OGH 2Ob267/77 (2Ob268/77)

OGH2Ob267/77 (2Ob268/77)22.6.1978

SZ 51/95

Normen

ABGB §1489 Abs1
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332 Abs1
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333
ABGB §1489 Abs1
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332 Abs1
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333

 

Spruch:

Der Gedanke, daß rechtliche Schritte des früher leistungszuständigen Sozialversicherungsträgers Wirkungen für den späteren leistungszuständigen Sozialversicherungsträger hätten, ist dem geltenden Recht fremd. (Hier: Verzicht auf Verjährungseinrede)

OGH 22. Juni 1978, 2 Ob 267, 268/77 (OLG Wien 8 R 40/77; LGZ Wien 22 Cg 816/75)

Text

Am 6. März 1971 wurde Mumin K, der damals als jugoslawischer Fremdarbeiter bei der Vorarlberger Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte (kurz: Vorarlberger Gebietskrankenkasse) krankenversichert war, von einem von Edgar B gelenkten PKW mit Kennzeichen des Fürstentums Liechtenstein in Feldkirch/Giesingen niedergestoßen und schwer verletzt. Im Direktprozeß des Geschädigten stellte das Bezirksgericht Feldkirch mit rechtskräftigem Urteil vom 10. September 1973, C 855/73 -2 fest, daß der Lenker Edgar B und sein Haftpflichtversicherer "Waadtländische Unfallversicherung auf Gegenseitigkeit" in Lausanne für 80% aller zukünftigen Schäden aus diesem Unfall ersatzpflichtig seien. In diesem Ausmaße liquidierte die Anglo-Elementar Versicherung namens des ausländischen Haftpflichtversicherers die Leistungen der Vorarlberger Gebietskrankenkasse und erklärte diesem Sozialversicherungsträger gegenüber, für den Fall der Wiedererkrankung des K bis 31. Dezember 1975 auf die Einrede der Verjährung zu verzichten.

Ab 25. April 1974 war K in Villach beschäftigt und daher bei der Klägerin (Kärntner Gebietskrankenkasse) pflichtversichert, die wegen seiner - unfallbedingten - Wiedererkrankung in der Zeit vom 26. Juni bis 23. Juli 1974 Sach- und Geldleistungen in der Höhe von 5026 S erbrachte.

Die Klägerin begehrte mit der am 20. November 1975 eingebrachten Klage als Legalzessionarin gemäß § 332 Abs. 1 ASVG Zahlung von 4398 S (80% von 5026 S) und die Feststellung der Ersatzpflicht der beklagten Partei für alle von ihr aus Anlaß dieses Unfalles künftig zu erbringenden Leistungen, soweit hiefür im Hinblick auf das 20%ige Mitverschulden des Versicherten ein Deckungsfonds vorhanden sei.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und wendete unter anderem Verjährung mit der Begründung ein, daß sich die Klägerin nicht auf den von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse vereinbarten Verjährungsverzicht berufen könne, weil sie nicht Rechtsnachfolgerin dieses Rechtsträgers sei. Da die Wiedererkrankung des Versicherten nicht völlig unvorhersehbar gewesen sei, habe für die Ersatzansprüche der Klägerin keine neue Verjährungsfrist zu laufen begonnen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Ausspruch über das Leistungsbegehren mit Teilurteil und hob es im übrigen, also hinsichtlich des Feststellungsausspruches und im Kostenpunkt mit Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab zwar nicht der Revision, wohl aber dem Rekurs der beklagten Partei Folge; er hob den Teilungsbeschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung im Umfange der Aufhebung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mumin K erlitt einen Bruch der ersten Hüftgelenkspfanne links mit Coxarthrose des linken Hüftgelenkes und eine Muskelruptur an der Innenseite des rechten Oberschenkels. Mit Schreiben vorn 20. Dezember 1972 teilte der Leiter der unfallchirurgischen Abteilung des Landesunfallkrankenhauses Feldkirch nach Untersuchung des Mumin K in einem Fachgutachten den von ihm bevollmächtigten Rechtsanwälten mit, daß bei Mumin K auf Grund der Unfallsfolgen keine Invalidität bestehe, jedoch nicht vorausgesagt werden könne, ob es später zu einer frühzeitigen Arthrose oder sogar Nekrose des linken Oberschenkelkopfes kommen werde. Mit einer frühzeitigen Arthrose sei mit großer Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Eine weitere Kontrolle sei in zwei Jahren erforderlich.

Die am 26. Juni 1974 eingetretene Wiedererkrankung des Mumin K war unfallbedingt. Sie war für ihn im Hinblick auf sein fehlendes Fachwissen nicht voraussehbar.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß K durch den Wechsel des Beschäftigungsortes ab 25. April 1974 in Ansehung der Krankenversicherung in die Zuständigkeit der Klägerin gekommen sei. Diese sei dadurch hinsichtlich der Regreßforderungen Rechtsnachfolgerin der Vorarlberger Gebietskrankenkasse geworden. Beide Kassen hätten denselben gesetzlichen Status; die Ersatzansprüche des Versicherten seien gemäß § 332 Abs. 1 ASVG auf die zuständigen Sozialversicherungsträger übergegangen. Der gegenüber der ursprünglich zuständigen Pflichtkrankenkasse abgegebene Verzicht auf die Einrede der Verjährung gelte daher auch gegenüber der nunmehr auf Grund gesetzlicher Anordnung zuständigen Klägerin. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob die Wiedererkrankung für K. vorhersehbar gewesen sei.

Das Berufungsgericht nahm - ebenso wie das Erstgericht - Verjährung nicht an. Die Verjährungszeit beginne nur gegen jenen Sozialversicherungsträger zu laufen, der leistungszuständig sei. Auf einen erst zu einem späteren Zeitpunkt leistungszuständig gewordenen Sozialversicherungsträger könnten Schadenersatzansprüche im Ausmaß zu erbringender Leistungen nicht schon im Zeitpunkt des Schadenseintrittes übergehen, weil er zu diesem Zeitpunkt noch keine Leistungen zu erbringen gehabt habe. Die Frist für die Verjährung der Ansprüche der Klägerin habe erst mit dem Beginn ihrer Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten zu laufen begonnen. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens sei die Sache noch nicht spruchreif, weil Feststellungen darüber fehlten, ob in Zukunft die Erbringung weiterer Leistungen der Klägerin an K zumindest nicht ausgeschlossen werden könne.

Die Rechtsmittelwerberin ist der Ansicht, daß für den Sozialversicherungsträger keine eigene Verjährungsfrist laufe. Diese habe somit nicht erst mit dem Beginn der Leistungszuständigkeit der Klägerin begonnen.

Dies ist richtig, führt aber im Ergebnis nur zu einem Rechtsmittelerfolg hinsichtlich des Feststellungsbegehrens:

Vorausgeschickt sei, daß für die Beurteilung der gegenständlichen Rechtssache österreichisches Recht anzuwenden ist. Bei Beurteilung der Legalzession einer Ersatzforderung ist zwischen dem für den Anspruch maßgeblichen Schuldstatut und dem für die Zession maßgeblichen Recht, (Zessionsstatut) zu unterscheiden. Beide verweisen ins inländische Recht. Die - als solche gar nicht bestrittenen - Schadenersatzansprüche sind nach dem Recht des Unfallsortes zu beurteilen (SZ 40/88; SZ 44/186; ZVR 1977/57 u. v. a.). Hat ein Arbeitnehmer - sei er Inländer oder Ausländer - auf Grund eines inländischen Dienstverhältnisses Ansprüche auf Versicherungsleistungen österreichischer Sozialversicherungsträger, so sind die Voraussetzungen und der Inhalt der Legalzession nach österreichischem Recht zu beurteilen (vgl. insbesondere SZ 33/43; EvBl. 1967/20; ZVR 1974/146).

Auszugehen ist zunächst davon, daß nach § 1489 Satz 1 ABGB der durch die Schadenszufügung entstehende Schadenersatzanspruch in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schaden und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde (subjektive Verjährung). Es kommt also nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für den Beginn der Verjährung auf die Kenntnis des Beschädigten und nicht einer anderen Person, auch nicht eines Vertrags- oder Legalzessionars an.

Nach § 332 Abs. 1 ASVG geht der Schadenersatzanspruch einer Person, der Leistungen aus der Sozialversicherung zustehen, insoweit auf den Sozialversicherungsträger über, als dieser Leistungen zu erbringen hat. Da die Legalzession die Rechtsnatur des Anspruches nicht ändert und somit die Rechtstellung des Schuldners weder verbessert noch verschlechtert, gilt auch für den Sozialversicherungsträger diejenige Verjährungsvorschrift, welcher der zivilrechtliche Anspruch des Verletzten unterliegt. Folgerichtig beginnt für den Sozialversicherungsträger als Legalzessionar nach ständiger Rechtsprechung keine neue Verjährungsfrist zu laufen (ZVR 1964/59; SZ 46/40; SZ 47/68 u. a.; zuletzt 8 Ob 41/78).

Unter dem Versicherungsträger im Sinne des § 332 Abs. 1 ASVG ist allerdings nicht nur ein einziger, sondern jeder Versicherungsträger zu verstehen, der nach den Verhältnissen zur Zeit der Schadenszufügung möglicherweise leistungspflichtig ist. Festzuhalten ist aber, daß es keinen solidarischen Forderungsübergang auf alle möglichen Sozialversicherungsträger gibt, sondern nur einen geteilten Forderungsübergang auf jeden einzelnen leistungspflichtigen Sozialversicherungsträger nach Zeitdauer und Umfang seiner Leistungspflicht.

Im gegenständlichen Fall trat ein Wechsel in der Leistungszuständigkeit der Krankenversicherungsträger ein: Die örtliche Zuständigkeit der für jedes Bundesland mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 32 Abs. 1 ASVG) als Krankenversicherungsträger eingerichteten Gebietskrankenkassen richtet sich im Regelfalle nach dem Beschäftigungsort des Versicherten (§ 30 Abs. 1 ASVG). Nur dann, wenn während der Gewährung von Leistungen aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft eine Änderung der Versicherungszuständigkeit eintritt, bleibt der frühere Versicherungsträger für den betreffenden Versicherungsfall weiter leistungszuständig (§ 126 Abs. 1 ASVG). Dies trifft hier nicht zu, so daß die weiteren Leistungen aus dem Unfall des Mumin K vom 6. März 1971 ab Beginn seines Pflichtkrankenversicherungsverhältnisses bei der Klägerin (25. April 1974) von dieser zu erbringen waren.

Diesfalls bestand also bei Entstehung des Schadenersatzanspruches des Verletzten (6. März 1971) nicht die rechtliche Möglichkeit einer Leistungspflicht der Klägerin, sondern nur der Vorarlberger Gebietskrankenkasse. Ein Forderungsübergang auf die Klägerin kann daher erst ab 25. April 1974 erfolgt sein. Die Rechte der Klägerin als Legalzessionarin leiten sich auch nicht vom früher leistungszuständigen Sozialversicherungsträger, sondern unmittelbar vom Geschädigten ab. Der Gedanke, daß rechtliche Schritte des früher leistungszuständigen Sozialversicherungsträgers Wirkungen für den später leistungszuständigen Sozialversicherungsträger hätten, ist dem geltenden Recht fremd. Er könnte nur durch den Gesetzgeber eingefügt werden. Dem von der bundesdeutschen Rechtsprechung entwickelten Gedankengang, es bestehe zwischen den Sozialversicherungsträgern eine Art Rechtsnachfolge (BGH 21. Jänner 1958; VersR 1958, 153; BGH 10. Juli 1967; VersR 1967, 974), vermag sich daher der erkennende Senat nicht anzuschließen. Daraus folgt, daß der gegenüber der Vorarlberger Gebietskrankenkasse abgegebene "Verzicht auf die Erhebung der Einwendung der Verjährung" nicht auch zugunsten der Klägerin wirken kann.

Es kommt somit hier darauf an, ob der am 25. April 1974 auf die Klägerin dem Gründe nach übergegangene Teil des Schadenersatzanspruches des Geschädigten damals bereits verjährt war. Daß dies nicht der Fall war, ergibt sich schon aus dem Umstand, daß der Verletzte gegenüber dem Schädiger bereits vorher ein Feststellungsurteil erwirkt hatte, das einer Verjährung seiner künftigen Ansprüche vorbeugte (vgl. SZ 47/68). Die Einwendung der Verjährung versagt daher gegenüber der Klägerin.

Der Revision war demnach ein Erfolg zu versagen.

Da nach dem Gesagten ein Teil des Schadenersatzanspruches des Mumin K, der gegen die Verjährungseinrede durch ein Feststellungsurteil abgesichert ist, auf die Klägerin übergegangen ist, und weiterhin übergeht, so weit sie an den Geschädigten Leistungen zu erbringen hat, hat die Klägerin kein rechtliches Interesse an einer nochmaligen Feststellung der Ersatzpflicht des Haftpflichtversicherers des Schädigers, zumal sie die in jenem Urteil festgelegte Mitverschuldensquote ihrem Leistungsbegehren zugrunde legt und nichts dagegen vorbringt und auch die Beklagte weder die Unfallsbedingtheit der Wiedererkrankung des Versicherten noch die jetzige Leistungszuständigkeit der Klägerin zum Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens gemacht hat.

Demnach war der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht insoweit die neuerliche Entscheidung über die Berufung im Sinne der Abweisung des Feststellungsbegehrens aufzutragen.

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