OGH 2Ob592/84

OGH2Ob592/8428.8.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Gabriele F*****, wider den Antragsgegner Ing. Max L*****, vertreten durch Dr. Peter Armstark, Rechtsanwalt in Wien, wegen Bestellung eines Heiratsguts, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. April 1984, GZ 43 R 386/84-27, womit infolge Rekurses des Antragsgegners der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 27. Jänner 1984, GZ 5 Nc 353/83-23, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die 21-jährige Antragstellerin, von Beruf Bürokaufmann, ist die außereheliche Tochter des Antragsgegners. Sie hat am 18. 3. 1983 den um ein Jahr jüngeren Ronald F*****, Arbeiter bei den Österreichischen Bundesbahnen, geheiratet. Mit dem vorliegenden Antrag vom 22. 3. 1983 begehrt sie, dem Antragsgegner die Leistung eines Heiratsguts von 50.000 S aufzuerlegen.

Der Antragsgegner beantragte Antragsabweisung mit der Begründung, er habe von der Eheschließung der Antragstellerin nichts gewusst und daher nicht die Möglichkeit gehabt, allfällige Bedenken dagegen zu äußern. Darüber hinaus sei er aber auch aus finanziellen Gründen zur Leistung eines Heitratsguts nicht in der Lage.

Das Erstgericht erklärte den Antragsgegner schuldig, der Antragstellerin ein Heiratsgut im Betrag von 36.000 S in Monatsraten von 1.500 S, beginnend ab 1. 4. 1984, im Verzugsfalle bei Terminsverlust und mit 12 % Zinsen ab Fälligkeit, zu leisten und wies das Mehrbegehren ab.

Das Rekursgericht gab dem lediglich vom Antragsgegner erhobenen Rekurs insoweit Folge, als es den Ausspruch über die allfällige Leistung von Verzugszinsen behob.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, allenfalls offenbarer Gesetzwidrigkeit, mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne voller Klagsabweisung, in eventu auf angemessene Herabsetzung des auferlegten Betrags, hilfsweise auch auf Aufhebung des rekursgerichtlichen Beschlusses.

Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels ist auszuführen:

Das Rekursgericht hat den erstgerichtlichen Beschluss mit Ausnahme des Ausspruchs über - von der Antragstellerin gar nicht begehrte - Verzugszinsen bestätigt. Nach der im Außerstreitverfahren sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des § 54 Abs 2 JN (5 Ob 645/79; vgl Dolinar, Österreichisches Außerstreitverfahrensrecht, Allgemeiner Teil, 71 f über die analoge Anwendung der Vorschriften der JN), bilden Verzugszinsen lediglich Nebenforderungen, die bei der Bewertung des Streitgegenstands bzw Beschwerdegegenstands (§ 14 Abs 2 AußStrG) nicht zu berücksichtigen sind.

Somit ist vorliegendenfalls davon auszugehen, dass das Rekursgericht die erstgerichtliche Entscheidung in der Hauptsache voll bestätigt hat. Demgemäß kann der vorliegende Revisionsrekurs nur auf die Beschwerdegründe des § 16 Abs 1 AußStrG gestützt werden.

Zum behaupteten Beschwerdegrund der Aktenwidrigkeit fehlt es im Rechtsmittel an jeglichen konkreten Ausführungen. Aber auch eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nicht vor.

Die Unterinstanzen haben aufgrund übereinstimmenden Vorbringens zugrunde gelegt, dass die Antragstellerin zum Antragsgegner keine Kontakte unterhielt und ihn auch von der Eheschließung nicht verständigt hat. Der Antragsgegner, erklärte, er könne mangels persönlicher Vorstellung und Kenntnis des Ehegatten der Antragstellerin sowie mangels der Möglichkeit, Daten über ihn einzuholen, Gründe, welche eine Missbilligung der Eheschließung iSd § 1222 ABGB rechtfertigen, nicht angeben. Allein die Nichtverständigung von der Eheschließung durch die Antragstellerin führe jedoch nach der Vorschrift des § 1222 ABGB zum Verlust des Anspruchs auf Heiratsgut. Mangels Mitteilung von der Eheschließung durch das Kind werde den Eltern nämlich die Möglichkeit, sich billigend oder missbilligend zu äußern, genommen.

Demgegenüber vertraten die Unterinstanzen übereinstimmend die Rechtsansicht, dass allein die Nichtverständigung von der Eheschließung im Sinne der Judikatur noch keinen Anspruchsverlust bewirke, ein solcher vielmehr erst dann anzunehmen sei, wenn der Verpflichtete ausreichende Gründe habe, die Eheschließung zu missbilligen.

Dagegen wird im Revisionsrekurs vorgebracht, der Wortlaut des § 1222 ABGB spreche eindeutig dafür, dass der Anspruch auf Heiratsgut auf schon in dem Falle verwirkt werde, da die Eheschließung ohne Wissen der Eltern erfolge. Wenn von der neueren Judikatur auch in diesem Falle ein Missbilligungsgrund verlangt werde, so sei dem zu entgegnen, dass ein solcher doch nur angegeben werden könne, wenn die Eltern vorher Gelegenheit gehabt hätten, sich über die persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse (Vermögen, Einkünfte, Schulbildung, Charakter) des in Aussicht genommenen Ehegatten zu informieren. Somit sei aber die der vorgenannten Judikatur entsprechende, den Entscheidungen der Unterinstanzen zugrundeliegende Rechtsansicht offenbar gesetzwidrig.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Die Bestimmung des § 1222 ABGB lautet wie folgt:

Wenn eine Tochter ohne Wissen, oder gegen den Willen ihrer Eltern sich verehlicht hat, und das Gericht die Ursache der Missbilligung gegründet findet; so sind die Eltern selbst in dem Falle, dass sie in der Folge die Ehe genehmigen, nicht schuldig, ihr ein Heiratsgut zu geben.

Diese Bestimmung wird von der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs (SZ 37/142; 7 Ob 180/69 = EFSlg 11.721; 5 Ob 229/69 = EFSlg 11.722; 7 Ob 241/72, 1 Ob 123/75, 7 Ob 685/81, 4 Ob 566/81 ua) dahin ausgelegt, dass der Fall der Eheschließung ohne Wissen der Eltern jenem der Eheschließung gegen den Willen der Eltern gleichzustellen ist, weil der Normzweck keine strengere Sanktionierung des ersten Falls - nach dem Urentwurf zum ABGB (s Weiß in Klang² V S 743) stellt die Unterlassung der Verständigung der Eltern regelmäßig keine größere Verletzung der schuldigen Ehrfurcht gegenüber den Eltern dar, als eine Heirat gegen deren erklärten Willen - als des zweiten Falls gebietet. Der Unterschied zwischen beiden Fällen liegt lediglich darin, dass bei der Eheschließung gegen den Willen der Eltern die Missbilligung der Eheschließung durch die Eltern noch vor dem Eheabschluss zum Ausdruck gebracht werden muss, während bei einer Eheschließung ohne Wissen der Eltern nur zu untersuchen ist, ob sie zureichende Gründe für eine Missbilligung der Eheschließung gehabt hätten.

Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine offenbare Gesetzeswidrigkeit nur vor, wenn die für die Entscheidung maßgebende Frage im Gesetz ausdrücklich und so klar geregelt ist, dass an der Absicht des Gesetzgebers nicht gezweifelt werden kann und trotzdem anders entschieden wurde (SZ 21/10; SZ 25/185; EvBl 1974/40, 2 Ob 544/84 uva). Bildet eine Auslegungsfrage die Grundlage für eine Gesetzwidrigkeitsrüge iSd § 16 AußStrG, genügt es nicht, Argumente vorzutragen, die eine andere Auslegungsmöglichkeit aufzeigen sollen, es müsste vielmehr dargetan werden, dass jene Auslegung, die das Rekursgericht vorgenommen hat, bestehenden Auslegungsregeln widerspricht, unlogisch oder mit den Sprachregeln unvereinbar ist (1 Ob 55/67; 6 Ob 4/71, 6 Ob 116/75, 1 Ob 745/83 uva).

Mit der vorliegendenfalls vom Rekurswerber vertretenen Ansicht wird eine Auslegung des § 1222 ABGB begehrt, welche der vorgeannten Auslegung des Rekursgerichts widerspricht, dabei allerdings nicht aufgezeigt, dass dessen am Normzweck ausgerichtete Interpretation den möglichen Wortsinn der Bestimmung überschreite (vgl Koziol-Welser 6 I 18 f) oder unlogisch sei. In letzterer Hinsicht ist auch darauf zu verweisen, dass der Dotationspflichtige lediglich verhalten wird, zu beweisen, dass er hinreichende Gründe für eine Missbilligung der Ehe gehabt hätte. Es bleibt ihm also offen, sich über die Person des von seinem Kinde gewählte Ehepartners nachträglich zu informieren und dabei hervorkommende Umstände sodann als Missbilligungsgründe vorzubringen. Die Möglichkeiten, sich entsprechende Kenntnis zu verschaffen, sind dabei entgegen der Ansicht des Rekurswerbers zwangsläufig keine anderen als vor der Eheschließung. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit der vom Rekursgericht vorgenommenen Auslegung ist demnach zu verneinen.

Die weiteren Ausführungen über die mangelnde Leistungsfähigkeit des Rekurswerbers bzw die Unangemessenheit des begehrten Heiratsguts werden unter dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vorgebracht. Insoweit wird das Vorliegen des allein zulässigen Beschwerdegrundes der offenbaren Gesetzwidrigkeit somit gar nicht behauptet. Ob und unter welchen Umständen das Vermögen des Dotationspflichtigen zur Bestellung des begehrten Heiratsguts ausreicht, also welche Teile des Vermögens oder Einkommens des Dotationspflichtigen als Heiratsgut gefordert werden können, wird im Gesetz aber ebensowenig beantwortet wie die Frage, welches Vermögen als hinlängliches Heiratsgut anzusehen ist. Auch in dieser Richtung ist daher eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht möglich (5 Ob 340, 341/71; 8 Ob 240/73, 2 Ob 21/74, 8 Ob 539/76, EFSlg 35.094, 1 Ob 618/83 ua). Auf die zur Frage seiner Leistungsfähigkeit und der Angemessenheit des Heiratsguts erstatteten, umfangreichen Ausführungen des Rekurswerbers kann demnach nicht eingegangen werden. Hingewiesen sei lediglich darauf, dass die vom Rekurswerber zitierten Entscheidungen EvBl 1976/153 und 5 Ob 234/75 Fälle betrafen, in welchen die Eltern Kenntnis von der bevorstehenden Eheschließung hatten und in welchen die Frage einer nachträglichen Erweiterung der Missbilligungsgründe zu erörtern war.

Der nach § 16 AußStrG erhobene Revisionsrekurs war somit mangels Vorliegens zulässiger Beschwerdegründe zurückzuweisen.

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