OGH 8Ob56/73

OGH8Ob56/7310.4.1973

SZ 46/40

Normen

ABGB §1489
Wiener Unfallgesetz §30 Abs1
ABGB §1489
Wiener Unfallgesetz §30 Abs1

 

Spruch:

Durch die nachfolgende Legalzession (hier: § 30 Abs. 1 Wiener UFG) wird der ursprünglich einheitliche Schadenersatzanspruch für zwei Teile aufgespalten, nämlich in den von der Legalzession nicht erfaßten Teil (z. B. Schmerzengeld, Sachschäden) und in jenen, der nach Wirksamkeit der Legalzession den Deckungsfonds für die kongruenten Leistungen des Legalzessionars an den Geschädigten bildet. Der Zeitpunkt des Eintritts der nachfolgenden Legalzession ist für die Beurteilung der Verjährung ohne Belang

OGH 10. April 1973, 8 Ob 56/73 (OLG Wien 8 R 198/72; LGZ Wien 2 Cg 59/72)

Text

Am 22. September 1966 verschuldete Erwin H als Lenker eines PKWs, dessen Halterin die Beklagte war, einen Verkehrsunfall, bei dem der Bedienstete der Klägerin, Johann W, schwer verletzt wurde.

Mit ihrer am 21. Mai 1971 eingebrachten Klage begehrte die Stadt Wien als Legalzessionar ihres Dienstnehmers nach § 30 des Wiener Unfallsfürsorgegesetzes 1967 den Ersatz ihrer in der Zeit vom 1. Juli 1967 bis 31. Dezember 1970 an W erbrachten Rentenleistungen im Betrage von 20.068.47 S sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Pflichtleistungen der Klägerin im Rahmen des Deckungsfonds.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete insbesondere Verjährung ein. Der Schaden und die Person des Schädigers seien bereits im Jahre 1966 (Unfall am 2. September 1966) bekannt gewesen. Wann das Unfallfürsorgegesetz veröffentlicht worden sei, sei unbeachtlich, weil die Schadenersatzforderung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB unterliege, welche mit dem Zeitpunkt der Kenntnis des Schadens und des Schädigers zu laufen begonnen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte insbesondere folgenden Sachverhalt fest: Der Verkehrsunfall ereignete sich am 22. September 1966 und wurde vom Lenker des Fahrzeuges der Beklagten verschuldet. In der Polizeimeldung scheinen der Name des Lenkers Erwin H und seine Personaldaten wie auch jene der Halterin Hertha O, der Beklagten, auf. Im Strafverfahren gegen Erwin H wegen §§ 335, 337 StG zu 13 U 1488/66 des Strafbezirksgerichtes Wien schloß sich der Verletzte Johann W mit Eingabe vom 23. September 1966 als Privatbeteiligter an. Dieses Verfahren wurde in das Verfahren 22 b Vr 8405/66 gegen Erwin H wegen der §§ 26 und 2 WaffG beim Landesgericht für Strafsachen Wien einbezogen; dort schloß sich Johann W anläßlich seiner Vernehmung als Zeuge am 3. Jänner 1967 neuerlich als Privatbeteiligter dem Strafverfahren an. Zur GZ 27 Cg 127/67 des Erstgerichtes brachte Johann W am 22. Mai 1967 eine Schadenersatzklage gegen Erwin H und Hertha O wegen des vorliegenden Verkehrsunfalles ein.

Hievon ausgehend bejahte das Erstgericht die Verjährung des Anspruches der Klägerin aus folgenden Erwägungen: Das Unfallfürsorgegesetz 1967, das im LGBl. für Wien vom 18. April 1969 kundgemacht worden sei, sei am 1. Juli 1967 in Kraft getreten. Gemäß § 30 dieses Gesetzes seien die Ansprüche des verletzten Johann W auf die Klägerin infolge Legalzession übergegangen, und zwar insoweit, als dieser den Ersatz des Schadens auf Grund anderer Rechtsvorschriften beanspruchen könne. Die Frage der Verjährung richte sich nach den für Johann W gegen den Schädiger anzuwenden Rechtsvorschriften. Für einen Rückgriffsanspruch, der eine ex lege zedierte Schadenersatzforderung darstelle, laufe keine eigene Verjährung; die Zession sei ohne Einfluß auf die Dauer einer bereits begonnenen Verjährung. Schadenersatzforderungen unterlägen der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 ABGB, wobei die Verjährung beginne, wenn dem Beschädigten der Schaden und der Schädiger bekannt seien. Dies sei bereits am 23. September 1966 der Fall gewesen, als sich der Geschädigte dem Strafverfahren gegen Erwin H als Privatbeteiligter anschloß. Von diesem Zeitpunkt an habe die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen begonnen; die Kenntnis der Schadenshöhe sei für den Beginn der Verjährung nicht erforderlich gewesen. Die Verjährungsfrist habe daher am 23. September 1969 geendet. Für die Klägerin laufe keine eigene Verjährungsfrist; dem Umstand, wann sie einen Bescheid erlassen habe, kommt keine Bedeutung zu.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil aus dessen vom Berufungsgericht gebilligten Gründen und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Wiener Unfallfürsorgesetz 1967 vom 24. Jänner 1969 regelt die Ansprüche der Beamten der Bundeshauptstadt Wien, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen auf Leistungen aus Anlaß eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit. Es wurde am 18. April 1969 im Landesgesetzblatt kundgemacht. § 30 des Gesetzes ist mit "Übergang des Schadenersatzanspruches" überschrieben. § 30 Abs. 1 des Gesetzes enthält eine mit § 332 ASVG fast gleichlautende Bestimmung. Kann eine Person, der nach den Bestimmungen des Unfallfürsorgegesetzes Leistungen zustehen, den Ersatz des Schadens, der ihr durch den Dienstunfall oder die Berufskrankheit erwachsen ist, auf Grund anderer Rechtsvorschriften beanspruchen, geht der Anspruch auf die Stadt Wien insoweit über, als diese Leistungen zu erbringen hat. § 40 des Gesetzes bestimmt, daß es am 1. Juli 1967 in Kraft tritt. § 41 des Gesetzes enthält Übergangsbestimmungen. Nach Abs. 1 Z. 1 dieser Gesetzesstelle sind die Bestimmungen des Gesetzes auch auf Personen sinngemäß anzuwenden, die bei früherem Inkrafttreten des Gesetzes Versehrte, Angehörige oder Hinterbliebene wären, wobei die Geldleistungen nur auf Antrag gebühren, und zwar ab 1. Juli 1967, wenn der Antrag binnen einem Jahr nach Kundmachung des Gesetzes gestellt wird, sonst von dem der Einbringung des Antrages folgenden Monat an.

Die Klägerin wendet sich gegen die Ansicht der Untergerichte, daß die Verjahrungsfrist für den Anspruch der Klägerin schon mit der Kenntnis des Geschädigten vom Schädiger und Schaden begonnen habe. Sie meint, nach den Übergangsbestimmungen des § 41 Abs. 1 Z. 1 UFG 1967 bewirke die Anmeldung eines Dienstunfalles, der sich vor dem 1. Juli 1967 ereignet habe, nicht nur die formalrechtliche, sondern auch die materiellrechtliche Entstehung des Anspruches. Der Anspruch des Geschädigten habe nicht schon am Unfallstag, sondern frühestens mit der Kundmachung des Unfallfürsorgegesetzes 1 am 18. April 1969 entstehen können. Entstehe aber der Anspruch des Geschädigten erst mit der Anmeldung, ergebe sich daraus, daß die Verjährungsfrist für den Geschädigten mit der Kenntnis des Schadens und des Schädigers, für den Legalzessionar aber erst mit der wirksamen Anmeldung durch den Geschädigten zu laufen beginne. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Schon aus der Überschrift des § 30 UFG 1967 ergibt sich, daß es sich bei dem im Abs. 1 dieser Gesetzesstelle normierten Anspruch der Klägerin nicht um einen Anspruch kraft eigenen Rechtes, sondern um einen gesetzlichen Zessionsanspruch handelt. Bei dieser Legalzession entsteht der Anspruch - gleich wie nach § 332 ASVG und § 125 B-KUVG - in der Person des Verletzten und geht von dieser auf den Träger der Sozialversicherung über. Die Revision hält bei ihren Ausführungen über die Entstehung des Anspruches nicht den Anspruch des Verletzten gegen den Schädiger, der auf Grund der Legalzession auf die Klägerin übergeht, und den Anspruch des Verletzten gegen die Klägerin auf Leistungen aus dem Unfallfürsorgegesetz 1967 auseinander. Diese Ansprüche sind nicht ident und können zu verschiedenen Zeitpunkten Entstehen (JBl. 1971, 575). Hier handelt es sich um den Rückgriffsanspruch, den die Klägerin als Legalzessionar ihres unfallsverletzten Dienstnehmers geltend macht.

Gemäß § 1394 ABGB sind die Rechte des Übernehmers mit den Rechten des Überträgers in Rücksicht auf die überlassene Forderung gleich (JBl. 1971, 575). Die Legalzession ändert die Rechtsnatur des Anspruchs und die Verjährungsfrist nicht (JBl. 1971, 36; Riz 1972, 134). Nach herrschender Rechtsprechung gilt für den Legalzessionar diejenige Verjährungsvorschrift, der der zivilrechtliche Anspruch des Verletzten unterliegt, und beginnt gegenüber dem Legalzessionar keine neue Verjährungsfrist zu laufen (ZVR 1958/30; 1964/59; 1969/269; 1971/206 u. a.). Die Schadenersatzanprüche des Verletzten gegen den Schädiger verjähren daher auch gegenüber der Klägerin als Legalzessionar in drei Jahren von der Zeit an, zu welcher der Schaden und die Person des Schädigers dem Beschädigten bekannt wurde (§ 1489 ABGB) (RZ 1972, 134). Dieser Zeitpunkt ist im vorliegenden Fall der 23. September 1966, der Tag, an dem der Geschädigte sich mit seinen privatrechtlichen Ansprüchen dem Strafverfahren gegen den schuldigen Lenker anschloß. Hingegen ist der Zeitpunkt des Eintrittes der nachfolgenden Legalzession für die Beurteilung der Verjährung ohne Belang. Diese Legalzession stellt - entgegen den Revisionsausführungen - auch keineswegs eine neue Folgewirkung der Schadenszufügung dar, für die bei Unvorhersehbarkeit eine neue Verjährungsfrist ab Kenntnis derselben zu laufen beginnen könnte (ZVR 1960/166, EvBl. 1966/473). Die nachfolgende Legalzession hat auf den Schadenersatzanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtigen nur insofern einen Einfluß, als der ursprünglich einheitliche Schadenersatzanspruch in zwei Teile aufgespalten wurde, nämlich in den von der Legalzession nicht erfaßten Teil (der z. B. Schmerzengeld, Sachschäden usw. umfaßt) und in jenen, der nach Wirksamkeit der Legalzession den Deckungsfonds für die kongruenten Leistungen der Klägerin an den Geschädigten bildet. Da durch die nachfolgende Legalzession auf die Klägerin nicht mehr Rechte übergehen konnten, als dem Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtigen zustanden, die Rechte des Übernehmers einer Forderung mit den Rechten des Überträgers ident sind, konnte durch diese nachfolgende Legalzession für die Klägerin auch keine neue Verjährungsfrist zu laufen beginnen, sondern lief die bereits begonnene Verjährungsfrist weiter. Da die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB somit am 23. September 1969 endete, die Klage des Legalzessionärs aber erst am 21. Mai 1971 angebracht wurde, haben die Vorinstanzen das Klagebegehren mit Recht wegen Verjährung abgewiesen.

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