OGH 5Ob258/75

OGH5Ob258/7520.1.1976

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Sobalik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel Dr. Marold, Dr. Samsegger und Dr. Griehsler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, Post- und Telegraphenverwaltung, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., *, wider die beklagte Partei Firma Ing. K*, vertreten durch Dr. Clement Achamer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 126.017,‑‑ s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 5. November 1975, GZ. 5 R 79/75‑20, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 14. Juli 1975, GZ. 3 Cg 1501/74‑15, infolge Berufung der klagenden Partei aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1976:0050OB00258.75.0120.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Bei der Beklagten beschäftigte Arbeiter haben am 11. Oktober 1971 beim Schlagen einer Spundwand im Zuge der Errichtung einer Gemeinde-Kanalisationsanlage in R* das Fernkabel 53 b der Klägerin durch Kabelabtrennung beschädigt.

Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zum Ersatz des ihr durch die Beschädigung des Fernkabels verursachten Schadens in der Gesamthöhe von S 126.017,- samt 4 % Zinsen seit 8. Februar 1972. Sie behauptet, die Instandsetzung der Kabelanlage habe S 15.652,‑‑ gekostet und es seien ihr infolge des Betriebsausfalles Gebühren in der Höhe von S 110.365,‑‑ entgangen. Im wesentlichen brachte die Klägerin zur Begründung ihres Klagebegehrens vor:

Die Beklagte sei schon vor Beschädigung des Fernkabels im Besitze einer Kabelschutzanweisung gewesen, die Richtlinien zum Schutze unterirdischer Kabelanlagen der Post- und Telegraphenverwaltung bei Arbeiten in ihrer Nähe beinhalte. Vor Arbeitsbeginn seien der Beklagten Kabellagepläne übergeben und es sei auch der Verlauf des Fernkabels im Gelände durch Pflöcke gekennzeichnet und durch Suchschlitze festgestellt worden. Bei der Kommissionierung des Bauvorhabens der Beklagten sei ausdrücklich die Einhaltung eines Mindestabstandes von einem Meter zu der gekennzeichneten Fernkabeltrasse gefordert worden. Bei Einhaltung dieses Abstandes wäre eine Beschädigung des Fernkabels trotz seines nicht ganz geradlinigen Verlaufes vermieden worden. Unabhängig von allfälligen konkreten Schutzvorschriften sei es Pflicht der Beklagten gewesen, die zur Abwendung einer Beschädigung des Fernkabels notwendigen und zumutbaren Sicherungsmaßnahmen zu treffen. In der Unterlassung dieser Vorkehrungen liege das Verschulden der Beklagten; sie habe ihre Verkehrssicherungspflicht vernachlässigt. Die Beklagte hafte aber auch nach der Bestimmung des § 1315 ABGB, da ihr zuständiger Bauleiter trotz langjähriger Verwendung im Baufache keine Kenntnis von der Kabelschutzanweisung gehabt habe.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und im wesentlichen eingewendet:

Sie habe die Arbeiten, in deren Verlauf es zur Beschädigung des Fernkabels kam, durch taugliche und fähige Dienstnehmer durchführen lassen. Der Vorarbeiter habe eine reiche Erfahrung bei Aushebung von Kanalisationsgräben gehabt und es seien ihm alle einzuhaltenden Vorschriften und Auflagen bekannt gewesen. Der Verlauf des Fernkabels sei durch Suchschlitze in kurzen Abständen markiert worden und daran hätten sich die Arbeiter beim Schlagen der Spundwand orientiert. An jener Stelle, an der es beschädigt wurde, sei das Kabel nicht geradlinig, sondern in einem großen Bogen gegen die Kanaltrasse zu verlaufen. Damit hätten die Arbeiter nicht rechnen können. E* C*, ein Bediensteter des Telegraphenbauamtes F*, habe an Ort und Stelle den verantwortlichen Bauleiter nicht darauf hingewiesen, daß ein Abstand von einem Meter zu der Kabeltrasse einzuhalten sei. C* sei während der Grabungsarbeiten nahezu ständig zugegen gewesen, habe jedoch nichts unternommen, als er sah, daß der Schacht bis auf einen Abstand von ca. 0,5 m an die gekennzeichnete Kabeltrasse herangeführt wurde. Gleiches treffe bezüglich eines weiteren verantwortlichen Vertreters der Klägerin zu. Es treffe deshalb die Klägerin ein Mitverschulden. Die von der Klägerin erwähnte Kabelschutzanweisung sei dem verantwortlichen Bauleiter nicht bekannt gewesen. Der Oberbauleiter Dipl. Ing. G* und der Bauleiter W* H* seien zuverlässige und besonders geschulte Leute mit langjähriger Erfahrung im Tiefbau. Die Ansprüche der Klägerin seien der Höhe nach nicht berechtigt und bei dem geltend gemachten Gebührenausfall handle es sich um einen mittelbaren Schaden der Klägerin, den die Beklagte nicht zu ersetzen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es nahm im wesentlichen folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

1971 ließ die Marktgemeinde R* einen Abwasserkanal durch B* verlegen. Die Planung und Bauleitung lag bei Dipl. Ing. T*, die Bauarbeiten wurden von der Beklagten ausgeführt, die gleichartige Arbeiten schon seit zehn Jahren vornimmt. Die Beklagte hatte Dipl. Ing. G* mit der Oberbauleitung und W* H* mit der örtlichen Bauleitung betraut, die infolge anderweitiger Arbeiten etwa alle zwei oder drei Tage zur Baustelle nach B* kamen. Zum Zeitpunkt der Beschädigung des Fernkabels war keiner von ihnen zugegen. H* ist seit 1937 und Dipl. Ing. G* ist seit 1967 bei der Beklagten beschäftigt. Der Kanalbau in B* war der erste größere derartige Bau, der unter der Leitung H*s durchgeführt wurde. Zuvor war H* überwiegend im Stollen- und im Straßenbau eingesetzt gewesen. P* W* arbeitete als Vorarbeiter der Beklagten bei diesem Kanalbau. Er war insgesamt 23 Jahre im Stollen-, Straßen- und Dammbau beschäftigt gewesen.

Vor Aufnahme der Bauarbeiten besprach Dipl. Ing. T* mit dem Kabelaufsichtsbeamten E* C* die einzelnen Bauabschnitte. Das Telegraphenbauamt F*, bei dem C* bedienstet ist, veranlaßte hierauf, daß ein Suchtrupp mittels eines Suchgerätes den Verlauf der Kabeltrasse feststellte und durch in Abständen von 15 bis 20 m eingeschlagene Pflöcke kennzeichnete.

Dipl. Ing. T* hatte zwischen der Kabelachse und der Kanalachse einen horizontal gemessenen Abstand von 2,69 m vorgesehen und deshalb der Beklagten, bzw. dem Vorarbeiter W*, die Anweisung erteilt, die Spundwand in einer Entfernung von 1,66 m zur Kanalachse abzutäufen. Damit wäre zwischen der Spundwand, die nur an der zur Kabeltrasse liegenden Seite des Kanals geschlagen wurde, und der Kanalachse (offenbar richtig: zur Kabelachse) ein Abstand von 1,03 m gewesen. Entsprechend der durch Pflöcke gekennzeichneten Kabeltrasse wurde der Verlauf der Kanalachse von Dipl. Ing. T* durch Anbringung von Winkelpunkten festgelegt, bei denen ebenfalls Pflöcke eingeschlagen wurden; zwischen den einzelnen Winkelpunkten verlief die Trasse geradlinig. E* C* hatte von Dipl. Ing. T* die Einhaltung eines Mindestabstandes von einem Meter zur ausgepflockten Kabeltrasse gefordert.

Von den Arbeitern der Beklagten wurden im Zuge der Bauarbeiten fallweise zu Kontrollzwecken Suchschlitze angelegt, um den Verlauf der ausgesteckten Kabelachse überprüfen zu können. Beim Einschlagen der Spundwand wurde, um einen geradlinigen Verlauf dieser Wand zu gewährleisten, vom Vorarbeiter jeweils etwa zehn Meter voraus eine Fluchtstange in den Boden geschlagen und zur letzten eingerammten Larse eine Schnur gezogen. Der Vorarbeiter hatte die ausgesteckte Kanalachse genau vorgegeben, da das jeweilige Stück zwischen den Winkelpunkten der Kanalachse völlig geradlinig verlief.

Auf einer Strecke von ca. zehn Meter wich dann jedoch die Spundwand von der vorgesehenen Linie in einer Krümmung zur Kabeltrasse ab und es wurde am 11. Oktober 1971 um 15:39 Uhr beim Einrammen der Spundwand das Fernkabel der Klägerin gequetscht und beschädigt. An dieser Stelle betrug die Abweichung der Spundwand vom Soll-Wert 58 cm. Gerade an dieser Stelle lag das Fernkabel nicht in der durch Pflöcke gekennzeichneten Trasse, sondern verlief in einer Ausbuchtung von 45 cm in Richtung zur Kanalachse. Die Abweichung der Spundwand von der Soll-Linie ist durch keinen erkennbaren Umstand veranlaßt worden und der Aufmerksamkeit des Vorarbeiters entgangen.

Die Kabelschutzanweisung, die allgemeine Richtlinien zur Verhütung von Kabelbeschädigungen im Zuge von Bauarbeiten enthält, wurde erst im November 1971 den Baufirmen zugesandt und war der Beklagten vor dem Schadensfall an dem Fernkabel nicht zugekommen. Dipl. Ing. G*, W* H* und P* W* wußten, daß entlang der Kanaltrasse der Kabelstrang verläuft und daß bei Ausführung ihrer Arbeiten größte Sorgfalt geboten ist.

Dipl. Ing. T* hatte von der Klägerin für jene Abschnitte, in denen das Fernkabel durch die heranführende Kanaltrasse gefährdet erschien, die Beistellung eines Aufsichtsbeamten erbeten. Die Klägerin konnte einen solchen jedoch aus Personalmangel nicht ständig zur Verfügung stellen. Inspektor C* kam gelegentlich zur Baustelle der Beklagten. Sein letzter Besuch vor Beschädigung des Fernkabels erfolgte am 29. September 1971. Nach dem Auftreten der ersten Störungen am 11. Oktober 1971 in der Zeit von 14:45 Uhr und 14:47 bis 14:48 Uhr erschien der Beamte des Fernmeldebetriebsamtes I* Ing. E* S* mit einem Mitarbeiter auf der Baustelle der Beklagten und kam nach Besichtigung der Örtlichkeit zu dem Schluß, daß die Störung dort nicht ihre Ursache haben könne; er fuhr dann weiter, ohne den Abstand der Spundwand zur Kabeltrasse zu bemängeln. Allerdings fällt der Bau und die Erhaltung von Kabeln nicht in den Tätigkeitsbereich dieses Beamten.

Erst mit Schreiben vom 21. Oktober 1971 ersuchte die Beklagte die Klägerin um „sofortige Beistellung einer Aufsichtsperson für die gesamten Luft- und Erdkabelanlagen“ im Bereich der Baustelle in B*.

Rechtlich kam das Erstgericht zu folgenden Schlußfolgerungen:

Die Frage, ob die Beklagte für den Kabelschaden hafte, sei nach dem ABGB zu beantworten. Da zwischen den Parteien kein Vertragsverhältnis bestanden habe, komme nur eine eigene deliktische Haftung der Beklagten oder eine Haftung für ihre Besorgungsgehilfen nach § 1315 ABGB in Betracht. Die Beklagte habe die Arbeiten entsprechend den Weisungen des Dipl. Ing. T* durchzuführen gehabt und habe mit der Beaufsichtigung der Arbeitsdurchführung Dipl. Ing. G* und W* H* betraut. Es könne der Beklagten nicht als Verletzung der ihr obliegenden Überwachungs- und Beaufsichtigungspflicht im Sinne eines Organisationsverschuldens angelastet werden, daß Dipl. Ing. G* und W* H* nicht ständig auf der Baustelle in B* gewesen sind, weil die zu verrichtenden Arbeiten nicht so schwierig gewesen seien, daß es ihrer ständigen Beaufsichtigung bedurft hätte. Ein Eigenverschulden der Beklagten könne deshalb nicht angenommen werden. Es scheide aber auch eine Haftung nach § 1315 ABGB aus. Es sei zwar richtig, daß der Schaden – abgesehen von der Abweichung des Fernkabels im Schadensbereich – auf ein Verschulden des Vorarbeiters W* zurückzuführen sei, dem die Abweichung der Spundwand von der vorgesehenen Linie nicht auffiel; es sei jedoch eine generelle Haftung des Firmeninhabers – wie bei juristischen Personen auch – für unerlaubte Handlungen untergeordneter Hilfspersonen nicht gegeben. Eine Untüchtigkeit dieses Vorarbeiters der Beklagten sei von der Klägerin nicht behauptet und auch nicht erwiesen worden. Aus einem einzigen Fehlverhalten bzw. Versagen könne nicht auf eine Untüchtigkeit im Sinne des § 1315 ABGB geschlossen werden. Der W* hier unterlaufene Fehler bedeute noch nicht, daß ihm die Fähigkeit abgehe, solche Arbeiten durchzuführen bzw. zu leiten. Der Umstand, daß der verantwortliche Bauleiter der Beklagten die maßgeblichen Bestimmungen der Kabelschutzanweisung nicht kannte, sei unbeachtlich, weil diese Anweisung der Beklagten erst nach Eintritt des Schadens zugekommen sei und die Notwendigkeit der Einhaltung eines Sicherheitsabstandes von einem Meter bei Arbeiten im Kabelbereich nicht erwähne.

Es ermangle sowohl an einem Eigenverschulden als auch an einem ihr zurechenbaren Fremdverschulden der Beklagten.

Der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung der Klägerin gab das Gericht zweiter Instanz Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes mit dem Vorbehalt der Rechtskraft auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an die erste Instanz zurück.

Zur rechtlichen Beurteilung des Streitfalles führte das Berufungsgericht aus:

Die Haftung der Beklagten auf Grund der Bestimmung des § 1315 ABGB komme nicht in Betracht. Ein einmaliges Fehlverhalten des Besorgungsgehilfen lasse nur dann auf seine Untüchtigkeit schließen, wenn es grobe Unkenntnis betriebswichtiger Vorschriften oder Ausbildungsmängel oder einen habituellen Hang zur Mißachtung seiner Obliegenheiten offenbare. Der dem Vorarbeiter W* unterlaufene Fehler sei nicht als so gravierend anzusehen, daß der Genannte schon deshalb allein als untüchtig angesehen werden müßte. Da die Abweichung der Spundwand von der vorgeschriebenen Geraden nur ca. die Hälfte des vorgesehenen Sicherheitsabstandes zur Kabelachse ausgemacht habe, sei W* die Annahme zuzubilligen, daß trotz dieser Abweichung noch keine Gefahr einer Beschädigung des Kabels drohe und der Abstand zur Kabelachse noch ca. einen halben Meter betrage. Er habe nicht wissen können, daß das Kabel in diesem Bereich nicht geradlinig verlegt worden war. Sein Fehlverhalten verrate daher weder einen habituellen Hang zur Mißachtung seiner Obliegenheiten, noch lasse es eine absolute Unfähigkeit erkennen. Er könne deshalb nicht als untüchtiger Besorgungsgehilfe im Sinne des § 1315 ABGB angesehen werden.

Der Klägerin sei jedoch in der Ansicht beizupflichten, daß die Beklagte für das Verschulden ihres Vorarbeiters W* auf Grund der Bestimmung des § 1313a ABGB hafte.

Nach der neuerdings auch von der Rechtsprechung (JBl 1963, 570) angewandten Lehre (Wilburg, ZBl 1930, 648; Gschnitzer in Klang2 IV, 236 f; Bydlinski, JBl 1960, 359 ff) greife in Schadensfällen dritter, nicht unmittelbar aus dem Vertrag berechtigter Personen die Bestimmung des § 1313a ABGB dann ein, wenn nach objektiver Vertragsauslegung anzunehmen sei, daß auch bezüglich dieser Personen eine Sorgfaltspflicht übernommen worden ist. Nach Bydlinski könne sich diese Sorgfaltspflicht allerdings nur auf solche Rechtsgüter Dritter beziehen, deren Kontakt mit der Leistung voraussehbar gewesen und deren Verletzung eben auf Grund dieses Kontakts erfolgt sei. Zusätzlich verlange Bydlinski noch ein eigenes Interesse des Vertragspartners an der Unversehrtheit der Rechtsgüter des Dritten. Es sei daher im Sinne der an diese Lehre anknüpfenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (JBl 1963, 570) im Wege objektiver Vertragsauslegung für den regelmäßig nicht vorbesprochenen Fall von Störungen aus Anlaß von Erfüllungshandlungen anzunehmen, daß die Parteien des Vertrages einander zum Schutz und zur Sorgfalt auch gegenüber jenen dritten Personen und Sachen verpflichten wollten, deren räumlicher Kontakt mit der vertraglich zu erbringenden Hauptleistung bei Vertragsabschluß voraussehbar gewesen sei, die also der vertraglichen Leistung nahstehen und an denen der Vertragspartner ein sichtbares eigenes Interesse habe oder hinsichtlich welcher ihm selbst offensichtlich eine Fürsorgepflicht zukomme.

Die danach geforderten Kriterien seien im vorliegenden Fall geradezu beispielhaft erfüllte. Es habe der räumliche Kontakt der Anlage der Klägerin mit den von der Beklagten gegenüber der Gemeinde R* zu erbringenden Leistungen bestanden, es sei von vorneherein vorhersehbar gewesen, daß eine Verletzung dieses Rechtsgutes Dritter (des Kabels der Klägerin) auf Grund des Kontaktes erfolgen könne, und es sei auch unzweifelhaft, daß die Gemeinde R* als Vertragspartner der Beklagten ein sichtbares Interesse am Schutz der Anlage der Klägerin gehabt habe, da ihr eine Fürsorgepflicht hinsichtlich des in ihrem Bereich verlegten Kabels zugekommen sei; diese ergebe sich aus den Bestimmungen des TelWG, BGBl 1929/435 (arg. § 5 Abs. 3). Es gehe hier aber gar nicht darum, im Wege objektiver Vertragsauslegung Schlüsse zu ziehen, wozu sich die Parteien für den Fall von Störungen aus Anlaß der Vertragserfüllung verpflichten wollten, da hier die Maßnahmen zum Schutze des Kabels der Klägerin zwischen den Vertragspartnern besprochen worden seien. Nach den unbekämpft gebliebenen Tatsachenfeststellungen habe der für die Gemeinde R* aufgetretene Dipl. Ing. T* von der Beklagten ausdrücklich verlangt, daß bei den Grabungsarbeiten ein Abstand von einem Meter zur Kabelachse einzuhalten sei. Diese Maßnahme zum Schutz des Kabels der Klägerin sei demnach Gegenstand des Vertrages zwischen der Gemeinde R* und der Beklagten gewesen. Die Beklagte hafte deshalb auf Grund der Bestimmung des § 1313a ABGB für das Verschulden ihres Vorarbeiters W*. Daraus ergebe sich, daß die Klageforderung zumindest zum Teil berechtigt sei. Das Berufungsgericht sei jedoch nicht in der Lage gewesen, über die Berechtigung des Klageanspruches dem Grunde nach zu entscheiden, weil sich das Erstgericht mit dem Mitverschuldenseinwand der Beklagten nicht auseinandergesetzt habe. Es bedürfe hiezu insbesondere noch „dezidierterer“ Feststellungen darüber, wie es dazu gekommen sei, daß der Verlauf des Kabels gegenüber der von der Post ausgesteckten Markierung der Kabeltrasse ca. einen halben Meter abwich.

Im übrigen sei die Rüge der Feststellung des Erstgerichtes durch die Klägerin nicht berechtigt, daß die Klägerin wegen Personalmangels nicht einen von Dipl. Ing. T* erbetenen Kabelaufsichtsbeamten zur Verfügung stellen konnte. Diese Feststellung sei in der Aussage des Zeugen C*, eines Angestellten des Telegraphenbauamtes F*, begründet.

Gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Hauptantrag, diesen Beschluß zur Gänze aufzuheben und dem Berufungsgericht die Fällung eines die erstgerichtliche Entscheidung bestätigenden Urteiles aufzutragen, und dem hilfsweisen Begehren, ihn teilweise aufzuheben und dem Berufungsgericht die Fällung eines Teilurteiles durch Bestätigung des Urteiles des Erstgerichtes hinsichtlich der Abweisung des Klagebegehrens von S 110.365,‑‑ samt 4 % Zinsen seit 8. Februar 1972 aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Obwohl die Rekurswerberin erklärt, gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes keinen Einwand zu erheben, daß ihre Haftung nach § 1315 ABGB für ihren Vorarbeiter W* nicht in Betracht komme, weil dieser kein untüchtiger Besorgungsgehilfe sei, muß sich der Oberste Gerichtshof auch mit diesem Rechtsgrund der Klage befassen, weil eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge das Rekursgericht zur Überprüfung des Aufhebungsbeschlusses nach allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zwingt (Fasching IV, 385; vgl. auch JBl 1950, 140, MietSlg 22.636 u.a.).

Der Schaden an dem Fernkabel der Klägerin ist in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausführung der der Beklagten von der Gemeinde R* übertragenen Aufgabe durch die Unachtsamkeit des Vorarbeiters W* entstanden und nicht bloß gelegentlich deren Besorgung. Die Beklagte wäre deshalb der Klägerin für diesen Schaden ersatzpflichtig, wenn – unabhängig von ihrem Verschulden (Koziol, österreichisches Haftpflichtrecht II, 276, 279; SZ 25/84) – ihr Vorarbeiter W* zur Besorgung der ihm übertragenen Tätigkeit untüchtig war (Koziol aaO, 280; JBl 1962, 444). Der Begriff der Untüchtigkeit im Sinne des § 1315 ABGB ist nämlich relativ zu sehen, denn er muß in Bezug auf die dem Besorgungsgehilfen übertragene bestimmte Tätigkeit beurteilt werden (Koziol aaO, 280; JBl 1962, 444). Es kommt dabei auf die Art der Arbeit und die Schwere der Mangelhaftigkeit des Verhaltens des Gehilfen an (Koziol aaO, 280; SZ 25/68, SZ 39/170 ua.). Stets muß es sich freilich um eine sogenannte habituelle, d.h. gewohnheitsmäßige (Duden, Fremdwörterbuch, 1960, 232; Brockhaus, Enzyklopädie17, Bd. 8,20; Meyers Enzyklopädisches Lexikon9, Bd. 11, 225; Weinhold, Fachwörterbuch für Rechtspflege und Verwaltung, 1949, 99) Untauglichkeit des Gehilfen zur Besorgung der ihm vom Geschäftsherrn übertragenen Aufgabe handeln (Koziol aaO, 280; SZ 25/68, SZ 41/47 u.a). Insoferne vermag ein einmaliges Versagen des Gehilfen nicht unbedingt seine Untüchtigkeit im Sinne des § 1315 ABGB zu bewirken (Koziol aaO, 280). Als tatsächliches Indiz für einen Dauerzustand kann jedoch ein einmaliges Versagen des Gehilfen einen Schluß auf seine (habituelle) Untüchtigkeit zulassen (Ertl in RZ 1972, 111 und 5 Ob 200/75). Die Unterinstanzen haben jedoch aus dem einmaligen Fehlverhalten des Vorarbeiters W* die tatsächliche Schlußfolgerung verneint, daß ein solches seinen Gewohnheiten entspreche, und haben deshalb auch zutreffend W* nicht als untüchtigen Besorgungsgehilfen im Sinne des § 1315 ABGB qualifiziert.

Die Klägerin hat sich jedoch in Anspruchskonkurrenz zu der zivildeliktischen Haftung nach § 1315 ABGB auch darauf berufen, daß der Beklagten vor Beginn der Arbeiten die Lage des Fernkabels bezeichnet und die Einhaltung eines Mindestabstandes von einem Meter aufgetragen worden sei.

Nach den übereinstimmenden Feststellungen der Unterinstanzen hatte Dipl. Ing. T* als Vertreter der auftraggebenden Gemeinde R* von der Beklagten vor Beginn der Arbeiten ausdrücklich die Einhaltung eines Abstandes von einem Meter zu der gekennzeichneten Kabeltrasse bei Durchführung der Grabungsarbeiten verlangt. Das Berufungsgericht hat daraus den rechtsrichtigen Schluß gezogen, daß die Beklagte dadurch vertraglich die Einhaltung einer Maßnahme zum Schutze des Fernkabels der Klägerin, also eines Rechtsgutes einer am Vertrag nicht beteiligten dritten Person, übernommen hat. Es liegt hierin eine Abart des Vertrages zugunsten Dritter, nämlich der Klägerin, durch den über die Hauptleistungspflicht der Beklagten gegenüber der Gemeinde R* hinaus auch noch die Erfüllung einer besonderen Sorgfaltspflicht der Beklagten zugunsten der Klägerin ausbedungen wurde (vgl, Bydlinski, Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter, JBl 1960, 360). Der Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte kann deshalb unmittelbar aus der Verletzung der zu ihren Gunsten zwischen der Beklagten und der Gemeinde R* vertraglich begründeten Schutzpflicht bezüglich des Fernkabels abgeleitet werden. Es ist dabei belanglos, daß der Klägerin, anders als beim echten Vertrag zugunsten Dritter, kein eigener Anspruch auf die Hauptleistung aus dem Vertrag zusteht (Bydlinski aaO, 362). Da die Untergerichte festgestellt haben, daß die unter der Aufsicht und Verantwortung des Vorarbeiters W* von Arbeitern der Beklagten eingeschlagene Spundwand von der vorgesehenen Linie 58 cm und – da der Abstand zwischen der Spundwand und der Kabelachse 1,03 cm betragen sollte – damit 45 cm von der vertraglich bedungenen Sicherheitsentfernung in Richtung zur Kabeltrasse hin abwich und daß es infolge dieser Abweichung zur Beschädigung des Kabels gekommen ist, steht das vertragswidrige Verhalten der Beklagten und die Kausalität dieses Verhaltens für den der Klägerin durch die Kabelbeschädigung entstandenen Schaden fest. Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, im Sinne des § 1298 ABGB ihre Schuldlosigkeit an der Kabelbeschädigung zu beweisen. Nach Lehre und Rechtsprechung besteht nämlich für Schutzpflichtverletzungen eine Umkehr der Beweislast gemäß der angeführten Gesetzesstelle (Koziol aaO, I, 266; SZ 45/75, 5 Ob 200/75 u.a.). Diese Beweislastverschiebung findet ihre Rechtfertigung darin, daß die Lebensverhältnisse in der Sphäre des Schuldners für den Gläubiger nicht durchschaubar sind und er in Beweisnotstand geriete, wenn er das Verschulden beweisen müßte (Koziol aaO, I, 266 und die dort unter FN 51 angeführten Lehrmeinungen; 5 Ob 200/75).

Die Beklagte hat sich bei Wahrnehmung ihrer Pflichten an der Baustelle ihres Vorarbeiters W* bedient und damit diesem auch die Erfüllung ihrer zugunsten der Klägerin vertraglich begründeten Schutzpflicht bezüglich des Fernkabels übertragen. Da die strenge Haftung des Unternehmers gemäß § 1313a ABGB auch für die Beiziehung eines Gehilfen zur Erfüllung vertraglicher Schutzpflichten besteht (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 261; 5 Ob 200/75), haftet die Beklagte für das „Verschulden“ ihres Vorarbeiters W*, welches – wie Koziol aaO II, 271 zutreffend ausgeführt hat – mangels Rechtswidrigkeit seines Fehlverhaltens im Sinne des Gesetzes so zu verstehen ist, daß sein Verhalten schuldhaft wäre, wenn es die Beklagte selbst gesetzt hätte (so auch 5 Ob 200/75). Die Vernachlässigung eines vereinbarten Sicherheitsabstandes von einem Meter zu der gekennzeichneten Trasse eines Fernkabels beim Einschlagen einer Spundwand durch eine Annäherung der Spundwand an die Trasse um 45 cm stellt zumindestens eine leichte Fahrlässigkeit gemäß § 1299 ABGB dar, und dieses Verschulden ist der Beklagten nach § 1313a ABGB zuzurechnen. Da die Beklagte Kaufmann im Sinne des HGB ist, haftet sie der Klägerin aus der Verletzung der zu ihren Gunsten aus einem Handelsgeschäft übernommenen Schuld umfänglich gemäß Art. 8 Nr. 2 der 4. EVzHGB ohne Rücksicht auf den Grad des Verschuldens.

Das Berufungsgericht hat aus diesen Erwägungen mit Recht die Haftung der Beklagten für das Fehlverhalten ihres Vorarbeiters im Sinne des § 1313a ABGB angenommen. Der Rekurs der Beklagten ist daher in dieser Beziehung nicht berechtigt.

Es kann aber der Rekurswerberin auch nicht in der Ansicht zugestimmt werden, sie hafte nicht für den Schaden, den die Klägerin durch den Ausfall an Fernmeldegebühren infolge der Beschädigung des Fernkabels erlitten zu haben behauptet, weil es sich dabei um einen mittelbaren Schaden in Form von Verdienstentgang bzw. entgangenem Gewinn handle.

Dieser Schaden der Klägerin, der freilich bisher nicht feststeht, ist jedoch jedenfalls unmittelbarer Schaden aus der Beschädigung des Fernkabels, weil durch die vereinbarte Schutzpflicht nicht nur das Kabel der Klägerin in seiner körperlichen Unversehrtheit, sondern auch und vor allem in seiner technischen Funktion als Ferngesprächsmittel erfaßt sein sollte. Die Schutzvereinbarung, welche die Beklagte verletzte, hatte den Zweck, gerade den Schaden zu vermeiden, den die Klägerin aus der Vertragsverletzung durch die Beklagte erlitten zu haben behauptet. In diesem Sinne wurde von der Rechtsprechung auch schon bisher der Gebührenausfall, den die Post- und Telegraphenverwaltung durch die Beschädigung eines Fernmeldekabels erlitt, als unmittelbarer und wirklicher Schaden betrachtet (SZ 40/2 u.a.).

Dem Berufungsgericht kann indessen nicht beigepflichtet werden, wenn es der Ansicht ist, es könne über den Grund des Anspruches derzeit noch nicht abgesprochen werden, weil sich das Erstgericht mit dem Mitverschuldenseinwand der Beklagten nicht auseinandergesetzt und „insbesondere“ nicht ausreichende Feststellungen darüber getroffen habe, wie es dazu kommen konnte, daß der Verlauf des Fernkabels von der gekennzeichneten Kabeltrasse ca. einen halben Meter abwich.

Die festgestellte Abweichung des tatsächlichen Verlaufes des Fernkabels gegenüber der markierten Trasse um ca. einen halben Meter (genau: 45 cm) ist rechtlich ohne Bedeutung, denn es wurde der Beklagten die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes von einem Meter gegenüber der markierten Trasse auferlegt; dies konnte offenkundig nur den Zweck haben, Gefahren für das Kabel auch dann zu vermeiden, wenn es nicht genau entlang der Kabelachse verlegt worden sein sollte. Es entspricht der allgemeinen Erfahrung, daß die Verlegung von Kabeln in der Erde nicht auf Dezimeter genau möglich ist. Mit einer Abweichung der tatsächlichen Lage des Kabels von der Kabelachse um etwa einen halben Meter muß deshalb bei Angabe einer Sicherheitszone von einem Meter Breite durchaus gerechnet werden. Aus diesem Grunde kann der Klägerin wegen des Abweichens der wirklichen Kabellage gegenüber der markierten Kabeltrasse um 45 cm kein Mitverschulden angelastet werden.

Die Beklagte hat auch noch darin ein Mitverschulden der Klägerin an dem eingetretenen Schaden erblickt, daß sie infolge Personalmangels keinen ständigen Aufsichtsbeamten zur Baustelle entsenden konnte.

Die Klägerin hat die Kabeltrasse erkennbar im Gelände durch Markierungen ersichtlich gemacht und damit eine vollkommen ausreichende Schutzmaßnahme zur Vermeidung einer Beschädigung des Fernkabels im Bereich der Arbeiten der Beklagten getroffen. Sie war nicht verpflichtet und es war ihr auch nicht zumutbar, die Einhaltung der von der Beklagten vertraglich übernommenen Vorsicht durch deren Arbeiter an Ort und Stelle von einem eigenen Aufsichtsbeamten überwachen zu lassen. Eine derartige vorbeugende Schadenshinderungspflicht muß in Anbetracht der dargestellten ausreichenden Kennzeichnung des Kabelverlaufes durch Markierungen in der Natur als zu weitreichend abgelehnt werden.

Auch aus dem Umstand, daß unmittelbar vor Schadenseintritt ein auf der Suche nach einer Störungsquelle befindlicher Beamter der Post- und Telegraphenverwaltung die Annäherung der Spundwand an die Kabeltrasse nicht beanstandet hat, kann kein Mitverschulden der Klägerin abgeleitet werden. Das Schweigen dieses Beamten, der für den Bau und die Erhaltung von Fernkabeln gar nicht zuständig war, zu der Vertragsverletzung der Beklagten durch unzulässige Annäherung an die Kabeltrasse kann der Klägerin nicht als Mitverschulden angelastet werden, weil seine Aufgabe für die Beklagte erkennbar nur in der Feststellung einer bereits vorhandenen Störungsquelle bestanden hat.

Die Sache erweist sich somit in Ansehung des Grundes des gesamten Schadenersatzanspruches der Klägerin bereits als spruchreif, sodaß sich das Erstgericht nur mehr mit der Höhe der beiden Ansprüche zu befassen haben wird.

Dem Rekurs der Beklagten mußte aus diesen Erwägungen der Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Rekurskosten gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

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