Normen
ABGB §362
ABGB §365 Abs1
ABGB §365 Abs2
ABGB §431
JN §99
ABGB §362
ABGB §365 Abs1
ABGB §365 Abs2
ABGB §431
JN §99
Spruch:
Liegenschaften sind ungeachtet außerbücherlicher Veräußerung und Besitzübergabe während des Verfahrens zur grundverkehrsbehördlichen Genehmigung Vermögen des Verkäufers im Sinne des § 99 Abs. 1 JN. Gegen den persönlich haftenden Gesellschafter kann aus seiner Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft der Gerichtsstand des Vermögens der Personalhandelsgesellschaft in Anspruch genommen werden
OGH 9. November 1978, 6 Ob 729/78 (OLG Graz 4 R 140/78; KG Leoben 9 Cg 84/78)
Text
Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung des Schillinggegenwertes von 173 287.16 DM.
Bezüglich der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichtes berief sich der Kläger auf den Gerichtsstand des § 99 Abs. 1 JN mit der Begründung, die erstbeklagte Partei, eine Kommanditgesellschaft, die im Handelsregister München registriert sei und keinen Firmensitz in Österreich habe, besitze im Inland Vermögen, und zwar 292/100 000 Anteile der Liegenschaft EZ 163 KG G (Gerichtsbezirk I), wobei mit diesen Liegenschaftsanteilen das Wohnungseigentum an der im Haus II gelegenen Eigentumswohnung top Nr. 26 untrennbar verbunden sei. Der Zweitbeklagte sei persönlich haftender Gesellschafter der erstbeklagten Partei.
Die Beklagten wendeten örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein und begrundeten dies damit, daß die erstbeklagte Partei zwar bücherliche Eigentümerin der in der Klage genannten Liegenschaftsanteile sei, diese Anteile aber mit Kaufvertrag vom 1. Oktober 1976 an Bucho von W verkauft und die Eigentumswohnung am 8. Oktober 1976 an den Käufer übergeben habe, der seinerseits alle vertraglichen Verpflichtungen erfüllt habe. Der Kläger sei seit 4. Oktober 1976 beauftragt, diesen Kaufvertrag grundbücherlich durchzuführen, sei diesem Auftrag aber bisher nicht nachgekommen. Die Beklagten seien jedenfalls zu rechtmäßigen Verfügungen über die Liegenschaftsanteile nicht mehr befugt.
Das Erstgericht wies - nach abgesonderter Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede - die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit zurück.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die erstbeklagte Partei ist auf Grund des Kaufvertrages vom 11. September 1975 und 2. Feber 1976 grundbücherlicher Eigentümer von 292/100 000 Anteilen der Liegenschaft EZ 163 KG G im Gerichtsbezirk I, mit welchen Anteilen das Wohnungseigentum top Nr. II/26 untrennbar verbunden ist. Mit Kaufvertrag vom 1. Oktober 1976 wurde dieser Liegenschaftsanteil an Bucho von W verkauft. Der von der erstbeklagten Partei errichtete Kaufvertrag wurde dem Kläger zur Durchführung der grundbücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Käufer zugeleitet. Der Kläger hat den Kaufvertrag ordnungsgemäß zur Vergebührung angemeldet, das Ersuchen an die Grundverkehrskommission auf Tonband diktiert und dem Zweitbeklagten mit Schreiben vom 5. Oktober 1976 mitgeteilt, daß er das entsprechende Gesuch an die Grundverkehrskommission abgefaßt habe. Tatsächlich habe aber eine ehemalige Angestellte des Klägers das auf Tonband diktierte Gesuch an die Grundverkehrskommission nicht in Reinschrift übertragen, sondern den Akt mit dem Kaufvertrag abgelegt.
Erst anläßlich der Zustellung der Klagebeantwortung wurde dem Kläger das Versehen seiner Angestellten offenkundig. Der Käufer hat die Liegenschaftsanteile bereits übernommen und ist in die Wohnung eingezogen.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Vermögensgerichtsstand nach § 99 Abs. 1 JN gegeben sei. Das bücherliche Eigentum an einer inländischen Liegenschaft begrunde auch dann den Vermögensgerichtsstand, wenn bereits ein Vorvertrag über die Veräußerung und ein Rangordnungsbescheid bestehe. Einen Erschleichungsakt habe der Kläger nicht gesetzt, weil er die Schritte, die zur bücherlichen Übertragung der von der erstbeklagten Partei verkauften Miteigentumsanteile an den Käufer führen sollten, nicht wissentlich unterlassen habe.
Infolge Rekurses der beklagten Parteien änderte das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurückwies.
Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus:
Maßgebend für die Bejahung der Zuständigkeit nach § 99 JN sei der Zeitpunkt der Anhängigmachung der auf diesen Gerichtsstand gestützten Klage bei Gericht. In diesem Zeitpunkt müsse der Beklagte Vermögen im Inland besitzen. Unter Vermögen im Sinne des § 99 JN seien alle Güter des Beklagten zu verstehen, die einen Wert hätten. Einen Wert hätten aber nur jene Güter, in Ansehung welcher "ihm eine Macht zum Genusse gegeben sei", auch wenn sich dieser Genuß nur auf die Verfügungsmacht beschränken müßte. Es könnten daher nur solche Vermögensobjekte als ein Vermögen im Sinne dieser Gesetzesstelle angesehen werden, die eine Verfügungsmacht gewährten.
Die erstbeklagte Partei sei im Zeitpunkt der Klagseinbringung zwar bücherliche Eigentümerin der genannten Liegenschaftsanteile gewesen; sie habe diese aber bereits mit Kaufvertrag vom 1. Oktober 1976 (außerbücherlich) weiterverkauft und dein Käufer übergeben, wobei dieser die Eigentumswohnung bereits bezogen habe. Die grundbücherliche Durchführung des Kaufvertrages sei von der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung abhängig.
Ein Geschäft, das der Einwilligung einer Behörde bedürfe, sei bis zur Erteilung dieser Bewilligung aufschiebend bedingt. Dieses schwebende Geschäft zeitige aber Vorwirkungen und Pflichten. So dürfe keiner der Vertragspartner die Genehmigung wider Treu und Glauben vereiteln.
Daraus ergebe sich, daß der Verkäufer solange an den Kaufvertrag gebunden sei, solange dieses Geschäft nicht etwa durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung ungültig werde. Da die Entscheidung der Grundverkehrskommission bisher nicht erfolgt sei, habe die erstbeklagte Partei zur Zeit der Klagseinbringung (15. März 1978) über dieses im Inland gelegene Vermögen nicht verfügen können.
Der Grundsatz, daß der Kläger in seinem Vertrauen auf den durch die Öffentlichkeit des Grundbuches geschaffenen äußeren Tatbestand geschützt werden müsse, könne hier nicht von entscheidender Bedeutung sein. Denn der Kläger selbst sei es gewesen, der von der erstbeklagten Partei den Kaufvertrag zur grundbücherlichen Durchführung übermittelt erhalten habe. Ihm seien demnach auch die angeführten Wirkungen bekannt gewesen.
Das bücherliche Eigentum der erstbeklagten Partei an den 292/100 000 Anteilen der EZ 163 KG G könne unter diesen Umständen für sich allein nicht als Vermögen im Sinne des § 99 Abs. 1 JN angesehen werden.
Der Vermögensgerichtsstand werde durch das Vorhandensein von Gesellschaftsvermögen einer Personalhandelsgesellschaft auch für Klagen gegen die persönlich haftenden Gesellschafter begrundet. Im vorliegenden Fall sei dies aber deswegen bedeutungslos, weil das Vorhandensein eines Gesellschaftsvermögens der erstbeklagten Partei in Österreich im Sinne des § 99 Abs. 1 JN nach den dargelegten Rechtsausführungen zu verneinen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers Folge und stellte die Entscheidung des Erstrichters wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Lehre und Rechtsprechung (Fasching, Kommentar I, 478; GlUNF 5001; EvBl. 1940/24; EvBl. 1953/353; EvBl. 1963/280) stimmen darin überein, daß als Vermögen im Sinne des § 99 Abs. 1 JN nur solche Güter anzusehen sind, die eine Verfügungsmacht gewähren.
Zu Unrecht hat aber das Rekursgericht im vorliegenden Fall eine solche Verfügungsmacht der erstbeklagten Partei über die Anteile an der Liegenschaft EZ 163 KG G hinsichtlich derer sie noch immer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, verneint.
Auszugehen ist davon, daß die erstbeklagte Partei, solange nicht der Käufer im Sinne des § 431 ABGB als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wird und damit dem Erfordernis der gehörigen Erwerbungsart Rechnung getragen ist, Eigentümer der genannten Liegenschaftsanteile ist und bleibt. Der mit Bucho von W geschlossene Kaufvertrag begrundet gewiß obligatorische Verpflichtungen der erstbeklagten Partei, die aber nicht so weit gehen, daß ihre Verfügungsmacht über ihr Eigentum völlig aufgehoben wäre. Dieser Kaufvertrag bedarf im Sinne der §§ 1 Abs. 3, 4 Abs. 3 des Steiermärkischen Grundverkehrsgesetzes (LGBl. 72/1973) der Zustimmung der Grundverkehrskommission. Die Genehmigung eines Vertrages durch die Grundverkehrskommission ist eine Suspensivbedingung für die Wirksamkeit des Vertrages (6 Ob 727/77; 5 Ob 517/78 u. a.). Auch ein unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossener Vertrag bindet bereits die Vertragspartner insoweit, als der bedingt Verpflichtete alles tun und vorkehren muß, was notwendig ist, um bei Eintritt der Bedingung erfüllen zu können und alles unterlassen muß, was die Erfüllung verhindern würde (7 Ob 536/77; 1 Ob 622/77 u. a.). Die vollen Wirkungen des aufschiebend bedingten Vertrages treten erst dann ein, wenn die Bedingung verwirklicht ist. Erst dies führt dazu, daß die Ansprüche auf Übergabe der Sache und Zahlung des Kaufpreises entstehen (7 Ob 536/77; 6 Ob 598/77)- Daraus folgt, daß die erstbeklagte Partei vor Genehmigung des mit Bucho von W geschlossenen Kaufvertrages durch die zuständige Grundverkehrskommission zwar alles tun muß, um im Falle einer solchen Genehmigung den Vertrag erfüllen zu können, daß sie aber vor dieser Genehmigung zur Übertragung des Eigentums an den verkauften Liegenschaftsanteilen weder verpflichtet noch in der Lage ist.
Daß damit die hier in Frage stehenden Liegenschaftsanteile völlig der Verfügungsmacht der erstbeklagten Partei entzogen wären, kann nicht gesagt werden. Sie ist nach wie vor ihr Eigentümer, mag auch ihr Vollrecht im Sinne des § 362 ABGB durch die dargestellten obligatorischen Verpflichtungen gegenüber ihrem Vertragspartner beschränkt sein.
Es trifft nicht zu, daß die im Eigentum der erstbeklagten Partei stehenden Liegenschaftsanteile unter diesen Umständen für sie selbst und insbesondere für allfällige Gläubiger ohne wirtschaftlichen Wert wären. Bis zur Verbücherung des Eigentumsrechtes des Erwerbers, die erfahrungsgemäß einen nicht unerheblichen Zeitraum in Anspruch nimmt, bleibt vielmehr für einen allfälligen Gläubiger des Veräußerers die konkrete Befriedigungsmöglichkeit auf Grund eines zwischenzeitlich erworbenen Exekutionstitels hinsichtlich derartiger Liegenschaftsanteile gewahrt, weil der Käufer einer Liegenschaft, sofern das Eigentum zur Zeit der Exekutionsführung für ihn bücherlich noch nicht einverleibt ist, durch den Kaufvertrag selbst bei Einräumung des Besitzes kein Recht erlangt, das ihn zum Widerspruch gegen eine von einem Dritten geführte Exekution berechtigt (Heller - Berger - Stix, Kommentar I, 450; 5 Ob 257/73).
Unter diesen Umständen müssen aber die im Eigentum der erstbeklagten Partei stehenden Liegenschaftsanteile trotz ihres Verkaufes an Bucho von W als Vermögen der Erstbeklagten im Sinne des § 99 Abs. 1 JN angesehen werden, das den in dieser Gesetzesstelle normierten Gerichtsstand des Vermögens für die vorliegende Klage begrundet (so im Ergebnis auch Neumann, Kommentar I, 243; GlUNF 1901), soweit sie sich gegen die erstbeklagte Partei richtet.
Daß der Zweitbeklagte persönlich haftender Gesellschafter der erstbeklagten Partei ist, wird von den Beklagten selbst ausdrücklich zugegeben.
Das Rekursgericht hat zutreffend ausgeführt, daß im Sinne der Rechtsprechung Vermögen einer Personalhandelsgesellschaft für eine Klage gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter aus seiner Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft des Vermögensgerichtsstand nach § 99 Abs. 1 JN begrundet (GlUNF 6603; SZ 6/324). Damit ist für die vorliegende Klage aber auch insoweit, als sie sich gegen den Zweitbeklagten richtet, der Gerichtsstand des § 99 Abs. 1 JN gegeben.
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