Wasser aufgenommen und dadurch einen Darmkatarrh erlitten haben. Dieser führte dann in weiterer Folge zur Verminderung der Legeleistung und den geschilderten Symptomen, insbesondere am Federkleid und an der Kloake. Das von Dr. F festgestellte Aussehen der Tiere kann nicht auf zu geringe Flüssigkeitsaufnahme zurückgehen, sondern nur auf einen Darmkatarrh oder eine Infektion. Auch schlechtes Wasser führt, wenn es schädlich ist, zu einem Darmkatarrh bzw. zu Darmentzundungen mit den erwähnten Symptomen. Ernährungsfehler, also Fehler in der Fütterung, können nie zu diesen Erscheinungen führen; für einen Wurmbefall gibt es keine konkreten Anhaltspunkte.

Auf Grund dieser Feststellungen gelangte das Berufungsgericht abweichend vom Erstgericht zu dem Schluß, daß die natürliche Kausalität zu bejahen sei. Daß das Abfrieren der Wasserleitung zum Stall der Kläger darauf zurückzuführen sei, daß die Wasserleitung nach Durchführung der Bauarbeiten nicht mehr in frostsicherer Tiefe verlegt war, sei nicht zu bezweifeln. Zu prüfen sei die Frage, ob bei Bejahung des Kausalzusammenhanges zwischen dem Verhalten der beklagten Partei und dem Schadensereignis ein Rechtsgrund für eine Haftung der beklagten Partei für den den Klägern zugefügten Schaden bestehe. Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen wäre ein solches Verschulden auf Seite des Bauleiters der beklagten Partei, des Herbert M, zu bejahen, denn nach den Feststellungen sei der Genannte anläßlich der zweimaligen Beschädigung der Wasserleitung über deren weiteren Verlauf in Kenntnis gesetzt worden, habe jedoch bei den Arbeiten nördlich der Straße auf die Leitung keine Rücksicht genommen und insbesondere nicht dafür gesorgt, daß diese in frostsicherer Tiefe verbleibe.

Eine Haftung nach § 1315 ABGB komme aber nicht in Frage, weil festgestellt wurde, daß M als verläßlich und tüchtig bekannt sei. Obwohl ein Vertragsverhältnis zwischen den Klägern und der beklagten Partei nicht bestehe, komme eine Haftung nach § 1313a ABGB allenfalls in Frage. Die Rechtsprechung habe den Grundsatz entwickelt, daß vertragliche Schutzpflichten auch zugunsten Dritter bestehen können. Nach nunmehriger Rechtsprechung sei im Wege objektiver Vertragsauslegung für den regelmäßig nicht vorbesprochenen Fall von Störungen aus Anlaß von Erfüllungshandlungen anzunehmen, daß die Parteien des "Werk"- Vertrages einander zum Schutz und zur Sorgfalt auch gegenüber jenen dritten Personen und Sachen verpflichten wollten, deren räumlicher Kontakt mit der vertraglich zu erbringenden Hauptleistung bei Vertragsabschluß voraussehbar gewesen sei, die also der vertraglichen Leistung nahestehen und an denen der Vertragspartner (beim Werkvertrag der Besteller) ein sichtbares eigenes Interesse habe oder hinsichtlich welcher ihm selbst offensichtlich eine Fürsorgepflicht zukomme. Für eine sichere Beurteilung, ob unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht eine Haftung der beklagten Partei für die Ansprüche der Kläger bestehe, reichten jedoch nach Ansicht des Berufungsgerichtes die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht aus. Es bedürfe vielmehr eingehender Feststellungen über den vertraglichen Beziehungen zwischen der beklagten Partei und dem Bund. Es sei in diesem Zusammenhang auf die in der Niederschrift Beilage ./B enthaltenen Bestimmungen zu verweisen, wonach die bauausführende Firma hinsichtlich anderer Leitungen die Verantwortlichkeit dafür übernimmt, daß diese während des Baues nicht beschädigt werden. Es sei bisher auch nicht völlig eindeutig festgestellt worden, ob es sich bei der Wasserleitung zum Stall der Kläger um eine Privatleitung der Genannten handelt. Diese Feststellung sei insoferne von Bedeutung, weil der entstandene Schaden nur dann als ein unmittelbarer betrachtet werden könnte, wenn es sich um eine Privatleitung der Kläger handelte. Handelte es sich aber nur um ein Wasserbezugsrecht der Kläger aus einer fremden Leitung, läge ein nicht ersatzfähiger mittelbarer Schaden vor.

Schließlich werde sich das Erstgericht - abgesehen von der Höhe des geltend gemachten Schadens - auch noch mit der Frage des von der beklagten Partei eingewendeten Mitverschuldens der Kläger auseinanderzusetzen haben.

Das Erstgericht habe nicht dargelegt, aus welchen Gründen es eine Haftung der beklagten Partei für das von ihm festgestellte Verschulden des Bauleiters M in bezug auf die Zuerkennung der Reparaturkosten von 662.50 S (richtig 682.60 S) bejahe. Auch hier käme nur eine Haftung auf Grund der Bestimmung des § 1313a ABGB im Sinne der obigen Ausführungen in Betracht. Auch diesbezüglich fehle es noch an eingehenden Festellungen über die vertraglichen Beziehungen der beklagten Partei und dem Bund.

Der Vollständigkeit halber - so führte das Berufungsgericht weiter aus - sei darauf hingewiesen, daß der von der beklagten Partei erhobene Einwand, die Ansprüche der Kläger seien auch hinsichtlich der Reparatur der Wasserleitung verjährt, nicht begrundet sei. Die Voraussetzungen für den Beginn der Verjährung seien erst ab 23. Jänner 1971 vorgelegen gewesen, nachdem nämlich bei den Grabungsarbeiten an diesem Tag die abgefrorene Leitung freigelegt worden war. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten die Kläger nur vermuten können, daß die Unterbrechung der Wasserzufuhr auf ein Abfrieren der Wasserleitung zurückzuführen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die beklagte Partei vertritt im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanzen nach wie vor die Auffassung, daß die von den Klägern geltend gemachten Schadenersatzansprüche verjährt seien. Nach Meinung der beklagten Partei habe die dreijährige Verjährungsfrist bereits mit 24. Dezember 1970 zu laufen begonnen, die am 3. Jänner 1974 bei Gericht eingelangte Klage sei daher verspätet eingebracht worden. Die Rekurswerberin meint, die Kläger hätten nach den Feststellungen bereits am 24. Dezember 1970 erfahren, daß die Wasserzufuhr zur Hühnerfarm unterbrochen sei; der Erstkläger habe diesen Umstand sofort mit dem Abfrieren der Leitung in Zusammenhang gebracht. Die Kläger hätten somit am 24. Dezember 1970 bereits ausreichende Kenntnis von den in Betracht kommenden Schädigern gehabt, es sei ihnen zu diesem Zeitpunkt auch schon bekannt gewesen, daß Schäden in bezug auf die Hühner zu erwarten seien.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB von der Zeit an zu laufen beginnt, zu welcher der Schaden und die Person des Schädigers dem Beschädigten bekannt geworden sind. Der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist setzt die Kenntnis des Verletzten von dem Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen voraus, die durch die unverschuldete Unkenntnis nicht ersetzt wird. Der Sachverhalt muß soweit bekannt sein, daß eine Klage mit Aussicht auf Erfolg angestellt werden kann. Daß der Beschädigte einen Überblick über die volle Höhe des Schadens hat, ist allerdings nicht erforderlich (EvBl. 1940/412; EvBl. 1963/482; JBl. 1964, 371 u. a.). Nun muß die beklagte Partei in ihrem Rekurs selbst zugeben, daß die Kläger am 24. Dezember 1970 noch keine 100%ige Sicherheit hatten, so, daß gegen die beklagte Partei eine Klage mit Aussicht auf Erfolg angestrengt hätte werden können. Tatsächlich reichte die Vermutung der Kläger, daß die Leitung abgefroren sei, nicht aus, um den Lauf der Verjährungsfrist in Gang zu setzen. Zutreffend legte das Gericht zweiter Instanz dar, daß erst die Aufgrabungsarbeiten der Firma R die Vermutung der Kläger bestätigten, daß das Einfrieren der Leitung Ursache der Unterbrechung der Wasserzufuhr war und dieser Umstand darauf zurückzuführen war, daß die beklagte Partei die Leitung in nicht frostsichere Tiefe verlegt hatte. Dazu kommt, daß die Kläger auch noch hoffen durften, die Hühner durch händische Tränkung weiterzubringen. Auch die Legeleistung nahm für die Kläger erkennbar erst ein bis zwei Wochen nach dem 24. Dezember 1970 ab und erst am 27. Jänner 1971 gab ihnen der Tierarzt den Rat, die Hühner zu schlachten, weil eine befriedigende Legeleistung nicht mehr erwartet werden könne. Wenn also das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, daß die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB frühestens am 23. Jänner 1971, dem Tag, an dem die Wasserleitung durch die Firma R freigelegt worden ist, zu laufen begonnen hat, dann kann darin ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden. Daraus folgt aber, daß diese Frist zur Zeit der Einbringung der gegenständlichen Klage noch nicht abgelaufen war.

Es gehen aber auch die Rekursausführungen zur Frage der Haftung nach den §§ 1313a und 1315 ABGB ins Leere, wobei nur darauf hinzuweisen ist, daß die Vorinstanzen eine Haftung der beklagten Partei nach § 1315 ABGB ohnehin und zutreffend verneint haben.

Nach § 1313a ABGB haftet derjenige, der einem anderen zu einer Leistung verpflichtet ist, diesem für das Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient wie für sein eigenes. Voraussetzung ist, daß demjenigen gegenüber der die Haftung in Anspruch nimmt, eine Verpflichtung zur Leistung bestand. Grundsätzlich besteht also nach § 1313a ABGB nur gegenüber dem Vertragspartner eine Haftung für ein Verschulden der Gehilfen bei der Erfüllung des Vertrages; außerhalb des Vertrages ist die Gehilfenhaftung auf das im § 1315 ABGB umschriebene Maß beschränkt (Bydlinski, JBl. 1960, 359 ff.; SZ 18/150; JBl. 1960, 386; EvBl. 1970/344 u. a.). Wie nun das Berufungsgericht im Gegensatz zur Auffassung der Rekurswerberin zutreffend erkannt hat, anerkennen Lehre und Rechtsprechung in bestimmten Sonderfällen die Haftpflicht des Unternehmers für einen von seinen Leuten dritten Personen gegenüber schuldhaft verursachten Schaden. Eine solche vertragliche Schutzpflicht besteht ohne besondere Vereinbarung zugunsten Dritter, deren Sachen infolge eines räumlichen Naheverhältnisses bei Erbringung der Hauptleistung beschädigt werden können, wenn der eine Vertragspartner ein erkennbares eigenes Interesse am Schutz dieser Rechtsgüter Dritter hat, oder wenn ihn selbst eine entsprechende Fürsorgepflicht trifft. Solche Schutzvorschriften bestehen insbesondere auch gegenüber Sachen, die dritten Personen gehören, wenn diese Sachen in Kontakt mit der Hauptleistung treten und damit einer erhöhten Gefahr ausgesetzt werden (Wilburg, ZBl. 1930, 648; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 236; Bydlinski a. a. O., insbesondere 363; SZ 42/236; EvBl. 1963/377; JBl. 1963, 570; EvBl. 1969/216; JBl. 1974, 573; 1 Ob 190/75 u. a.).

Den Ausführungen der Rekurswerberin, daß die gegebene Gesetzeslage eine derartige Interpretation im Sinne der oben wiedergegebenen Lehre und Rechtsprechung nicht zulasse, kann nicht gefolgt werden. Der OGH hält vielmehr an der bisherigen Rechtsprechung fest; die Darlegungen des Rekurses geben keine Veranlassung davon abzugehen.

Dem Gericht zweiter Instanz ist aber auch darin zu folgen, daß die bisher vom Erstgericht getroffenen Feststellungen noch nicht ausreichen, um sicher beurteilen zu können, ob unter Zugrundelegung der oben wiedergegebenen Rechtsansicht eine Haftung der beklagten Partei für die Ansprüche der Kläger besteht. Erst nach Ergänzung des Beweisverfahrens in der vom Berufungsgericht aufgezeigten Richtung wird eine abschließende Beurteilung der Sache möglich sein.

Von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung der Rechtssache ist der Hinweis des Berufungsgerichtes auf die Unterscheidung zwischen "unmittelbarem" und "mittelbarem" Schaden bzw. die Haftung für sogenannte Drittschäden. Haftung für Schäden, die nicht in der Richtung des Angriffes des schuldhaft Handelnden, sondern infolge einer Seitenwirkung in einer Interessenssphäre eingetreten sind, die nicht durch das Verbot des Angriffes geschützt ist, wird nach ständiger Rechtsprechung abgelehnt; die Grenze der Haftung bestimmt sich dabei nach dem Schutzzweck der verletzten Gesetzesnorm (EvBl. 1973/173 und 174; ZVR 1972/27; EvBl. 1971/340; SZ 34/112 u. a., vgl. auch Ehrenzweig[2] II/1, 72; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[3] I, 303; Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz, 167; Wedl in ÖJZ 1958, 645, 648; Klang in Festschrift zur Jahrhundertfeier des OGH, 133 ff.). Wenn auch der durch die Rechtsprechung anerkannten Abgrenzung unter Verwendung der Begriffe "unmittelbarer" und "mittelbarer" Schaden in letzter Zeit entgegengetreten wurde (Kramer in ZVR 1974, 129 ff, und in ZVR 1971, 141 f.; Posch in JBl. 1973, 565 ff.; Migsch in VersR 1974, 109 ff.;, Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I, 115) besteht doch Übereinstimmung darin, daß eine uferlose, untragbare Ausweitung der Schadenersatzleistung abgelehnt werden muß.

Dem Berufungsgericht ist jedenfalls darin beizupflichten, daß die beklagte Partei dann, wenn es sich bei der beschädigten Wasserleitung zum Stallgebäude der Kläger um eine in deren Eigentum stehende Leitung gehandelt haben sollte, für die Kosten der Instandsetzung aufzukommen hat und dies auch für den Fall gilt, daß die Kläger aus welchen Gründen immer verpflichtet waren, die Kosten der Reparatur aus eigenem zu tragen. Ist die Wasserleitung - was aber bisher nicht geklärt erscheint - im Eigentum der Kläger gestanden, dann wird die beklagte Partei auch für die sogenannten Folgeschäden aufzukommen haben, denn beim Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht, die den Schutz fremden Eigentums bezweckt, führt das Kriterium des Rechtswidrigkeitszusammenhanges nicht dazu, daß nur der Schaden an dem absolut geschützten Eigentumsrecht in den Schutzbereich der die Haftung begrundenden Verhaltensnorm fällt, sondern es sind auch weitere Schäden zu ersetzen (Koziol a. a. O., 119).

Da aber im vorliegenden Fall im Bereiche des Tatsächlichen noch nicht geklärt ist, ob die Wasserleitung im Eigentum der Kläger gestanden ist oder ob ihnen eine Dienstbarkeit zugestanden ist oder ob es sich nur um eine stillschweigende Duldung gehandelt hat oder aber schließlich ob den Klägern bloß ein Wasserbezugsrecht aus einer fremden Leitung zugestanden ist, ist der OGH noch nicht in der Lage, abschließend zu beurteilen, ob und inwieweit den Klägern der von ihnen geltend gemachte Schaden von der beklagten Partei zu ersetzen ist.

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