OGH 2Ob10/72 (2Ob11/72)

OGH2Ob10/72 (2Ob11/72)21.9.1972

SZ 45/96

Normen

ABGB §1304
ABGB §1304

 

Spruch:

Da nur die Unterlassung einer zumutbaren Schadensabwehr oder - minderung gegen die dem Beschädigten obliegende Rettungspflicht verstößt, ist es der Witwe des Beschädigten nicht zuzumuten, den Pachtbetrieb ihres Mannes nur deshalb nicht fortzuführen, um die Witwenpension zu behalten

OGH 21. 9. 1972, 2 Ob 10, 11/72 (OLG Innsbruck 2 R 185/71; LG Innsbruck 8 Cg 420/70)

Text

Am 18. 10. 1967 kam Alois P, der Ehemann der Klägerin beim Absturz der Förderkiste der vom Beklagten in Betrieb gesetzten Materialseilbahn zur G-Hütte im Gemeindegebiet von F ums Leben. Aus Anlaß dieses Unfalles wurde der Beklagte strafgerichtlich verurteilt, weil er auf einer provisorischen Materialseilbahn Personen befördert habe, wobei ihm zudem bekanntgewesen sei, daß der Antriebsmotor Schäden aufweise.

Den Anspruch auf Ersatz des Pensionsausfalles für die Zeit vom 1. 5. bis 30. 9. 1970 in der Höhe von S 6440.- stützte die Erstklägerin auf die Behauptung, daß sie von ihrem Mann S 2500.- monatlich an Unterhalt erhalten habe.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes bewirtschaftete die Erstklägerin seit dem Tode ihres Mannes jeweils in den Sommermonaten, im Jahre 1970 vom 1. 5. bis 30. 9. die G-Hütte, im Jahre 1969 mit einem Verlust von S 32.836.92. Das Jahr 1970 sei zwar besser gewesen, doch sei auch in diesem Jahr kein Gewinn erzielt worden. Wegen dieser Erwerbstätigkeit der Erstklägerin sei Ruhen ihrer Pensionsansprüche von monatlich S 1070.- seitens der Pensionsversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und von S 218.- monatlich seitens der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt eingetreten.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, daß das Begehren auf Ersatz des Pensionsausfalles schon deshalb abzuweisen sei, weil die Erstklägerin zur Schadensminderung verpflichtet sei. Wenn die Erstklägerin durch ihre Erwerbstätigkeit einen beträchtlichen Schaden erleide, wäre es mehr als unbillig, den Beklagten, der auf die Dispositionen der Erstklägerin keinen Einfluß habe, für diesen Schaden haftbar zu machen.

Das Berufungsgericht bejahte den geltend gemachten Ersatzanspruch dem Gründe nach. Die Aufnahme einer mit verschiedenen Vorteilen verbundenen selbständigen Erwerbstätigkeit könne dem Geschädigten nicht verwehrt werden und verstoße nicht gegen die Schadensminderungspflicht, denn sie sei ein triftiger Grund, eine Leistung der Sozialversicherung nicht in Anspruch zu nehmen. Es müsse aber noch geprüft werden, was der Erstklägerin durch den Tod ihres Mannes an Unterhalt tatsächlich entgangen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rekurs macht geltend, daß die vom Berufungsgericht herangezogene Entscheidung ZVR 1965/166 auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden könne, da es dort um die Anrechnung des Krankengeldes gegangen sei, das die Geschädigte zu beziehen unterlassen habe. Nun ist zwar im vorliegenden Fall der zu beurteilende Sachverhalt insoweit anders geartet, als die Erstklägerin es nicht unterlassen hat, Leistungen der Sozialversicherung in Anspruch zu nehmen, sondern wegen ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit keinen Anspruch auf solche Leistungen besitzt. Der in der zitierten Entscheidung zum Ausdruck gebrachte Rechtsgrundsatz ist jedoch sinngemäß anwendbar, wenn es darum geht, Inhalt und Umfang der Schadensminderungspflicht des Verletzten zu prüfen. Er besagt, daß nur die Unterlassung einer zumutbaren Schadensabwehr oder -minderung gegen die dem Beschädigten obliegende Rettungspflicht verstößt. Unter diesem Gesichtspunkt hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß der Schädiger kein Recht habe, vom Geschädigten die Einstellung einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu verlangen, nur um von ihm verschuldete Ausfälle nicht ersetzen zu müssen (SZ 41/69; EvBl 1970/261). Aus denselben Erwägungen ist der Witwe des Beschädigten nicht zuzumuten, den Pachtbetrieb ihres Mannes nur deshalb nicht fortzuführen, um die Witwenpension nicht zu verlieren. Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß die Erstklägerin grundsätzlich Anspruch auf Ersatz des entgangenen Unterhaltes hat. Die Frage, ob sich die Erstklägerin Erträgnisse ihrer Erwerbstätigkeit anrechnen lassen müsse, bedarf keiner Erörterung, da kein Gewinn erzielt wurde. Daß Alois P nicht in der Lage gewesen wäre, seiner Frau Unterhalt zu gewähren, steht nicht fest und kann aus der Ertragslage des Pachtbetriebes nicht zwingend erschlossen werden.

Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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