Normen
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333 Abs1
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §334
Straßenverkehrsordnung 1960 §5
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §333 Abs1
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §334
Straßenverkehrsordnung 1960 §5
Spruch:
Aufseher im Betrieb ist nur eine Person, die über die Durchführung von Betriebsvorgängen bestimmen kann, nicht aber schon jemand, der bloß mitfahrenden Personen in seiner Funktion als Kraftfahrzeuglenker Anweisungen über das Verhalten im Kraftfahrzeug geben kann. Grobe Fahrlässigkeit eines alkoholisierten Lenkers
OGH 21. September 1978, 2 Ob 115/78 (OLG Wien 10 R 60/78; LGZ Wien 35 Cg 734/77)
Text
Michael P lenkte am 5. November 1974 den bei der Beklagten haftpflichtversicherten LKW VW 21 seines Dienstgebers, des Sodawassererzeugers Hermann Sch., auf der Kirchschlager Bundesstraße. Bei Straßenkilometer 8.26 kam das Fahrzeug von der Fahrbahn ab und prallte schließlich gegen eine Mauer. Der im LKW mitfahrende, bei der Klägerin unfallversicherte Hermann F, der ebenfalls Dienstnehmer des Hermann Sch. war, wurde schwer verletzt. Die Klägerin anerkannte den Unfall als Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs. 1 ASVG und erbrachte an Hermann F Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Michael P wurde wegen dieses Unfalles mit Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 17. Jänner 1975 strafgerichtlich verurteilt, weil er sich fahrlässig durch Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorhergesehen hat, daß ihm das Lenken eines Kraftfahrzeuges bevorstehe und infolge mangelnder Beobachtung der Fahrbahn von dieser nach rechts abkam und gegen eine Mauer prallte.
Die Klägerin begehrte Ersatz ihrer an Hermann F bisher erbrachten Leistungen in Höhe von 113 010.80 S samt Anhang und die Feststellung, daß die Beklagte im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages verpflichtet sei, der Klägerin alle jene Auslagen zu ersetzen, welche diese aus Anlaß des Unfalles auf Grund der jeweils in Geltung stehenden sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen über die gesetzliche Unfallversicherung an Hermann F zu erbringen habe. Sie begrundet die Klage damit, daß Michael P den Unfall als Aufseher im Betrieb des Hermann Sch. grob fahrlässig verschuldet habe. Hilfsweise stützte die Klägerin ihre Ersatzansprüche auf § 332 Abs. 1 ASVG.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung mit der Begründung, daß kein Arbeitsunfall vorliege, Michael P nicht Aufseher im Betrieb gewesen sei und sein Verschulden am Unfall im Hinblick auf das Mitverschulden des Verletzten nur als leicht zu qualifizieren sei.
Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und stellte mit "Zwischenurteil" fest, daß die Beklagte der Klägerin im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages alle Leistungen zu ersetzen habe, die die Klägerin aus dem Unfall des Hermann F vom 5. November 1974 erbrachte oder zu erbringen hat. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Untergerichte gingen von folgenden weiteren Feststellungen aus:
Michael P und Hermann F fuhren am 5. November 1974 in dem von P gelenkten VW von Wiener Neustadt zur Arbeitsstätte nach Kirchschlag, um dort Apfelsaft zu pressen und abzufüllen. Bei dieser Arbeit bestand zwischen ihnen kein Verhältnis der Über- und Unterordnung. Keiner der beiden Dienstnehmer war berechtigt, dem anderen Weisungen zu erteilen oder die Aufsicht zu führen. Die Arbeitseinteilung und Aufsicht oblag zunächst dem Dienstnehmer A. Als später der Dienstgeber an der Arbeitsstätte eintraf, übenahm er diese Aufgabe. Nach Beendigung der Arbeit fuhren die Dienstnehmer, teils mit dem PKW Mercedes des Dienstgebers Hermann Sch., teils mit dem VW 21 weg. Eine bestimmte Einteilung, wer mit welchem Fahrzeug zu fahren habe, erfolgte nicht. Hermann F entschloß sich aus eigenem, im VW 21 mitzufahren, den Michael P lenkte. Sie kehrten im Gasthaus W in Schönau ein. Dort erschien kurz darauf auch der Dienstgeber Hermann Sch. mit Richard S. Die vier Personen tranken während des Gasthausaufenthaltes in der Dauer von 2 Stunden zwei Liter Wein. Michael P konsumierte hievon fünf Achtelliter Wein. Auch nach dem Gasthausaufenthalt erfolgte keine Einteilung, wer in welchem Fahrzeug mitfahren sollte. Hermann F entschloß sich aus eigenem, mit Michael P im VW 21 mitzufahren. P hatte den Auftrag, zum Sitz des Unternehmens in Wiener Neustadt zurückzufahren, wo er und Hermann F in ihre Privatfahrzeuge umgestiegen wären. Eine Manipulation mit der Ladung des Fahrzeuges (gemeint offenbar das Abladen) war nicht vorgesehen.
Gegen 20.40 Uhr geriet P mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h im Bereich einer Linkskurve nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr über eine 2 m abfallende Böschung und stieß mit der Front des VW 21 gegen eine Garteneinfriedungsmauer. Die Fahrbahn hat im Unfallbereich ein Gefälle von 6%. Es war dunkel und schneite, die Fahrbahn war naß.
Michael P hatte zum Unfallszeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 0.9 bis 1%.
Das Erstgericht bejahte die Aufsehereigenschaft des Michael P im Sinne des § 333 Abs. 4 ASVG, weil er mit dem Firmenfahrzeug auftragsgemäß seinen Arbeitskameraden und die Ladung des Fahrzeuges zur Betriebsstätte nach Wiener Neustadt zurückzubringen hatte. Michael P sei daher unabhängig davon, ob Hermann F freiwillig mit dem VW mitgefahren sei, als verantwortlicher Betriebsaufseher anzusehen. Michael P, der die Weiterfahrt in alkoholisiertem Zustand angetreten und im Unfallbereich trotz Dunkelheit, Schneefall und nasser Fahrbahn mit 70 bis 80 km/h, ein Gefälle von 6% in einer leichten Linkskurve befahren habe, sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Die Unterbrechung der Heimfahrt in einem Gasthaus habe dem Unfall, der sich noch während der Erbringung der Dienstleistungen ereignet habe, nicht den Charakter eines Arbeitsunfalles nehmen können.
Gemäß § 334 Abs. 3 ASVG werde durch das Mitverschulden des versicherten Hermann F die Haftung der Beklagten nicht gemindert. Das Mitverschulden des Hermann F berühre auch die Frage, ob Michael P grob fahrlässig gehandelt habe, nicht.
Das Berufungsgericht trat der rechtlichen Beurteilung durch das Erstgericht bei. Jede Tätigkeit, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Unternehmen stehe, sei als Betriebstätigkeit anzusehen, auch wenn sich der Gefahrenbereich über die Grenze der Betriebsstätte hinaus erstreckt habe. Der Auftrag des Dienstgebers an die Dienstnehmer Michael P. und Hermann F habe dahingehend gelautet, mit dem LKW nach Kirchschlag zu fahren, dort Apfelsaft zu pressen und die Ladung zum Sitz des Unternehmens nach Wiener Neustadt zurückzuführen. Diese Betriebstätigkeit sei zwar durch den Gasthausaufenthalt möglicherweise unterbrochen, bei Fortsetzung der Fahrt nach Wiener Neustadt aber jedenfalls wieder aufgenommen worden. Die Fahrt nach Wiener Neustadt habe daher, gleichgültig, in welchem Fahrzeug Hermann F mitgefahren sei, zur dienstlichen Tätigkeit gehört.
Für die Beurteilung der Frage, ob Michael P Aufseher im Betrieb gewesen sei, komme es nicht auf seine sonstige Stellung in der Betriebshierarchie, sondern auf das objektive Maß seiner Verantwortung im Unfallszeitpunkt an. Michael P habe dadurch, daß er seinen Arbeitskameraden nach Wiener Neustadt mitnahm, die Fürsorgepflicht übernommen, die sonst der Dienstgeber Hermann Sch. gehabt hätte,wenn Hermann F mit diesem mitgefahren wäre. Er habe damit die Verpflichtung gehabt, den Rücktransport seines Arbeitskameraden zum Sitz des Unternehmens sachgemäß durchzuführen; seine Pflichten hätten damit jene überschritten, die jedem Lenker nach den Vorschriften über den Straßenverkehr in Ansehung seiner Mitfahrer obliegen.
Michael P habe den Unfall im Hinblick auf seine Alkoholisierung und die ungünstigen Fahrbahnverhältnisse grob fahrlässig herbeigeführt. Außer der Tatsache, daß der Verletzte Mitfahrer war, sei nichts hervorgekommen, was das Verschulden des Michael P in einem milderen Lichte erscheinen lasse.
Die Revisionswerberin ist der Ansicht, daß es an allen rechtlichen Voraussetzungen des § 334 Abs. 1 ASVG fehle: Ein Arbeitsunfall liege nicht vor, da die betriebliche Tätigkeit durch das private Zechgelage während der Rückfahrt unterbrochen und die Arbeit nicht wieder aufgenommen worden sei. Michael P habe bloß die jeden Kraftfahrzeuglenker treffende Verantwortung für die Bedienung des Wagens und für die Ladung gehabt, so daß er nicht als Aufseher im Betrieb anzusehen sei. Grobe Fahrlässigkeit falle ihm nicht zur Last, weil sein Blutalkoholgehalt nur knapp über der Grenze des § 5 StVO gelegen sei und bei Beurteilung des Verschuldengrades auch das Verhalten des Verletzten berücksichtigt werden müsse.
Diese Ausführungen sind, soweit sie die Frage der Aufsehereigenschaft des Beklagten betreffen, berechtigt.
Ob der Lenker eines Kraftfahrzeuges gegenüber den mitbeförderten Arbeitskameraden als "Aufseher im Betrieb" im Sinne des § 334 Abs. 4 anzusehen ist, oder ob ihm als "gewöhnlichen Kraftwagenlenker" diese Eigenschaft nicht zukommt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (ZVR 1972/203, 1974/59; SozM I Ae 1019; ZVR 1976/327 u. v. a.,; zuletzt 4 Ob 3/78). Es kommt dabei nach ständiger Rechtsprechung vor allem darauf an, ob der betreffende Dienstnehmer zur Zeit des Unfalls eine mit einem gewissen Pflichtenkreis und mit Selbständigkeit verbundene Stellung innehatte und dabei für das Zwischenspiel persönlicher und technischer Kräfte verantwortlich war, oder ob er nur den Wagen zu bedienen und allenfalls auch die Beladung zu verantworten hatte. Bei der Beförderung von Personen ist zu unterscheiden, ob der Lenker für deren Sicherheit nur nach den Vorschriften über den Straßenverkehr (§§ 106 KFG 1967; 4 StVO 1960) verantwortlich ist oder ob er darüber hinausgehende Pflichten und Befugnisse hat (ZVR 1972/203, 1974/59, 1976/327, 1977/61 u. a.; zuletzt 4 Ob 3/78 und 8 Ob 35/78). "Aufseher im Betrieb" kann jedenfalls nur der sein, der andere Betriebsangehörige oder wenigstens einen Teil des Betriebes zu überwachen hat (ZVR 1967/126, 1976/327, 1977/61). Für die Beurteilung der Aufsehereigenschaft kommt es nur auf die Funktionen des verantwortlichen Dienstnehmers im Zeitpunkte des Unfalls, nicht aber auf seine sonstige Stellung in der betrieblichen Hierarchie an (ZVR 1972/120 u. a.; zuletzt 4 Ob 99/77).
Im Gegensatz zur Ansicht der Untergerichte führt jedoch die Anwendung dieser von den Unterinstanzen zutreffend herausgestellten Grundsätze nicht zur Bejahung der Aufsehereigenschaft des Michael P.
Michael P und Hermann F hatten den Auftrag, vom Sitz des Unternehmens ihres Dienstgebers (Wiener Neustadt) nach Kirchschlag zu fahren, um dort Apfelsaft pressen und abzufüllen. Bei dieser Arbeit bestand zwischen ihnen kein Verhältnis der Über- und Unterordnung. Die Aufsicht führte ein dritter Dienstnehmer und später der Dienstgeber selbst. Keiner der beiden Dienstnehmer war berechtigt, dem anderen Weisungen zu erteilen. Daß es auf der - für die Beurteilung der Aufsehereigenschaft maßgeblichen - Heimfahrt nach Wiener Neustadt anders gewesen und Michael P hiebei für die Sicherheit seines Arbeitskameraden nicht allein nach den Vorschriften über den Straßenverkehr verantwortlich gewesen sei, sondern weitergehende Überwachungs- und Weisungsbefugnisse gehabt habe (vgl. ZVR 1976/327) - etwa dahingehend, daß er die Fahrtroute und die Einlegung von Fahrpausen zu bestimmen hatte oder ihm sein Mitfahrer zur Vornahme einer Einweisertätigkeit und zur Mithilfe bei der Be- und Entladung des Fahrzeuges kraft Anordnung des Dienstgebers untergeordnet war (Arb. 8736; ZVR 1969/325, 1971/200) - wurde nicht festgestellt.
Damit fehlt es aber an einer Verantwortlichkeit des Michael P für das Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte und an einer über die bloße Stellung als Kraftfahrzeuglenker hinausgehenden Überwachung anderer Betriebsangehöriger oder eines Teilbereiches des Betriebes.
Die bloße Tatsache, daß die Beförderung des Hermann F, dem es auf der Rückfahrt zum Sitz des Unternehmens freistand, entweder im Mercedes seines Dienstgebers oder in dem von P gelenkten Betriebsfahrzeug mitzufahren, nicht aus persönlicher Gefälligkeit erfolgte, sondern den Abschluß der Erfüllung eines dienstlichen Auftrages bildete und damit auch im Interesse des Betriebes erfolgte, reicht für die Annahme der Aufsehereigenschaft des Michael P nicht aus.
Der von der Rechtsprechung häufig ausgesprochene Grundsatz, daß es darauf ankomme, daß die Personenbeförderung im Interesse des Betriebes und im Rahmen der Abwicklung übertragener Aufträge erfolgt (ZVR 1970/55, 1972/35; SozM I Ae 957; ZVR 1974/97 u. a.; zuletzt 4 Ob 77/75 und 4 Ob 99/77) bildet nur die Abgrenzung gegenüber jenen, keinesfalls zur Aufseherstellung des Kraftwagenlenkers führenden Fällen, in denen ein Dienstnehmer anläßlich einer Betriebsfahrt gefälligkeitshalber mitgenommen wird. Der Umstand, daß die Fahrt auf einem Dienstauftrag beruhte oder im Interesse des Betriebes lag, reicht jedoch für sich allein zur Annahme der Aufsehereigenschaft des Lenkers nicht aus (ZVR 1971/201, 1976/327; vgl. auch SZ 23/320; ZVR 1971/200, 4 Ob 3/78).
Wäre die Aufsehereigenschaft eines Kraftfahrzeuglenkers schon allein aus dem Umstand abzuleiten, daß die Beförderung von Arbeitskollegen durch einen ausdrücklichen - oder schlüssigen - Dienstauftrag gedeckt ist oder im Interesse des Betriebes erfolgt, so wäre jeder Kraftwagenlenker, der Arbeitskollegen befördert - Schwarzfahrten und Mitnahme von Arbeitskollegen aus Gefälligkeit ausgenommen - als Aufseher im Betrieb anzusehen; diese Konsequenz, die in weiterer Folge dazu führen müßte, jeden Arbeitnehmer, sofern er nur im Auftrag oder Interesse des Betriebes tätig wird, als "Aufseher im Betrieb" zu qualifizieren, wurde von der Rechtsprechung zu Recht abgelehnt (ZVR 1966/130, 1968/191, 1969/216 und 270; vgl. auch SZ 23/320; ZVR 1971/201).
Aufseher im Betrieb ist somit nur eine Person, die über die Durchführung von Betriebsvorgängen bestimmen kann, nicht aber schon jemand, der bloß mitfahrenden Personen in seiner Funktion als Kraftfahrzeuglenker Anweisungen über das Verhalten im Kraftfahrzeug geben kann (Koziol, Haftpflichtrecht II, 177).
Mit der Verneinung der Aufsehereigenschaft erübrigt es sich, auf die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 334 Abs. 1 ASVG, insbesondere auf die Frage, ob der Unfall als Arbeitsunfall (§§ 33 ff., 175 ASVG) anzusehen ist, einzugehen.
Nun hat sich aber der klagende Sozialversicherungsträger hilfsweise auch darauf berufen, daß die Schadenersatzansprüche des verletzten Arbeitskollegen auf ihn übergegangen seien (§ 332 ASVG). Gemäß Abs. 5 dieser Gesetzesstelle kann der Versicherungsträger einen im Sinne der Abs. 1 bis 4 auf ihn übergegangenen Schadenersatzanspruch gegen einen Dienstnehmer, der im Zeitpunkte des schädigenden Ereignisses in demselben Betrieb wie der Verletzte beschäftigt war, nur geltend machen, wenn a) der Dienstnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat oder b) der Versicherungsfall durch ein Verkehrsmittel verursacht wurde, für dessen Betrieb auf Grund gesetzlicher Vorschriften eine erhöhte Haftpflicht besteht.
In den Fällen der lit. b kann der Versicherungsträger den Schadenersatzanspruch unbeschadet der Bestimmungen des § 336 ASVG über das Zusammentreffen von Schadenersatzansprüchen verschiedener Versicherungsträger und den Vorrang eines gerichtlich festgestellten Schmerzensgeldanspruches nur bis zur Höhe der aus einer bestehenden Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme geltend machen, es sei denn, daß der Versicherungsfall durch den Dienstnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht worden ist.
Im Falle der Überschreitung der aus einer bestehenden Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme kann daher die Frage der groben Fahrlässigkeit des Michael P von Bedeutung werden. Sie ist von den Untergerichten zu Recht bejaht worden:
Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 334 Abs. 1 ASVG ist dem Begriff der auffallenden Sorglosigkeit im Sinne des § 1324 ABGB gleichzusetzen (EvBl. 1967/20; SZ 40/55; ZVR 1976/152 u. v. a.). Grobe Fahrlässigkeit ist nur dann anzunehmen, wenn eine ungewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt, die den Eintritt eines Schadens nicht nur als möglich, sondern sogar als wahrscheinlich erscheinen läßt (SZ 33/102; SZ 34/82; SZ 40/55; ZVR 1976/152 u. v. a.). Sie erfordert, daß ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (SZ 47/39; ZVR 1974/194 u. v. a., zuletzt 2 Ob 14/78; ähnlich JBl. 1977, 648). Eine strafgerichtliche Verurteilung reicht für sich allein für die Annahme grober Fahrlässigkeit nicht aus (SZ 40/55; ZVR 1970/55 u. a., zuletzt 2 Ob 14/78).
Obwohl Michael P wußte, daß ihm das weitere Lenken eines Kraftfahrzeuges bevorstand, nahm er im Laufe einer halben Stunde fünf Achtelliter Wein zu sich und fuhr in der Folge in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz StVO 1960, nämlich mit einem Blutalkoholgehalt von 0.9 bis 1 Promille, unter objektiv schwierigen Bedingungen (Dunkelheit, nasse Fahrbahn, Schneefall) weiter und geriet schließlich in einer Linkskurve in einem Gefälle von 6% infolge mangelnder Beobachtung der Fahrbahn mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 km/h von dieser ab.
Berücksichtigt man, daß schon der Genuß geringer, unter der Grenze des § 5 Abs. 1 StVO 1960 liegender Alkoholmengen zu einer Verlangsamung der Reaktionsfähigkeit führt und die Fahrtüchtigkeit schon bei geringem Alkoholisierungsgrad stark abnimmt, ist im Verhalten des Michael P ein objektiv besonders schwerer, durch auffallenden Leichtsinn hervorgerufener Sorgfaltsverstoß zu erblicken, der, wie es bei den im Zustand der Alkoholisierung begangenen Fahrlässigkeitsbehandlungen die Regel ist (JBl. 1972, 618), als grob fahrlässig angesehen werden muß.
Da die Untergerichte, die vom Bescheid des vom klagenden Sozialversicherungsträger kraft eigenen Rechts primär geltend gemachten Anspruchs nach § 334 Abs. 1 ASVG ausgingen, den hilfsweise geltend gemachten Rechtsgrund nach § 332 ASVG nicht untersuchten und damit insbesondere auch auf den von der Beklagten erhobenen Mitverschuldenseinwand nicht einging, war das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben. Da es zur Behebung der auf unrichtige rechtliche Beurteilung durch die Untergerichte zurückzuführenden Feststellungsmängel einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war auch das Ersturteil aufzuheben und die Streitsache an die erste Instanz zurückzuverweisen (§ 510 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)