OGH 6Ob712/76

OGH6Ob712/7617.2.1977

SZ 50/26

Normen

ABGB §1323
Umsatzsteuergesetz 1972 §14
Einführungsgesetz zum Umsatzsteuergesetz 1972 ArtXII Z3
Verordnung zum Umsatzsteuergesetz 1972 §1
Verordnung zum Umsatzsteuergesetz 1972 §3
Verordnung zum Umsatzsteuergesetz 1972 §4
ABGB §1323
Umsatzsteuergesetz 1972 §14
Einführungsgesetz zum Umsatzsteuergesetz 1972 ArtXII Z3
Verordnung zum Umsatzsteuergesetz 1972 §1
Verordnung zum Umsatzsteuergesetz 1972 §3
Verordnung zum Umsatzsteuergesetz 1972 §4

 

Spruch:

Ein Anspruch des Schädigers auf Rückersatz der dem Geschädigten bezahlten Umsatzsteuer besteht gegenüber einem unter § 3 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 15. Feber 1973, BGBl. 85, fallenden "Unternehmen" dann nicht, wenn der Geschädigte vom Recht des Vorsteuerabzuges nach Durchschnittssätzen Gebrauch gemacht hat und § 4 Abs. 2 der zitterten Verordnung nicht Platz greift

OGH 17. Feber 1977, 6 Ob 712/76 (LG f. ZRS Wien 42 R 413/76; BG Floridsdorf 4 C 354/75.

Text

Der Beklagte ist Facharzt und als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes steuerpflichtig. Er hat von der im § 14 des Umsatzsteuergesetz 1972 gebotenen Möglichkeit, die abziehbaren Vorsteuerbeträge nach Durchschnittssätzen zu ermitteln, Gebrauch gemacht. Der PKW des Beklagten, den er zu 20% privat und zu 80% in seinem Betrieb benützt, wurde durch einen Verkehrsunfall am 25. Feber 1973 beschädigt. Das Alleinverschulden trifft den Versicherungsnehmer der Klägerin. Diese ersetzte dem Beklagten die Reparaturkosten und Mietwagenkosten sowie auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. März 1974, 33 C 1649/73-6, die vom Beklagten für die Reparatur und Mietwagenbenützung bezahlte Umsatzsteuer von 11 968.42 S. Hinsichtlich der zugesprochenen Umsatzsteuer vertrat der OGH im Vorprozeß die Rechtsansicht, die Einrede, der geschädigte Unternehmer habe die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug, könne nur in einem gesonderten Prozeß auf Rückzahlung der Umsatzsteuer geltend gemacht werden.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten, gestützt auf Art. XII Z, 3 des EinführungsG zum UmsatzsteuerG 1972 den Rückersatz von 80% der dem Beklagten bezahlten Umsatzsteuer für die Reparatur- und Mietwagenbenützung, somit 9574.74 S zuzüglich Verzugszinsen von 752.86 S und 80% der in den Prozeßkosten des Vorprozesses enthaltenen Umsatzsteuer, d. s. 284.32 S, zusammen 10 611.92 S samt 4% Zinsen seit Klagstag.

Der Beklagte stellte den Klagsbetrag der Höhe nach außer Streit, beantragte jedoch, das Klagebegehren abzuweisen und wendete ein, wegen der Pauschalierung bestehe für ihn keine Möglichkeit, die bezahlte Umsatzsteuer zu verrechnen; daher bestehe in einem solchen Fall auch kein Rückersatzanspruch des Schädigers nach Art. XII Z. 3 EGUStG 1972.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren Folge. Es vertrat die Rechtsansicht, bei Errechnung der der Pauschalierung zu Gründe liegenden Durchschnittssätze seien auch seltene, aber nicht unübliche Umsatzsteuerleistungen berücksichtigt worden. Die Tätigkeit eines Arztes sei ohne Kraftfahrzeug kaum vorstellbar. Die mit der Haltung eines Kraftfahrzeuges verbundenen Auslagen seien geradezu typisch für ihr Unternehmen. Der wirtschaftliche Nachteil des Unternehmers, der sich auf Grund der Pauschalierung ergebe, sei nicht auf das schädigende Ereignis zurückzuführen, sondern ergebe sich aus der besonderen Berechnungsmethode.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß das Klagebegehren abgewiesen wurde. Es vertrat die Ansicht, das österreichische Schadenersatzrecht sei vom Grundsatz der Wiederherstellung des früheren Zustandes beherrscht. Der Geschädigte sei im Falle eines Vermögensschadens so zu stellen, wie wenn das schädigende Ereignis nie eingetreten wäre. Art. XII Z. 3 EGUStG 1972 entspreche dem das Schadenersatzrecht beherrschenden Grundsatz der Vorteilsausgleichung. Hiedurch solle eine Bereicherung des Geschädigten vermieden werden. Eine solche Bereicherung liege aber dann nicht mehr vor, wenn der Geschädigte von der Möglichkeit der Berechnung der Vorsteuer nach Durchschnittssätzen Gebrauch gemacht habe. Ein Fall, in dem trotz Pauschalierung die Absetzung gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 15. Feber 1973, BGBl. 85, möglich sei, liege nicht vor. Daher stelle die durch das schädigende Ereignis bedingte Umsatzsteuer eine echte Vermögensminderung des Geschädigten dar, so daß dem Schädiger kein Anspruch auf Rückersatz der Umsatzsteuer zustehe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß Art. XII Z. 3 EGUStG 1972 berührt der Umstand, daß jemand, der Anspruch auf Ersatz für eine Sache oder Leistung hat, als Unternehmer zum Abzug von Vorsteuern (§ 12 UStG 1972) berechtigt ist, an sich die Bemessung des Ersatzes nicht. Schließt der Ersatzbetrag auch Umsatzsteuer ein, so erwächst jedoch dem Ersatzpflichtigen gegen den Ersatzberechtigten ein Rückersatzanspruch in der Höhe des Umsatzsteuerbetrages, so bald und so weit ihn der Ersatzberechtigte als Vorsteuer abziehen könnte.

Gemäß § 14 UStG 1972 kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung für die Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge Durchschnittssätze für Gruppen von Unternehmen aufstellen. Die Durchschnittssätze sind auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Unternehmern festzusetzen. In der Verordnung werden u. a. gemäß § 14 Abs. 2 Z. 2 UStG 1972 die für die Ermittlung der Durchschnittssätze jeweils maßgebenden Merkmale bestimmt. Als solche kommen insbesondere Art und Höhe der an den Betrieb ausgeführten Umsätze in Betracht. Gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1972 müssen die Durchschnittssätze zu einer Vorsteuer führen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich ohne Anwendung der Durchschnittssätze ergeben würde. Gemäß § 14 Abs. 4 UStG 1972 bindet die Erklärung, die abziehbaren Vorsteuerbeträge nach Durchschnittssätzen zu ermitteln, den Unternehmer mindestens für zwei Kalenderjahre.

In Ausführung der Bestimmung des § 14 UStG 1972 erging u. a. die Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 15. Feber 1973, BGBl. 85, welche gemäß § 6 auf Vorsteuern anwendbar ist, welche in die Kalenderjahre 1973 und 1974 fallen. Nach § 1 Abs. 1 dieser Verordnung sind die anzuwendenden Durchschnittssätze jeweils in einem vom Hundertsatz des Umsatzes angegeben. Gemäß § 3 Z. 1 betragen die Durchschnittssätze für praktische Ärzte und Fachärzte sowie Tierärzte 1.8 von Hundert. Gemäß § 4 Abs. 1 werden mit dem Durchschnittssatz, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist, sämtliche Vorsteuern abgegolten, die mit der freiberuflichen Tätigkeit der im § 3 bezeichneten Berufsgruppen zusammenhängen. Nach § 4 Abs. 2 kann neben dem nach einem Durchschnittssatz berechneten Vorsteuerbetrag bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 UStG 1972 abgezogen werden: a) die von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen und deren Anschaffungskosten nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechtes im Kalenderjahr der Anschaffung nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden können. Aus § 4 der Verordnung BGBl. 85/1973 ergibt sich zunächst, daß Unternehmer, welche sich für die Berechnung der Vorsteuerabzüge nach Durchschnittssätzen entschieden haben, die aus Anlaß eines Kraftfahrzeugschadens von den Reparaturkosten zu entrichtende Umsatzsteuer nicht mehr gesondert als Vorsteuer abziehen können, da die Ausnahmen des § 4 Abs. 2 dieser Verordnung auf solche Umsatzsteuern nicht zutreffen. Denn es handelt sich bei der Reparatur eines Kraftfahrzeuges weder um die Lieferung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen und deren Anschaffungskosten im ersten Kalenderjahr der Anschaffung nicht in voller Höhe als Betriebsauslagen abgesetzt werden können, noch um Umsatzsteuer für Einfuhren (§ 4 Abs. 2 lit. b). § 4 Abs. 2 lit. c der Verordnung schließlich bezieht sich nur auf Wirtschaftstreuhänder.

Für den Rechtsstreit ist daher entscheidend, ob und in welcher Weise die zivilrechtliche Sondervorschrift des Art. XII Z. 1 EGUStG 1972 anzuwenden ist, wenn sich der Geschädigte für eine Berechnung der abziehbaren Vorsteuerbeträge nach Durchschnittssätzen entschieden hat.

Bei Prüfung dieser Frage, ist von dem Grundsatz auszugehen, daß der Schadenersatzanspruch den Zweck hat, dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittene Einbuße zukommen zu lassen. Die primäre Funktion des gesamten Haftpflichtrechtes liegt in der Verwirklichung dieses Ausgleichsgedankens. Diese Funktion ist dem gesamten Haftpflichtrecht gemeinsam (Koziol, Haftpflichtrecht I, 3). Folgerichtig sieht auch § 1323 ABGB in erster Linie die Naturalrestitution vor. Daraus ergibt sich, daß der Schädiger den Geschädigten grundsätzlich so zu stellen hat, wie er ohne die Beschädigung gestellt wäre (Wolff in Klang[2] VI, 119; Koziol - Welser[4] I, 331; SZ 25/132; SZ 43/186, SZ 45/48 u. a.), wobei § 1324 ABGB hinsichtlich des Umfanges des Schadenersatzes einen Unterschied nach dem Grad des Verschuldens trifft. Aus diesem Grundsatz ist auch abzuleiten, daß der Geschädigte durch den Schadensfall nicht besser gestellt werden darf, als ohne diesen, also in gewissen Fällen eine Vorteilsausgleichung stattzufinden hat (Koziol - Welser[4] 1.335 f.; Koziol a. a. O., 155 f.; Wolff a. a. O., 4 f.; SZ 25/132; ZVR 1973/7, 9 u. v. a.). Nichts anderes bezweckt aber Art. XII Z. 3 des EGUStG 1972. Durch den Rückersatzanspruch des Ersatzpflichtigen soll verhindert werden, daß der Geschädigte die von ihm für die Reparatur bezahlte Umsatzsteuer zweimal erhält, nämlich einmal vom Geschädigten und ein zweites Mal in Form eines Vorsteuerabzuges nach § 12 UStG 1972.

Es muß daher geprüft werden, ob ein Unternehmer wie der Beklagte, welcher vom Recht des Vorsteuerabzuges nach Durchschnittssätzen Gebrauch gemacht hat, bereichert wäre, wenn er auch die für die Reparatur bezahlte Umsatzsteuer vom Schädiger ersetzt erhält. Dies ist zu verneinen. Wohl bestimmt § 14 Abs. 3 UStG 1972, daß die Durchschnittssätze zu einer Vorsteuer führen müssen, die nicht wesentlich von dem Betrag abweicht, der sich ohne Anwendung der Durchschnittssätze ergeben würde. Anderseits sagt jedoch § 14 Abs. 2 Z. 2 UStG 1972, daß als maßgebende Merkmale für die Ermittlung der Durchschnittssätze insbesondere Art und Höhe der an den Betrieb ausgeführten Umsätze in Betracht kommen. Die wirtschaftliche Richtigkeit dieser Durchschnittssätze wird also von der gelungenen Befolgung der im § 14 Abs. 2 Z. 2 UStG 1972 aufgestellten Bedingungen - Art und Höhe der vom Betrieb ausgeführten Umsätze - abhängen (Dorazil - Frühwald - Hock - Mayer - Paukowitsch, Komm. z. UStG 1972, Anm. 2 zu § 14). Daraus ergibt sich, daß bei der Ermittlung dieser Durchschnittssätze in erster Linie jene Umsätze in Betracht kommen, welche für den betreffenden Betrieb typisch sind. Denn nur aus diesen lassen sich einigermaßen verläßliche Rückschlüsse auf die Höhe der üblicherweise bei derartigen Umsätzen anfallenden Vorsteuerbeträge, welche von anderen Unternehmern in Rechnung gestellt werden und die das Unternehmen des Vorsteuerabzugsberechtigten betreffen, ziehen. Zu diesen üblicherweise in einem "Betrieb" wie dem des Klägers (freiberuflicher Facharzt) anfallenden Vorsteuerbeträgen gehört aber sicherlich nicht die Umsatzsteuer für die Reparaturkosten des von einem Dritten schuldhaft beschädigten Kraftfahrzeuges. Hiebei handelt es sich um rechtswidrige Eigentumseingriffe, mit denen nicht von vorneherein gerechnet werden kann und muß, weil diese Art von Erwerbstätigkeit nicht mit dem Kraftfahrzeug selbst ausgeübt, sondern dieses nur als Hilfsmittel zur rationelleren Ausübung des Berufes verwendet wird. Eine Bereicherung des Beklagten, der von seinem Recht auf Pauschalierung des Vorsteuerabzuges Gebrauch gemacht hat, liegt somit nicht vor (Huber - Hofinger:

Zivilrechtliche Fragen in Zusammenhang mit der Einführung des UStG 1972 in ÖJZ 1975, 337 f., insbesondere 344, 345; Pfersmann:

Kraftfahrzeug im Betriebsvermögen - Vorsteuer pauschaliert in Anw. 1975, 189).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

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