OGH 1Ob44/75

OGH1Ob44/759.4.1975

SZ 48/42

Normen

ABGB §1294
ABGB §1294

 

Spruch:

Fahrlässigkeit ist zu verneinen, wenn die Wahrscheinlichkeit eines rechtswidrigen Erfolges so gering ist, daß sie auch einen pflichtgemäß Handelnden nicht von der Handlung abhalten und zu größerer Vorsicht veranlassen würde

OGH 9. April 1975, 1 Ob 44/75 (OLG Wien 4 R 215/74; KG Korneuburg 2 Cg 235/73)

Text

Die Kläger begehren den Ersatz ihres Verdienstentganges als Lohndreschunternehmer infolge des am 5. August 1972 durch einen Arbeiter der beklagten Partei einer landwirtschaftlichen Genossenschaft bei der Vornahme einer Reparatur verschuldeten Brandes ihres Mähdreschers.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen ergab sich am 4. August 1972 während des Einsatzes des Mähdreschers der Kläger in der Gemeinde S ein starker Kraftstoffverlust, so daß der Erstkläger die Reparaturwerkstätte der beklagten Partei um Entsendung eines Mechanikers zur Schadensbehebung ersuchte. Die Beklagte sandte den Landmaschinenbauergesellen Josef Z zu den Klägern, der auf die Bearbeitung von Einspritzpumpen und Startern spezialisiert ist, während ihm noch wenige Mähdrescher untergekommen sind. Im vorliegenden Fall wurde Josef Z mitgeteilt, daß die Zuleitung der Einspritzpumpe rinne und daß er zur Schadensbehebung nur einen Schraubenschlüssel benötige. Josef Z wechselte die Zuleitung aus und war eben dabei, zum Einbau der Ersatzleitung eine Überwurfmutter an der Ölleitung anzuziehen, als ihm plötzlich der Schraubenschlüssel aus der Hand fiel, am Korntankbehälter und Starteranschluß liegen blieb und dort infolge Masseschlusses Funken schlug. Da der Motor mit Grannen und Öl verschmutzt war, fing die verunreinigte Stelle sofort Feuer. Der Schlüssel haftete mit dem anderen Ende am Anlasser und konnte von Josef Z nur sehr schwer entfernt werden, weil er sehr heiß war. Josef Z rief sofort nach dem Feuerlöscher, der ihm vom Erstkläger hinaufgereicht wurde. Da aber im Feuerlöscher zu wenig Löschmasse war, konnte Josef Z das Feuer nicht löschen. Die Reparatur des Mähdreschers wurde von der beklagten Partei kostenlos vorgenommen. Während der Arbeit Josef Zs war auf dem Starter keine Gummischutzkappe vorhanden, wie sie sonst "jedenfalls teilweise" bei neuen Maschinen angebracht ist. Der Motor war nicht in Betrieb, die Batterie nicht abgeklemmt. "Nach dem Gutachten des Sachverständigen" handelte es sich im vorliegenden Fall um einen bedauerlichen Zufall, für dessen Folgen weder die Außerachtlassung von (fehlenden) Brandschutzbestimmungen noch das Unterbleiben geeigneter Löschmaßnahmen verantwortlich gemacht werden kann. Das Unterlassen des Abklemmens der Batterie kann dem Monteur nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil die Montage die Einspritzdüse, also einen mit der Elektrik in keinem Zusammenhang stehenden Maschinenteil, betroffen hat. Das Entfallen des Schraubenschlüssels aus der Hand eines Monteurs hat üblicherweise keine ernstlichen Folgen. Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes ist ein schuldhaftes Verhalten des Monteurs Josef Z, der als tüchtiger und verläßlicher Mechaniker "beschrieben" wird, nicht nachgewiesen. Der zufällig entstandene Schaden müsse von den Klägern selbst getragen werden.

Das Berufungsgericht gab der von den Klägern erhobenen Berufung nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen als unbedenkliches Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und trat der rechtlichen Beurteilung des Erstrichters im Ergebnis bei. Für ein Verschulden des Monteurs Josef Z hätte die beklagte Partei allerdings nach § 1313a ABGB einzustehen. Ein solches sei aber zu verneinen und der eingetretene Schaden als nicht einmal abstrakt voraussehbarer atypischer Erfolg anzusehen. Die Unterlassung des Abklemmens der Stromversorgungsanlage stelle kein haftungsbegrundendes Verschulden dar, weil es nach dem Sachverständigengutachten bei Reparaturarbeiten, die nicht unmittelbar die elektrischen Anlagen eines Fahrzeuges betreffen, nicht üblich sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit der Rechtsrüge bekämpfen die Revisionswerber die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Schaden eine atypische Folge der Fehlleistung des Erfüllungsgehilfen der Beklagten darstelle, und vertreten die Ansicht, daß der Schadensablauf einen schuldhaft veranlaßten Zufall im Sinne des § 1311 ABGB darstelle, den die beklagte Partei zu vertreten habe.

Wie bereits die Untergerichte zutreffend erkannt haben, können der rechtlichen Beurteilung jene Ausführungen des Sachverständigen nicht zu Gründe gelegt werden, in denen er der dem Gericht obliegenden Beurteilung vorgegriffen hat. Besser wären dann allerdings auch "Feststellungen" in dieser Richtung ebenso wie jene über die Ansicht von Zeugen ganz unterblieben.

Richtig ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte, die einen Reparaturauftrag übernommen hatte und den Kläger daher zu einer vertraglichen Leistung verpflichtet war, ihnen für das Verschulden der Personen, deren sie sich zur Erfüllung bediente, wie für ihr eigenes haftet (§ 1313a ABGB). Nach § 1299 ABGB muß sie dabei auch den allfälligen Mangel des notwendigen Fleißes und der erforderlichen nicht gewöhnlichen Kenntnisse jenes Handwerks vertreten, in dessen Rahmen für sie der Monteur Josef Z tätig wurde. Aus dem Zusammenhang der Bestimmungen folgt, daß die beklagte Partei, die nach § 1299 ABGB für jene Kenntnisse und den Fleiß haftet, die ihre Fachgenossen gewöhnlich haben (SZ 34/153), auch den Mangel der erforderlichen nicht gewöhnlichen Kenntnisse und des notwendigen Fleißes ihres Erfüllungsgehilfen vertreten muß, weil sie sich in Erfüllung ihrer Vertragspflichten nur eines derart qualifizierten Erfüllungsgehilfen bedienen durfte (vgl. Wolff in Klang[2] VI, 90).

Das Berufungsgericht hat aber mit Recht ein solches Verschulden, das nach § 1295 Abs. 1 ABGB ebenso wie nach § 1299 und § 1311 ABGB von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmsfällen abgesehen, Bedingung der Schadensersatzpflicht ist (§ 1306 ABGB), verneint. Welche Voraussetzungen für die Annahme eines wenigstens leichten Verschuldens gefordert werden, ergibt sich aus § 1294 ABGB. Es muß zumindest ein Versehen vorliegen, das auf schuldbarer Unwissenheit oder einen Mangel der gehörigen Aufmerksamkeit oder des gehörigen Fleißes beruht. Zur Abwendung des Schadens müssen zwar alle, aber auch nur jene Vorkehrungen getroffen werden, die vernünftigerweise nach der Lage der Umstände und der Auffassung des Verkehrs vom Schädiger zu erwarten sind (SZ 30/22; SZ 36/103 u. a.). Fahrlässigkeit ist also zu verneinen, wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes eines rechtswidrigen Erfolges so gering war, daß sie auch einen pflichtgemäß Handelnden nicht von der Handlung abgehalten oder zu größerer Vorsicht veranlaßt hätte. Sie liegt umgekehrt nur vor, wenn der den Schaden Verursachende bei der nach objektivem Maßstab zu beurteilenden gehörigen Sorgfalt mit der Möglichkeit des Eintrittes jener Schadensfolgen hätte rechnen müssen, mit der er selbst nicht rechnete (vgl. Koziol - Welser, Grundriß[3] I, 296, 297).

In diesem Sinne kann im vorliegenden Fall in der Beurteilung der Untergerichte, daß den Monteur Josef Z als Erfüllungsgehilfen der Beklagten kein Verschulden treffe, ein Rechtsirrtum nicht erkannt werden. Das Entgleiten des Schraubenschlüssels aus der Hand des Monteurs war eine nicht gewollte Handlung. Allerdings kommt ein Verschulden in der Richtung in Betracht, daß der Monteur erkennbaren möglichen Folgen einer solchen Fehlleistung nicht mit geeigneten Mitteln vorbeugte. Die Unterlassung darartiger Vorsichtsmaßnahmen, hier etwa in bezug auf nahegelegene stromführende Teile des Mähdreschers, kann aber wieder nur aus dem Gesichtspunkt der nach der Verkehrsübung in ähnlichen Fällen angewandten Sorgfalt geprüft werden. Die Untergerichte haben solche erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen nach der Lage des Falles mit Recht verneint. Mit der Elektrik im Zusammenhang stehenden Maschinenteile sichernde Vorkehrungen wie etwa des Abklemmens der Batterie oder die Abdeckung elektrischer Teile waren für die durchzuführende Arbeit weder vorgeschrieben noch üblich. Dazu kommt, daß der Starterknopf, an dem der herabfallende Schraubenschlüssel unglücklicherweise hängenblieb, den sonst bei neuen Maschinen wenigstens teilweise vorhandenen Gummischutz, der einen Stromschluß und die Funkenbildung verhindert hätte, ausnahmsweise nicht trug. Mit diesem weiteren Zufall brauchte Josef Z nicht rechnen. Sein Verhalten war bei Anlegung eines objektiven Maßstabes nicht als von der Praxis pflichtbewußter und sorgfältiger Monteure abweichend. Mangels eines Verschuldens kommt dann aber eine Haftung der Beklagten selbst nach § 1311 ABGB nicht in Betracht, ohne daß auf die Frage kausaler Adäquanz eingegangen werden müßte.

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