OGH 2Ob550/78

OGH2Ob550/7819.10.1978

SZ 51/141

Normen

ABGB §1042 Abs1
ABGB §1358 Abs1
JN §1
ABGB §1042 Abs1
ABGB §1358 Abs1
JN §1

 

Spruch:

Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch (hier: Abgabenforderung) kann auch durch eine Legalzession nach § 1358 ABGB in seinem Wesen nicht geändert, mithin nicht zu einem privatrechtlichen Anspruch umgewandelt werden, weshalb der Geltendmachung eines derartigen öffentlich-rechtlichen Anspruches die von Amts wegen wahrzunehmende Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegenstunde, doch kann ein Anspruch nach § 1042 ABGB in Betracht kommen

OGH 19. Oktober 1978, 2 Ob 550/78 (OLG Wien, 2 R 48/78; KG St. Pölten 6 Cg 272/77)

Text

Mit der am 27. Mai 1977 eingebrachten Klage begehrt der Kläger vom Beklagten einen Betrag von 95 451 S samt 5% Zinsen seit 12. Juli 1973. Er brachte hiezu vor, daß der Beklagte am 12. Juli 1972 einen LKW an Dr. Heinrich K verkauft und die Lastenfreiheit des Fahrzeuges garantiert habe. Dr. Heinrich K habe im August 1972 den LKW an den Kläger weiterverkauft. Im September 1972 sei der LKW vom Zollamt Wien beschlagnahmt worden, weil für das aus der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich eingeführte Fahrzeug infolge mangelhafter Verzollung eine restliche Zollschuld von 95 451 S nicht bezahlt worden sei. Um die Freigabe des Fahrzeuges zu erreichen, habe der Klager am 12. Juli 1973 den Betrag von 95 451 S an das Zollamt Wien bezahlt. Da der Beklagte, der nur infolge grober Fahrlässigkeit von der Minderverzollung keine Kenntnis gehabt habe, für die Zollschuld persönlich hatte, sei diese durch die Zahlung des restlichen Zolles auf den Kläger übergegangen. Darüber hinaus habe Dr. Heinrich K alle seine Ansprüche gegen den Beklagten, insbesondere seine Regreßforderung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Rechtsgeschäft, dem Kläger abgetreten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß er den LKW in gebrauchtem Zustand von einem österreichischen Kraftfahrzeughändler gekauft habe, nachdem der LKW im Oktober 1970 in der Bundesrepublik Deutschland abgemeldet worden sei. Aus dem Kraftfahrzeugbrief habe er entnommen, daß der Lastkraftwagen am 1. März 1971 zur Verzollungsschätzung vorgeführt worden sei. Falls ihn eine besondere Sorgfaltspflicht bezüglich des Nachweises für die Verzollung treffe, so gelte dies auch für den Kläger, welcher gleichfalls Kaufmann sei. Die vom Kläger bezahlte Zollforderung sei ferner überhöht. Eine allfällige Forderung des Klägers sei zudem verjährt, da der Kläger die Klage erst vier Jahre nach Bezahlung der offenen Eingangsabgaben eingebracht habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf hiezu folgende wesentliche Feststellungen:

Das Bauunternehmen S in Kaiserslautern, Bundesrepublik Deutschland, bot den streitgegenständlichen LKW Mercedes LK 2220 in einem Inserat zum Verkauf an. Der Beklagte besichtigte das Fahrzeug in Kaiserslautern und befand den begehrten Kaufpreis als angemessen. Für die Einfuhr des LKW nach Österreich schaltete der Beklagte die Autohändler Sch. in Pforzheim, Bundesrepublik Deutschland, und G in Wien ein, um Eingangsabgaben zu ersparen. Diese beiden Autohändler hatte nämlich ein in interessierten Kreisen allgemein bekanntes System entwickelt, mit Hilfe von auf einen wesentlich geringeren als den tatsächlich vereinbarten Kaufpreis lautenden Gefälligkeitsfakturen gebrauchte LKW so zu behandeln, daß sich bei ihrer inländischen Zollschätzung niedrigere Werte ergeben und dadurch wesentlich geringere Eingangsabgaben zur Vorschreibung gelangen. Der Autohändler G erwarb für den Beklagten den Lastkraftwagen um zirka 30 000 DM von der Firma S bzw. vom Autohändler Sch., nachdem ihm der Beklagte eine Anzahlung zwischen 75 000 S und 95 000 S geleistethatte. Für die Bezahlung des restlichen Kaufpreises, dessen Höhe nicht mehr feststellbar ist, nahm der Beklagte bei der Landeshypothekenanstalt in Wien einen Kredit auf. Dort erfuhr er, daß gegen den Fahrzeughändler G Erhebungen laufen. Es wurde ihm daher geraten, die zollamtliche Schätzung nicht in Wien vornehmen zu lassen, wie dies bis dahin G getan hatte, sondern in St. Pölten. Am 1. März 1972 führte die Firma R den LKW dem Sachverständigen Ing. B in St. Pölten zur zollamtlichen Schätzung vor. Der Sachverständige ermittelt unter Bedachtnahme auf die total abgefahrenen Reifen, das laute Motor- und Getriebelaufes mit starkem Ölausstoß sowie die Beschädigungen von Plateau und Bordwänden einen Wert des Fahrzeuges von 70 000 S. Unter Zugrundelegung dieses Schätzwertes errechnete das Zollamt St. Pölten die Einfuhrabgaben. Nach deren Bezahlung stellte es eine Zollausweiskarte aus, mit welcher der Beklagte den LKW bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten anmeldete.

Am 11. Juli 1972 verkaufte der Beklagte den Lastkraftwagen um 195 000 S an den Autohändler Dr. K, wobei er dafür garantierte, daß keinerlei Forderungen bezüglich des Fahrzeuges bestehen. Am 2. August 1972 verkaufte Dr. K den LKW um einen nicht mehr feststellbaren Preis an den Kläger. Dr. K garantierte hiebei dem Kläger die Lastenfreiheit des Fahrzeuges. Das Zollamt Wien brachte in Erfahrung, daß der tatsächliche Kaufpreis bei der Einfuhr des Fahrzeuges nach Österreich zirka 30 000 DM betragen hat. Unter Zugrundelegung dieses Betrages hafteten Einfuhrabgaben von 95 451 S unberichtigt aus.

Ende September 1972 beschlagnahmte daher das Zollamt Wien beim Kläger den Lastkraftwagen. Nachdem der Kläger die offenen Einfuhrabgaben von 95 451 S am 12. Juli 1973 bezahlt hatte, wurde der LKW vom Zollamt Wien freigegeben. Am 20. Mai 1977 zedierte Dr. K dem Kläger seine Regreßforderung gegen den Beklagten aus dem Verkauf des gegenständlichen LKW an ihn, von welcher Zession der Beklagte durch die Zustellung der Klage Kenntnis erhielt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß durch die Zahlung der restlichen Zollschuld die Abgabenforderung der Republik Österreich gegen den Beklagten, der für die Lastenfreiheit des LKW garantiert habe, gemäß § 1358 ABGB auf den Kläger übergegangen sei. Da Abgabenforderungen gemäß § 238 BAO nur einer Einhebungsverjährung von fünf Jahren unterliegen, sei die Verjährungseinrede des Beklagten unbegrundet. Dem Kläger könne auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er gegen die Vorschreibung der offenen Zollschuld kein Rechtsmittel ergriffen habe, da der Beklagte keine Umstände vorgebracht habe, aus denen sich ein Erfolg eines solchen Rechtsmittels ergeben hätte.

Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen mit Ausnahme jener, daß der Beklagte bei Verkauf des LKW an Dr. K Kenntnis von der Minderverzollung hatte. In rechtlicher Hinsicht führte es im wesentlichen aus:

Soweit im Klagebegehren eine allfällige Schadenersatzforderung erblickt werden könne, sei diese verjährt, weil dafür die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB gelte, die mit der Beschlagnahme des LKW durch das Zollamt Wien im September 1972 zu laufen begonnen habe. Bezüglich des Rechtsgrundes nach § 1358 ABGB sei relevant, daß durch die Beschlagnahme gemäß § 178 ZollG Sachhaftung begrundet worden sei, die ex lege mit dem Erlöschen der Zollschuld gemäß § 176 ZollG ende. Die Legalzession nach § 1358 ABGB finde auch bei der Bezahlung fremder Schulden des öffentlichen Rechtes Anwendung und der Regreßanspruch folge derselben Verjährungszeit wie der Anspruch des Gläubigers. Der Kläger, den als Eigentümer des LKW die Sachhaftung nach § 178 ZollG getroffen habe, sei dadurch, daß er die auf dem LKW haftenden Eingangsabgaben zahlte, in die Rechtsstellung der Republik Österreich als Gläubiger gegen den für die Eingangsabgaben persönlich haftenden Schuldner eingetreten. Die hier anzuwendende fünfjährige Verjährungsfrist des § 238 Abs. 1 BAO sei bei Klagseinbringung noch nicht abgelaufen gewesen und die Verjährungseinrede des Beklagten bezüglich der Legalzession nach § 1358 ABGB daher nicht berechtigt.

Die Rechtssache sei jedoch mangels Feststellungen, aus denen abzuleiten ist, daß der Beklagte für die vom Kläger bezahlte Zollschuld persönlich hafte und demnach gemäß § 1358 ABGB zum Ersatz gegenüber dem Kläger verpflichtet sei, nicht entscheidungsreif. Nach § 174 Abs. 3 lit. c ZollG hafte für die Zollschuld persönlich, wer unrichtige oder unvollständige Angaben in der Warenerklärung, der Erklärung zur Ermittlung des Zollwertes, der Versendeerklärung oder in sonstigen Begleitpapieren gemacht hat. Nach § 174 Abs. 4 ZollG hafte der Warenempfänger, falls dieser in der schriftlichen Erklärung oder in der zollamtlichen Abfertigungsurkunde genannt ist. Feststellungen darüber, ob eines dieser Tatbestandsmerkmale auf den Beklagten zutrifft, habe das Erstgericht jedoch nicht getroffen. Es bedürfe daher ergänzender Feststellungen dahin, ob der Beklagte selbst unrichtige Angaben gegenüber dem Zollamt gemacht habe oder Warenempfänger im Sinne des § 174 Abs. 4 ZollG gewesen sei. Komme das Erstgericht zum Ergebnis, daß dies auf den Beklagten nicht zutreffe, so seien weitere Feststellungen darüber erforderlich, ob der Autohändler G oder die Firma R, die den LKW zur zollamtlichen Schätzung vorgeführt habe, namens des Beklagten, also als dessen direkter Stellvertreter gemäß § 1017 ABGB, die oben angeführten unrichtigen Angaben gemacht habe oder als Vertreter des Beklagten als Warenempfänger angeführt sei.

Im Rahmen der Zession könne der Beklagte dem Kläger nur einwenden, daß die Forderung des Dr. K ihm gegenüber verjährt sei, nicht aber, daß die Forderung des Klägers gegenüber Dr. K verjährt gewesen sei, als er diese seine Forderung geltend machte. Die dreijährige Verjährungsfrist der zedierten Forderung Dr. K gegenüber dem Beklagten habe zu jenem Zeitpunkt zu laufen begonnen, zu welchem Dr. K Kenntnis davon erhielt, daß auf dem LKW unberichtigte Eingangsabgaben haften. Auch diesbezüglich mangle es dem angefochtenen Urteil an Feststellungen.

Der Rekurswerber stimmt dem Berufungsgericht zwar darin zu, daß in Ansehung einer Beurteilung des Sachverhaltes nach § 174 Abs. 3 lit. c ZollG noch Erhebungen erforderlich seien, hält jedoch die Rechtssache auf Grund des Tatbestandes des § 174 Abs. 3 lit. a ZollG für entscheidungsreif. Zur Begründung des Haftungstatbestandes nach dieser Gesetzesstelle komme es allein darauf an - was hier zutreffe -, daß im Zeitpunkt des Erwerbes des LKW durch den Beklagten Zollhängigkeit bestanden habe. Die persönliche Haftung jenes, der den Tatbestand nach dieser Gesetzesstelle verwirklicht, erlösche nicht durch Beendigung der Zollhängigkeit.

Dem Rekurs kann nicht beigepflichtet werden. Das Berufungsgericht hat zutreffend den Sachverhalt hinsichtlich des Entstehens der Zollschuld der Bestimmung des § 174 Abs. 3 lit. c ZollG unterstellt, weil Verfahrensgegenstand - sowohl im gegenständlichen Rechtsstreit als auch in dem nach der Beschlagnahme des LKW anhängigen Zollverfahren der "unerhoben gebliebene Betrag" (§ 174 Abs. 3 lit. c ZollG) war. Der "unerhoben gebliebene Betrag" könnte eine - vom Kläger bezahlte - Zollschuld des Beklagten sein, falls dieser es war, der durch unrichtige Angaben bewirkte, daß der LKW unter Festsetzung desgeringeren Zollbetrages ausgefolgt wurde. Entgegen der Meinung des Rekurswerbers richtig hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß die Zollhängigkeit des LKW nach § 46 Abs. 4 ZollG durch die seinerzeitige Ausfolgung erloschen ist (vgl. Manhart - Fuchs, Das Österreichische Zollrecht[2], Anm. 12 zu § 46 ZollG). Durch die Beschlagnahme (§ 25 Abs. 2 ZollG) des Fahrzeuges beim Kläger trat eine neuerliche Zollhängigkeit (§ 46 Abs. 2 ZollG) ein, die wiederum durch die Ausfolgung nach Bezahlung des "unerhoben gebliebenen Betrages" im Sinne des § 46 Abs. 4 lit. a ZollG erloschen ist.

Zu bemerken ist aber folgendes:

Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch kann auch durch eine Legalzession nach § 1358 ABGB in seinem Wesen nicht geändert, mithin nicht zu einem privatrechtlichen Anspruch umgewandelt werden, weshalb der Geltendmachung eines derartigen öffentlich-rechtlichen Anspruches die von Amts wegen wahrzunehmende Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegenstunde. Die Klagsbehauptungen lassen sich jedoch dem § 1042 ABGB unterordnen (vgl. Nr. 13 und 14 zu § 1042 ABGB MGA[30]), und das Begehren nach § 1042 ABGB ist auch dann im Rechtsweg geltend zu machen, wenn die gesetzliche Verpflichtung des Beklagten zu dem Aufwand öffentlich-rechtlicher Natur ist (SZ 8/97; SZ 19/144; SZ 24/59). Dabei verschlägt es nichts, daß im vorliegenden Falle auf Grund der zollrechtlichen Bestimmungen reine Sachhaftung besteht, weil die interne Auseinandersetzung der beteiligten Zollschuldner nach § 896 ABGB zu erfolgen hat. Diese Fälle unterliegen übrigens der 30jährigen Verjährungszeit.

An Hand dieser rechtlichen Beurteilung erweisen sich aber die Feststellungsgrundlagen des Ersturteils als ergänzungsbedürftig, weshalb der OGH der vom Berufungsgericht beschlossenen Aufhebung zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung nicht entgegentreten (Fasching IV, 414; SZ 28/29 u. a.) und dem Rekurs daher kein Erfolg beschieden sein kann.

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