OGH 1Ob262/70

OGH1Ob262/7010.12.1970

SZ 43/229

Normen

ABGB §1431
ABGB §1435
ABGB §1438
EO §293 Abs3
Lohnpfändungsgesetz §4 Abs2
ABGB §1431
ABGB §1435
ABGB §1438
EO §293 Abs3
Lohnpfändungsgesetz §4 Abs2

 

Spruch:

Der aufrechnende Unterhaltspflichtige muß im Sinne des § 4 Abs 2 LPfG beweisen, daß die Unterhaltsforderung nach den Umständen des Einzelfalles den für eine standesgemäße Lebensführung notwendigen Bedarf überschreitet. Ein solcher Beweis ist unzulässig, wenn im konkreten Fall die Unterhaltsforderung auf einem richterlichen Urteil beruht und damit bereits entschieden ist, was der anständige Unterhalt erfordert

OGH 10. Dezember 1970, 1 Ob 262/70 (LG Klagenfurt 2 R 353/70; BG Villach 6 C 333/70)

Text

Die Streitteile sind verheiratet, leben aber getrennt. Auf Grund des Urteils des Bezirksgerichtes V vom 12. Dezember 1967, 6 C 1611/67-5, war der Beklagte bereits verpflichtet, der Klägerin einen monatlichen Geldunterhalt von 1500 S zuzüglich der Hälfte der ihm jeweils zustehenden Gehaltssonderzahlungen zu leisten. Der Beklagte hatte damals auch noch für seinen ehelichen Sohn Günther H einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1000 S zu Handen der Klägerin als der bestellten Sondersachwalterin zu bezahlen; diese Verpflichtung ist mit 1. Dezember 1969 wegen Selbsterhaltungsfähigkeit des Günther H weggefallen; der darüber gefaßte Beschluß des Bezirksgerichtes V vom 21. November 1969, P 571/67-16, wurde der Klägerin am 25. November 1969 zugestellt. Trotzdem wurden ihr für Günther H im Wege der Drittschuldnerexekution noch für die Monate Dezember 1969 und Jänner bis Mai 1970 Beträge von je 1000 S überwiesen, womit die Klägerin vor allem den Mietzins für die von ihr bewohnte frühere Ehewohnung in V in der Höhe von 631 S, den der Beklagte bis Jänner 1969 bezahlt hatte, entrichtete.

Die Klägerin begehrte ab 1. April 1970 die Erhöhung der monatlichen Unterhaltsverpflichtung des Klägers um 600 S, wogegen der Beklagte den von der Klägerin für ihren Sohn bezogenen Betrag von 6000 S aufrechnungsweise als Gegenforderung mit der Begründung einwendete, daß die Klägerin, da ihr der erwähnte Beschluß des Bezirksgerichtes V am 25. November 1969 zugestellt worden sei, nicht gutgläubig sei.

Das Erstgericht verhielt den Beklagten zu einer erhöhten Unterhaltsleistung von 500 S ab 1. April 1971 und wies das Mehrbegehren ab. Die Hinausschiebung der Unterhaltserhöhung um ein Jahr begrundete das Erstgericht mit der zu Recht bestehenden Gegenforderung des Beklagten auf Rückerstattung der für Günther H zuviel überwiesenen 6000 S. Der Anspruch auf Rückerstattung der von der Klägerin im Wege der Gehaltsexekution zuviel bezogenen und einbehaltenen Beträge sei unabhängig vom erfolgten Verbrauch und Redlichkeit oder Unredlichkeit der Klägerin nach den Grundsätzen der Bereicherung gegeben.

Über Berufung der Klägerin änderte das Berufungsgericht das Ersturteil dahin ab, daß es feststellte, die Forderung der Klägerin bestehe mit einem monatlichen Unterhaltsbetrag von 2000 S ab 1. April 1970 zu Recht, die Gegenforderung des Beklagten hingegen mit einem Betrag von 5000 S; es verurteilte daher den Beklagten schon ab 1. Februar 1971 zu der vom Erstgericht festgesetzten Unterhaltsverpflichtung und wies das Mehrbegehren, der Beklagte sei schuldig, bereits ab 1. April 1970 den erhöhten Unterhaltsbetrag zu leisten ab. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und trat im allgemeinen auch seiner rechtlichen Beurteilung bei, nahm aber an, daß ein Betrag von 1000 S für die Monate April und Mai 1970 bereits als Zahlung des erhöhten Unterhalts zu gelten habe; es kam so zu einer Gegenforderung von nur 5000 S und meinte, daß daher die erhöhte Unterhaltszahlung bereits ab 1. Februar 1971 zu beginnen hätte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge, der der Klägerin aber gab er Folge, verurteilte den Beklagten, beginnend mit 1. April 1970 der Klägerin zusätzlich 500 S monatlich, somit einen monatlichen Unterhaltsbetrag von insgesamt 2000 S und die Hälfte der ihm jeweils zustehenden Gehaltssonderzahlungen zu bezahlen und wies die Einwendung der Gegenforderung durch den Beklagten in der Höhe von 6000 S ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Streitentscheidend ist die Lösung der Rechtsfrage, ob gegen die Unterhaltsansprüche der Klägerin nach den §§ 1431, 1435 ABGB zu beurteilende Rückforderungsansprüche des Beklagten aus Zahlungen, die der Klägerin als Sondersachwalterin für den Sohn der Streitteile Günther H zugekommen waren, obwohl der Sohn bereits für selbsterhaltungsfähig erklärt worden war, aufgerechnet werden können. Entgegen älteren Auffassungen schließt die herrschende Rechtsprechung die Aufrechnung einer Geldgegenforderung gegen einen Geldunterhaltsanspruch nicht allein wegen dessen höchstpersönlichen Charakters und daher schon wegen Mangels der Gleichartigkeit im Sinne des § 1438 ABGB aus, da auch bei der Unterhaltsrente ausschließlich Geldbeträge geschuldet werden. Es ist aber die Bestimmung des § 293 Abs 3 EO zu beachten, wonach die Aufrechnung gegen den der Exekution entzogenen Teil einer Forderung nur zur Hereinbringung eines Vorschusses, einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Gegenforderung oder einer Schadenersatzforderung, wenn der Schaden absichtlich zugefügt wurde, zulässig ist. Aus dieser Bestimmung ist der Schluß zu ziehen, daß eine Aufrechnung gegen der Exekution ganz entzogene Forderungen, wenn keine der im § 293 Abs 3 EO aufgezählten Voraussetzungen für die Pfändbarkeit gegeben ist, überhaupt nicht stattfinden darf (Gschnitzer in Klangs Kommentar[2] zu § 1440 ABGB bei Anm 96, VI 515), gegen solche hingegen, die nur teilweise oder bedingt pfändbar sind, nur im Rahmen der Pfändbarkeit. Nach § 4 Abs 1 Z 2 LPfG sind nun aber Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, grundsätzlich unpfändbar. Daraus ergibt sich, daß gegen gesetzliche Unterhaltsrenten in der Regel nicht aufgerechnet werden kann (EvBl 1955/396). Die weitere, ebenfalls für die Beurteilung der Aufrechenbarkeit von Gegenforderungen anzuwendende (vgl dazu die noch mit Bezug auf die Lohnpfändungsverordnung 1940 ergangene Entscheidung vom 23. September 1953 EvBl 1953/496) Bestimmung des § 4 Abs 2 LPfG läßt allerdings eine Ausnahme zu und erklärt Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, dann nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften für pfändbar, wenn die Exekution in das sonstige bewegliche Vermögen des Verpflichteten zu keiner vollständigen Befriedigung des betreibenden Gläubigers geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art der vollstreckbaren Forderung und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht. Gedacht ist dabei offenbar an Bezüge, die nach ihrer Höhe über den reinen Unterhaltszweck hinausreichen (Gschnitzer in Klang[2] VI 515 nach Anm 90; Heller, EO[10] Anm 4 zu § 4 LPfG 1686). Es kommt also auf das individuelle Moment des Bedarfs für die standesgemäße Lebensführung an; es ist Aufgabe des aufrechnenden Unterhaltspflichtigen zu beweisen, daß die Unterhaltsforderung dieses Maß überschreitet. Diesen Beweis hat der Beklagte gar nicht angetreten. Die Beweisführung wäre ihm aber auch verwehrt, da die Unterhaltsforderung im vorliegenden Fall auf einem richterlichen Urteil beruht und damit bereits entschieden ist, was der anständige Unterhalt erfordert (Gschnitzer in Klang = VI 515 vor Anm 91; in diesem Sinne auch 3 Ob 10/70). Darüber hinaus hat der Beklagte nicht behauptet und unter Beweis gestellt, daß eine Exekution in das sonstige bewegliche Vermögen der Klägerin zu keiner vollständigen Befriedigung führen würde.

Es liegt aber auch keine der Voraussetzungen des § 293 Abs 3 EO vor, die die Aufrechnung der Gegenforderung gegen die gesetzliche Unterhaltsforderung der Klägerin ohne Einschränkung gestatten würden. So erhielt die Klägerin keinen Vorschuß, da der Beklagte keineswegs behauptet, es sei gemeinsame Absicht der Parteien gewesen, zukünftige Unterhaltsbeträge im vorhinein zu gewähren (EvBl 1955/396). Die Klägerin hat vielmehr mit den aufgerechneten 6000 S Beträge erhalten, die überhaupt nicht für sie und schon gar nicht für ihren Unterhalt bestimmt waren. Die Forderungen stehen aber auch nicht im rechtlichen Zusammenhang, weil der Klagsanspruch auf Familienrecht beruht, der Beklagte aber schuldrechtliche Rückforderungsansprüche aus Leistungen, die gar nicht für die Klägerin bestimmt waren, geltend macht (vgl EvBl 1955/396). Der Beklagte hat seinen Anspruch aber auch nicht als Schadenersatzanspruch qualifiziert; ohne solche Qualifikation kann er nur als Kondiktion angesehen werden.

Selbst wenn man den Anspruch aber als solchen auf Schadenersatz ansehen wollte, hätte der Beklagte doch noch die Prozeßbehauptung aufstellen und beweisen müssen, die Klägerin habe ihm den Schaden absichtlich zugefügt. Im Vorbringen, sie habe die ihr zugekommenen Beträge "nicht gutgläubig" für sich verwendet, kann die Behauptung einer solchen absichtlichen Schadenszufügung noch nicht erblickt werden. "Nicht gutgläubig" ist vielmehr soviel wie "unredlich" (vgl § 1493 ABGB; Schey - Klang in Klangs Kommentar[2] zu §§ 326 bis 328 ABGB II 92 bei Anm 1); "unredlich" ist aber auch schon, wer nur aus den Umständen vermuten mußte, daß die ihm zugekommene Leistung nicht ihm gehöre (vgl § 326 ABGB), also auch derjenige, der fahrlässig handelte. (Böse) Absicht setzt hingegen Verursachung des Schadens mit Wissen und Willen (§§ 1294, 1324 ABGB), also Vorsatz (Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse[2], § 302 bei Anm 2, 56; Wolff in Klangs Kommentar[2] zu § 1294 nach Anm 158, VI 21; vgl auch § 1 StG), voraus. Ein solches Verhalten der Klägerin wurde vom Beklagten nicht behauptet.

Der Beklagte war damit auf Grund der von ihm in diesem Rechtsstreit aufgestellten Prozeßbehauptungen - er war seit Prozeßbeginn zudem anwaltlich vertreten - nicht berechtigt, die ihm gegen die Klägerin angeblich zustehende Forderung gegen ihren Anspruch auf laufenden Unterhalt aufzurechnen. Der von den Untergerichten ab 1. April 1970 als berechtigt anerkannte Unterhaltserhöhungsanspruch ist der Klägerin damit auch ab diesem Tag zuzusprechen. Die unzulässige Einwendung der Gegenforderung des Beklagten ist hingegen, ohne daß damit über ihren Bestand oder Nichtbestand entschieden wird, abzuweisen (siehe hiezu SZ 41/68 und Fasching, Kommentar zu den ZP-Gesetzen nach § 391 ZPO III 582).

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