Normen
Arbeitsgerichtsgesetz §1 Abs4
Arbeitsgerichtsgesetz §3
Arbeitsgerichtsgesetz §4
Arbeitsgerichtsgesetz §25
JN §104
ZPO §261 Abs6
ZPO §240
ZPO §261 Abs6
ZPO §475 Abs2
ZPO §478 Abs1
Arbeitsgerichtsgesetz §1 Abs4
Arbeitsgerichtsgesetz §3
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Arbeitsgerichtsgesetz §25
JN §104
ZPO §261 Abs6
ZPO §240
ZPO §261 Abs6
ZPO §475 Abs2
ZPO §478 Abs1
Spruch:
Ein Antrag auf Überweisung der Sache ist auch im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren unzulässig
Die erschöpfende Regelung des § 3 ArbGG schließt eine auch nur subsidiäre Heranziehung der Gerichtsstände der Jurisdiktionsnorm aus
Kann die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichtes auch durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien nicht mehr beseitigt werden, dann muß sie in jeder Lage des Verfahrens berücksichtigt werden; die dadurch begrundete Nichtigkeit nach § 477 Abs. 1 Z. 3 ZPO ist auch noch in höherer Instanz jederzeit von Amts wegen wahrzunehmen
Von der Sonderbestimmung des § 1 Abs. 4 ArbGG abgesehen, sind im arbeitsgerichtlichen Verfahren Zuständigkeitsvereinbarungen im Sinne des § 104 JN ausgeschlossen
OGH 26. November 1974, 4 Ob 59/74 (LGZ Wien 44 Cg 94/74; ArbG Wien 7 Cr 218/71)
Text
In ihrer am 16. August 1971 beim Arbeitsgericht Wien eingebrachten Klage bezeichnet sich die Klägerin als führendes unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie in Europa; ihr Produktions-, Verkaufs- und Forschungsentwicklungsprogramm umfasse alle Teilbereiche dieses Industriezweiges. Das in Österreich bestehende Werk N sei zwar formell Eigentum der R. Ges. m. b. H Wien, doch stunden die Geschäftsanteile dieser österreichischen Gesellschaft zu 100% im Eigentum der Klägerin.
Der Beklagte sei im Feber 1953 in die Dienste der Klägerin getreten. Auf Grund seines Fleißes und seiner Tüchtigkeit sei er schon mit 1. Mai 1957 in das Angestelltenverhältnis übernommen worden, habe sich 1960 als Werkleiter qualifiziert und sei hierauf in den technischen Führungsstab der Klägerin aufgenommen worden, zu welchem nur ein engbegrenzter Kreis von Personen gehöre, welche "höchste technische Geheimnisträger" des gesamten Konzerns seien. Die Forschungstätigkeit der Klägerin sei überwiegend im Werk R konzentriert; den Mitgliedern des Fuhrungsstabes seien die "unbezahlbaren Geheimrezepturen" und die "geheimsten Verfahrensweisen über Herstellung der Kunststoffe" bekannt. Am 2. November 1960 sei deshalb mit dem Beklagten eine Zusatzvereinbarung zu seinem Angestelltenverhältnis geschlossen worden, deren wichtigste Punkte folgendermaßen lauteten:
"I. Herr Wolfgang K verpflichtet sich, sowohl während der Tätigkeit bei der R als auch nach seinem Ausscheiden strengste Verschwiegenheit über alle Kenntnisse und Erfahrungen zu bewahren die er über die R und die mit ihr durch Interessengemeinschaft etwa verbundenen Firmen auf technischen, kaufmännischen oder anderen Gebieten erlangt hat, und zwar nicht nur Außenstehenden, sondern auch allen Werksangehörigen gegenüber, soweit diese nicht durch ihre dienstliche Tätigkeit zur Entgegennahme derartiger Mitteilungen berufen sind.
II. Herr Wolfgang K verpflichtet sich alle ihm anvertrauten Schriftstücke, Drucksachen wie überhaupt alle Geschäftspapiere jeglicher Art, auch alle eigenen und fremden Aufzeichnungen über geschäftliche Dinge als Eigentum der R zu betrachten, diese Gegenstände nicht in die Hände Unberufener gelangen zu lassen und sie auf Verlangen jederzeit, spätestens beim Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis unaufgefordert abzuliefern.
...
IV. Herr Wolfgang K verpflichtet sich, für die Dauer von 24 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht für Unternehmen mit gleichem Produktionsprogramm wie die R tätig zu sein, auch weder mittelbar noch unmittelbar mit Rat oder Tat an dem Betrieb oder der Gründung eines solchen Unternehmens mitzuwirken. Dieses Wettbewerbsverbot gilt weiter für Unternehmen, die Maschinen und Vorrichtungen für Firmen mit gleichem Produktionsprogramm wie die R herstellen. Für die Dauer des Wettbewerbsverbotes zahlt die R Herrn Wolfgang K als Entschädigung die Hälfte seiner zuletzt gewährten Bezüge. Im übrigen gelten die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB."
Zugleich mit dem Abschluß dieser Vereinbarung habe der Beklagte die Übernahme des "streng vertraulich" zu behandelnden "Materialschlüssels" bestätigt, wobei er auch auf alle Rechtsfolgen hingewiesen worden sei. Dieser "Materialschlüssel" sei ein Kompendium der Rezepturen und technischen Verfahrensweisen, welches jeweils auf den neuesten Stand gebracht werde; der Beklagte habe über sämtliche Kenntnisse daraus verfügt.
Ab 1. Juni 1960 sei der Beklagte in die Betriebsdirektion versetzt worden, welche für die Produktionsplanung aller R-Werke insbesondere auch der Werke in Deutschland und in Österreich, verantwortlich sei; ihm seien die "intimsten Produktionsgeheimnisse" zugänglich geworden.
Mit Wirkung vom 1. Jänner 1964 sei der Beklagte dann im beiderseitigen Einvernehmen als Produktionsleiter in das Werk N in Österreich versetzt worden. Dabei sei festgehalten worden, daß sein Angestelltenverhältnis zur Klägerin nicht aufgelöst werde, sondern ruhe; er sei den Weisungen der Geschäftsleitung der Klägerin unterstellt geblieben. Obwohl das Werk N formell im Eigentum der R Ges. m. b. H. stehe, sei es doch weisungsmäßig in jeder Hinsicht der Geschäftsleitung der Klagerin unterstellt und in die Hierarchie ihres Gesamtunternehmens eingegliedert. Formell habe der Beklagte neben seinem Anstellungsvertrag mit der Klägerin auch einen solchen Vertrag der R Ges. m. b H. bekommen und von dieser formell seine Bezüge erhalten.
Im Feber 1971 habe der Beklagte sein Dienstverhältnis aufgekundigt und auf Befragen erklärt, daß diese Aufkündigung auch gegenüber der Klägerin gelten solle. Er sei mit 31. Mai 1971 als Angestellter der Klägerin sowie der R Ges. m. b. H. ausgeschieden. Im Juli 1971 habe die Klägerin festgestellt, daß der Beklagte beim Konkurrenzunternehmen der Firma Alfred H in Wien beschäftigt sei. Dieser für österreichische Verhältnisse bedeutende Betrieb der Kunststoff- und Metallwarenbranche betätige sich auf dem gleichen Produktions- und Verkaufsgebiet wie die Klagerin und deren österreichisches Tochterunternehmen; er sei seit dem Eintritt des Beklagten in einer solchen Weise aktiv geworden, daß daraus einwandfrei auf einen Geheimnisbruch des Beklagten geschlossen werden könne.
Auf Grund dieses Vorbringens begehrte die Klägerin die Fällung des Urteils,
1. der Beklagte sei schuldig, gegenüber der Klägerin bei Exekution nachstehendes zu unterlassen:
a) privat oder beruflich für die Firma Alfred H tätig zu sein
b) entgegen der Geheimhaltungsverpflichtung die Geschäfts-, Betriebs- und Fabrikationsgeheimnisse der Klägerin sowie der R Ges. m. b. H. dritten Personen oder Firmen, insbesondere der Firma Alfred
H oder deren Mitarbeitern, mitzuteilen; dies alles insbesondere rücksichtlich folgender Geheimnisse:
aa) Materialschlüssel, Rezepturschlüssel (einschließlich aus "privatem Rezepturbuch"), Stammkarten, Ein- und Verkaufskundenkartei;
bb) gesamtes technisches "Know-how", so insbesondere die Forschungsergebnisse, laufende Forschungen und Forschungsvorhaben, insbesondere auf dem Gebiete des Strangpreßverfahrens (Extrusionsverfahrens), der Fensterprofile, des Werkzeugbaues und der maschinellen Herstellung;
2. im Verhältnis zwischen den Parteien werde festgestellt, daß der Beklagte der Klägerin jedweden Schaden zu ersetzen habe, der aus nachstehendem entsteht:
a) Verletzung der Konkurrenzklausel gemäß Punkt IV des Zusatzvertrages vom 2 November 1960, insbesondere durch seine Tätigkeit bei der Firma Alfred H; b) Verletzung der ihn treffenden Verpflichtung, nachstehendes geheimzuhalten: Geschäfts-, Betriebs- und Fabrikationsgeheimnisse der Klägerin sowie der R Ges m. b. H, insbesondere auch durch Verletzung der Geheimnisse rücksichtlich Materialschlüssel, Rezepturschlüssel (einschließlich "privatem Rezepturbuch") Stammkarten, Ein- und Verkaufskundenkartei gesamtes technisches "Know-how", so insbesondere die Forschungsergebnisse, laufenden Forschungen und Forschungsvorhaben, insbesondere auf dem Gebiete des Strangpreßverfahrens (Extrusionsverfahren), der Fensterprofile, des Werkzeugbaues und der maschinellen Herstellung.
Im Zuge des Verfahrens schränkte die Klägerin bei der Verhandlungstagsatzung vom 10. September 1973 infolge Ablaufes der 2jährigen Sperrfrist auf Grund des Konkurrenzverbotes per 31 Mai 1973 das Klagebegehren um Punkt 1 a desselben auf Kosten ein".
Der Beklagte gab als richtig zu, daß er bis 31. Dezember 1963 bei der Klägerin tätig gewesen war und mit ihr die soeben in ihren wesentlichen Punkten wiedergegebene Vereinbarung vom 2. November 1960 geschlossen habe, daß er dann vom 1. Jänner 1964 bis zum 31. Mai 1971 bei der R Ges. m. b H. in Österreich arbeitete und seit dem 1. Juni 1971 bei der Firma Alfred H in Wien beschäftigt ist. Im übrigen bestritt er das Klagebegehren aus tatsachlichen und rechtlichen Gründen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest daß der Beklagte im Einvernehmen mit der Klägerin am 1. Jänner 1964 laufend bei der Tochterfirma der Klägerin R Ges. m. b. H. als Werkmeister beschäftigt gewesen war, ab diesem Zeitpunkt bei der österreichischen Sozialversicherung angemeldet gewesen war und auch sein Entgelt in österreichischen Schilling von der R bezogen hatte; sein Dienstverhältnis zur Klägerin ruhte während dieser Zeit. Der Beklagte erhielt während seiner Tätigkeit in Österreich Weisungen sowohl von der Klägerin als auch von der R; er hatte zu dieser Zeit den für den ganzen R-Konzern gültigen "Materialschlüssel" in Verwahrung. Auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens nahm das Erstgericht jedoch eine Verletzung der Geheimhaltungspflicht des Beklagten oder eine Weitergabe des Know-how durch den Beklagten an die Firma H oder irgendein anderes Unternehmen nicht als erwiesen an und kam so zur Abweisung des Klagebegehrens.
Das Urteil des Erstgerichtes wurde von der Klägerin mit Berufung angefochten. Bei der mündlichen Berufungsverhandlung vom 20. Juni 1974 wurde vom Berufungsgericht von Amts wegen "die Frage der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes Wien aufgeworfen und erörtert". Die Klägerin beantragte hierauf für den Fall der örtlichen Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes Wien die Überweisung der Sache an das nicht offenbar unzuständige Arbeitsgericht St. Pölten; für den Fall der sachlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes werde die Überweisung der Sache an das nicht offenbar unzuständige Handelsgericht Wien beantragt.
Im übrigen enthält das Protokoll über die mündliche Berufungsverhandlung nur noch die Feststellung, es sei unbestritten, daß der Beklagte von Mai bis 31. Dezember 1963 im Dienst der Klägerin mit Dienstverwendung in N gestanden ist und daß er ab 1. Jänner 1964 in der gleichen Position als Dienstnehmer der Firma R Ges. m. b. H. Wien in N verwendet wurde.
Das Berufungsgericht schränkte das Verfahren auf die Zuständigkeitsfrage ein und sprach sodann mit Beschluß aus Anlaß der Berufung die Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes Wien zur Entscheidung in dieser Rechtssache aus; das angefochtene Urteil wurde aufgehoben, das bisherige Verfahren für nichtig erklärt und die Klage ebenso wie die Überweisungsanträge der Klägerin zurückgewiesen. Da die Klägerin ihren Sitz in der BRD habe und nach den Angaben der Klage auch die Betriebsstätte in N nicht in ihrem Eigentum, sondern in dem ihrer österreichischen Tochtergesellschaft stehe, kämen als Anknüpfungspunkte für die örtliche Zuständigkeit im Sinne des § 3 ArbGG nur der Ort der Arbeitsleistung oder der Lohnzahlungsort in Frage. Da aber unbestritten sei, daß der Beklagte von Mai bis Dezember 1963 im Werk N als Dienstnehmer der Klägerin gearbeitet habe, und nichts darüber vorgebracht worden sei, daß dort nicht auch der Lohn gezahlt wurde, sei nach § 3 ArbGG nicht das Arbeitsgericht Wien, sondern das Arbeitsgericht St. Pölten örtlich zuständig, soweit die Streitigkeit überhaupt in die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes falle. Dies sei für die aus einer Verletzung der Konkurrenzklausel durch den Beklagten abgeleiteten Ansprüche zweifellos gegeben, das Arbeitsgericht insofern also nur örtlich unzuständig. Hingegen handle es sich bei der von der Klägerin behaupteten Verletzung der dem Beklagten auferlegten Geheimhaltungspflicht um Fragen des unlauteren Wettbewerbsrechtes, über welche nicht das Arbeitsgericht, sondern ausschließlich das Handelsgericht zu erkennen habe, so daß in diesem Umfang auch sachliche Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes Wien angenommen werden müsse. Auch die Zusammenhangszuständigkeit des § 1 Abs. 3 ArbGG komme hier nicht zum Zuge, weil diese Bestimmung den Fall der ausschließlichen Zuständigkeit eines anderen Gerichtes ausdrücklich ausnehme. Da sowohl die örtliche als auch die sachliche Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes gemäß § 4 ArbGG in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen seien, liege der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z. 3 ZPO vor, welcher zur Aufhebung des Ersturteils, Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens und Zurückweisung der Klage führen müsse. An diesem Ergebnis könnten auch die Überweisungsanträge der Klägerin nichts ändern, weil eine solche Antragstellung mangels Einwendung der Unzuständigkeit durch den Beklagten unzulässig und daher unbeachtlich sei.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht eine nach Verfahrensergänzung zu fällende neuerliche Entscheidung über die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Rekurse sind gemäß § 519 Z. 2 ZPO zulässig, wobei auch dem Beklagten, welcher in erster Instanz eine Sachentscheidung zu seinen Gunsten erwirkt hatte, das Rechtsmittelinteresse nicht abgesprochen werden kann, ist doch auch er durch die Beseitigung dieses Urteils und dessen Ersetzung durch eine Formalentscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt worden (Arb. 891 I; JBl. 1951, 574 u. v. a., zuletzt etwa 7 Ob 67/74, 4 Ob 46/74; ebenso Fasching IV, 379 vor §§ 514 ff. ZPO Anm. 10).
Die Rekurse sind aber auch berechtigt.
§ 4 ArbGG, wonach das Arbeitsgericht seine Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen hat, gilt nicht nur für die sachliche.
Zuständigkeit: § 3 ArbGG, welcher die örtliche Zuständigkeit des
Arbeitsgerichtes unter Ausschaltung der Gerichtsstände der
Jurisdiktionsnorm erschöpfend und zwingend regelt, läßt für
abweichende Parteienvereinbarungen keinen Raum; von der
Sonderbestimmung des § 1 Abs. 4 ArbGG abgesehen (vgl. dazu SZ 31/124
= Arb. 6942 = EvBl. 1959/23 = JBl. 1959, 243 = SozM IV A 139; SZ
38/34 = Arb. 8032 = EvBl. 1965/345; Stanzl, Arbeitsgerichtliches
Verfahren, 111), sind daher im arbeitsgerichtlichen Verfahren
Zuständigkeitsvereinbarungen im Sinne des § 104 JN ausgeschlossen
(SZ 35/54 = Arb. 7571 = EvBl. 1962/420 = SozM IV A 237; Arb. 5945 =
JBl. 1954, 442 = SozM IV A 28; Stanzl, 112, insbesondere auch FN 4;
Fasching I, 508 § 104 JN Anm. 14). Kann aber die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichtes auch durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien nicht mehr beseitigt werden, dann muß sie gemäß § 240 Abs. 2, § 441 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 17 Abs. 1 ArbGG in jeder Lage des Verfahrens berücksichtigt werden; die dadurch begrundete Nichtigkeit nach § 477 Abs. 1 Z. 3 ZPO ist gemäß § 471 Z. 7, §§ 494, 513 ZPO auch noch in höherer Instanz jederzeit von Amts wegen wahrzunehmen (Stanzl, 122; vgl. auch Arb. 7236 = EvBl. 1960/293 = MietSlg. 8449; Arb. 8028).
Entgegen den Rekursausführungen der Klägerin war also das Berufungsgericht durchaus berechtigt, die Frage der sachlichen wie auch der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichtes Wien auch ohne entsprechende Einwendung des Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung von Amts wegen aufzuwerfen. Die von ihm in diesem Zusammenhang vertretene, dem angefochtenen Beschluß zugrunde liegende Rechtsauffassung hält aber einer Überprüfung nur zum Teil stand:
Im angefochtenen Beschluß wird die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes Wien zur Entscheidung über die auf eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gegrundeten Ansprüche der Klägerin mit der Begründung verneint, daß es sich hier "um Fragen des unlauteren Wettbewerbsrechtes" handle, für welche gemäß § 22 UWG, § 51 Abs. 2 Z. 10 JN ausschließlich das Handelsgericht zuständig sei. Diese Auffassung ist schon deshalb unrichtig, weil die Klägerin auch diesen Teil ihres Begehrens nach dem Inhalt des Klagevorbringens ausdrücklich auf die "Geheimhaltungsverpflichtung gemäß Punkt 1 der Zusatzvereinbarung vom 2. November 1960" gestützt und folgerichtig auch in ihrem Urteilsbegehren auf diese"Geheimhaltungsverpflichtung" Bezug genommen hat. Die Klägerin macht also auch mit diesem Teil ihres Begehrens Ansprüche aus einer Vertragsverletzung des Beklagten geltend, nicht aber wettbewerbsrechtliche Ansprüche aus einem Verstoß des Beklagten gegen die - im übrigen auf einen Geheimnisverrat nach dem Ende des Dienstverhältnisses gar nicht anwendbare - Bestimmung des § 11 UWG. Selbst wenn man aber den Hinweis der Klägerin auf die "straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit" des Beklagten für seinen Geheimnisverrat sowie ihre Behauptung, daß sich der Beklagte des "Gesetzes- und Vertragsverstoßes" sehr wohl bewußt sei, dahin verstehen wollte, daß die Klägerin dem Beklagten damit nicht nur eine Vertragsverletzung, sondern auch einen Verstoß gegen § 11 UWG zum Vorwurf machen wollte, würde auch diese Auslegung zu keinem anderen Ergebnis führen; auch in diesem Fall wäre nämlich das - zur Beurteilung der behaupteten Vertragsverletzung jedenfalls sachlich zuständige - Arbeitsgericht zur Beurteilung des gesamten Sachverhaltes unter allen rechtlichen Gesichtspunkten berufen (SZ 25/325; SZ 28/193 u. a.). Von einer ausschließlichen Zuständigkeit des Handelsgerichtes, wie sie das Berufungsgericht hinsichtlich des erwähnten Teilbegehrens annimmt, kann daher keine Rede sein; vielmehr ist auch für das aus dem behaupteten Geheimnisverrat des Beklagten abgeleitete Unterlassungs- und Feststellungsbegehren der Klägerin die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes gegeben. Die Unzuständigkeitsentscheidung des Berufungsgerichtes ist daher insoweit jedenfalls verfehlt.
Anders verhält es sich dagegen mit der vom Berufungsgericht ebenfalls verneinten örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichtes: Wie schon erwähnt, schließt die erschöpfende Regelung des § 3 ArbGG eine auch nur subsidiäre Heranziehung der Gerichtsstände der Jurisdiktionsnorm aus; entgegen der Meinung der Klägerin kann daher auch der Arbeitnehmer oder Beschäftigte wegen Ansprüchen, die vor das Arbeitsgericht gehören, nicht bei seinem allgemeinen Gerichtsstand (§§ 65 f. JN) belangt werden (so ausdrücklich bereits SZ 35/54 = Arb. 7571 = EvBl. 1962/420 = SozM IV A 237; dazu Stanzl, 36). Die örtliche Zuständigkeit des mit dieser Klage angerufenen Arbeitsgerichtes Wien kann daher nicht auf den Wohnsitz des Beklagten, sondern nur auf einen der fünf Zuständigkeitstatbestände des § 3 ArbGG gestützt werden. Daß dabei im vorliegenden Fall, in welchem die klagende Dienstgeberin ihren Sitz in der BRD hat, während die inländische Betriebsstätte, in welcher der Beklagte vom Mai 1963 bis 31. Mai 1971 tätig war, im Eigentum einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft der Klägerin steht, nur die Gerichtsstände des Ortes der Arbeitsleistung oder der Lohnzahlung in Betracht kommen können, hat schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Seine Entscheidung, mit der es das Vorliegen auch dieser beiden Zuständigkeitstatbestände verneint hat, beruht aber auf einer mangelhaften Tatsachengrundlage:
Das Berufungsgericht hätte sich hier nicht mit der in der mündlichen Berufungsverhandlung als unbestritten bezeichneten Feststellung einer Tätigkeit des Beklagten im Werk N sowie mit dem Hinweis darauf begnügen dürfen, es sei "nichts darüber vorgebracht worden, daß dort nicht auch die Lohnzahlung erfolgt sei"". es wäre vielmehr verpflichtet gewesen, den für die Zuständigkeitsentscheidung maßgebenden, im konkreten Fall nicht mit den anspruchsbegrundenden Tatsachen zusammenfallenden Sachverhalt unabhängig von den Behauptungen der Parteien von Amts wegen klarzustellen und erforderlichenfalls im Sinne des § 473 Abs. 2 ZPO auch über die bisherigen Verhandlungsergebnisse hinauszugehen (SZ 34/97 = EvBl. 1961/490; EvBl. 1973/181; MietSlg. 24.607; 5 Ob 71/73; Stanzl, 120). Präzise Feststellungen darüber, an welchen Orten der Beklagte auf Grund seines Dienstverhältnisses mit der Klägerin für diese in Österreich im Sinne des § 3 ArbGG "Arbeit geleistet" hat - wobei die Umstände des jeweiligen Falles durchaus auch zur Annahme einer Mehrzahl solcher Beschäftigungsorte führen könnten -, enthält aber der angefochtene Beschluß ebensowenig, wie ihm zu entnehmen ist, wo die Klägerin dem Beklagten während dieser Zeit sein Arbeitsentgelt ausgezahlt hat. Das Berufungsgericht wird diese Umstände auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse sowie eines allfälligen ergänzenden Sach- und Beweisvorbringens der Parteien - wie es zum Teil schon in den beiden Rekursen enthalten ist - klarzustellen haben. Erst dann wird es verläßlich beurteilen können, ob das Arbeitsgericht Wien als Gericht des Beschäftigungs- oder des Lohnzahlungsortes im Sinne des § 3 ArbGG für den vorliegenden Rechtsstreit örtlich zuständig ist oder nicht.
Den Rekursen beider Parteien war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Frage der örtlichen Zuständigkeit aufzutragen.
Abschließend ist noch darauf zu verweisen, daß dann, wenn das fortgesetzte Verfahren abermals zur Annahme der örtlichen Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes Wien führen sollte, dem für diesen Fall gestellten Antrag der Klägerin auf Überweisung der Sache an das nicht offenbar unzuständige Arbeitsgericht St. Pölten keinesfalls stattgegeben werden könnte: Das Gesetz sieht eine solche Antragstellung grundsätzlich nur für das Verfahren erster Instanz vor (Rspr. 1937/267); im Rechtsmittelverfahren - und zwar trotz § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren - ist ein Antrag nach § 261 Abs. 6 ZPO schon deshalb unzulässig, weil die hier allein in Betracht kommende unheilbare Unzuständigkeit des Erstgerichtes gemäß § 477 Abs. 1 Z. 3, § 478 Abs. 1 ZPO zwingend zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des ihm vorangegangenen Verfahrens wegen Nichtigkeit sowie zur Zurückweisung der Klage führen muß (vgl. dazu Fasching III, 215 § 261 Abs. 6 ZPO Anm. 11); im übrigen kommt auch eine Überweisung nach § 475 Abs. 2 ZPO bei unheilbarer Unzuständigkeit des Prozeßgerichtes nicht in Betracht (Rspr. 1937/267; Fasching IV, 96 § 475 ZPO Anm. 5 mit weiteren Hinweisen).
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