OGH 8Ob271/65

OGH8Ob271/6519.10.1965

SZ 38/164

Normen

ABGB §986
ABGB §986

 

Spruch:

Bei Wegfall des in einer Wertsicherungsklausel vereinbarten Wertmessers ist der dem weggefallenen Wertmesser am nächsten kommende Vergleichsmaßstab anzuwenden

Entscheidung vom 19. Oktober 1965, 8 Ob 271/65

I. Instanz: Bezirksgericht Wels; II. Instanz: Kreisgericht Wels

Text

Die Parteien beendeten am 18. Jänner 1956 den damals zwischen ihnen anhängigen Rechtsstreit beim Bezirksgericht Wels mit gerichtlichem Vergleich, in dem sie unter Punkt 3) vereinbarten:

"Josef und Viktoria A. (die nunmehrigen Kläger) überlassen dem X.- Verein (dem nunmehr Beklagten) die Nutzung sämtlicher auf dem Gelände des Traberzucht- und Rennvereines errichteten oder zu errichtenden Baulichkeiten, einschließlich der im sogenannten ehemaligen Schwitzstalle eingebauten Gerätekammer und Burschenwohnungen mit Ausnahme des im Punkt 1 genannten Wohnhauses. Für die Überlassung dieses Nutzungsrechtes verpflichtet sich der X.- Verein, den Ehegatten Josef und Viktoria A. ein lebenslängliches monatliches Ausgedinge von 1020 S, i. W. eintausendzwanzig Schilling, ab 1. Jänner 1956 bis zum 5. eines jeden Monates im vorhinein zu bezahlen.

Diese Rente ist wertgesichert, wobei als Wertmesser die derzeitige in Wien für gemauerte Stallboxen bestehende Boxmiete zu gelten hat. Diese beträgt derzeit laut Traberkalender des Wiener Trabrennvereines 1955 30 S. Für den Fall, daß ab Jänner 1956 eine höhere Gebühr festgesetzt werden sollte, gilt dieser höhere Betrag als Wertbasis.

Die vorgenannte Rente erhöht oder erniedrigt sich daher im Verhältnis zu allfälligen Erhöhungen der genannten Boxmiete, wobei eine Erhöhung oder Senkung bis 15% gegenüber obigem Wertmesser unberücksichtigt bleibt.

Die Kläger begehren im vorliegenden Falle die auf den September 1963 entfallende Rente in der Höhe von 2040 S und gehen davon aus, daß sich der Wertmesser seit dem Jahre 1960 auf 60 S erhöht hat.

Die beklagte Partei beantragt Klagsabweisung und wendet ein, der Wiener Trabrennverein habe ab 1. September 1963 die Boxmieten aufgelassen. Da im Jänner 1956 in Wien die Gesamtunterbringungskosten für ein Pferd im Monat 67 S betragen hätten, habe die Boxmiete per 30 S 41% hievon betragen. Bei den derzeit mit 20 S festgesetzten Gesamtunterbringungskosten für ein Pferd pro Monat sei für die Boxmiete ein Anteil von 8.20 S anzunehmen. Es ergebe sich daher eine Rentenverpflichtung von 408 S monatlich, welcher Betrag, nachdem die Kläger seine Annahme abgelehnt hätten, gerichtlich hinterlegt worden sei.

Im übrigen sei der im Vergleich vereinbarte Wertmesser nicht tauglich, die Kläger hätten jedoch einer Änderung des Vergleiches nicht zugestimmt.

Das Erstgericht gab der Klage statt und stellte fest:

Die im Vergleich vom 18. Jänner 1956 als Vergleichsmaßstab vereinbarte Boxmiete habe sich im Laufe der Zeit von 30 S auf 60 S erhöht. Die beklagte Partei habe demgemäß für August 1963 an die Kläger 2040 S bezahlt. Seit September 1963 sei in Wien die Miete von gemauerten Stallboxen nicht mehr möglich. Der Wiener Trabrennverein verlange aus Erkenntlichkeit für früher geleistete Hilfe von den Rennstallbesitzern für ein Pferd nur mehr einen Anerkennungszins von monatlich 20 S anstelle der vorher für Boxmiete, Bahngebühren und Nebengebühren eingehobenen 182 S.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, die vereinbarte Wertsicherung sei gültig und wirksam; sie widerspreche nicht den guten Sitten, sei nicht verboten und sei auch bestimmt. Der vereinbarte Wertmesser habe sich im September 1963 nicht etwa in einer den Änderungen der Kaufkraft nicht entsprechenden Weise in seiner Höhe gewandelt, sondern sei ganz weggefallen, da der Pauschalbetrag von 20 S mit einer Boxmiete nicht verglichen werden könne.

Die seinerzeit bereits durch den Wertmesser auf 2040 S erhöhte Rente bleibe solange in dieser Höhe, als nicht der Wertmesser ändernd eingreife. Dieser sei aber nunmehr weggefallen, sodaß es beim bisherigen Stand zu verbleibe habe.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß das Verfahren vor dem Erstgericht erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei.

Diese Entscheidung begrundete es wie folgt:

Die seinerzeit im gerichtlichen Vergleich vereinbarte Art der Wertsicherung und das Bestehen der Kläger auf dem aus der mittlerweiligen Gestaltung des Wertmessers bzw. der Erstarrung der Rente abgeleiteten doppelten Betrag verstoße nicht gegen die guten Sitten. Die Vertragspartner hätten zufolge ihrer Sachkenntnis um die Möglichkeit gewußt, daß die Schwankungen des Wertmessers nicht immer der Kaufkraft der Währungseinheit folgen. Die beklagte Partei habe überdies im Verfahren vor dem Erstgericht Sittenwidrigkeit nicht eingewendet. Der Umstand, daß der gewählte Wertmesser nicht verkehrsüblich sei, werde durch den Umstand wettgemacht, daß er dem Geschäftsbereich der Partner entlehnt worden sei. Die beklagte Partei hätte niemals geltend gemacht, die Leistung des erhöhten Betrages würde ihr wirtschaftlich schwerwiegende oder geradezu die Erfüllung des Vereinszweckes gefährdende Schwierigkeiten bereiten.

Nun sei der Wertmesser weggefallen; der vom Wiener Trabrennverein jetzt eingehobene Anerkennungszins könne mit der früheren Boxmiete nicht auf eine Stufe gestellt werden.

Bei Wegfall des Wertmessers komme von den drei Möglichkeiten, nämlich 1. dem Zurückgreifen auf den ursprünglich geschuldeten Grundbetrag, 2. der vom Erstgericht gewählten Möglichkeit, den in seiner letzten Höhe erstarrten Betrag anzunehmen, und 3. der Zugrundelegung eines dem weggefallenen am nächsten kommenden Wertmessers, rechtlich nur die letztere Möglichkeit in Betracht. Der Grundgedanke der Vereinbarung jeder Wertsicherung sei die Sicherung der Vertragspartner vor Änderungen der Kaufkraft der Währungseinheit. Die Vertragsteile müßten das Wagnis einer nicht der Kaufkraft der Währungseinheit folgenden Entwicklung des Wertmessers auf sich nehmen. Sei der Wertmesser und damit ein wesentlicher Teil des Vertrages weggefallen, so müsse der Vertrag nach dem durch den erwähnten Grundgedanken bestimmten Endzweck ausgelegt werden. Im vorliegenden Falle sei die Auffindung eines dem weggefallenen Wertmesser nahekommenden Wertmessers möglich, weil auch an anderen Orten Österreichs Trabrennvereine mit eigenen Rennställen bestunden.

Die anderen im Falle eines Wegfalles des vereinbarten Wertmessers aufgezeigten Möglichkeiten würden dem Wesen einer Wertsicherungsvereinbarung vor allem bei Dauerschuldverhältnissen nicht gerecht werden.

Es werde auch erforderlichenfalls, insbesondere dann, wenn kein dem weggefallenen nahekommender Wertmesser ermittelbar sein sollte, zu der Frage Stellung zu nehmen sein, ob der als lebenslängliches Ausgedinge bezeichneten Rente nach dem Willen der Vertragspartner Unterhaltscharakter zukommen sollte.

Da diese wesentlichen Tatsachen vom Erstgericht nicht erörtert worden seien, sei das erstgerichtliche Urteil aufzuheben gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Streitteile nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zum Rekurs der Kläger:

Die Kläger vertreten in ihrem Rechtsmittel den Standpunkt, bei Wegfall der vereinbarten Wertmessers sei der letzte durch diesen Wertmesser bestimmte Rentenbetrag, der gewissermaßen erstarrt sei, zuzusprechen. Es sei ohne eine Vereinbarung der Vertragsteile nicht zulässig, den dem weggefallenen Vergleichsmaßstab am nächsten kommenden Wertmesser zugrunde zu legen. Der Richter dürfe nicht solcherart in den Parteiwillen eingreifen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Die Streitteile haben in dem in Rede stehenden Vergleich für den Klagsanspruch eine, wie noch bei der Behandlung des Rekurses der beklagten Partei dargetan werden wird, gültige Wertsicherungsklausel vereinbart. Diese Wertsicherungsklausel sollte nach dem offensichtlichen Willen der Parteien den Zweck haben, den geltend gemachten Anspruch von den Schwankungen der Kaufkraft des Schillings unabhängig zu machen. Dies ergibt sich aus der Tatsache der Vereinbarung der Wertsicherung und aus dem Zweck derselben.

Die Parteien dachten jedoch nicht daran, für den Fall Vorsorge zu treffen, daß, wie es nun geschehen ist, der vereinbarte Wertmesser in Wegfall kommt. Hier weist der Vertrag eine Lücke auf, die nach der Bestimmung des § 914 ABGB. im Hinblick auf den offenbaren Zweck der getroffenen Vereinbarung, der Übung des redlichen Verkehrs entsprechend, durch Vertragsergänzung geschlossen werden muß. Es handelt sich dabei darum, nach den Richtlinien von Treu und Glauben im Verkehr und nach dem im Vertrag sonst zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien festzustellen, was in diesem Fall rechtens sein soll (SZ. XXVI 194, Ehrenzweig I/1, § 106 S. 261).

Soll dem aber Rechnung getragen werden, dann muß man der Klagsforderung zufolge des Wegfalles des vereinbarten Wertmessers einen anderen vorhandenen Wertmaßstab zugrunde legen. Zutreffend vertrat das Berufungsgericht den Standpunkt, daß der dem weggefallenen Wertmesser am nächsten kommende Vergleichsmaßstab in Betracht kommt. Es wird bei diesem Vorgehen der Wille der Vertragsteile nicht mißachtet, sondern lediglich ergänzt (vgl. § 7 ABGB.).

Bei der Entscheidung über den Klagsanspruch wird an die durch den bisherigen Wertmesser bestimmte Höhe der Rente anzuschließen sein, so daß der von den Klägern begehrte Betrag nur dann eine Herabsetzung erfahren darf, wenn der gefundene neue Wertmesser im September 1963 gegenüber dem August 1963 gesunken ist.

Dem Rekurs der Kläger war somit der Erfolg zu versagen.

Zum Rekurs der beklagten Partei:

Die beklagte Partei behauptet zunächst, die im Vergleich vom 18. Jänner 1956 vereinbarte Wertsicherung sei nicht üblich und sittenwidrig. Es sei jede der Parteien der Ansicht gewesen, daß die Kosten der Unterbringung eines Pferdes mit der Entwicklung der Kaufkraft des Schillings in Relation bleiben würden, was aber dann nicht der Fall gewesen sei. Der Wiener Trabrennverein sei in den Besitz großer Geldmittel gekommen, die es ihm ermöglicht hätten, seinen Mitgliedern in der nunmehrigen Berechnung eines Betrages von 20 S pro Monat für die Unterbringung eines Pferdes ein Benefizium auszuwerfen, um sie für die vorangegangenen höheren Belastungen zu entschädigen. Die getroffene Wertsicherungsvereinbarung komme daher einem Glücksspiel nahe; diese Sittenwidrigkeit sei von Amts wegen wahrzunehmen gewesen. Von diesem Gesichtspunkt aus sei auf die ursprünglich vereinbarte Rente von 1020 S zurückzugreifen.

Diese Ausführungen sind nicht stichhaltig.

Wertsicherungen verstoßen nach ständiger Lehre und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes an sich nicht gegen das Gesetz oder gegen die guten Sitten. Sie sind nur insoweit unzulässig, als sie der Gesetzgeber ausdrücklich verboten hat (wie Goldklauseln usw.). Als Vergleichsmaßstab kann der Preis einer jeden Ware oder Leistung herangezogen werden; in der Regel werden die Maßstäbe dem Lebenskreis der Beteiligten entnommen. Es ist nicht, wie der Rekurs vermeint, notwendig, daß die Maßstäbe verkehrsüblich sind. Keine Wertsicherungsklausel ist aber als ein idealer und unfehlbarer Maßstab anzusehen, sondern es bringt die Vereinbarung einer Wertsicherung für beide Teile immer Risken mit sich, sodaß die vereinbarte Wertsicherung oftmals den Erwartungen einer Vertragspartei nicht entspricht. In allen diesen Fällen sind die Parteien aber an den von ihnen gewählten Wertmesser gebunden, auch wenn seine Preisentwicklung nicht der nach irgendwelchen Indexzahlen gemessenen Preisgestaltung entspricht (Klang, Komm.[2] IV 201, 724, 732; SZ. XXII 82, 7 Ob 297/63 u. v. a. m.).

Gegen die guten Sitten verstößt nur, was dem Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft, das ist aller billig und gerecht denkenden Menschen, widerspricht. Die Gute-Sitten-Klausel soll den Richter instand setzen, bei offenbaren Rechtswidrigkeiten helfend einzugreifen (SZ. XXVII 19).

Diese Voraussetzungen treffen vorliegend nicht zu. Der von den Streitteilen vereinbarte Wertmesser war bestimmt und er entsprach dem von den Parteien bei seiner Wahl verfolgten Zweck. Die beklagte Partei hat selbst nicht behauptet, daß seine letzte festgestellte Höhe in bezug auf seine Verwendung zur Ermittlung des Aufwertungsanspruches infolge der in einer jeden Wertsicherungsklausel bis zu einem gewissen Grade enthaltenen Unrichtigkeit im Verhältnis zu der seit dem Jahre 1956 eingetretenen Geldentwertung in einem krassen Mißverhältnis gestanden wäre (3 Ob 513/56); die beklagte Partei hat sich bis zum August 1963 sogar an den vereinbarten Wertmesser gehalten. Ihr Vorbringen zur behaupteten Sittenwidrigkeit ist daher nicht schlüssig.

Völlig verfehlt ist auch der im Rekurs vertretene Standpunkt, die Boxmiete sei als anteiliger Prozentsatz der nunmehr vom Wiener Trabrennverein begehrten Gesamtunterbringungskosten für ein Pferd bestimmbar. Hier wird auf die Ausführungen der Untergerichte verwiesen, daß der Betrag von 20 S nur einen Anerkennungsbetrag darstellt, der nicht mit dem früheren Zins für die Miete einer gemauerten Stallbox in Relation gebracht werden kann.

Willkürlich wird im Rekurs schließlich auf den Lebenshaltungskostenindex Bezug genommen und der von den Klägern geltend gemachte Anspruch mit 1250 S berechnet. Es wurde der Rekurswerber bereits darauf hingewiesen, daß auch dann, wenn die Parteien bei Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel in ihrer Hoffnung, einen solchen Maßstab gefunden zu haben, der der jeweiligen Kaufkraft des Schillings am ehesten entspricht, getäuscht werden, dies grundsätzlich an der Verbindlichkeit ihrer Vereinbarung nichts ändert.

Es erweist sich somit, daß der Rekurs der beklagten Partei nicht im Recht ist, weshalb auch er von einem Erfolg nicht begleitet sein konnte.

Stichworte