OGH 4Ob121/76 (4Ob120/76)

OGH4Ob121/76 (4Ob120/76)22.2.1977

SZ 50/29

Normen

ABGB §1304
ABGB §1323
Algemeines Sozialversicherungsgesetz §253b
ABGB §1304
ABGB §1323
Algemeines Sozialversicherungsgesetz §253b

 

Spruch:

Entgang der vorzeitigen Alterspension nach § 253b ASVG durch Säumnis des Dienstgebers bei der Anmeldung zur Sozialversicherung ist positiver Schaden

Das vom Dienstnehmer nach Abweisung seines Ansuchens um vorzeitige Alterspension nach § 253b ASVG erzielte Arbeitseinkommen ist auf den Schaden, den ihm der Dienstgeber wegen verspäteter Anmeldung zur Sozialversicherung zu ersetzen hat, nicht anzurechnen

OGH 22. Feber 1977, 4 Ob 120, 121/76 (KG Wels 17 Cg 4/76; ArbG Vöcklabruck Cr 56/75)

Text

Der Kläger war vom 5. Mai 1940 bis zum Jahre 1948 bei der Lagerhausgenossenschaft R - deren Rechtsnachfolgerin auf Grund einer im Jahre 1955 durchgeführten Verschmelzung nunmehr die Beklagte ist - als Traktorist und Magazinarbeiter ganztägig beschäftigt und dabei an die betrieblichen Arbeitzeiten (8-Stunden-Tag) gebunden gewesen; er war dafür ortsüblich entlohnt worden. Da ihn seine Dienstgeberin aber erst mit 23. Oktober 1944 bei der damaligen "Landkrankenkasse Oberdonau" als dem zuständigen Sozialversicherungsträger als Dienstnehmer angemeldet hatte, waren erst von diesem Zeitpunkt an für den Kläger Sozialversicherungsbeiträge vorgeschrieben und gezahlt worden.

Im Jänner 1972 beantrage der Kläger, welcher damals im 60. Lebensjahr stand und schon seit 1958 bei der C-AG als Hilfsarbeiter beschäftigt war, bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Landesstelle Linz, die Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG. Dieser Antrag wurde mit dem - mangels Anfechtung durch den Kläger in Rechtskraft erwachsenen - Bescheid vom 24. April 1972 abgewiesen, weil der Kläger zum Stichtag 1. Mai 1972 anstelle der erforderlichen 420 nur 370 für die Berechnung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate nachweisen konnte. Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen der Vollendung des 60. Lebensjahres am Stichtag, der Erfüllung der Wartezeit nach § 236 ASVG sowie des Nachweises von 24 Beitragsmonaten innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag wären beim Kläger erfüllt gewesen. Das Dienstverhältnis zur C-AG war zwar im Zeitpunkt der Antragstellung noch aufrecht; es hätte aber vom Kläger auch noch im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides (Ende April 1972) durch Kündigung zum 30. Juni 1972 zeitgerecht aufgelöst werden können, womit auch das Erfordernis des § 253b Abs. 1 lit. d ASVG erfüllt gewesen wäre. Hätte die Lagerhausgenossenschaft R das Dienstverhältnis des Klägers schon bei seinem Beginn am 5. Mai 1940 der "Landkrankenkasse Oberdonau" gemeldet und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt, dann hätte der Kläger zum Stichtag 1. Mai 1972 nicht nur 370, sondern 423 anrechenbare Versicherungsmonate erworben gehabt und damit alle Anspruchsvoraussetzungen für die vorzeitige Alterspension nach § 253b ASVG erbracht.

Wegen der Ablehnung seines Pensionsgesuches kundigte der Kläger sein Dienstverhältnis zur C-AG nicht auf, sondern arbeitete in diesem Unternehmen weiter, weil er mit seiner Frau von den Erträgnissen seiner Kleinlandwirtschaft nicht leben konnte. Ein Antrag des Klägers auf Gewährung einer Invaliditätspension wurde zunächst gleichfalls abgewiesen; der Kläger brachte aber gegen diesen Bescheid fristgerecht eine Klage beim Schiedsgericht der Sozialversicherung für Oberösterreich ein. In diesem Verfahren kam es am 4. Juli 1973 zu einem Vergleich, in welchem sich die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter verpflichtete, dem Kläger ab 1. Juli 1973 die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß auszuzahlen. Der Kläger, welcher mit dem Beginn dieser Pensionszahlungen sein Dienstverhältnis zur C-AG auflöste und seither keine Einkünfte aus unselbständiger Arbeit mehr bezieht, erhält auf Grund des Vergleiches seit 1. Juli 1973 eine Invaliditätspension.

Mit rechtskräftigem Urteil des Arbeitsgerichtes Vöcklabruck vom 22. April 1975, Cr 42/74-41, wurde die Beklagte schuldig erkannt, dem Kläger für die Zeit vom 2. April bis 31. Juli 1972 einen Pensionsentgang von 15 619.20 S samt Anhang zu zahlen; zugleich wurde festgestellt, daß die Beklagte dem Kläger die ihm in Zukunft dadurch entstehenden Schäden zu ersetzen hat, daß die Anmeldung des Klägers beim zuständigen Sozialversicherungsträger seitens der Beklagten für den Zeitraum Mai 1940 bis 22. Oktober 1944 unterlassen wurde.

Unter Hinweis auf dieses rechtskräftige Feststellungsurteil verlangt der Kläger im vorliegenden, seit 22. August 1975 anhängigen Rechtsstreit von der Beklagten die Zahlung folgender weiterer Schadenersatzbeträge:

a) entgangene Alterspension für die Zeit vom 1. August 1972 bis 30. Juni 1973 (einschließlich der Sonderzahlungen vom Oktober 1972 und Mai 1973) 40 882.40 S;

b) Differenz zwischen Alterspension und Invaliditätspension für die Zeit vom 1. Juli 1973 bis 31. Dezember 1975 (einschließlich Sonderzahlungen) 13 764.10 S, zusammen also 54 646.50 S samt Anhang.

Die Beklagte hat bestritten, hinsichtlich des gegenständlichen Schadenersatzanspruches Rechtsnachfolgerin der seinerzeitigen Lagerhausgenossenschaft R zu sein, weil sie diese Verbindlichkeit bei der Übernahme des Vermögens ihrer Rechtsvorgängerin weder gekannt habe noch habe kennen müssen. Im übrigen sei dem Kläger während des Zeitraums vom 1. August 1972 bis 30. Juni 1973 durch die seinerzeitige Unterlassung der Lagerhausgenossenschaft R gar kein Schaden entstanden, weil er damals als Hilfsarbeiter der C-AG mehr verdient habe, als die ihm entgangene Alterspension betragen hätte. "Vorsorglich" werde der Klageanspruch auch der Höhe nach bestritten.

Außer Streit steht, daß das Arbeitseinkommen des Klägers bei der C-AG von August 1972 bis Juni 1973 höher war als die ihm während dieses Zeitraums entgangene Alterspension.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 54 384.70 S brutto samt Anhang und wies das Mehrbegehren von 261.80 S samt Anhang ab; diese Teilabweisung ist rechtskräftig geworden. Nach den Feststellungen des Ersturteils hätte der Kläger für die Zeit vom 1. August 1972 bis 30. Juni 1973 Anspruch auf Alterspensionsbezüge (einschließlich Sonderzahlungen) von insgesamt 40 882.40 S gehabt. Die Differenz zwischen der (höheren) Alterspension und der (niedrigeren) Invaliditätspension betrug während des anschließenden Zeitraums vom 1. Juli 1973 bis 31. Dezember 1975 insgesamt 13 502.30

S.

Rechtlich war das Erstgericht der Auffassung, daß die Beklagte gemäß § 5 der Verordnung vom 30. September 1939 RGBl, I 1066 über die Verschmelzung von Genossenschaften in den Reichsgauen der Ostmark für die Schulden der Lagerhausgenossenschaft R uneingeschränkt hafte. Der dem Kläger auf Grund des Feststellungsurteils vom 22. April 1975 von der Beklagten zu ersetztende Schaden sei bis Ende Juni 1973 mit der entgangenen Alterspension gleichzusetzen; seit 1. Juli 1973 bestehe er in der Differenz zwischen dieser Alterpension und der vom Kläger tatsächlich bezogenen, niedrigeren Invaliditätspension. Das Klagebegehren sei infolgedessen mit einem Betrag von (40 882.40 S + 13 502.30 S =) 54 384.70 S samt Anhang begrundet.

Das Urteil des Erstgerichtes wurde von der Beklagten mit Berufung angefochten. In der Berufungsmitteilung dehnte der Kläger unter Hinweis darauf, daß die monatliche Pensionsdifferenz seit 1. Jänner 1976 461.60 S betrage, sein Zahlungsbegehren um 3231.20 S - das ist die Pensionsdifferenz für Jänner bis Juni 1976 einschließlich einer Sonderzahlung - auf nunmehr 57 615.90 S brutto samt Anhang aus; gleichzeitig beantragte er, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm "ab 1. Juli 1976 monatlich im voraus den Betrag von 461.60 S, vermehrt um je eine Sonderzahlung in dieser Höhe in den Monaten Mai und Oktober, ab Jänner 1977 erhöht um den jeweiligen gesetzlichen Anpassungsfaktor gemäß § 108h ASVG, zu zahlen, und zwar die bis zur Rechtskraft des Urteils verfallenden Beträge binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden Beträge am 1. eines jeden Monats". Die Beklagte sprach sich bei der mündlichen Berufungsverhandlung vom 9. Juli 1976 gegen diese Klagsausdehnung aus.

Das Berufungsgericht ließ die Klagsausdehnung nicht zu. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG von neuem durch und gab dann der Berufung der Beklagten teilweise, und zwar dahin Folge, daß dem Kläger nur ein Betrag von 13 502.30 S samt Anhang zuerkannt, das Mehrbegehren von (insgesamt) 41 144.20 S samt Anhang hingegen abgewiesen wurde. Gehe man von den unbedenklichen Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichtes aus, dann sei die Berufung hinsichtlich der Pensionsdifferenz für die Zeit vom 1. Juli 1973 bis 31. Dezember 1975 nicht berechtigt: Da gemäß § 5 Abs. 1 der Genossenschaftsverschmelzungsverordnung mit der Eintragung der Verschmelzung in das Genossenschaftsregister das Vermögen der übertragenen Genossenschaft einschließlich der Schulden auf die übernehmende Genossenschaft übergehe, hafte die Beklagte über § 1409 ABGB hinaus für sämtliche Schulden der von ihr übernommenen Lagerhausgenossenschaft R. Der Kläger habe nachgewiesen, daß er als Folge der vorschriftswidrigen Unterlassung seiner rechtzeitigen Anmeldung zur Sozialversicherung in der Zeit vom 1. Juli 1973 bis 31. Dezember 1975 eine gegenüber der Alterspension um insgesamt 13 502.30 S niedrigere Invaliditätspension bezogen habe; diesen Differenzbetrag habe ihm die Beklagte auf Grund des rechtskräftigen Feststellungsurteils im Vorprozeß zu ersetzen.

Hingegen sei das weitere Begehren des Klägers auf Zahlung von 40 882.40 S samt Anhang als Pensionsentgang für die Zeit vom 1. August 1972 bis 30. Juni 1973 nicht berechtigt: Nach den Ruhensbestimmungen des ASVG wäre ein Bezug der vorzeitigen Alterspension neben einem Lohneinkommen des Klägers bei der C-AG nicht möglich gewesen. Der Kläger habe wohl nach Vollendung des 60. Lebensjahres bei der C-AG weitergearbeitet, als Gegenwert für diese Leistungen aber den der Höhe nach unbestrittenen Arbeitslohn erhalten. Er habe während dieses Zeitraums keinen Verdienstentgang erlitten, sondern nur die Möglichkeit verloren, ohne Arbeitsleistung ein, wenn auch geringeres, Einkommen zu erzielen. Da es sich dabei nicht um positiven Schaden, sondern um entgangenen Gewinn handle, wäre die Beklagte gemäß § 1323, 1324 ABGB nur im Fall böser Absicht oder auffallender Sorglosigkeit zum Ersatz verpflichtet; ein derartiges grobes Verschulden der ehemaligen Lagerhausgenossenschaft R sei aber nicht einmal vom Kläger behauptet worden. Im übrigen sei das Ersatzbegehren des Klägers schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil er dadurch neben seinem Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit auch noch die vorzeitige Alterspension und damit mehr erhalten würde, als er bei ordnungsgemäßer Anmeldung zur Sozialversicherung hätte erreichen können. Zum gleichen Ergebnis führe auch eine analoge Anwendung des § 29 AngG, wonach sich der Kläger ab dem 4. Monat nach der Vollendung seines 60. Lebensjahres den bei der C-AG erzielten Arbeitslohn auf die ihm entgangene - unbestrittenermaßen niedrigere - Alterspension anrechnen lassen müßte.

Die Ausdehnung des Klagebegehrens sei nicht zuzulassen gewesen, weil sie ein weiteres Beweisverfahrens notwendig gemacht und dadurch eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens bewirkt hätte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes als Teilurteil zur Gänze wieder her; gleichzeitig ließ er in Stattgebung des Rekurses des Klägers die von diesem im Berufungsverfahren vorgenommene Klagsausdehnung zu.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Zur Revision des Klägers:

Bei der Behandlung dieses Rechtsmittels ist zunächst festzuhalten, daß die Haftung der Beklagten für die dem Kläger aus seiner verspäteten Anmeldung zur Sozialversicherung durch die Lagerhausgenossenschaft R "in Zukunft" - also ab 1. August 1972 - entstehenden Schäden auf Grund des rechtskräftigen Urteils im Vorprozeß bindend feststeht, die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Überganges dieser Ersatzpflicht von der Lagerhausgenossenschaft R auf die Beklagte also im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr zu erörtern sind. Daher erübrigt sich insbesondere auch eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des angefochtenen Urteils zu § 5 der Genossenschaftsverschmelzungsverordnung RGBl. I 1066/1939.

Unbestritten ist ferner, daß der Antrag des Klägers auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter ausschließlich deshalb abgelehnt wurde, weil der Kläger zum Stichtag 1. Mai 1972 anstelle der erforderlichen 420 nur 370 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate nachweisen konnte. Wie die Untergerichte in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgestellt haben, hätte der Kläger dann, wenn ihn die Lagerhausgenossenschaft R in der Zeit vom 5. Mai 1940 bis 22. Oktober 1944 ordnungsgemäß bei der "Landkrankenkasse Oberdonau" angemeldet und die ihr vorgeschriebenen Beiträge an diesen Sozialversicherungsträger abgeführt hätte, zum Stichtag 1. Mai 1972 insgesamt 423 anrechenbare Versicherungsmonate nachweisen können und damit alle Voraussetzungen für die Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension erfüllt; die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter hätte in diesem Fall einen positiven Bescheid erlassen, worauf der Kläger sein Dienstverhältnis mit der C-AG zum 30. Juni 1972 aufgekundigt und von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter schon ab 2. April 1972 die angestrebte "Frühpension" bezogen hätte. Daraus folgt, daß der Kläger allein schon durch die Säumnis seiner ehemaligen Dienstgeberin den Anspruch auf vorzeitige Alterspension nach § 253b ASVG verloren und damit jedenfalls einen Nachteil an seinen Rechten im Sinne des § 1293 ABGB erlitten hat, für welchen die Beklagte auf Grund des rechtskräftigen Feststellungsurteils im Vorprozeß einstehen muß.

Dem Berufungsgericht kann aber nicht gefolgt werden, wenn es in

dieser Vermögenseinbuße des Klägers einen entgangenen Gewinn im

Sinne des § 1323 Satz 2 ABGB sieht: Nach Lehre (Wolff in Klang[2]

VI, 2 f.; Koziol, Österr. Haftpflichtrecht I, 14 f.) und

Rechtsprechung (SZ 29/43 = EvBl. 1956/251 = ZVR 1957/3; SZ 35/42; SZ

40/2 = EvBl. 1967/283 = JBl. 1968, 31 = ZVR 1967/167; SZ 46/81 =

MietSlg. 25 174; EvBl. 1957/62; ZVR 1964/133; EvBl. 1971/307 = JBl.

1971, 425 = MietSlg. 23 204; 2 Ob 113/75) ist der Entgang einer

bestimmten Gewinnmöglichkeit dann als positiver Schaden zu werten, wenn das Bestehen dieser Erwerbschance im Zeitpunkt der Schädigung im Verkehr als gegenwärtiger, selbständiger Vermögenswert angesehen wird. Verdienstentgang ist demnach grundsätzlich positiver Schaden, soweit dem Geschädigten bereits ein Recht auf den betreffenden Verdienst zustand (EvBl. 1961/114 = HS 169; Koziol a. a. O., 14); der Ersatz eines solchen Verdienstentganges gehört zur eigentlichen Schadloshaltung im Sinne des § 1323 Satz 2 ABGB und gebührt infolgedessen ohne Rücksicht auf den Grad des Verschuldens (SZ 41/46; ZVR 1960/234; ZVR 1961/141; ZVR 1969/210; ZVR 1976/107). Hält man sich nun vor Augen, daß die vom Kläger angestrebte vorzeitige Alterspension nach § 253b ASVG nicht etwa eine unbestimmte, in der Zukunft liegende Gewinnchance war, sondern eine vom Gesetz garantierte Versorgungsleistung, auf welche dem Kläger bei Erfüllung aller Voraussetzungen der genannten Gesetzesstelle ein Rechtsanspruch zustand, dann kann es nicht zweifelhaft sein, daß der Entgang dieses Pensionsanspruches als positiver Schaden gewertet werden muß, welcher gemäß § 1324 ABGB auch bei nur leichtem Verschulden des Schädigers zu ersetzen ist. Auf die Frage, ob die Lagerhausgenossenschaft R in den Jahren 1940 bis 1944 die Anmeldung des Klägers zur Sozialversicherung aus böser Absicht oder auffallender Sorglosigkeit unterlassen hat, ist unter diesen Umständen nicht weiter einzugehen.

Das Berufungsgericht ist aber auch insoweit nicht im Recht, als es im Sinne des Rechtsstandpunktes der Beklagten die Auffassung vertritt, der Kläger habe während der hier in Rede stehenden Zeitspanne vom 1. August 1972 bis 30. Juni 1973 deshalb keinen Schaden erlitten, weil er in dieser Zeit als Hilfsarbeiter der C-AG mehr verdient habe, als die ihm durch das Verschulden der Rechtsvorgängerin der Beklagten entgangene vorzeitige Alterspension betragen hätte. Da es sich bei diesem Arbeitsverdienst nicht etwa um eine Zuwendung von dritter Seite zur Entlastung des Schädigers, sondern um das Entgelt für erbrachte Arbeitsleistungen handelte, käme eine Anrechnung dieser Einkünfte auf den Pensionsentgang des Klägers überhaupt nur dann in Betracht, wenn der Kläger im Rahmen seiner Pflicht zur Schadensminderung zur Fortsetzung seines Dienstverhältnisses mit der C-AG - oder zu einer anderen, gleichwertigen Erwerbstätigkeit - verpflichtet gewesen wäre; das muß aber im konkreten Fall aus nachstehenden Erwägungen verneint werden:

Auch bei grundsätzlicher Bejahung der - aus § 1304 ABGB

abzuleitenden - Pflicht des Geschädigten, den Schaden so gering wie

möglich zu halten (vgl. RZ 1960, 45; JBl. 1965, 520; JBl. 1967, 526

= ZVR 1967/195 u. a.), kann von ihm eine positive Tätigkeit zur

Abwendung der Folgen der schädigenden Handlung doch immer nur so

weit verlangt werden, als sie ihm nach den Interessen beider Teile

und den Regeln des redlichen Verkehrs zumutbar ist (SZ 39/170 =

EvBl. 1967/366 = MietSlg. 18 245; SZ 45/96 = EFSlg. 18 066; SZ

45/137 = EvBl. 1973/144 = JBl. 1973, 476 = RZ 1973, 52 = ZVR

1974/114; RZ 1972, 14; EvBl. 1972/318; JBl. 1973, 38; ZVR 1973/110);

über das Bestehen und das Ausmaß dieser Verpflichtung entscheiden

dabei immer die Umstände des Einzelfalles (EvBl. 1975/45 = ZVR

1975/145; ZVR 1975/61 u. a.). Im konkreten Fall ist dem Kläger durch

die schuldhafte Unterlassung der Rechtsvorgängerin der Beklagten die

Möglichkeit genommen worden, nach Erreichung des 60. Lebensjahres

sein Dienstverhältnis zur C-AG zu lösen und anstelle seines

bisherigen Arbeitslohnes die "Frühpension" nach § 253b ASVG zu

beziehen. Für den Entgang dieser monatlichen Versorgungsleistungen

hat nicht der Kläger selbst, sondern die dafür verantwortliche

Beklagte aufzukommen; daß ihr der Kläger diese Ersatzpflicht durch

Weiterführung der bisherigen (oder Aufnahme einer neuen)

Erwerbstätigkeit abnehme oder zumindest vermindere, konnte die

Beklagte von ihm schon deshalb nicht verlangen, weil das Wesen der

dem Kläger entgangenen (vorzeitigen) Alterspension gerade im Bezug

monatlicher Versorgungsbeträge ohne eigene Arbeitsleistung bestanden

hätte. Ob der Kläger weiterarbeiten wollte oder nicht, war allein

seine Sache; er hätte ebensogut auf eine weitere (unselbständige)

Erwerbstätigkeit verzichten und seinen Lebensunterhalt bis zur

Erlangung eines Schadenersatzes durch die Beklagte auf andere Weise

- etwa aus vorhandenen Eigenmitteln, aber auch durch Aufnahme eines

Darlehens oder auf ähnliche Weise - decken können. Wenn sich der

Kläger im konkreten Fall im Hinblick darauf, daß er den Unterhalt

seiner Familie aus den Erträgnissen seiner kleinen Landwirtschaft

nicht bestreiten konnte und ihm andere Mittel offenbar nicht zur

Verfügung standen, dazu entschloß, vorerst als Hilfsarbeiter der C-

AG weiterzuarbeiten, dann hat er damit sich selbst einen Verdienst,

nicht aber der zum Schadenersatz verpflichteten Beklagten eine

Entlastung geschaffen. Aus den gleichen Erwägungen, aus denen sich

etwa die Witwe einen nach dem Tod ihres Mannes erzielten

Arbeitsverdienst auf ihren Rentenanspruch nach § 1327 ABGB nicht

anrechnen zu lassen braucht, weil sie zur Aufnahme einer solchen

Erwerbstätigkeit nicht verpflichtet ist (JBl. 1956, 51 = ZVR 1956/8

= EFSlg. 2049; ZVR 1956/47 = EFSlg. 2049; ZVR 1956/50 = EFSlg. 2050;

ZVR 1957/60 = EFSlg. 2049; ZVR 1959/10; vgl. auch SZ 43/230 = RZ

1971, 84 = ZVR 1971/159), kommt daher auch beim Kläger eine

Anrechnung des nach Abweisung seines Pensionsansuchens erzielten Arbeitseinkommens bei der C-AG auf den von der Beklagten zu leistenden Schadenersatz nicht in Betracht.

Für den gegenteiligen Standpunkt des angefochtenen Urteils ist auch mit dem Hinweis darauf nichts zu gewinnen, daß § 253b Abs. 3 ASVG eine - selbständige oder unselbständige - Erwerbstätigkeit neben dem Bezug der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ausschloß, der Kläger also auch ohne das schädigende Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht zusätzlich zu seinem Arbeitsverdienst noch eine "Frühpension" hätte beziehen können. Nach den Feststellungen der Untergerichte hätte der Kläger bei positiver Erledigung seines Pensionsansuchens durch die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter sein Dienstverhältnis zur C-AG zum 30. Juni 1972 aufgekundigt und damit auch die Voraussetzung des § 253b Abs. 1 lit. d ASVG (keine Erwerbstätigkeit am Stichtag) erfüllt. Daß er nach der Ablehnung seines Rentenantrages von einer solchen Aufkündigung Abstand nahm und seine unselbständige Erwerbstätigkeit bei der C-AG vorerst fortsetzte, um den Lebensunerhalt seiner Familie sicherzustellen, kann ihm umso weniger zum Nachteil gereichen, als ihm nach dem festgestellten Sachverhalt in diesem Zeitpunkt kein Anspruch gegen die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter zustand, der Bezug einer vorzeitigen Alterspension im Sinne des § 253b ASVG also gar nicht möglich war; der dem Kläger verbleibende Schadenersatzanspruch gegen die schuldtragende Dienstgeberin schloß aber eine weitere Erwerbstätigkeit des Klägers zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz keinesfalls aus. Daß der Kläger außer diesem Arbeitseinkommen jetzt auch noch Schadenersatzleistungen der Beklagten und damit für den gegenständlichen Zeitraum im Ergebnis mehr bekommt, als er ohne das schädigende Verhalten der Lagerhausgenossenschaft R hätte erhalten können, ist eine Folge der hier vorzunehmenden objektiv-abstrakten Schadensberechnung nach § 1332 ABGB, bei welcher stets der gemeine Wert des entzogenen Vermögensbestandteils zu ersetzen, nicht aber darauf Bedacht zu nehmen ist, ob im gesamten Vermögen des Geschädigten ein (rechnerischer) Schaden feststellbar ist (Koziol a. a. O., 21).

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes kann die Abweisung des vorliegenden Schadenersatzbegehrens aber auch nicht auf § 29 AngG - im konkreten Fall wohl eher: § 1162 b ABGB - gestützt werden:

Während diese beiden Bestimmungen den Fall der vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses und damit die Ansprüche des Dienstnehmers regeln, der durch Verschulden seines Dienstgebers an der Fortsetzung seiner Arbeitsleistung verhindert wird, geht es hier, wie bereits mehrfach betont, um den Ersatz von Versorgungsleistungen, welche dem Kläger nach dem Gesetz ohne eigene Arbeitsleistung gebührt hätten. Von einer Rechtsähnlichkeit dieser beiden Sachverhalte, welche eine analoge Anwendung der in den beiden genannten Gesetzesstellen enthaltenen Anrechnungsvorschriften auf den vorliegenden Fall zuließe, kann angesichts dieser grundverschiedenen Ausgangssituationen keine Rede sein.

Da dem Kläger somit nicht nur die für die Zeit vom 1. Juli 1973 bis 31. Dezember 1975 errechnete Pensionsdifferenz von 13 502.30 S samt Anhang, sondern auch der vom Berufungsgericht abgewiesene Pensionsentgang für den Zeitraum vom 1. August 1972 bis 30. Juni 1973 im Betrag von 40 882.40 S samt Anhang gebührt, mußte der Revision Folge geben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Urteil des Erstgerichtes zur Gänze - allerdings im Hinblick auf die im Berufungsverfahren vorgenommene Klageausdehnung nunmehr als Teilurteil - wiederhergestellt werden.

II. Zum Rekurs des Klägers:

Das Berufungsgericht hat die vom Kläger in der Berufungsmitteilung vorgenommene Klagsausdehnung nicht zugelassen, weil dadurch ein weiteres Beweisverfahren notwendig geworden und damit eine erhebliche Verzögerung der Verhandlung eingetreten wäre. Dieser Auffassung tritt der Kläger in seinem Rekurs mit Recht entgegen:

Klagsänderungen sind nach Lehre und Rechtsprechung aus Gründen der

Prozeßökonomie tunlichst zuzulassen, wenn sie den Parteien und dem

Gericht einen zweiten Prozeß ersparen und ihrer Art nach geeignet

sind, das streitige Verhältnis zwischen den Parteien erschöpfend und

endgültig zu bereinigen; weder die Aussichtslosigkeit des

ursprünglichen Begehrens noch die Notwendigkeit einer Vertagung

rechtfertigen in diesem Fall für sich allein die Zurückweisung einer

solchen Klagsänderung (SZ 27/167; SZ 42/180; SZ 43/35 = EvBl.

1970/282 = MietSlg. 22 613 u. v. a.; Fasching III, 122 f. § 235 ZPO

Anm. 10; zur Zulässigkeit von Klagsänderungen im

arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren vgl. insbesondere auch Arb.

5692, 8021, 8279). Im konkreten Fall steht die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Gründe nach bindend fest. Über die Ersatzansprüche des Klägers für die Zeit vom 2. April bis 31. Juli 1972 ist im Vorprozeß Cr 42/74 des Arbeitsgerichtes Vöcklabruck, über seine Forderungen für den anschließenden Zeitraum vom 1. August 1972 bis 31. Dezember 1975 im vorliegenden Verfahren nunmehr gleichfalls rechtskräftig abgesprochen worden. Gegenstand der strittigen Klagsänderung ist die Ausdehnung des Klagebegehrens auf die seit 1. Jänner 1976 fällig gewordenen und in Zukunft weiterlaufenden Ersatzansprüche. Zum Beweis dafür hat der Kläger das Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter an die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich vom 21. Jänner 1976 vorgelegt und sich überdies auf den Zeugen Wilhelm B berufen. Da dieser Beweisantrag in der Berufungsmitteilung gestellt wurde, hätte das Berufungsgericht diesen Zeugen - falls es seine Vernehmung für notwendig hielt - ohne weiteres zur mündlichen Berufungsverhandlung vom 9. Juli 1976 laden und bei dieser Tagsatzung vernehmen können; bei ökonomischer Prozeßleitung hätte es daher, wie der Kläger mit Recht hervorhebt, auch in diesem Fall keiner Vertagung der Berufungsverhandlung bedurft. Von einer erheblichen Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung im Sinne des § 235 Abs. 3 ZPO kann unter diesen Umständen nicht gesprochen werden, so daß dem Rekurs des Klägers Folge zu geben und die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgenommene Klagsausdehnung auch gegen den Widerspruch der Beklagten zuzulassen war. Das Berufungsgericht wird nunmehr über das ausgedehnte Klagebegehren zu entscheiden haben.

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