Spruch:
Die in einem Vertragsformblatt enthaltene Nebenbestimmung, daß Ansprüche aus dem Leasing-Vertrag nur durch den erstgenannten Leasingnehmer geltend gemacht werden können, ist dann wegen gröblicher Benachteiligung der übrigen Leasingnehmer anfechtbar, wenn damit das Recht zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Vertrag abgesprochen wird
OGH 30. Juni 1982, 3 Ob 587/82 (OLG Linz 5 R 19/82; KG Wels 5 Cg 247/81)
Text
Am 20. 1. 1981 unterfertigten die Beklagte und ihr Ehemann Ludwig H den von der Klägerin aufgelegten Vordruck für den Antrag auf Abschluß eines Kraftfahrzeugleasingvertrages. Als Leasingnehmer war an erster Stelle der Ehemann der Beklagten genannt. Die Beklagte war an zweiter Stelle als Leasingnehmer angeführt. Das Leasingobjekt war ein PKW Ford-Taunus Kombi 2000 - 90 PS, die Vertragsdauer sollte 36 Monate betragen, das monatliche Leasingentgelt 3815.50 S. Während der Vertragsdauer sollte der Vertrag unkundbar sein. Der Leasinggeber sollte jedoch den Vertrag zur vorzeitigen Auflösung bringen können, wenn der Leasingnehmer mit mindestens einem Leasingentgelt trotz Einmahnung unter Setzung einer Nachfrist von zwei Wochen durch sechs Wochen in Verzug gerät oder sich seine wirtschaftliche Lage wesentlich verschlechtert, insbesondere ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Der Leasinggeber sollte dann den Vertrag mit sofortiger Wirkung durch einseitige Erklärung auflösen, das Leasingentgelt für die restliche Vertragsdauer fällig stellen und das Leasingobjekt einziehen können. Der Leasingnehmer sollte den Ausfall gegenüber dem aus dem Leasingentgelt während der bedungenen Vertragsdauer und dem sodann erwarteten Fahrzeugrestwert zusammengesetzten Leasinggesamterlös ersetzen müssen. Die Klägerin nahm das Vertragsanbot am 21. 1. 1981 an. Das Leasingobjekt wurde am 21. 1. 1981 dem Ehemann der Beklagten übergeben. Er bezahlte zwei Leasingentgelte. Am 11. 2. 1981 wurde über sein Vermögen der Konkurs eröffnet. Der Masseverwalter "kundigte" den Leasingvertrag und stellte den Personenkraftwagen am 9. 3. 1981 an die Klägerin zurück. Die Klägerin setzte sich mit der Beklagten in Verbindung und bot ihr die Fortsetzung des Vertrages an. Die Beklagte war mangels Verfügbarkeit von Geldmitteln dazu nicht bereit. Die Klägerin erklärte der Beklagten mit dem Schreiben vom 2. 4. 1981 die Auflösung des Vertrages und gab ihr den Schätzwert des PKW mit 105 000 S und die Ausfallforderung mit 63 727 S bekannt. Die Beklagte hat auf die Aufforderung der Klägerin, Kaufinteressenten zu nennen, die den PKW zu einem über dem Schätzwert liegenden Preis erwerben wollen, nicht reagiert. Der PKW wurde von der Klägerin um 105 000 S veräußert.
Mit ihrer Klage begehrte die Leasinggeberin von der Beklagten den Ersatz des Ausfalles, den sie als Unterschiedsbetrag zwischen den ausstehenden 34 Monatsentgelten für den Rest der dreijährigen Vertragsdauer (34 x 3815.50 S = 129 727 S) und dem Restwert von 39 000 S, zusammen 168 727 S gegenüber dem Verkaufserlös von 105 000 S mit 63 727 S ermittelte. Die weiteren Forderungen von 2673 S an "Ergänzungsgebühr" und 5000 S "Vermittlungsprovision" sind nicht mehr Verfahrensgegenstand.
Die Beklagte trat dem Klagsanspruch mit dem Einwand entgegen, die Klägerin habe das Fahrzeug eingezogen und anderweitig verwendet und könne daher die ausstehenden Leasingentgelte nicht einfordern. Der Vertrag enthalte ungewöhnliche und die Beklagte, die an dem Unternehmen ihres Ehemannes nicht beteiligt gewesen und daher Verbraucher sei, gröblich benachteiligende Bedingungen.
Das Erstgericht verhielt auf der Grundlage des eingangs dargestellten Sachverhalts die Beklagte zur Zahlung von 63 727 S samt 4% Zinsen seit dem 3. 4. 1981. Die Abweisung des Mehrbegehrens von 5000 S samt Zinsen blieb unbekämpft. Der Ehemann der Beklagten habe das Kombinationskraftfahrzeug für seinen Spenglerei- und Installationsbetrieb beschafft und den Leasingvertrag als Unternehmer geschlossen. Nach dem letzten Satz des Vertragspunktes 20 konnten bei einer Mehrzahl von Leasingnehmern Rechte und Ansprüche aus dem Vertrag nur durch den an erster Stelle genannten Leasingnehmer geltend gemacht werden. Die Beklagte habe sich auf die ihr angebotene Fortsetzung des (auch) mit ihr geschlossenen Vertrages nach dem Ausscheiden ihres Ehemannes nicht eingelassen. Sie habe nicht erläutert, welche Vertragsbestimmungen sie als gröbliche Benachteiligung empfinde. Eine solche sei auch nicht erkennbar. Die in Finanzierungsleasingverträgen übliche Bestimmung, wonach der Leasinggeber das Restentgelt bei Verzug des Leasingnehmers fällig stellen könne, sei zulässig, der nach vertragswidrig erfolgter Fahrzeugrückstellung erzielte Veräußerungserlös sei der Beklagten gutgebracht worden.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sah die allein erhobene Rechtsrüge der Beklagten, die vor allem geltend machte, nach dem letzten Satz des Vertragspunktes 20 seien ihr nur Verpflichtungen, aber keine Rechte aus dem Vertrag zugekommen und deshalb Sittenwidrigkeit gegeben, als nicht berechtigt an. Es habe sich um ein mittelbares Finanzierungsleasing gehandelt. Die Beklagte und ihr Ehemann hätten als Leasingnehmer die Klägerin als Leasinggeberin veranlaßt, das Fahrzeug vom Händler zu erwerben und ihnen für eine bestimmte, hinter der erwarteten Gebrauchsdauer zurückbleibende Zeit entgeltlich zum Gebrauch zu überlassen. Die Restwertvereinbarung und die Rückstellungspflicht sprächen dagegen, daß die Beteiligten den gleichen wirtschaftlichen Zweck verfolgt hätten wie bei einem Abzahlungsgeschäft. Da die Beklagte gar keine Ansprüche aus dem Kraftfahrzeugleasingvertrag erhebe, komme der Frage, ob der letzte Satz des Vertragspunktes 20 nichtig oder unwirksam sei, keine Bedeutung zu, weil sie daraus nicht die Ungültigkeit des ganzen Leasingvertrages ableiten könne. Nach § 879 Abs. 3 ABGB finde die Inhaltskontrolle nur bei solchen Vertragsbestimmungen statt, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegen. Die Angemessenheitskontrolle bei Ungleichgewichtslagen erstrecke sich nicht auf Vertragsbestandteile, die der Leistungsbeschreibung dienen. Die Teilnichtigkeit erstrecke sich nicht auf den übrigen Vertrag, es sei denn, dieser wäre dann sinnlos oder er stehe mit der nichtigen Bestimmung in einer untrennbaren Einheit. Im Vertrag sei der bei vorzeitiger Auflösung zu ersetzende Leasinggesamterlös (Summe der noch nicht entrichteten Leasingentgelte und des Fahrzeugrestwertes nach dreijährigem Gebrauch) klar umschrieben. Die Beklagte sei schon deshalb nicht benachteiligt, weil ihr der (den erwarteten Restwert übersteigende) Teil des Erlöses aus der Verwertung des Fahrzeuges von 66 000 S auf die Schuld an Leasingentgelten von 129 727 S angerechnet wurde. Auf § 13 KSchG könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie das Anbot der Klägerin, den Vertrag fortzusetzen, abgelehnt habe und daher durch die Rechtsfolgen nicht überrascht worden sei. Bei der vertraglichen Regelung der Verzugsfolgen, der vorzeitigen Vertragsauflösung und der Ausfallhaftung handle es sich nicht um Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts iS des § 864a ABGB.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revisionswerberin gesteht nun zu, daß für sie aus der Bestimmung des § 879 Abs. 3 ABGB nichts zu gewinnen ist, versucht aber die Nichtigkeit des gesamten von ihr mit der Klägerin geschlossenen Leasingvertrages, aus welchem die Vorinstanzen ihre Leistungsverpflichtung abgeleitet haben, auf Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs. 1 ABGB zu grunden. Der letzte Satz des Vertragspunktes 20, wonach die Beklagte als erst an zweiter Stelle genannter Leasingnehmer Rechte und Ansprüche aus dem Vertrag nicht geltend machen könne, betreffe seinen gesamten Inhalt und widerspreche so sehr dem Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft, daß es der Beklagten als Verbraucher nicht zuzumuten sei, den Vertrag auch nur teilweise aufrechtzuerhalten, weil sie jedes Vertrauen in die Seriosität des anderen Vertragsteiles und des Geschäftes verlieren mußte.
Selbst wenn man die mißverständliche Regelung in dem von der Klägerin verwendeten Vertragsformblatt, wonach bei einer Mehrzahl von Leasingnehmern Rechte und Ansprüche aus dem Vertrag gegenüber dem Leasinggeber nur durch den im Vertragspunkt 1 an erster Stelle genannten Leasingnehmer geltend gemacht werden können, nicht in dem einer Inhaltskontrolle wohl standhaltenden, erst im Revisionsverfahren von der Klägerin erläuterten Sinne verstehen will, daß sie sich dadurch nur vor widerstreitenden Ansprüchen mehrerer Vertragspartner, die uneins wurden, schützen und die Willenseinigung mehrerer Leasingnehmer über die Benützung des Leasingobjektes in deren Sphäre verlagern wollte, ohne die Rechte und Ansprüche jedes einzelnen Leasingnehmers sonst zu beschneiden, sondern meint, nur der erstgenannte Leasingnehmer habe überhaupt Rechte und Ansprüche aus dem Vertrag, läßt sich für den Standpunkt der Beklagten nichts gewinnen.
Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß die im Vertragsformblatt enthaltene, nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegende Bestimmung, durch die Rechte eines von mehreren Leasingnehmern bedeutend beschränkt werden, eine unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles gröbliche Benachteiligung dieses Vertragsteiles bedeuten und daher nach § 879 Abs. 3 ABGB nichtig sein kann, ohne daß der Rest des Vertrages davon betroffen wäre (Koziol - Welser, Grundriß[5] I 96; Krejci, Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz 176; SZ 42/49; SZ 44/166; SZ 47/8). Hätte die Klägerin der Beklagten als an zweiter Stelle genanntem Leasingnehmer das Recht zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Vertrag abgesprochen und nicht nur darauf bestanden, daß die Beklagte ihre Rechte und Ansprüche aus dem Leasingvertrag im Wege des an erster Stelle genannten Leasingnehmers Ludwig H verfolgt, damit die Klägerin nicht widerstreitenden Interessen der mehreren Leasingnehmern ausgesetzt wird, hätte die Beklagte sich auf die Unwirksamkeit der Rechtsbeschränkung berufen können. Nach dem festgestellten Sachverhalt ist Ludwig H infolge der Konkurseröffnung vorzeitig aus dem Vertrag ausgeschieden, worüber zwischen der Klägerin und dem Masseverwalter Einverständnis herrschte, so daß damit der Vertragspunkt 20 letzter Satz überhaupt gegenstandslos wurde, weil eine Mehrzahl von Leasingnehmern nicht weiter bestanden hat. Die Klägerin war bereit, mit der Beklagten als einziger Leasingnehmerin das Vertragsverhältnis unverändert fortzuführen, die Beklagte lehnte unter Hinweis auf ihr finanzielles Unvermögen ab, so daß sie die Aufrechterhaltung des Vertrages für die bedungene Dauer von drei Jahren vereitelte und die vorzeitige Auflösung mit den für ihren Fall vereinbarten Rechtsfolgen, die weder nach § 864a ABGB noch nach § 879 Abs. 1 oder Abs. 3 ABGB noch schließlich - und nur hier würde bedeutsam, daß die Beklagte den Vertrag bloß als Ehefrau und Angestellte des Ludwig H geschlossen hat, für den allein das Geschäft zum Betrieb seines Unternehmens gehörte (§ 1 Abs. 1 KSchG) - nach § 6 KSchG bedenklich sind, zu vertreten hat. Aus einer nur bei der von ihr gewählten Auslegung der von der Beklagten in den Vordergrund gerückten Vertragsbestimmung denkbaren, durch die auffallende Ungleichgewichtigkeit der beiderseitigen Rechtspositionen bewirkten Nichtigkeit kann nicht auf die Unwirksamkeit der übrigen, der Rechtsnatur des Instituts des Finanzierungsleasing entsprechenden Vertragsbedingungen geschlossen werden. Auch bei Vorliegen von Sittenwidrigkeit tritt die Nichtigkeit nur in dem Umfang ein, als es der Zweck des Verbotes erfordert (Koziol - Welser, Grundriß[5] I 125; JBl. 1981, 260).
Auf die vom Berufungsgericht rechtsrichtig gelösten weiteren Fragen nach der Verbindlichkeit der von der Beklagten im Vertrag übernommenen Haftung für den der Klägerin bei vorzeitiger Auflösung entstehenden Ausfall und der Anwendbarkeit des § 13 KSchG, dem der Vertragspunkt 9 über den Verzug Rechnung trägt, auf den festgestellten Fall der erklärten Ablehnung der Erbringung der vertraglich übernommenen Leistungen kommt die Beklagte in ihrer Revision nicht mehr zurück. Sie hat auch nie in Abrede gestellt, nach der Insolvenz ihres Ehemannes zur Zahlung der monatlichen Leasingentgelte weder bereit noch in der Lage gewesen zu sein und auch nach Kenntnis des vom Sachverständigen ermittelten Schätzwertes des der Klägerin zurückgestellten Leasingobjektes keine Kaufinteressenten genannt zu haben, die das Fahrzeug zu einem höheren Kaufpreis erworben und damit den Ausfall am Gesamtleasingerlös verringert hätten. Das Verlangen der Klägerin nach Erbringung der vertraglich übernommenen Leistungen durch die Beklagte als Leasingnehmer verstößt nicht gegen die guten Sitten. Die Vorinstanzen haben daher ohne Rechtsirrtum die Zahlungspflicht der Beklagten angenommen.
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