OGH 3Ob27/84

OGH3Ob27/8428.3.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Klinger als Richter in der Exekutionssache der gefährdeten Partei R*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Reinisch, Rechtsanwalt in Bad Radkersburg, wider den Gegner der gefährdeten Partei Franz F*****, vertreten durch Dr. Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert 38.565,39 S sA), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 24. Jänner 1984, GZ 4 R 54/84-8, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts Bad Radkersburg vom 30. Dezember 1983, GZ C 86/83 -2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die gefährdete Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen.

Der Antrag des Gegners der gefährdeten Partei auf Zuspruch von Kosten für den Rekurs und die Beantwortung des Revisionsrekurses wird abgewiesen.

Text

Begründung

Mit der einstweiligen Verfügung vom 30. 12. 1983, ON 2, hat das Erstgericht dem Gegner der gefährdeten Partei zur Sicherung der Geldforderung der gefährdeten Partei in der Höhe von 20.948 S sA aufgrund des Urteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 10. 4. 1975, 24 Cg 343/74-9, bis zur rechtskräftigen Einverleibung eines Zwangspfandrechts für diese Forderung verboten, die Liegenschaft EZ *****, KG *****, zu veräußern oder zu belasten. Das Erstgericht ordnete an, dass es als Grundbuchsgericht dieses Verbot im Lastenblatt der bezeichneten Einlage anzumerken und im Eigentumsblatt ersichtlich zu machen habe, und dass die einstweilige Verfügung mit Ablauf von drei Monaten nach Einverleibung des Eigentumsrechts des Gegners der gefährdeten Partei auf der EZ *****, KG *****, außer Kraft trete. Den Antrag auf Zuspruch von Kosten für den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung wies das Erstgericht ab.

Das Erstgericht nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Der Gegner der gefährdeten Partei wurde mit Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 10. 4. 1975, 24 Cg 343/74-9, schuldig erkannt, der gefährdeten Partei 20.948 S samt 4 % Zinsen seit 14. 12. 1974 zu bezahlen und die mit 5.456,60 S bestimmten Prozesskosten zu ersetzen. Das Urteil ist rechtskräftig und vollstreckbar. Die Zinsen betragen bis zum 1. 12. 1983 7.578,52 S; die Exekutionskosten wurden bisher mit insgesamt 4.582,27 S bestimmt.

Im Verlassenschaftsverfahren A 135/83 des Bezirksgerichts Bad Radkersburg wurde der Nachlass der am 24. 7. 1983 verstorbenen Mutter des Gegners der gefährdeten Partei, Maria F*****, mit Einantwortungsurkunde vom 10. 11. 1983, A 135/83-11, dem Gegner aufgrund seiner unbedingten Erbserklärung als Alleinerben eingeantwortet, und es wurde verfügt, dass auf der Liegenschaft der Erblasserin EZ *****, KG *****, das Eigentumsrecht für den Gegner einzuverleiben sei.

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 2. 12. 1983, E 894/83-1, wurde der gefährdeten Partei die Fahrnisexekution gegen den Gegner bewilligt. Nach dem Bericht des Gerichtsvollziehers vom 5. 12. 1983 wurde die Pfändung nicht vorgenommen, weil keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden wurden. In dem anlässlich der Tagsatzung zur Leistung des Offenbarungseides vorgelegten Vermögensverzeichnis nach § 47 Abs 2 EO gab der Gegner an, über Bargeld von 85 S, einen goldenen Ehering und eine alte Armbanduhr zu verfügen, an Kleidungsstücken und Wäsche nur das Notwendigste zu haben und eine Plastiktasche und einen Plastikkoffer zu besitzen; er habe (nicht näher bezeichnete) Forderungen gegenüber Poldi und Albert D***** in G***** sowie gegenüber Lydia S***** in B***** und erhalte weder Arbeitslohn noch Arbeitslosengeld, sondern lebe auf der Landwirtschaft seiner Frau. Die Frage, ob er ein Grundstück besitze, beantwortete der Gegner mit „Nein“; er führte jedoch ein Fruchtgenussrecht auf der EZ ***** KG ***** an und bezeichnete als Eigentümerin dieser Liegenschaft seine Tochter Roswitha F*****. Der Gegner vermerkte schließlich, dass der Ertrag aus dem Fruchtgenussrecht auf den von ihm an seine Tochter zu leistenden Unterhalt aufgerechnet werde.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass nach § 75 der III. Teilnovelle zum ABGB zur Sicherung von Forderungen gegen einen Erben bei Vorhandensein der in § 379 Abs 2 EO angegebenen Voraussetzungen zugunsten der Gläubiger des Erben in Ansehung des ihm angefallenen Erbgutes vor der Einantwortung einstweilige Verfügung getroffen werden könnten; je nach dem zu erreichenden Zweck könnten die notwendigen Sicherungsmittel (§§ 379 bis 382 EO) angeordnet werden. Nach Lehre und Rechtsprechung sei die Regelung des § 75 der III. Teilnovelle auch noch nach der Einantwortung des Nachlasses anzuwenden, solange der Erbengläubiger auf die Liegenschaft noch nicht Exekution führen könne, weil der Erbe noch nicht als Eigentümer einverleibt und eine Exekutionsführung nach § 350 Abs 2 EO nicht möglich sei. Da die nach dieser Bestimmung zu erlassende einstweilige Verfügung weiterreichende Wirkungen habe als einstweilige Verfügungen nach der Exekutionsordnung, seien auch das Verbot nach § 379 Abs 4 EO und die Bestimmung des § 21 GBG nicht anzuwenden. Durch die vorlegten Urkunden und den Inhalt der Akten E 894/83 und A 135/83 sei bescheinigt, dass die Gefahr bestehe, der Gegner könnte durch Veräußerung bzw Belastung der Liegenschaft die Hereinbringung der Geldforderung der gefährdeten Partei vereiteln oder zumindest erheblich erschweren. Eine andere Befriedigungsmöglichkeit der gefährdeten Partei scheine nicht gegeben.

Das Rekursgericht wies den Antrag der gefährdeten Partei auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nach den §§ 78, 402 EO, § 528 Abs 2 (§ 502 Abs 4 Z 1) ZPO zulässig sei. Zwar sei das Vorbringen der Antragstellerin zur Bescheinigung der Gefahr einer Vereitelung oder erheblichen Erschwerung der Hereinbringung ihrer Geldforderung vom Antragsgegner in seinem Rekurs noch bekräftigt worden (der Antragsgegner führt in seinem Rekurs AS 14 aus, er habe die Liegenschaft EZ ***** KG ***** tatsächlich unmittelbar nach der Einantwortung der Verlassenschaft nach Maria F*****, noch am 10. 11. 1983, an Roswitha F***** in verbücherungsfähiger Form veräußert). Im Sinne des § 384 Abs 3 EO seien jedoch nur solche verbotswidrige Handlungen des Schuldners gegenüber der gefährdeten Partei unwirksam, die dem Verbot nachfolgen. Es würde allen Rechtsgrundsätzen widersprechen, durch das dem Gegner der gefährdeten Partei erteilte Verbot frühere, von diesem vorgenommene Rechtsgeschäfte ihrer Wirkung zu berauben. Habe der Antragsgegner die Liegenschaft einmal verkauft, so sei er dem Käufer gegenüber verpflichtet, alle zur grundbücherlichen Durchführung notwendigen Erklärungen abzugeben. An dieser Verpflichtung könne die einstweilige Verfügung nichts ändern. Der von der Antragstellerin angestrebte Sicherungszweck, nämlich die Einverleibung eines Zwangspfandrechts im Rang vor der bücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechts für Roswitha F*****, sei mit der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung nicht zu erreichen. Die Entscheidung des Erstgerichts verstoße überdies gegen die Bestimmung der Exekutionsordnung über die Befristung einstweiliger Verfügungen, weil der Beginn der dreimonatigen Frist von der Einverleibung des Eigentumsrechts des Antragsgegners abhängig gemacht worden sei und somit von einem nicht zu erwartenden oder zumindest völlig ungewissen Ereignis.

Die gefährdete Partei bekämpft den Beschluss des Rekursgerichts mit Revisionsrekurs und beantragt, ihn dahin abzuändern, dass die erstgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt werde.

Der Gegner der gefährdeten Partei beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung kann dem Erbengläubiger aufgrund des § 75 der III. Teilnovelle zur Sicherung einer vollstreckbaren Geldforderung eine einstweilige Verfügung durch Veräußerungs- und Belastungsverbot in Ansehung einer dem Erben angefallenen Liegenschaft bewilligt werden (Weiß in Klang 2 III 1063, SZ 12/269, SZ 15/203, SZ 24/334), und zwar auch noch nach der Einantwortung vor Einverleibung auf die Nachlassliegenschaft (Welser in Rummel, ABGB, Rdz 5 und 6 zu § 882, Heller-Berger-Stix 2794 und 2746, SZ 38/58, SZ 53/32).

Der Anspruch der gefährdeten Partei ist durch die vorgelegten Urkunden bescheinigt. Mit Recht haben die Vorinstanzen aufgrund der Angaben des Antragsgegners im Vermögensverzeichnis vom 27. 12. 1983, E 894/83-5 des Erstgerichts, auch die gemäß § 379 Abs 2 EO erforderliche Gefahrenbescheinigung bejaht, und der Antragsgegner hat die von der gefährdeten Partei geltend gemachte Veräußerung der Nachlassliegenschaft auch gar nicht in Frage gestellt.

Trifft es nun auch zu, dass aus der Bestimmung des § 384 Abs 3 EO über die relative, also der gefährdeten Partei gegenüber bestehende, Unwirksamkeit verbotswidriger Handlungen hervorgeht, dass nur solche Handlungen unwirksam sind, die dem Verbot nachfolgen, ist doch die vom Rekursgericht unter Übernahme der Ausführungen von Heller-Berger-Stix 2748 f behandelte Frage, ob eine dem Verbot vorangegangene Veräußerung bereits in verbücherungsfähiger Form erfolgt sein müsse, um von der Anmerkung des Veräußerungs- und Belastungsverbots nicht berührt zu werden (SZ 11/182), oder ob es einer derart qualifizierten Form der Veräußerung nicht bedarf, weil der Verkäufer dem Käufer gegenüber verpflichtet sei, alle zur grundbücherlichen Durchführung notwendigen Erklärungen abzugeben, sodass diese Erklärungen nicht als „freiwillige Verfügungen“ iSd § 384 Abs 3 EO angesehen werden könnten (8 Ob 553/77; in den von Heller-Berger-Stix 2748 zitierten Entscheidungen SZ 5/283 und SZ 37/99 waren die strittigen Rechtsgeschäfte schon vor der Anmerkung des Veräußerungs- und Belastungsverbots in verbücherungsfähiger Form errichtet worden; vgl zu diesen Fragen auch die Entscheidungen SZ 28/204 und JBl 1960, 52), für das gegenständliche Verfahren ohne Bedeutung. Eine Einverleibung des Eigentumsrechts für Roswitha F*****, die die Erlassung eines Veräußerungs- und Belastungsverbots nach § 382 Z 6 EO hindern würde (SZ 43/119), wurde vor der Anmerkung dieses Verbots nicht vorgenommen. Die erwirkte Anmerkung aber hindert zunächst grundbücherliche Eintragungen nicht, die Eintragungen erlangen lediglich ihre volle Wirkung erst mit Aufhebung der einstweiligen Verfügung bzw dann, wenn sie dem - hier schon endgültig zuerkannten - Anspruch, bezüglich dessen das Verbot erlassen wurde nicht entgegenstehen (EvBl 1958/205, 1 Ob 15/75, Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht2 298, Feil, Österreichisches Grundbuchsrecht 1972, 195). Ein allfälliger Antrag der Roswitha F*****, ihr Eigentumsrecht an der gegenständlichen Liegenschaft einzuverleiben, könnte daher nicht wegen des aufgrund der einstweiligen Verfügung angemerkten Veräußerungs- und Belastungsverbots abgewiesen werden, und zwar unabhängig davon, wann der einem solchen Ansuchen zugrundeliegende Vertrag in verbücherungsfähiger Form abgeschlossen wurde.

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts hindert deshalb die noch nicht verbücherte Veräußerung der in Betracht kommenden Liegenschaft an einem Dritten nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht die Erlassung eines Veräußerungsverbots iSd § 382 Z 6 EO (SZ 43/119; EvBl 1961/151; JBl 1976, 534; eine gegenteilige Ansicht kann auch den Ausführungen von Heller-Berger-Stix 2749 nicht entnommen werden). Ob aber durch die begehrte einstweilige Verfügung die von der gefährdeten Partei angestrebte Anspruchssicherung auch tatsächlich erreicht wird, ist im Verfahren zur Erlassung dieser Verfügung nicht zu untersuchen (Heller-Berger-Stix 2749, JBl 1976, 534). Es ist immerhin möglich, dass die Verbücherung eines bereits errichteten Kaufvertrags wegen Vorliegens formeller Mängel nicht möglich ist.

Richtig ist, dass gemäß § 23 GBG dann, wenn ein zur Verlassenschaft gehöriges unbewegliches Gut oder bücherliches Recht veräußert wird, dem Erwerber die Eintragung seines Rechts unmittelbar nach dem Erblasser zu bewilligen ist. Ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit es im vorliegenden Fall zu einer Eintragung aufgrund dieser Bestimmung kommt, ist für die Zulässigkeit der gegenständlichen einstweiligen Verfügung ohne Bedeutung. Die vom Erstgericht gesetzte Frist entspricht den Bestimmungen des § 391 Abs 1, § 375 Abs 2 EO.

Der Revisionsrekurs erweist sich damit als zulässig (da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erhebliche Bedeutung zukommt, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht) und berechtigt, sodass ihm Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern war, dass die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten der gefährdeten Partei auf § 393 Abs 1 EO, hinsichtlich der Kosten des Antragsgegners auf den §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50 ZPO.

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