Normen
AO §10 Abs4
AO §55c
AO §10 Abs4
AO §55c
Spruch:
Der Ausgleichsschuldner verliert seine Prozeßfähigkeit bei einer Überwachung des Ausgleiches auch im Falle einer Vermögensübertragung gemäß § 55c Abs. 2 AO nicht
Er kann vielmehr jedenfalls mit dem Sachwalter als Streitgenosse geklagt werden, wenn der auf das übertragene Vermögen verwiesene Gläubiger Urteilswirkungen, die sonst den Sachwalter treffen, auch gegen den Schuldner erreichen will
Es kann aber auch der Ausgleichsschuldner allein geklagt werden. Das gegen ihn erwirkte Urteil verschafft dem Gläubiger allerdings keinen Zugriff auf das Ausgleichsvermögen und hat auch keine bindende Wirkung für den Sachwalter, weil der Ausgleichsschuldner auch nicht über ein gerichtliches Verfahren eine Verfügungsmöglichkeit über das Ausgleichsvermögen erhalten kann. Da Gläubiger von Geschäftsführungsforderungen auch auf das Ausgleichsvermögen greifen können, können sie sich auch erforderlichenfalls einen Exekutionstitel für diesen Zugriff durch eine Klage gegen den Sachwalter verschaffen. Sie können auch im Falle des Liquidationsausgleiches den Sachwalter ebenso wie den Ausgleichsschuldner klagen
OGH 12. November 1974, 4 Ob 55, 56/74 (LGZ Wien 44 Cg 107, 108/74; ArbG Wien 7 Cr 325, 365;73)
Text
Die Klägerin Marianne K behauptet, daß sie vom 4. Jänner 1956 bis 31. Mai 1973 bei der beklagten Partei als Vertreterin im Angestelltenverhältnis beschäftigt gewesen sei. Mit Schreiben der beklagten Partei vom 29. Mai 1973 sei das Dienstverhältnis wegen Eröffnung des Ausgleichsverfahrens über das Vermögen der beklagten Partei aufgelöst worden. Sie begehrt eine Abfertigung in der Höhe von 35.350 S (7 Monatsbezüge samt anteilsmäßigen Sonderzahlungen) an rückständigem Gehalt für Mai 1973 und Kündigungsentschädigung bis 17. August 1973 unter Berücksichtigung des Krankenstandes der Klägerin und einer bereits erhaltenen Zahlung einen Betrag von 8812 S sowie an anteiligen Sonderzahlungen für die Zeit vom 1. Jänner bis 17 August 1973 einen Betrag in der Höhe von 7350 S somit einen Gesamtbetrag von 51.512 S und errechnet unter Berücksichtigung eines Guthabens der beklagten Partei von 8049.05 S einen Klagsbetrag von 42.473 S (richtig 43.462.95), dessen Zuspruch sie beantragt.
Die Klägerin Marianne M behauptete sie sei bei der beklagten Partei als Angestellte beschaftigt gewesen. Das Dienstverhältnis sei durch Kündigung seitens der beklagten Partei beendet worden. Sie begehrt die anteilsmäßige Weihnachtsremuneration für die Zeit vom 1. Jänner bis 30. September 1973 in der Höhe von 4564S und eine Abfertigung in der Höhe von 28.517 S (4 Monatsgehälter samt anteilsmäßigen Sonderzahlungen), somit insgesamt einen Betrag von 33.081 S
Die beklagte Partei bestritt beide Begehren dem Grund und der Höhe nach Sie macht vor allem mangelnde Passivlegitimation geltend weil sie zur Erfüllung des Ausgleiches dem Ausgleichsverwalter die unwiderrufliche Vollmacht erteilt habe, die gesamten Aktiven zu verwalten und zu veräußern oder sonst zu verwerten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest: über das Vermögen des Ferdinand K, eines Einzelkaufmannes. Der unter der als beklagten Partei angeführten Firma seine Geschäfte betrieb, wurde am 10. Mai 1973 das Ausgleichsverfahren eröffnet. Der Ausgleich wurde am 1. Oktober 1973 rechtskräftig bestätigt. Nach Inhalt des Ausgleiches erhalten die Ausgleichsgläubiger, deren Forderungen kein Vorrecht genießen, im Wege der Liquidation des gesamten Vermögens des Ausgleichsschuldners zur gänzlichen Befriedigung ihrer Forderungen eine Quote von 40% innerhalb eines Jahres nach Annahme des Ausgleiches. Der Ausgleichsschuldner hat zur Erfüllung des Liquidationsausgleiches dem Ausgleichsverwalter als Sachverwalter im fortgesetzten Verfahren unwiderrufliche Vollmacht erteilt, die gesamten Aktiven im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu verwalten und bestmöglich zu veräußern oder sonst zu verwerten. Der Erlös ist nach Bezahlung der Liquidationskosten und der gemäß §§ 23 und 23a AO bevorrechteten Forderungen sowie nach Befriedigung der Aussonderungs- und Absonderungsberechtigten an die Ausgleichsgläubiger im Verhältnis ihrer Forderungen aufzuteilen, soweit der Liquidationserlös hiefür ausreicht. Das Ausgleichsverfahren wird bis zur Erfüllung des Ausgleiches fortgesetzt; der Gläubigerbeirat bleibt im Amt.
Rechtlich war das Erstgericht der Auffassung, daß die Forderungen der Klägerinnen gegen den Ausgleichsverwalter und nicht gegen die beklagte Partei zu erheben seien, weil die beklagte Partei selbst kein Vermögen mehr habe und über ein solches auch nicht verfügungsberechtigt sei.
Über Berufung der Klägerinnen hob das Berufungsgericht nach Neudurchführung des Verfahrens gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 ArbGG die Entscheidungen des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug diesem neuerliche Verhandlung und Entscheidung auf. Es stellte ergänzend fest, daß Rechtsanwalt Dr. St. zum Ausgleichsverwalter bestellt wurde und der Ausgleichsschuldner diesem die unwiderrufliche Vollmacht zur Liquidation und Verwertung des Vermögens erteilte; die Anordnung des Ausgleichsgerichtes erfolgte im Sinne der §§ 55b und 55c AO. Daraus folgerte das Berufungsgericht daß zwar Ausgleichsforderungen ab Bestätigung des Ausgleiches nur mehr gegen den Ausgleichsverwalter (Sachwalter) geltend gemacht werden könnten und insoweit die Passivlegitimation der beklagten Partei nicht gegeben wäre. Da aber die Forderungen der Klägerinnen erst nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens entstanden seien, wurden sie vom Ausgleichsverfahren nicht berührt, so daß hinsichtlich dieser Forderungen die Passivlegitimation der beklagten Partei nicht verlorengegangen sei. Die Klägerinnen hätten vielmehr nur die beklagte Partei, nicht aber auch den Ausgleichsverwalter (Sachwalter) in Anspruch nehmen können. Das Erstgericht müsse daher die Berechtigung der erhobenen Ansprüche prüfen und die dazu erforderlichen Feststellungen treffen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im Rekurs wird vor allem geltend gemacht, daß es nicht wesentlich sei, ob eine sogenannte Ausgleichsforderung geltend gemacht werde, sondern ob die geltend gemachte Forderung aus der Liquidationsmasse zu befriedigen sei. Die Forderungen der Klägerinnen, die aus der Beendigung des Dienstverhältnisses entstanden seien, seien zwar keine Ausgleichsforderungen, wohl aber solche, die aus der Liquidationsmasse zu befriedigen seien. Es sei daher erforderlich, daß die Passivlegitimation hinsichtlich dieser Forderungen vom Ausgleichsschuldner auf den Sachwalter übergehe, weil sonst der Ausgleichsschuldner eine ihm nicht zukommende Verfügungsmöglichkeit über das Liquidationsvermögen bekäme.
Zu diesen Ausführungen ist zunächst darauf zu verweisen, daß nicht strittig ist, daß der Ausgleichsschuldner seine gesamten Aktiven dem Ausgleichsverwalter als Sachwalter im Sinne der §§ 55b und 55c AO zur Verwertung übertragen hat, also eine Geschäftsabwicklung unter gleichzeitiger Lastenbereinigung und nicht bloß eine Überwachung eines vom Ausgleichsschuldner selbst abzuwickelnden Ausgleiches angeordnet wurde. Es wurde zwar nicht ausdrücklich festgestellt, daß das Vermögen des Ausgleichsschuldners dem Sachwalter übertragen wurde (§ 55c Abs. 2 AO), doch ergibt sich dies aus dem Zusammenhang des festgestellten Sachverhaltes, insbesondere daraus, daß der Sachwalter die gesamten Aktiven des Ausgleichsschuldners zu verwalten und zu verwerten hat und der Erlös, soweit er ausreicht, zur Befriedigung der Forderungen der Ausgleichsgläubiger zu verwenden ist. Es wurde auch ausdrücklich darauf verwiesen, daß die Anordnung des Ausgleichsgerichtes im Sinne der §§ 55b und 55c AO erfolgte. Es sind somit die wesentlichen Merkmale eines sogenannten Liquidationsausgleiches gegeben (SZ 43/42, 43/137; EvBl. 1973/270; 5 Ob 346/71; 3 Ob 8, 9/74 u. a.).
Bei einem solchen bleibt das Ausgleichsvermögen, das zur Erfüllung des Ausgleiches dient, weiter ein Vermögen des Ausgleichsschuldners, aber der Ausgleichsschuldner verliert für die Dauer der Überwachung durch den Sachwalter seine Verfügungsberechtigung über dieses Vermögen. Die Verfügungsberechtigung geht auf den Sachwalter über, auf dessen Entschlüsse der Ausgleichsschuldner keinen Einfluß hat (Bartsch - Pollak, AO[3], 474, 476; SZ 43/42; 3 Ob 8, 9/74). Daraus wird in Lehre und Rechtsprechung abgeleitet, daß Klagen der auf das übertragene Vermögen verwiesenen Gläubiger gegen den Sachwalter zu richten sind (Bartsch - Pollak, 478, SZ 43/42; SZ 41/91), und der Ausgleichsschuldner im Falle der Übergabe seines gesamten Vermögens an den Sachwalter ab dem Zeitpunkt dieser Übergabe nicht mehr in Verzug bei der Erfüllung solcher Ansprüche geraten kann (EvBl. 1973/270; 3 Ob 8, 9/74 u. a.) Rechtshandlungen des Ausgleichsschuldners, die der Verfügungsbefugnis des Sachwalters widerstreiten, sind allerdings nicht schlechthin, sondern nur den begünstigten Gläubigern gegenüber unwirksam (Bartsch - Pollak, 477).
Der Ausgleichsschuldner verliert aber seine Prozeßfähigkeit bei einer Überwachung des Ausgleiches auch im Falle einer Vermögensubertragung gemäß § 55c Abs. 2 AO nicht. Er kann vielmehr jedenfalls mit dem Sachwalter als Streitgenosse geklagt werden, wenn der auf das übertragene Vermögen verwiesene Gläubiger Urteilswirkungen, die sonst den Sachwalter treffen, auch gegen den Schuldner erreichen will (Bartsch - Pollak, 478). Es kann aber auch der Ausgleichsschuldner allein geklagt werden. Das gegen ihn erwirkte Urteil verschafft dem Gläubiger allerdings keinen Zugriff auf das Ausgleichsvermögen und hat auch keine bindende Wirkung für den Sachwalter, weil der Ausgleichsschuldner auch nicht über ein gerichtliches Verfahren eine Verfügungsmöglichkeit über das Ausgleichsvermögen erhalten kann (vgl. Petschek - Reimer - Schiemer,
Das österr. Insolvenzrecht, 786, zur Frage, ob während des Verfahrens eine Klage gegen den Ausgleichsschuldner oder gegen den Ausgleichsverwalter zu richten ist, und 812, wonach ein Sachwalter gemäß § 55c Abs. 2 AO die Rechte eines Ausgleichsverwalters hat). Ein Urteil gegen den Ausgleichsschuldner ist aber doch für den Gläubiger nicht wertlos, weil das nach Beendigung des Ausgleichsverfahrens (der Tätigkeit des Sachwalters) vom Ausgleichsschuldner erworbene Vermögen nicht mehr zum Ausgleichsvermögen gehört (Bartsch - Pollak, 474) und dem Zugriff der Gläubiger offen ist. Es kann daher auch nicht gesagt werden, daß ein während der Überwachung des Ausgleiches unter Übertragung des Vermögens des Ausgleichsschuldners gemäß § 55c Abs. 2 AO erwirktes Urteil keine Grundlage für eine Exekution sein könnte und daher ein Rechtsschutzbedürfnis, das bei Leistungsklagen nicht besonders dargelegt werden muß (Fasching ZP III, 6; SZ 26/99; EvBl. 1957/302; EFSIg. 10.572; MietSlg. 17.027 u. a.), für ein gegen den Ausgleichsschuldner gestelltes Begehren in diesem Falle fehlte.
Zu den auf das Ausgleichsvermögen verwiesenen Gläubigern gehören allerdings nicht nur die Ausgleichsgläubiger, sondern auch Gläubiger von Geschäftsführungsforderungen und von bevorrechteten Forderungen, die im Ausgleich, aus welchem Gründe immer, unbefriedigt geblieben sind (Bartsch - Pollak, 478, 480). Richtig ist allerdings, daß Geschäftsfuhrungsforderungen, die im Ausgleich eine ähnliche Stellung wie die bevorrechteten Forderungen haben (allerdings ohne betragsmäßige Beschränkung), am Ausgleich nicht teilnehmen und den Wirkungen des rechtskräftig bestätigten Ausgleiches nicht unterliegen (Bartsch - Pollak, 120, 139, 154; Petschek - Reimer - Schiemer, 780; EvBl. 1966/223). Sie sind voll zu bezahlen (vgl. § 46 Abs. 2 AO), in einem allfälligen Anschlußkonkurs Masseforderungen (§ 46 Abs. 1 Z. 2 KO) und ganz allgemein gegenüber Ausgleichsforderungen bevorzugt (Petschek - Reimer - Schiemer, 790, 792). Wollte man ihnen aber im Falle der Überwachung der Ausgleichserfüllung durch einen Sachwalter gemäß §§ 55b und 55c AO unter Übertragung des Vermögens des Ausgleichsschuldners oder eines Teiles davon an den Sachwalter den Zugriff auf dieses Vermögen zur Befriedigung ihrer Ansprüche verwehren, wären sie hinsichtlich der Durchsetzbarkeit ihrer Ansprüche eindeutig schlechter gestellt als die Gläubiger von Ausgleichsforderungen. Das widerspräche den für die Behandlung solcher Forderungen von der Ausgleichsordnung festgelegten Grundsätzen. Überdies wurde auch im bestätigten Ausgleich ausdrücklich festgelegt, daß zunächst die bevorrechteten Forderungen und dann erst die Ausgleichsforderungen zu bezahlen sind. Die Geschäftsführungsforderungen können aber nicht schlechter gestellt werden als die bevorrechteten. Die Gläubiger von Geschäftsführungsforderungen können daher auch auf das Ausgleichsvermögen greifen, so daß ihnen auch zugestanden werden muß, sich erforderlichenfalls einen Exekutionstitel für diesen Zugriff durch eine Klage gegen den Sachwalter zu verschaffen. Daraus folgt aber nicht, daß sie ihre Forderung nur gegen den Sachwalter, nicht aber auch gegen den Ausgleichsschuldner selbst einklagen können. Es stehen ihnen vielmehr beide Möglichkeiten offen (Petschek - Reimer - Schiemer,787).
Daß die Forderungen der Klägerinnen Geschäftsführungsforderungen sind, wurde vom Berufungsgericht richtig erkannt. Zu diesen Forderungen gehören nämlich auch Ansprüche für Dienste, die nach der Verfahrenseröffnung geleistet wurden, Ansprüche wegen Auflösung des Dienstverhältnisses nach der Verfahrenseröffnung und auch Abfertigungsanspruche, wenn die Lösung des Dienstverhältnisses nach der Verfahrenseröffnung erfolgte, da der Abfertigungsanspruch erst mit dem Ende des Dienstverhältnisses entsteht, mag er auch in der Zeit vor der Verfahrenseröffnung seinen Ursprung haben (Bartsch - Pollak, 123, 282, 283; Petschek - Reimer - Schiemer, 749; EvBl. 1966/223; ArbSlg. 7.279, 6.778, 6.790, 5.729 u. a.). Um solche Ansprüche handelt es sich aber bei den erhobenen Klagsforderungen. Sie sind daher Geschäftsführungsforderungen.
Da solche (auch) gegen den Beklagten geltend gemacht werden können, wurde die Klage vom Erstgericht zu Unrecht wegen mangelnder Passivlegitimation der beklagten Partei abgewiesen. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht dessen Entscheidung aufgehoben und eine Prüfung der für den Bestand der erhobenen Forderungen maßgeblichen Umstände aufgetragen. Der Rekurs gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes ist daher im Ergebnis nicht berechtigt.
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