OGH 3Ob4/80

OGH3Ob4/8012.3.1980

SZ 53/42

Normen

ABGB §449
EO §213 Abs1
ZPO §411
ABGB §449
EO §213 Abs1
ZPO §411

 

Spruch:

Die Rechtskraft eines von der betreibenden Partei gegen den Verpflichteten erwirkten Leistungsurteiles bindet im Meistbotsverteilungsverfahren den gemäß § 213 Abs. 1 EO zum Widerspruch berechtigten Gläubiger nicht. Die Ungültigkeit einer bestrittenen Forderung ist im Exekutionsverfahren bzw. im Widerspruchsprozeß zu prüfen

OGH 12. März 1980, 3 Ob 4/80 (LG Salzburg 33 R 625/79; BG Gastein E 3506/79)

Text

Ob der versteigerten Liegenschaft ist auf Grund des Schuldscheines und der Pfandbestellungsurkunde vom 29. April 1974/25. April 1975 in COZ 7 im Range der Anmerkung COZ 3 das Pfandrecht für die Darlehensforderung der F-KG von 35 Mill. S - ferner in COZ 8 das Pfandrecht für 12% Zinsen und 16% Verzugs- bzw. Zinseszinsen aus 35 Mill. S einverleibt. Mit dem vollstreckbaren Versäumungsurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14. Juni 1976, 9 Cg 286/76, wurden die Verpflichtete und eine Mitschuldnerin zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, der F-KG den Betrag von 35 Mill. S samt Stufenzinsen und Kosten zu zahlen, die Verpflichtete insbesondere bei Exekution in die "verpfändete", nunmehr versteigerte Liegenschaft. Im Verteilungsverfahren meldete die F-KG diese rechtskräftig zuerkannte Forderung sowie gerichtlich bestimmte Exekutionskosten an und begehrte deren Berichtigung im Range ihres Pfandrechtes COZ 3/7 und

8.

Die Volksbank Z, zu deren Gunsten in COZ 9/17 das Pfandrecht für einen Höchstbetrag von 25 Mill. S einverleibt ist, erhob "gegen den Bestand der Darlehensforderung" und "den rechtsgültigen Bestand des für sie erworbenen Pfandrechtes" mit der Behauptung Widerspruch, daß die Forderung aus geleisteten und nicht bezahlten Bauarbeiten für die A-GesmbH, nicht aber aus einem gewährten Darlehen resultiere, die Einverleibung des Pfandrechtes COZ 7 daher auf Grund eines fingierten Titels erfolgt und nichtig sei.

Die Pfandgläubigerin F-KG beantragte die Ab- bzw. Zurückweisung des Widerspruches, weil sich ihre Ansprüche auf ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil grundeten, das so lange als vollstreckbar gelte, als es nicht infolge Anfechtung durch eine der Prozeßparteien aufgehoben sei. Die angebliche Nichtigkeit könne von einem Dritten nicht geltend gemacht werden und sei auch nicht von Amts wegen zu berücksichtigen.

Mit dem Meistbotsverteilungsbeschluß vom 31. August 1979 wies das Erstgericht der Pfandgläubigerin F-KG zur teilweisen Berichtigung ihrer angemeldeten Forderung durch Barzahlung aus dem Kapital des Meistbots den Rest von 33 700 518.40 S zu, wodurch die Zinsen und Kosten zur Gänze, das Kapital mit einem Teilbetrag von 28 034 603.96 S berichtigt sei. Die Meistbotszinsen und die - ziffernmäßig noch nicht bekannten - Fruktifikatszinsen wurden den einzelnen Gläubigern nach dem Verhältnis der ihnen aus dem Meistbot an Kapital zur Berichtigung durch Barzahlung zugewiesenen Beträge zugewiesen. Gleichzeitig wies das Erstgericht den Widerspruch der Volksbank Z mit der Begründung ab, daß die Verweisung der Widerspruchswerberin auf den Rechtsweg zur Klärung der Frage, ob die Schuld aus dem Werkvertrag in eine Darlehensschuld umgewandelt worden sei, durch die Verwandlung dieses Schuldtitels in eine Judikatsschuld überflüssig und daher unzulässig sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Widerspruchswerberin keine Folge. Es führte aus, ein Gläubiger könne nicht mit der Begründung Widerspruch erheben, daß der Exekutionstitel nichtig sei. Nach dem Rekursvorbringen stehe der F-KG eine Werklohnforderung zu. Die Absicht der Parteien des Pfandbestellungsvertrages sei daher darauf gerichtet gewesen, der Gläubigerin Deckung für eine bestehende Forderung zu verschaffen, was gesetzlich nicht verboten sei. Eine Hypothek sei nicht deshalb ungültig, weil ein anderer als der von den Parteien gemeinte Titel aufscheine. Die Rekursbehauptung, daß es sich bei der der Pfandrechtseinverleibung zugrunde liegenden Schuld- und Pfandbestellungsurkunde um einen fingierten Schuldtitel handle, sei durch den Inhalt des Aktes 9 Cg 286/76 des Landesgerichtes Salzburg widerlegt. Die F-KG habe in ihrer Klage vorgebracht, daß das pfandrechtlich sichergestellte Darlehen zur Gänze aushafte. Die Forderung sei, falls sie aus einem Werkvertrag entstanden sein sollte, durch den Vertrag vom 29. April 1974 bzw. 25. April 1975 in eine Darlehensschuld noviert worden, sodaß kein fingierter Schuldtitel vorliege.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Volksbank Z nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Aus Gründen der Zweckmäßigkeit ist zunächst die vom Rekursgericht nicht geprüfte Frage zu erörtern, welche Bedeutung das von der Pfandgläubigerin F-KG gegen die Verpflichtete erwirkte rechtskräftige Versäumungsurteil für den Widerspruch der Revisionsrekurswerberin hat. Die Rechtskraftwirkung des Urteils erstreckt sich, wie der Revisionsrekurs mit Recht geltend macht, grundsätzlich nur auf die Parteien des entschiedenen Prozesses sowie deren Gesamt- bzw. Einzelrechtsnachfolger (Fasching III, 727 f. Anm. 46 zu § 411 ZPO). Auch die inhaltliche Bindung an die rechtskräftige Entscheidung des Vorprozesses, welche zur Folge hat, daß die sachliche Behandlung und Prüfung über ein neues (nicht identisches) Klagebegehren ausgeschlossen ist, beschränkt sich als Folge der Rechtskraft grundsätzlich auf die Parteien und den "geltend gemachten Anspruch", über den im Urteil entschieden wurde (Fasching III, 705 f., 708, 727). Die Rechtskraft des von der betreibenden Gläubigerin gegen die Verpflichtete erwirkten Leistungsurteils hindert daher die Revisionsrekurswerberin nicht, die behauptete Ungültigkeit des Darlehensvertrages und die Unwirksamkeit des für die Darlehensforderung begrundeten Pfandrechtes mit Widerspruch geltend zu machen.

Im vorliegenden Fall kann auch nicht von einer Tatbestands- oder Reflexwirkung des Urteils die Rede sein, die dann anzunehmen ist, wenn das historische Ereignis der Urteilsfällung für die Tatfrage des Folgeprozesses von Bedeutung ist, sei es, daß das Gesetz oder ein Rechtsgeschäft ausdrücklich an die Existenz eines Urteils eine besondere (von der Rechtskraft, Gestaltungswirkung und Vollstreckbarkeit verschiedene) Rechtsfolge - z. B. die Verjährungsfrist der Judikatsschulden - knüpft oder sei es, daß die Existenz des Urteils einen Sachverhalt schafft, der ein anders umschriebenes Tatbestandsmerkmal erfüllt (z. B. die Abweisung der Immissionsklage des Vermieters verwirklicht den Tatbestand der Unmöglichkeit, den Mieter vor der Immission zu schützen, Kralik, JBl. 1976, 92; s. auch Fasching III, 744 f. Anm. 63 zu § 411 ZPO; SZ 43/47 u. a.). Bei der sogenannten Tatbestands- oder Reflexwirkung handelt es sich weder um eine Beweiswirkung noch um eine Folgewirkung der materiellen Rechtskraft (Fasching III, 745). Das historische Ereignis der Fällung des Versäumungsurteils ist im vorliegenden Fall nicht präjudiziell (vgl. SZ 49/82). Die Frage der Ungültigkeit der Darlehensforderung sowie der Unwirksamkeit des für sie einverleibten Pfandrechtes kann daher im Exekutionsverfahren bzw. in einem Widerspruchsprozeß ohne Bindung an das rechtskräftige Versäumungsurteil geprüft und entschieden werden.

Dem Revisionsrekurs ist zuzugeben, daß das Pfandrecht zufolge § 449 ABGB eine gültige Forderung voraussetzt (SZ 48/75; EvBl. 1961/55 u. a.). Ist die Forderung nichtig oder anfechtbar, so ist es auch das Pfandrecht. Wird daher eine Hypothek im Grundbuch auf Grund eines fingierten Schuldtitels eingetragen, so ist die Verpfändung nicht rechtswirksam (Klang[2] II, 414; GlUNF 3024) und der Pfandschuldner berechtigt, die Einverleibung der Löschung des Pfandrechtes zu begehren (EvBl. 1961/55). Gegen die Gültigkeit des Pfandrechtes kann, wie dem Rekursgericht beizupflichten ist, im Meistbotsverteilungsverfahren Widerspruch erhoben werden (Heller - Berger - Stix, 1454; SZ 10/160). Die Revisionsrekurswerberin behauptete in ihrem Widerspruch, daß die Verpflichtete den der Hypothekargläubigerin F-KG durch Urteil zugesprochenen Betrag von 35 Mill. S samt Anhang zwar schulde, aber nicht aus dem Rechtsgrunde des Darlehens. Sie zog daraus den (rechtlichen) Schluß, daß die Pfandrechtseinverleibung auf Grund eines fingierten Titels, d. h. eines Scheinvertrages, erfolgt und nichtig sei.

Ein Scheingeschäft im Sinne des § 916 ABGB liegt vor, wenn eine Willenserklärung mit Einverständnis des Vertragspartners zum Schein abgegeben wird. Das Scheingeschäft setzt somit gemeinsamen dolus voraus, der schon bei Abschluß des Scheinvertrages gegeben sein muß. Scheinverträge werden in der Regel zur Täuschung und Schädigung von Dritten, Privatpersonen wie Behörden, geschlossen. Nur selten ist die Absicht der Parteien bloß darauf gerichtet, ihre Privatangelegenheiten geheim zu halten. Das zum Schein geschlossene Geschäft wirkt zwischen den Parteien nicht, da es ja nicht gewollt ist (Gschnitzer in Klang[2]IV/1, 420 f.; SZ 49/82; SZ 47/59 u. a.). Auf die Ungültigkeit des Scheingeschäftes kann sich auch der Dritte berufen (Gschnitzer a. a. O., 421; SZ 43/134; SZ 35/71). Nichtig ist das Scheingeschäft allerdings nur dann, wenn die Parteien überhaupt nicht die Absicht hatten, ein Rechtsgeschäft abzuschließen (absolutes Scheingeschäft). Wollten hingegen die Vertragsparteien bloß ein anderes, wirklich gewolltes Geschäft (verdecktes Geschäft) verschleiern, so gilt zwischen ihnen nicht das Scheingeschäft, sondern das dissimulierte Rechtsgeschäft (Gschnitzer a. a. O., 423 f.; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[5] I, 103; SZ 48/36; SZ 49/82; EvBl. 1958/179; MietSlg. 23 084 u. a.). Die tatsächlichen Voraussetzungen für ein absolutes Scheingeschäft wurden von der Widerspruchswerberin nicht behauptet. Ein solches läge nur dann vor, wenn auch die Bestellung eines vertraglichen Pfandrechtes nur zum Schein vereinbart worden wäre, die Vertragspartner also die Verpfändung der Liegenschaft gar nicht gewollt hätten. In dieser Richtung wurde von der Widerspruchswerberin nichts vorgebracht. Die Revisionsrekurswerberin geht vielmehr noch im Revisionsrekurs davon aus, daß die Verpflichtete der F-KG den Betrag von 35 Mill. S samt Anhang, zu dessen Zahlung sie verurteilt wurde, schuldete, sie bestreitet nur den in der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde sowie im Grundbuch angeführten Rechtsgrund dieser Forderung und deren "rechtmäßige Zuordnung zu den Pfandrechten COZ 3/7 und 8". Der Rechtsgrund der Forderung ist aber insofern ohne Belang, als jede Forderung, aus welchem Gründe immer, durch Pfand gesichert werden kann und der Rechtsgrund durch die Pfandbestellung nicht verändert wird (Klang a. a. O., 413 f.). Eine Werklohnforderung kann also hypothekarisch sichergestellt werden. Wenn die Vertragspartner tatsächlich kein Darlehen gewollt haben sollten, weder die Gewährung eines neuen Darlehens noch die Umwandlung des Werklohnes in eine Darlehensschuld, so läge deshalb noch kein absolutes und nichtiges Scheingeschäft vor. Diesfalls könnte die Widerspruchswerberin lediglich verlangen, daß das Geschäft auch ihr gegenüber nach seiner wahren Beschaffenheit beurteilt werde. Damit wäre für sie aber nichts gewonnen, da die hypothekarische Sicherstellung von Werklohnforderungen, wie schon erwähnt, gültig vereinbart werden kann. Die im § 449 ABGB für das Pfandrecht geforderte Voraussetzung einer gültigen Forderung ist daher auch dann erfüllt, wenn die pfandrechtlich sichergestellte Forderung der F-KG nicht aus einem Darlehensvertrag, sondern auf Grund eines Werkvertrages zusteht. Der Entscheidung GlUNF 3024, auf die sich Klang a. a. O. und auch die Revisionsrekurswerberin beruft, hatte einen anderen Sachverhalt zum Gegenstand; der Hypothekargläubigerin stand weder die sichergestellte Wechselforderung noch überhaupt eine Forderung zu. Es lag also ein absolutes Scheingeschäft vor, das tatsächlich nichtig war und daher auch die Nichtigkeit des im Grundbuch einverleibten Pfandrechtes zur Folge hatte.

Für den Standpunkt des Revisionsrekurses ist auch aus der Entscheidung EvBl. 1974/128 = NZ 1974, 111 nichts zu gewinnen, denn sie betraf einen Fall, in welchem die Pfandgläubigerin das gültige Pfandrecht nachträglich auf andere Forderungen ausdehnen wollte.

Der Widerspruch ist somit auch dann, wenn weder ein Darlehensvertrag geschlossen noch die bestehende Schuld in eine Darlehensschuld umgewandelt wurde, aus rechtlichen Gründen unberechtigt.

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