OGH 3Ob76/84

OGH3Ob76/8431.7.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schobel, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinrich O*****, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Margarethe O*****, vertreten durch Dr. Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen „Unzulässigkeit einer Exekution“ (Einwendungen gemäß § 35 EO, Streitwert 92.500 S sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 10. Jänner 1984, GZ 2 R 299/83-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20. September 1983, GZ 11 C 21/82-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Streitteile waren miteinander verheiratet; ihre Ehe wurde im Jahr 1972 geschieden. Im Verfahren 27 C 676/80 (früher 27 C 1076/77) des Erstgerichts begehrte die Beklagte vom Kläger, der zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 2.500 S zuzüglich der Kosten der freiwilligen Weiterversicherung der Beklagten bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse verpflichtet war und weitere 730 S monatlich freiwillig zahlte, eine Erhöhung der Unterhaltsleistung. Die Klage wurde im zweiten Rechtsgang abgewiesen, weil zwischen der Beklagten und Franz K***** eine Lebensgemeinschaft bestehe. Während des mehr als vier Jahre dauernden Rechtsstreits zahlte der Kläger 3.230 S monatlich als Unterhalt an die Beklagte, das sind in der Zeit von November 1977 bis Mai 1982 177.650 S, und entrichtete insgesamt 45.630 S an Krankenversicherungsbeiträgen.

Im Juni 1982 stellte der Kläger die Unterhaltszahlungen ein. Die Beklagte beantragte daraufhin zur Hereinbringung eines rückständigen Unterhaltsbetrags von 2.500 S für Juni 1982 und der ab 1. 7. 1982 weiter fällig werdenden Unterhaltsbeträge von 2.500 S monatlich die Exekution durch Pfändung und Überweisung des Arbeitseinkommens des Klägers. Die Exekution wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 14. 6. 1982, 11 E 7979/82, bewilligt.

Mit der am 25. 6. 1982 eingebrachten Oppositionsklage begehrt der Kläger die Unzulässigerklärung dieser Exekution und bringt vor, die Lebensgemeinschaft zwischen der Beklagten und Franz K***** bestehe weiter. Sollte aber der Unterhaltsanspruch der Beklagten wiederaufgelebt sein, mache der Kläger die von ihm in der Zeit von November 1977 bis Mai 1982 erbrachten Unterhaltsleistungen von 177.650 S und 45.630 S sowie seine Prozesskostenforderung aus dem Verfahren 27 C 676/80 von 28.601 S aufrechnungsweise geltend; die Beklagte habe ihm einen Schaden in dieser Höhe absichtlich zugefügt, indem sie während der gesamten Dauer des Verfahrens 27 C 676/80 wider besseres Wissen und in Schädigungsabsicht behauptet habe, zwischen ihr und Franz K***** bestehe keine Lebensgemeinschaft (AS 35).

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, sie lebe mit Franz K***** nicht in Lebensgemeinschaft. Die eingewendeten Gegenforderungen seien nicht aufrechenbar. Eine absichtliche Schadenszufügung sei nicht erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Modifizierung statt, dass der in Exekution gezogene Anspruch der Beklagten „derzeit nicht vollstreckbar“ sei. Es kam zum Ergebnis, dass zwar die Lebensgemeinschaft der Beklagten mit Franz K***** Ende Mai 1981 aufgehoben worden sei, dass aber die Beklagte den Bestand der Lebensgemeinschaft im Vorverfahren in der Absicht bestritten habe, vom Kläger weiterhin Unterhaltszahlungen zu erlangen, und dass die Beklagte den Kläger dadurch absichtlich geschädigt habe.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab und sprach aus, dass die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig ist. Es wiederholte die Beweise durch Verlesung der Aussagen der in erster Instanz vernommenen Personen, der dem Erstgericht vorgelegten Urkunden und der genannten Vorakten und traf folgende Feststellungen:

Vom November 1977 bis etwa Juni 1981 lebte die im Jahre 1926 geborene Beklagte mit dem im Jahre 1928 geborenen Franz K***** zusammen. Sie verrichtete für ihn Haushaltsarbeiten, nächtigte mit ihm zumindest in der Regel im selben Schlafzimmer und nahm mit ihm gemeinsam die Mahlzeiten ein; die gemeinsame Wohnung hatte sie mit Franz K***** in V*****, sodass man dies als Wohngemeinschaft bezeichnen konnte. Vor Mai oder Juni 1981 hatte Franz K***** mit der Beklagten sowohl intime Kontakte als auch eine gemeinsame Kasse in Form einer Wirtschaftsgemeinschaft. Die intimen Kontakte gingen soweit, dass die Beklagte sie selbst als Geschlechtsgemeinschaft bezeichnet.

Im Sommer 1981 aber zog die Beklagte von Franz K***** weg, nachdem dieser im April 1981 wegen eines zweiten Herzinfakts zwei Wochen im Landeskrankenhaus Wagna verbracht hatte; seither leben Tochter und Schwiegersohn zusammen mit Franz K*****; erstere führt ihm den Haushalt. Seither sind auch intime Kontakte zwischen der Beklagten und Franz K***** nicht mehr feststellbar.

Von den Beziehungen der Beklagten zu Franz K***** hat der Kläger bereits im Jahre 1976 erfahren. Er erfuhr dann auch von der Lebensgemeinschaft der Beklagten mit Franz K***** und ließ diese erstmals mit Schriftsatz vom 10. 11. 1977 von seinem Rechtsvertreter zur Abwehr des Begehrens auf eine 3.230 S übersteigende Unterhaltszahlung prozessual einwenden.

Der Grund dafür, dass der Kläger trotz dieser Kenntnis weiter Unterhaltsbeträge an die Beklagte bezahlte, und zwar für die 43 Monate von November 1977 bis Mai 1981 138.890 S sowie weitere 34.185 S im selben Zeitraum an Beträgen der freiwilligen Krankenversicherung der Beklagten bei der Gebietskrankenkasse, lag darin, dass ihm sein Anwalt dazu geraten hatte, damit eine Exekutionsführung der Beklagten vermieden würde, offenbar also zur Vermeidung eines Prozessrisikos. Über eine allfällige Rückerstattung für den Fall, dass diese Beträge zu Unrecht bezahlt würden, machte sich der Kläger keine Gedanken.

Dass die Entgegennahme dieser Zahlungen durch die Beklagte in der Absicht geschah, den Kläger zu schädigen, kann nicht festgestellt werden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte ihre Lebensgemeinschaft mit Franz K***** im Verfahren 27 C 676/80 des Erstgerichts in der Absicht bestritten hätte, um unrechtmäßige Unterhaltszahlungen zu erhalten.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, dass der Rückforderungsanspruch des Klägers weder die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 LPfG noch jene des § 293 Abs 3 EO erfülle, um dem Unterhaltsanspruch der Beklagten - der seit dem Sommer 1981 wieder bestehe - aufrechnungsweise entgegengesetzt werden zu können. Auch die im Unterhaltsprozess ersiegten Prozesskosten seien nicht das Ergebnis einer absichtlichen Schadenszufügung (die einer mutwilligen Prozessführung gleichzusetzen wäre). Der Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision sei erfolgt, weil absichtliche Schadenszufügung durch das Unterlassen des Zugeständnisses einer unterhaltsanspruchsvernichtenden Lebensgemeinschaft bisher nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gewesen sei.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichts mit Revision aus dem Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Zu prüfen ist vorerst die Zulässigkeit der Revision. Dabei ist das Revisionsgericht an den Ausspruch des Berufungsgericht nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Der Kläger stellt nicht in Frage, dass die Voraussetzungen für eine Aufrechnung der von ihm geltend gemachten Gegenforderungen gegen die Unterhaltsforderung der Beklagten nach § 4 Abs 2 LPfG - wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat - nicht gegeben sind (vgl SZ 43/229). Er vertritt jedoch die Ansicht, dass die Frage der absichtlichen Schadenszufügung keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage sei. Das Gericht habe aufgrund eines festgestellten Sachverhalts zu beurteilen, ob eine absichtliche Schadenszufügung erfolgt sei. Der Beklagten sei im Vorverfahren klar gewesen, dass ihr Unterhaltsanspruch wegen ihrer Lebensgemeinschaft mit Franz K***** ruhe. Dennoch habe sie - wider besseres Wissen - den Umstand der bestehenden Wirtschafts-, Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft nicht außer Streit gestellt, sondern in Kenntnis des Unrechtsgehalts ihres Handelns die Leistungen des Klägers in Anspruch genommen. Die Prozessführung sei daher mutwillig erfolgt. Die geltend gemachten Gegenforderungen seien deshalb gegen den Unterhaltsanspruch der Beklagten aufrechenbar.

Nach § 293 Abs 3 EO ist die Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil der Forderung ... nur zulässig zur Einbringung ... einer Schadenersatzforderung, wenn der Schade absichtlich zugefügt wurde.

Die Schlussfolgerung aus bestimmten Tatsachen auf die Parteienabsicht ist nach ständiger Rechtsprechung entgegen der Ansicht des Klägers als Akt der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbar (Fasching IV 333, SZ 41/33, JBl 1968, 520, Arb 8764 ua). Die Annahme, dass eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmte Umstände kannte oder nicht, gewisse Vorstellungen besaß oder nicht und willensmäßig konkrete Zielsetzungen verfolgte oder nicht, gehört in den Bereich der Tatsachenfeststellungen (6 Ob 617/79, 4 Ob 573/80 ua). Führt deshalb das Berufungsgericht aus, es könne nicht feststellen, dass die Entgegennahme der Unterhaltszahlungen durch die Beklagte in der Absicht geschah, den Kläger zu schädigen, und ebensowenig, dass die Beklagte ihre Lebensgemeinschaft mit Franz K***** in der Absicht bestritten habe, um unrechtmäßige Unterhaltszahlungen zu erhalten, handelt es sich dabei ebenso um Tatsachenfeststellungen wie etwa bei der Feststellung, dass der Schuldner in Benachteiligungsabsicht gehandelt bzw sie gefehlt (SZ 7/352, SZ 40/96 ua, zuletzt 4 Ob 581/82), oder dass der Erblasser bei Errichtung des Testaments die Testierabsicht gehabt habe (RZ 1967, 90 ua). Ist aber eine Schädigungsabsicht - für die der Kläger beweispflichtig ist (vgl Fasching III 233 f) - nicht erwiesen, sind die vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzforderungen nicht aufrechenbar.

Damit ergibt sich, dass die Entscheidung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keineswegs von einer iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagte hat nämlich in der von ihr erstatteten Revisionsbeantwortung nicht geltend gemacht, dass die vom Kläger erhobene Revision unzulässig sei (Arb 7414 ua).

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