OGH 3Ob162/78

OGH3Ob162/7817.1.1979

SZ 52/8

Normen

EO §135
EO §216
EO §217
EO §135
EO §216
EO §217

 

Spruch:

Das Befriedigungsrecht des betreibenden Gläubigers im Range der Anmerkung des Zwangsversteigerungsverfahrens erstreckt sich auch auf die von der Exekutionsbewilligung erfaßten länger als drei Jahre rückständigen Zinsen

OGH 17. Jänner 1979, 3 Ob 162/78 (KG St. Pölten R 355/78; BG Tulln E 5048/76)

Text

Aus dem Meistbot von 2 010 000 S der am 15. Dezember 1977 versteigerten Liegenschaft EZ 1 KG A wurde vom Erstgericht der betreibenden Partei a) auf ihre im Range COZ 3 pfandrechtlich sichergestellte Forderung aus dem Darlehensvertrag vom 13. November 1962 von 400 000 S samt 7% Zinsen und einer Nebengebührensicherstellung von 40 000 S der gesamte Kapitalsbetrag, 7% Zinsen für die Zeit vom 15. Dezember 1974 bis 15. Dezember 1977, diverse Kosten und ohne nähere Aufgliederung die Nebengebührensicherstellung von 40 000 S, sohin ein Betrag von insgesamt 583 916.57 S und b) im Range der in COZ 25 und 26 haftenden Anmerkungen bei Einleitung des Versteigerungsverfahrens für die exekutive Forderung - es handelt sich inhaltlich um dieselbe Darlehensforderung wie in COZ 3 - von 475 000 S samt 7% Zinsen seit 20. September 1971 und Kosten der noch aushaftende Kapitalrest von 75 000 S samt 7% Zinsen für die Zeit vom 15. Dezember 1974 bis 15. Dezember 1977 von zusammen 90 750 S zugewiesen. Die letzte Pfandgläubigerin Sigrid O kam nur mehr teilweise zum Zuge. Eine Zuweisung länger als drei Jahre rückständiger Zinsen lehnte das Erstgericht mit dem Hinweis ab, daß das Meistbot hiefür nicht ausreiche (§ 217 Abs. 1 Z. 2 EO).

Infolge Rekurses der betreibenden Partei änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Meistbotsverteilungsbeschluß dahin ab, daß es zu Lasten der letzten Pfandgläubigerin Sigrid O der betreibenden Partei im Range der in COZ 25 und 26 haftenden Anmerkungen der Einleitung des Versteigerungsverfahrens auch die mehr als drei Jahre rückständigen 7% Zinsen aus 475 000 S für die Zeit vom 20. September 1971 bis 15. Dezember 1974, die es unter Abzug eines (nach seinen Berechnungen) bereits in der zugewiesenen Nebengebührensicherstellung der Pfandforderung COZ 3 enthaltenen Betrages von 5 136 S mit 102 539 S ermittelte, zuwies. Es führte zur Begründung aus, die Bestimmung des § 216 Abs. 2 EO, daß nur die nicht mehr als drei Jahre rückständigen Zinsen im Pfandrang des Kapitals zum Zug kommen, gelte für durch Angabe des Zinsfußes bei Einverleibung des Kapitals eingetragene Vertragszinsen und für gesetzliche Zinsen und gebe dem nicht mehr als dreijährigen Rückstand dieser Zinsen den Befriedigungsrang des Kapitals. Die Bestimmung des § 216 Abs. 2 EO komme aber nicht auf einen Zinsenrückstand zur Anwendung, für welchen, sei es zugleich mit dem Kapital oder sei es in einem späteren Rang, ein Pfandrecht einverleibt worden sei, weil in diesem Falle die mehr als drei Jahre rückständigen Zinsen nicht im Range des Kapitals, sondern im Range des für den Zinsenrückstand einverleibten Pfandrechtes berücksichtigt würden, der bei gleichzeitiger Eintragung mit dem Rang des Kapitals gleich sein könne. Da im Falle der Eintragung eines Pfandrechtes für einen bestimmten Zinsenrückstand dieser aus dem Grundbuch entnommen werden könne, widerspreche diese Auslegung nicht dem Zweck des Gesetzes, dem Umfang des Pfandrechtes durch Auflaufen von Zinsen nicht zum Nachteil von Buchberechtigten in einem späteren Rang übermäßig anschwellen zu lassen. Es wäre sinnlos, für rückständige Zinsen einer bereits pfandrechtlich sichergestellten Forderung ein besonderes Pfandrecht einverleiben zu lassen (was für zulässig angesehen werde), wenn auch dann gemäß § 216 Abs. 2 EO nur ein nicht mehr als dreijähriger Zinsenrückstand zum Zuge kommen könnte. Für eine unterschiedliche Behandlung je nachdem, ob das Pfandrecht für den Zinsenrückstand zugleich mit dem Pfandrecht für das Kapital oder erst später einverleibt worden sei, bestehe keine gesetzliche Handhabe. Diese Erwägungen seien auch auf den hier vorliegenden Fall eines auf der Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens beruhenden Befriedigungsrechtes nach § 135 EO anzuwenden, da dieses nicht nur für einen Kapitalsbetrag, sondern auch für einen bestimmten Zinsenrückstand erworben worden sei. Es entspreche dem Sinn des § 135 EO, daß der betreibende Gläubiger, der ein Befriedigungsrecht erworben habe, mit der Befriedigung seiner Forderung samt Nebengebühren aus dem Versteigerungserlös allen jenen vorgehe, die erst später bücherliche Rechte oder Befriedigungsrechte an der Liegenschaft erworben hätten. Es sei daher der betreibenden Partei der gesamte betriebene Zinsenrückstand, soweit er nicht bereits im Range des Pfandrechtes COZ 3 bzw. in der Nebengebührensicherstellung dieses Pfandrechtes zugewiesen worden sei, im Range des Befriedigungsrechtes COZ 25 und 26 zuzuweisen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der verpflichteten Partei und der Hypothekargläubigerin Sigrid O nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Exekutionsordnung legt in den §§ 216 und 217 die Rangordnung fest, in welcher mangels einer davon abweichenden Vereinbarung aller im Einzelfall betroffenen berechtigten Personen (§ 214 Abs. 2 EO) die auf das Meistbot gewiesenen Forderungen der Gläubiger aus der Verteilungsmasse zu berücksichtigen sind. Soweit nicht eine vorzugsweise Befriedigung stattfindet (§ 216 Abs. 1 Z. 1 bis 3 EO), erfolgt sie grundsätzlich nach der bücherlichen Rangordnung oder der zeitlichen Reihenfolge der sonstigen Rechtsbegründungsakte. Nach § 216 Abs. 2 EO genießen die gerichtlich bestimmten Prozeß- und Exekutionskosten und die nicht länger als drei Jahre vor dem Tag der Erteilung des Zuschlages rückständigen, aus einem Vertrag oder aus dem Gesetze gebührenden Zinsen, Renten und Unterhaltsgelder und sonstigen wiederkehrenden Leistungen die gleiche Priorität mit dem Kapitale oder Bezugsrechte. Länger als drei Jahre rückständige derartige Forderungen kommen, sofern überhaupt ein Pfandrecht für sie besteht, nach § 217 '

Abs. 1 Z. 2 EO erst an letzter Stelle nach Befriedigung aller übrigen aus dem Meistbot zu berichtigenden Ansprüche zum Zuge. Durch diese vornehmlich dem Schutz der Nachhypothekare dienende Durchbrechung des bücherlichen Rangprinzips soll eine übermäßige und die Übersichtlichkeit des Grundbuches beeinträchtigende Ausweitung des Pfandranges verhindert werden (Klang in Klang[2] II, 474; Heller - Berger - Stix in Neumann - Lichtblau[4], 1481; SZ 10/37). Vertragliche oder gesetzliche Zinsen sind somit als Nebengebühren der Hypothekarschuld im Kapitalsrang grundsätzlich nur insoweit zu berichtigen, als es sich um nicht länger als drei Jahre vor dem Tage der Zuschlagserteilung aufgelaufene Rückstände handelt. Damit trifft § 216 Abs. 2 EO für das Verteilungsverfahren dieselbe Regelung wie § 17 GBG 1955 für die Pfandhaftung. Es fehlt jeder Anhaltspunkt, daß der Gesetzgeber im Falle der Zwangsversteigerung dem Pfandgläubiger größere Rechte einräumen wollte, als ihm das Grundbuchsgesetz zubilligt (SZ 10/67). Rechtsgeschäftliche Zinsen sind somit überhaupt nur dann zu berücksichtigen, wenn für sie entsprechend dem § 14 Abs. 1 GBG 1955 ein Pfandrecht begrundet worden ist (Walker, Öst. Exekutionsrecht[4], 242; Heller - Berger - Stix, 1481 f.; Klang in Klang[2] II, 473; SZ 9/239; ZBl. 1931/124). Es ist aber auch möglich, eine Zinsenforderung selbständig pfandrechtlich sicherzustellen. Dies kann auch zugleich mit der Einverleibung des Kapitals in Form einer besonderen Nebengebührensicherstellung erfolgen. Im Falle einer derartigen selbständigen pfandrechtlichen Sicherstellung sind auch länger als drei Jahre rückständige Zinsen, sofern gegen ihre Berücksichtigung nicht ein berechtigter Verjährungseinwand erhoben wird, in dem für sie erworbenen Pfandrang zu berücksichtigen; sie unterliegen als selbständige Forderung der Vorschrift des § 217 Z. 2 EO nicht (vgl. Neumann - Lichtblau[3] I, 692; Walker a. a. O., 243; Klang a. a. O., 421 f.; SZ 26/253; NZ 1936, 51).

Vorliegendenfalls geht es aber nicht um die Berücksichtigung von Zinsen einer rechtsgeschäftlich begrundeten Hypothekarforderung aus dem Meistbot der Pfandliegenschaft, sondern um das Befriedigungsrecht des betreibenden Gläubigers aus dem Erlös der von ihm in Exekution gezogenen Liegenschaft seines Schuldners. Denn es steht außer Frage, daß der mehr als dreijährige Zinsenrückstand der hereinzubringenden Forderung der betreibenden Partei keinesfalls im Range ihrer seinerzeit erworbenen Vertragspfandrechte zugewiesen werden kann (er wurde dort auch nicht angemeldet), sondern, wenn überhaupt, nur im Range ihres späteren Befriedigungsrechtes auf Grund der in COZ 25 und 26 haftenden Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens (vgl. SZ 38/85; JB 106 alt). Diese hat gemäß § 135 EO auch zur Folge, daß der betreibende Gläubiger in bezug auf die Befriedigung seiner vollstreckbaren Forderung samt Nebengebühren aus dem Versteigerungserlös allen späteren Buchberechtigten oder dem Versteigerungsverfahren beitretenden Gläubigern vorgeht, wobei sich die Priorität seines Befriedigungsrechtes nach dem im § 135 EO bezogenen § 29 GBG 1955 richtet. Ziel der Exekution ist die Berichtigung der durch den Exekutionstitel bestimmten vollstreckbaren Forderung des betreibenden Gläubigers. Sein Befriedigungsrecht erstreckt sich auf die Forderung als Ganzes einschließlich aller Nebengebühren (vgl. Heller - Berger - Stix, 1092). In diesem Sinne ist auch § 216 Abs. 1 Z. 4 EO zu verstehen, wonach die "nicht sichergestellte Forderung des betreibenden Gläubigers" - also einschließlich aller von der Exekutionsbewilligung erfaßten Nebengebühren - in der ihr zukommenden bücherlichen Rangordnung bei der Meistbotsverteilung zu berücksichtigen ist. Es kann - zumal sich aus den Materialien über die Gesetzwerdung für die Beurteilung der hier vorliegenden Frage nichts gewinnen läßt - dem Gesetzgeber der Exekutionsordnung nicht unterstellt werden, daß er dem betreibenden Gläubiger zwar im § 135 EO ein umfassendes Befriedigungsrecht für seine Gesamtforderung einräumt, dieses aber bei der Meistbotsverteilung unter Umständen nicht im vollen Umfang in dem durch Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens erworbenen Rang berücksichtigt. Es kann daher nicht angenommen werden, daß sich die Bestimmung des § 216 Abs. 2 EO, auf dessen inhaltliche Übereinstimmung mit § 17 GBG 1955 in Ansehung rückständiger Zinsen der Hauptschuld bereits hingewiesen wurde, auch auf das - richterliche - Befriedigungsrecht des betreibenden Gläubigers bezieht, soweit dieses mehr als drei Jahre rückständige Zinsen umfaßt (Walker a. a. O., 242; Neumann - Lichtblau[3] I, 692; SZ 13/11; GlUNF 872; GlU 7972; gegenteilig:

Heller - Berger - Stix, 1491; GlUNF 2939). Es darf in diesem Zusammenhang auch nicht übersehen werden, daß die Bestimmung des § 216 Abs. 2 EO über die auf drei Jahre begrenzte Berücksichtigung rückständiger Zinsen durchaus im Einklang mit der ebenfalls dreijährigen allgemeinen privatrechtlichen Zinsenverjährung (§ 1480 ABGB) steht, während Judikatschulden, auch wenn es sich dabei um Zinsen handelt, nach der Justizministerialverordnung RGBl. 105/1858 der ordentlichen dreißigjährigen Verjährung unterliegen. Auch dies spricht gegen eine Anwendung des § 216 Abs. 2 EO auf das auf Grund eines Exekutionstitels erworbene Befriedigungsrecht des betreibenden Gläubigers. Da sich § 217 Abs. 1 Z. 2 EO nur auf jene Nebengebühren bezieht, die nicht bereits nach § 216 Abs. 2 EO zugewiesen wurden, kommt bezüglich der zur Gänze nach § 216 Abs. 1 Z. 4 EO zu berücksichtigenden Forderung des betreibenden Gläubigers auch eine Anwendung des § 217 Abs. 1 Z. 2 EO nicht in Betracht.

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