OGH 1Ob698/79

OGH1Ob698/793.9.1979

SZ 52/130

Normen

ABGB §863
ABGB §914
ABGB §1090
ABGB §1116a
ABGB §1392
ABGB §1393
HGB §17
HGB §142
ABGB §863
ABGB §914
ABGB §1090
ABGB §1116a
ABGB §1392
ABGB §1393
HGB §17
HGB §142

 

Spruch:

Wird der Mietvertrag über ein Geschäftslokal mit einer Offenen Handelsgesellschaft abgeschlossen, muß mangels anderer Vereinbarung der Parteienwille dahin verstanden werden, daß als Vertragspartner der jeweilige Inhaber des Unternehmens, mag er auch zwischenweilig ein Einzelkaufmann gewesen sein, gelten soll

OGH 3. September 1979, 1 Ob 698/79 (OLG Wien 3 R 74/79; HG Wien 37 Cg 25/79)

Text

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses Wien 5, S-Straße 68, in dem die Firma Wilhelm H Q Co., eine mit dem Verkauf von Beleuchtungskörpern und Elektrogeräten befaßte Offene Handelsgesellschaft, schon vor dem Jahre 1972 Mieterin von Geschäftsräumlichkeiten war. Persönlich haftende Gesellschafter waren zuletzt Elfriede H und Peter W; als letzterer aus der Gesellschaft ausschied (Durchführung im Handelsregister am 24. Jänner 1972) und Elfriede H Alleininhaberin des unter derselben Firma weitergeführten Unternehmens wurde, ging das Mietrecht auf diese über. Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1978 grundete Elfriede H mit Christian K und Rosa D eine Offene Handelsgesellschaft unter derselben Firma, in welcher sie die Mietrechte an den Unternehmensgeschäftsräumlichkeiten einbrachte. Am 24. Feber 1978 (Übergabsstichtag 4. Jänner 1978) kauften die genannten Gesellschafter von Elfriede H deren Geschäftsanteil. Die Mietzinsvorschreibung für das erste Quartal 1978 erfolgte an "H & Co.", die folgenden Vorschreibungen an Elfriede H.

Der Kläger begehrt gegenüber der beklagten Partei, der Firma Wilhelm H & Co. mit den Gesellschaftern Christian K und Rosa D, die Feststellung, daß ihr keine Bestandrechte an den von ihr benützten, im Haus Wien 5, S-Straße 68, gelegenen Geschäftsräumlichkeiten gegenüber dem Kläger zustehen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Durch Einbringung der Mietrechte in die neue Offene Handelsgesellschaft, deren Gründung selbst nach dem Vorbringen in der Klage nicht ausschließlich zum Erwerb der Mietrechte erfolgt sei, sei die Offene Handelsgesellschaft Mieterin geworden und es auch nach dem Ausscheiden der Elfriede H geblieben. Die Grundsätze der Rechtsprechung über die Zustimmung des Hauseigentümers zum Mietrechtsübergang von einer Offenen Handelsgesellschaft auf den übernehmenden Gesellschafter könne auch auf den Übergang von Elfriede H auf die Offene Handelsgesellschaft angewendet werden, da es sich ebenfalls um dasselbe Unternehmen handelte. Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entscheide, 2000 S übersteige. Durch das Ausscheiden des Gesellschafters Peter W aus der mit Elfriede H bestandenen Offenen Handelsgesellschaft sei das unter der Firma Wilhelm H & Co. betriebene Unternehmen ohne Liquidation mit seinen Aktiven und Passiven auf Elfriede H als verbleibender Gesellschafterin übergegangen und eine Einzelfirma geworden. Elfriede H sei ab diesem Zeitpunkt Alleinträgerin sämtlicher Rechte und Verpflichtungen, die die Gesellschaft bis dahin gehabt habe, geworden und damit auch alleinige Hauptmieterin der klagsgegenständlichen Geschäftsräumlichkeiten gewesen. Der Kläger habe mit der Offenen Handelsgesellschaft und ihrer Firma einen Mietvertrag geschlossen, so daß mangels anderer Vereinbarung auch nur seine Zustimmung zum Übergang der Mietrechte auf später in die nämliche Gesellschaft eintretende Gesellschafter gegeben gewesen sei. Mit Christian K und Rosa D habe eine neue Offene Handelsgesellschaft begrundet werden müssen, in die Elfriede H die Mietrechte am Firmenlokal eingebracht habe. Dem habe sich der Kläger nicht widersetzen können, jedoch sei der Vertrag zwischen Elfriede H als Bestandnehmerin und der Gesellschaft ohne seine Zustimmung dem Kläger gegenüber wirkungslos. Eine vollständige Schuldübernahme komme nur mit Zustimmung des Bestandgebers zustande; ihm könne ein Mieter nicht gegen seinen Willen aufgedrängt werden. Der Kläger müsse zwar die Benützung des Bestandgegenstandes durch die Gesellschaft dulden, es sei aber keine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen der Gesellschaft und dem Kläger entstanden. Die Rechtslage sei so, wie wenn Elfriede H an Christian K und Rosa D, ohne mit ihnen ein Gesellschaftsverhältnis einzugehen, ihr lebendes Unternehmen, zu dem auch die gegenständlichen Mietrechte gehören, veräußert hätte. Daß die neugegrundete Offene Handelsgesellschaft ihre Geschäfte unter dem Firmennamen der alten Offenen Handelsgesellschaft betreibe, sei ohne Belang. Über die Revision der beklagten Partei änderte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß er das Urteil des Erstgerichtes wiederherstellte.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der OGH hat, wie bereits die Vorinstanzen darlegten, in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, daß dann, wenn ein Mietvertrag mit einer Gesellschaftsfirma abgeschlossen wurde, der Bestandvertrag nicht gerade auf die Personen der einzelnen Gesellschafter beschränkt wurde, so daß es bei einem Wechsel in den Personen der Gesellschafter zum Übergang der Mietrechte auf die neuen Gesellschafter einer neuen Zustimmung des Vermieters nicht bedarf; diese Zustimmung ist vielmehr mangels gegenteiliger Vereinbarung von vornherein durch den Abschluß des Mietvertrages mit der Firma als erteilt anzusehen (§ 863 ABGB); der OGH gelangte zu dieser Auffassung aus der Erwägung, daß bei der Miete eines Geschäftslokals in der Regel die Person des Mieters gegenüber dem Unternehmen in den Hintergrund trete und daher ein Wechsel in den Personen der Inhaber des Unternehmens das Bestandverhältnis nicht berühre (SZ 25/31 1; SZ 22/182; ZBl. 1930/325). Der OGH vertrat aber auch die Auffassung, daß dieser Rechtsgrundsatz wegen der rechtlichen Gleichheit der Gründe auch dann gelten müsse, wenn die Gesellschaftsfirma durch Austritt der übrigen Gesellschafter sich in eine Einzelfirma umwandelte; der mit der Gesellschaft abgeschlossene Mietvertrag wird daher durch deren Auflösung nicht aufgelöst, sondern geht auf den das Geschäftslokal übernehmenden Gesellschafter über (SZ 25/311) oder bei Auflösung auf die bisherigen Gesellschafter (SZ 10/325). Es wurde aber auch die Auffassung vertreten, daß sowohl die Umwandlung einer Gesellschaft m. b. H., mit der der Bestandvertrag abgeschlossen wurde, in eine Offene Handelsgesellschaft als auch sodann die Übernahme der Gesellschaft durch einen der Gesellschafter vom Vermieter hingenommen werden muß, so daß an - Stelle der Ges. m. b. H. ein Einzelkaufmann Mieter wird (JBl. 1930, 495). Mangels gegenteiliger Vereinbarung ist die Zustimmung hiezu als von vornherein durch den Abschluß des Mietvertrages mit der Gesellschaftsfirma als erteilt anzusehen (HS I 39; HS I 72; MietSlg. 4984, 4982, 3634 u. a.). Der OGH vertrat auch den Standpunkt, daß der Vermieter zumindest dann, wenn die Gesellschafter beider Gesellschaften zunächst dieselben Personen sind, es hinnehmen muß, wenn das Mietrecht an einem Geschäftslokal aus einer Offenen Handelsgesellschaft ausgeschieden und auf eine andere Offene Handelsgesellschaft übertragen wird; der Änderung der Zugehörigkeit des Bestandrechtes zu einer anderen Vermögensmasse, die unter einer anderen Bezeichnung im Geschäftsverkehr auftritt, kann keine so weittragende Bedeutung beigemessen werden, daß nunmehr der Abschluß eines neuen Mietvertrages notwendig wäre; es genügt die bloße Bekanntgabe des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages, mit dem die Bezeichnung des Bestandnehmers geändert wurde, an den Vermieter (MietSlg. 25 131/28). Anders wurde die Rechtslage nur beurteilt, wenn der Mietvertrag mit einer Einzelfirma abgeschlossen wurde, da die Firma nur der Name ist, unter dem ein Kaufmann im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt (§ 17 Abs. 1 HGB), und Träger des Rechtes nicht die Firma, sondern die hinter ihr stehende Rechtspersönlichkeit, bei einer Einzelfirma der jeweilige Inhaber ist, bei dem auch Geschäfts- und Privatvermögen nicht unterschieden werden. Es wurde daher ausgesprochen, daß der Vermieter, der mit einer Einzelfirma einen Mietvertrag über Räume abgeschlossen hat, nur Vertragspartner des Alleininhabers wird und nicht angenommen werden kann, daß der Vermieter Vertragspartner des jeweiligen Unternehmers sein wollte (HS I 72). Der Vermieter kann sich in einem solchen Fall nur nicht der Einbringung der Mietrechte in eine Offene Handelsgesellschaft widersetzen, doch ist der Vertrag zwischen dem Bestandnehmer und der Gesellschaft ohne Zustimmung des Vermieters diesem gegenüber wirkungslos (MietSlg. 28 332 u. a.).

Die Unterscheidung in der Judikatur ist dahin zu verstehen, daß derjenige, der einen Mietvertrag mit einer Offenen Handelsgesellschaft abschließt, nicht nur damit rechnen muß, daß die Gesellschaft auf Grund einer Vereinbarung unter den Gesellschaftern auf einen einzigen Gesellschafter übergeht (Hueck, Das Recht der Offenen Handelsgesellschaft[4], 467; Baumbach - Duden, HGB[22], 525; Ulmer in Großkomm. HGB[3] II/1, 607 Anm. 42), sondern auch, daß die Personen der Gesellschafter überhaupt wechseln, unter Umständen durch Eintritt ganz neuer unter Ausscheidung aller bisheriger Gesellschafter (Hueck a. a. O., 399), so daß mangels anderer Vereinbarung der Parteienwille dahin verstanden werden muß, daß als Vertragspartner nicht bestimmte Personen, sondern der oder die Inhaber des Unternehmens anzusehen sind. Wird hingegen an einen Einzelunternehmen vermietet, ist ein solcher Parteienwille in Zweifel nicht zu unterstellen. Besonders deutlich brachte die Rechtslage die Entscheidung ZBl. 1930/325 zum Ausdruck, die u. a. ausführte, daß, wenn ein Mietvertrag mit einer Gesellschaftsfirma abgeschlossen und nicht gerade auf die Person der einzelnen Gesellschafter beschränkt wurde, in der Regel die Person des Mieters gegenüber dem Unternehmen in den Hintergrund tritt und daher der mit der Firma abgeschlossene Bestandvertrag durch den jeweiligen Träger der Firma fortgesetzt wird. Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten. Es ist kein relevanter rechtlicher Unterschied darin zu erblicken, daß der Kläger die Offene Handelsgesellschaft mit ihren nunmehrigen Gesellschaftern als Partner des Mietvertrages hinnehmen müßte, wenn die Gesellschafter unmittelbar an die Stelle der Gesellschafter Elfriede H und Peter W getreten wären, oder daß inzwischen das Unternehmen wegen Ausscheidens des Gesellschafters Peter W als Einzelunternehmen geführt wurde; auch daß bei einer Offenen Handelsgesellschaft eigene Vermögensmassen der Gesellschaft und der einzelnen Gesellschafter bestehen, wogegen beim Einzelkaufmann dessen Firmenvermögen und sein Privatvermögen ident sind, kann daran nichts ändern.

Zum selben Ergebnis muß man auch kommen, wenn man die Grundsätze des § 914 ABGB anwendet. Danach kommt es bei der Auslegung der Absicht der Parteien immer entscheidend auf den Vertragszweck an (EvBl. 1979/112 u. a.); dieser kann mangels anderer Vereinbarungen bei Abschluß eines Mietvertrages mit einer Offenen Handelsgesellschaft, bei der sich die dahinterstehenden Personen ändern können, nur darin gelegen sein, dem Unternehmen, in welcher Form es auch immer betrieben wird, die erforderlichen Geschäftsräume zur Verfügung zu stellen, ohne daß die dahinterstehenden Personen wesentlich sein sollen. Den Fall, daß das Unternehmen zunächst als Offene Handelsgesellschaft, dann als Einzelfirma und dann wieder als Offene Handelsgesellschaft geführt werden werde, haben die Parteien offenbar bei Abschluß des Mietvertrages nicht bedacht. Eine gerichtliche Vertragsergänzung hat immer dann stattzufinden, wenn nicht feststeht, was die Parteien in vertraglich nicht vorgesehenen Fällen gewollt haben; es ist dann festzustellen, was zwischen den Parteien in solchen Fällen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben im Verkehr und nach den Richtlinien des im Vertrag für die ins Auge gefaßten Verhältnisse ausgedrückten Willens rechtens sein soll (SZ 45/11; SZ 42/52; SZ 38/164; SZ 6/194 u. v. a.; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 408; Koziol - Welser[4] I, 77; Ehrenzweig[2] I/1, 261). Geht man vom Vertragszweck und davon aus, daß der Übergang der Rechte aus dem Bestandvertrag auf andere Gesellschafter oder einen Einzelunternehmer nicht gehindert werden konnte, kann es dann aber auch nicht als Parteienwille unterstellt werden, daß der jeweilige Inhaber des Unternehmens gerade dann nicht mehr Mieter sein sollte, wenn nicht ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel eintrat, sondern zwischendurch ein Einzelunternehmen geführt und erst später wieder eine Gesellschaft gegrundet wurde. Der Vertrag ist vielmehr dahin zu verstehen, daß Bestandnehmer der jeweilige Unternehmer sein sollte. Da dies derzeit die beklagte Partei in ihrer nunmehrigen Form als neugegrundete Offene Handelsgesellschaft mit den Gesellschaftern Christian K und Rosa D ist, erweist sich das auf Feststellung des Gegenteils gerichtete Klagebegehren als nicht berechtigt, so daß, dem Revisionsantrag entsprechend, das angefochtene Urteil dahin abzuändern ist, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen ist. Die umstrittene Frage der Zulässigkeit der Zession von Mietrechten (vgl. SZ 46/24 mit Anm. von Bydlinski in JBl. 1974, 95 f.) muß unter diesen Umständen nicht angeschnitten werden.

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