Spruch:
Offenbare Gesetzwidrigkeit gemäß § 16 AußstrG.
§ 178 AußstrG. setzt die Einantwortung voraus.
§ 685 ABGB. gilt auch für unbewegliche Sachen.
Entscheidung vom 16. November 1946, 1 Ob 292/46.
I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Die am 20. Dezember 1945 verstorbene J. B. W. hat ihre drei Nichten zu Erben eingesetzt und der mj. G. H. das ihr gehörige Haus in G., Mstraße 8, als Vermächtnis zugewendet. Die Erbinnen haben bereits die bedingte Erberklärung abgegeben, die Verlassenschaftsabhandlung ist aber noch nicht beendet.
Die Vermächtnisnehmerin begehrte beim Abhandlungsgericht die Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 178 AußstrG., daß sie im Grundbuch als Eigentümerin des ihr vermachten Hauses eingetragen werden könne.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab.
Dem Rekurs der Vermächtnisnehmerin gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.
Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs als unzulässig zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 16 AußstrG. ist die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof gegen eine den erstrichterlichen Bescheid bestätigende Entscheidung des Gerichtes des zweiten Rechtszuges nur zulässig bei einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder wegen Nichtigkeit. Eine Nichtigkeit oder Aktenwidrigkeit wird von der Rekurswerberin nicht behauptet. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn die Rechtsfrage, von der die Entscheidung der Untergerichte abhängt, im Gesetz selbst ausdrücklich oder in so klarer Weise geregelt ist, daß kein Zweifel an der Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Revisionsrekurses kommt es aber nicht darauf an zu prüfen, ob die Begründung des angefochtenen Beschlusses gesetzwidrig ist, sondern ob die Entscheidung des Rekursgerichtes im Ergebnis mit dem Gesetz offenbar nicht vereinbar ist.
Auf den vorliegenden Fall angewendet, führen diese grundsätzlichen Erwägungen zu folgendem Ergebnis: Die Ansicht des Rekursgerichtes, daß die Vorschrift des § 685 ABGB. der aufrechten Erledigung des Antrages auf Ausstellung der Bestätigung nach § 178 AußstrG. entgegenstehe, weil seit dem Tode der Erblasserin noch kein ganzes Jahr verstrichen sei, ist offenbar unrichtig. Denn es handelt sich bei dem der Beschwerdeführerin zugedachten Vermächtnis um das Vermächtnis eines einzelnen Verlassenschaftsstückes, dessen Berichtigung mangels einer anders lautenden letztwilligen Verfügung sogleich gefordert werden kann. Im Ergebnis steht aber der angefochtene Beschluß, womit der Antrages auf Ausstellung der Bestätigung nach wurde, nicht im Widerspruch mit eindeutigen gesetzlichen Vorschriften. Die Frage, ob die Bestätigung nach § 178 AußstrG. schon vor der Einantwortung erteilt werden kann, ist im Gesetz selbst nicht ausdrücklich geregelt. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, welches diese Frage verneint und die auch vom Rekursgericht nicht ausdrücklich abgelehnt wird, kann sich nicht nur auf die Rechtslehre (Klang, Kommentar, Band I/2 S. 217), sondern insbesondere auch auf zahlreiche oberstgerichtliche Entscheidungen stützen (E. v. 6. Juli 1909, GlUNF. 5301; E. v. 9. Mai 1905, GlUNF. 3048; E. v. 19. November 1902, GlUNF. 2105 u. a.); von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit der Entscheidungen der Untergerichte kann demnach nicht die Rede sein.
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